I. Die Freude und der Tod.
6. Mai 2011
„Ich habe Verständnis dafür, dass manche Leute es nicht gut finden, die Worte Freude und Tod in einem Satz zusammengestellt zu sehen.“
(Das ließ die Bundeskanzlerin der BRD ausrichten, nachdem sich Kritik an ihrer Äußerung geregt hatte:
„Ich freue mich, dass es gelungen ist, Osama Bin Laden zu töten.“
Es ist sinnvoll, dieses Beispiel politischer Rhetorik ein wenig genauer zu betrachten:
Zunächst ist es von Bedeutung, die Äußerung der Kanzlerin als Auswahl aus einer Reihe formal möglicher Formen zu verstehen. Diese (acht) Formen (unter Einschluss der Negationen) lauten:
„Ich freue mich, dass es gelungen ist, x zu töten.“
„Ich freue mich nicht, dass es gelungen ist, x zu töten.“„Ich freue mich, dass es nicht gelungen ist, x zu töten.“„Ich freue mich, dass es gelungen ist, x nicht zu töten.“
„Ich freue mich nicht, dass es nicht gelungen ist, x zu töten.“„Ich freue mich nicht, dass es gelungen ist, x nicht zu töten.“
„Ich freue mich , dass es nicht gelungen ist, x nicht zu töten.“„Ich freue mich nicht, dass es nicht gelungen ist, x nicht zu töten.“
Man kann sich das ansehen, indem man sich dem ‘Schillern’ dieser Formen ein wenig überlässt. Es erspart mir es zu erläutern. Selbst dort, wo sich 'rein logisch' aufgrund der doppelten Negation der Ausgangssatz ergibt, ist semantisch doch ein Unterschied zwischen dem ersten und dem vorletzten Satz. Denn es bleibt dann unbestimmt, was anstelle des negierten 'ich freue mich' an dessen Stelle eintreten kann, eine mit Sicherheit langer Katalog möglicher Einsetzungen an der Stelle des 'ich freue mich'. Die ausdrücklich positive Betonung, die in dem 'ich freue mich' ist also sehr viel stärker als die durch doppelte Negation formulierte. Einmal abgesehen von der 'Perfidie', die in der Art steckt, in der der letzte Satz eine Komplikation darstellt, die den Zuhörer verwirren kann, wenigstens indem sie ihn eine Weile aufhält, bevor er sich schlüssig darüber werden kann, was das heißt, es sei denn auch der Hörer ist darauf trainiert derartige Sentenzen zu bilden, nicht nur zu verstehen.
Die Kanzlerin hat angesichts der Kritik an ihrer Äußerung dazu verstanden ausrichten zu lassen, sie habe Verständnis dafür, wenn manche Leute es nicht gut finden, die Worte 'Freude' und 'Tod' in einem Satz zu finden.
Nun ist nicht klar, worauf sie sich da eigentlich bezieht. In ihrer Äußerung ist keines dieser Worte zu finden. Man kann einwenden, das sei zu spitzfindig, man wisse schon, was 'gemeint' sei. Es ist aber wie bei Alice in Wonderland, in dem Gespräch zwischen dem Märzhasen und Alice, wo der Unterschied zwischen dem, was man sagt, und dem was man meint derart gemacht wird, dass es darauf ankommt zu sagen was man meint, und sich nicht darauf hinaus zu reden, das sei doch klar, indem man zunächst dem Hörer die Verantwortung dafür zuschiebt, zu verstehen, was 'man meint', bzw. die ihm angebotene Form der Äußerung nicht so genau zu nehmen, um sich, wenn er/sie das doch genau nimmt und wirklich hört, was gesagt wird, darauf hinaus zu reden, man habe dies oder jenes gemeint.
Es ist das derart Gemeinte eben das, was erst gemeint ist, wenn man sich darauf aufmerksam gemacht sieht, was man gesagt hat. Und es ist vollkommen richtig, wenn der Hörer nicht einfach etwas Gemeintes der gehörten Äußerung unterlegt und sich oder sonstwem sagt oder nicht, das sei das mit dem Gesagten Gemeinte. Kommunikation verlangt, dass man sagt, was man meint, und dass der Hörer das Gesagte für das Gemeinte nimmt und nehmen darf oder sogar muss, wenn nicht eine diffuse Verwirrung eintreten soll, die ja auch zu Ungunsten des Sprechers ausgehen kann, indem eine antizipatorisch in die Kommunikation eingeschleuste Interpretation, eine merkwürdige Art von Hermeneutik, dazu führt, dass man das Gemeinte aus dem Gesagten herausdeuten darf oder sogar soll, indem man gewohnheitsmäßig diese oder jene Abweichung von dem Gesagten als das damit Gemeinte unterschiebt und derart prozessiert, bis zu einem Punkt, an dem das längst flächenbrandähnlich ausgebreitete Missverständnis zu gänzlich unklaren Lage führt, weil alle Sprecher/Hörer ständig eine derartige Hermeneutik des Gesprächs betreiben.
Man muss, kurz gesagt, das Gesagte als das Gemeinte nehmen. Sonst ist am Ende alles unklar und alles kann zur Ausrede werden, die dann unweigerlich eintritt, wenn der Versuch, es darauf ankommen zu lassen, dass die Äußerung durchgeht und dann wortreich zu erklären, das Gemeinte sei doch klar und die Kritik sei doch kleinlich, statt sich zu dem zu stellen, was man, zumal als verantwortlich handelnde Person gesagt hat, und dafür die Verantwortung zu übernehmen, anstatt sich nach dem Muster infantiler Unzuverlässigkeit ständig herauszureden, wenn man damit konfrontiert wird, was man tat, indem man etwas sagte und damit auch meinte. Kommunikation kann sich nicht auf eine prinzipiell kommunikativ unzugängliche Innerlichkeit berufen, die stets dann als die 'reine Seele' auftritt, wenn sie sich an ihren Äußerungen ertappt und beim Wort genommen wird. Dabei wird keineswegs bestritten, dass es diese Innerlichkeit gibt, aber was es auf sich hat mit 'der schönen Seele' hat Hegel bereits recht deutlich gemacht, denn auch ihm was diese Ausredensucherei schon bekannt.
Die Äußerung der Kanzlerin war, in allgemeiner Form:
„Ich freue mich, dass es gelungen ist, x zu töten.“
Auf die Kritik antwortet sie, wiederum etwas formalisiert:
„Ich kann verstehen, dass es Manchem nicht gefällt, die Worte ‘Freude’ und ‘Tod’ in einem Satz zu finden.“
Nun ist nicht klar, worauf sich diese Reaktion bezieht. Sie bezieht sich jedenfalls nicht auf ihre kritisierte Äußerung, denn diese besteht aus zwei Sätzen. Und sie ist auch nicht bezogen auf die Kritik, denn der Satz:
„Ich empfinde keine Freude über den Tod von x“,
ist möglich und die Kritik betrifft diese Formulierung mit Sicherheit nicht, ebenso wenig wie die Kommentierung der Kritik etwas Sinnvolles trifft, wie der Satz ersichtlich werden lässt, der ganz unanstößig 'Freude' und 'Tod' in einem Satz vereint, wenn auch negiert. Aber das ist ja nicht ausgeschlossen.
Der Kommentar der Kanzlerin betrifft weder ihre eigene Äußerung, denn dort heißt es: 'Ich freue mich', und 'dass es gelungen ist x zu töten’, er bezieht sich also auf einen seelischen Zustand (der Kanzlerin), die ein Inneres mitteilt, den Zustand der schönen Seele in einem bestimmten Augenblick einerseits, und die Bezugnahme auf eine Handlung andererseits, die Handlung, 'x zu töten', die gelungen ist. Es geht also einerseits um die Selbstbekundung des Zustands der schönen Seele einerseits, der sich daraus ergibt, 'dass es gelungen ist...zu töten'.
Von der 'Freude', etwa wie in: 'Freude, schöner Götterfunken....', wo die substantivierte Form selbständig auftritt, ist in ihrer Äußerung also so wenig die Rede wie von dem auf dieselbe Weise personifizierten und verselbständigten 'Tod', den Jaques Lacan zum Beispiel in der Formulierung (Das Seminar von Jaques Lacan, Buch I (1953-1954), Freuds technische Schriften, Olten 1978, S. 360) so charakterisiert:
„Das Subjekt, das das Denken des anderen denkt, sieht im anderen das Bild und die Skizze seiner eigenen Bewegungen. Nun, immer, wenn der andere genau dasselbe ist wie das Subjekt, gibt es keinen anderen Herrn als den absoluten Herrn, den Tod:“
Das darf Jaques Lacan ableiten aus seiner durch die Lektüre von Sigmund Freuds Schriften hindurch belehrte Wiederaufnahme der Überlegungen, die Georg Wilhelm Friedrich Hegel angestellt hat über das Verhältnis von Herr und Knecht, anders gesagt, über das soziokulturelle und ‘politische’ (von ‘polis ‘)Problem der Herrschaft des Homo sapiens als ‘zwon politikon’ über sich zugleich und Seinesgleichen.
Unverständlich? Nun ja, das heißt ja vielleicht, dass es sich lohnen könnte darüber nachzudenken, was es bedeutet. Denn das sich ‘von selbst’ Verstehende der ‘Alltagskommunikation’ versteht sich ja nur deshalb von selbst, weil es sich eher dem Signalaustausch mittels Stereotypen’ verdankt, also eine ‘Kommunikation’ nicht wirklich ist und ihr auch nicht dient, sondern Bestätigung des sich ‘von selbst’ Verstehenden. Kommunikation dagegen wäre die Mitteilung des nicht Selbstverständlichen, sondern des Gedankens. Das sollte man bedenken, wenn man Leute ihre Sätze beginnen hört mit: “Ich denke mal…”, so als stünde es ihnen zur Wahl auch mal nicht zu denken, abgesehen von denen, die immer nur sagen, was sie sagen würden, indem sie anheben mit: “Ich würde sagen…”, nämlich, wenn sie etwas zu sagen hätten oder zu sagen haben würden.
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