Aktuelles über Vergessen, Erinnern, Freude, gelungene Tötung und Gerechtigkeit.
6. Mai 2011
„...America does not forget, and it provides for justice.”
(Der Präsident der USA anlässlich der ‚assassination‘ (CNN-Ton) of Osama Bin Laden am 5. Mai 2011)
„It’s the worst nuclear catastrophy in Japans history.”
(Eine – niedliche - Kommentatorin von CNN am 5. Mai 2011 zur Havarie des Nuklearreaktors in Fukushima.)
Diese ‚Amerikaner‘ können sich also an die größte nukleare Katastrophe Japans nicht erinnern. Die hat, so meinen sie, mit dem Momentanbewusstsein im Umkreis des engsten Belichtungsraums der Bewusstheit, gerade erst stattgefunden, und sie ist “the worst ever in Japans history”. Man möchte diese Leute zum Psychiater schicken, um ihren Verstand überprüfen zu lassen, aber nein, sie sind Star-Journalisten bei CNN. Man kann daran erkennen, dass es auf Verstand dabei gar nicht ankommt. Qualifikation und Kompetenz meinen hier gänzlich anderes als alles, was einmal mit Bildung, Kenntnis, Erkenntnis und sogar mit Informiertheit zusammenhing, von Urteilskraft und dem Worüber ihrer Operationsgrundlage nicht zu reden.
Ebenso wenig können sich diese ‘Amerikaner’ an die gerade erst von ihren Großeltern vorgenommene bewusste und willentliche Ausrottung der wirklichen Amerikaner – ohne Anführungsstriche, an deren Stelle sie gern die ‚Indianer‘, mit Anführungsstrichen zu lesen, substituieren, denn es sind wirklich die so genannten Indianer, so genannt, weil damit klar wird, dass sie eigentlich in Amerika nie etwas zu suchen hatten, so dass es ihre Schule war, wenn sie am falschen Platz zur falschen Zeit waren, als nämlich Europäer kamen, die dort keiner mehr haben wollte, um das Neue Kanaan zu ‚besiedeln‘ -- erinnern, an deren Stelle sie sich heute ‚Amerikaner‘ zu nennen belieben.
Vergessen kann man nur, was man zunächst wusste und eigentlich erinnern können müsste. Was man nie gewusst hat, kann man nicht einfach erinnern, jedenfalls nicht unter sonst üblichen Umständen. Die Veranstaltung, die dies dennoch erinnerbar machen könnte, müsste Wissenschaft heißen, wenn der Wortgebrauch des Terminus das noch empfehlbar machte. So ist der Ausdruck ‚Anamnesis‘ mit Rücksicht auf Platon vorzuziehen, aus Gründen der Vermeidung von Missverständnissen beim Gebrauch von ‚Wissenschaft‘. Was man nie gelernt und auch nie erforscht und selbst untersucht und beurteilt hat, kann man natürlich auch nicht wissen oder vergessen, also auch nicht erinnern.
Wenn schon jeder soziale Aufsteiger ganz normal vergisst, woher er kam, und zwar aus guten Gründen (es stände dem Aufstieg und dann der Funktionärsexistenz entgegen), dann kann es nicht wundern, wenn ein erfolgreicher Aufsteiger dann in einer größenwahnsinnigen Selbstüberschätzung meint, Amerika vergäße nichts. Allerdings hat er in gewisser Weise recht und unrecht zugleich. ‚Amerika‘ ist keine Entität von der Art, die ein Gedächtnis haben könnte.
Es ist ein Kreuz mit diesen politischen und sonstigen abstrakten Entitäten dieser Art, dass die Leute, die angelernt sind, sie in syntaktisch korrekte und insofern unauffällig durchgehende Sätze einzubauen, ersichtlich nicht (mehr) wissen, dass sie keine Eigenschaften von der Art eines Gedächtnisses haben, und deshalb weder etwas lernen, noch etwas behalten, erinnern oder vergessen können. Wenn man schon gegen ihre Funktion als Satzsubjekt nichts einzuwenden hat, dann jedenfalls gegen die Zuordnung solcher Prädikate. Denn das Satzsubjekt wird bekanntlich durch die Gesamtheit der ihm zuzuordnenden Prädikate positiv, und durch die Gesamtheit der ihm nicht zuzuordnenden Prädikate negativ erschöpfend definiert.
Es ist merkwürdig, dass keine Programmierung gelingen kann, die sich einer objektorientierten Programmiersprache bedient, und dass der technische Verstand das wohl weiß, aber dann wieder nicht weiß, wenn es darauf ankommt, Objekte nicht nur in Cyberspace zu manipulieren, sondern in den Grenzen der materiellen Wirklichkeit zu arbeiten. Es genügt also sichtlich nicht, grundsätzlich über logische Funktionen Bescheid zu wissen, man muss sie auch über den gesamten Zusammenhang des Wirklichen zur Anwendung bringen können, indem man den Sachverstand nicht an der Tür abgibt, bevor man das Büro verlässt.
Insofern ist es einfach ein sinnloser Satz zu sagen: ‚Amerika vergisst nicht‘ (Immerhin heisst er nicht: ‚Amerika vergisst nichts.‘), und niemand erzähle mir unter Berufung auf seinen gesunden Menschenverstand, man wisse doch, was ‚gemeint‘ sei, und solle keine Wortklauberei treiben. Das ist nichts als Parteinahme für den Blödsinn gegen die Kritik, von der man fürchtet oder sogar erkennt, dass sie gerade auch diesen ‚gesunden Verstand‘ trifft. Amerika vergisst nichts, weil es kein Gedächtnis hat. Personen können ein – mehr oder weniger gutes und vor allem zuvor auch entsprechend informiertes oder sogar gebildetes – Gedächtnis haben, oder ein mehr oder weniger lückenhaftes. Ein ‚kollektives Gedächtnis‘ gibt es nicht. Das ist eine ausgemachte Sache. An dessen Stelle könnte man einen Sozialcharakter substituieren und dabei eine erläuterbare Vorstellung haben davon, wie der zustande kommt, unter Beteiligung der gewöhnlichen Einweisung in einen soziokulturellen Umkreis oder auch in eine Form der sozialen Barbarei.
Besonders lustig ist in diesem Kontext, dass die ‚Amerikaner‘ sich zumeist weder an ihre Eroberung des Kontinents und die Kosten erinnern, die das hatte für die Lebensformen, die ihn bevölkerten, aber keinen Eintrag im Kataster des neu gegründeten ‘Staates’ USA nachweisen konnten, zu ihrem Unglück. Sich daran zu erinnern wäre im Zusammenhang der Besorgung von Gerechtigkeit schlechthin, so wie das da gesagt ist, ganz und gar universal in seiner Bedeutung, ja recht bedeutsam, ebenso wie die Antwort auf die Frage, ob die Qualifikation und Kompetenz dazu eigentlich wirklich hinreichen, oder auch nur die notwendigen Voraussetzungen dafür, das zu können vorhanden sind.
Ebenso wenig können sich die Amerikaner offensichtlich nicht daran erinnern, was Japans schlimmste nukleare Katastrophe gewesen ist. Das ist nicht die Havarie des von General Electric aus den USA entwickelten und gelieferten Reaktor in Fukushima.
Das ist aber nur exemplarisch. Denn wer die gesamte Geschichte kennt, wird sich noch an vieles erinnern, das von dieser Art, nämlich von der Art dessen ist, woran sich die ‚Amerikaner‘ nicht erinnern, weil sie es nicht wissen, und weil sie es nie vergessen haben und ihrer Mentalität offensichtlich die Veranstaltung der Anamnesis nicht zur Verfügung steht oder auch nicht verständlich ist, was damit ‚eigentlich‘ gemeint sein könnte.
Wie aber will eine solche Population und ihre Repräsentanten in der Öffentlichkeit und der Politik auf diese Weise dazu kommen, dass für Gerechtigkeit gesorgt würde, vor allem durch ihre eigenen Aktionen?
Das kann mir niemand erklären, vor allem niemand mit dieser seelisch-geistigen Verfassung.
Man kann sich, um das so kurz wie möglich zu machen, damit begnügen zu sagen, dass es hier gilt eine Unterscheidung fest zu halten, die nicht wichtig genug genommen werden kann, wenn es im den Zusammenhang von Anamnesis, Vergessen und Gerechtigkeit geht. Das ist der grundsätzliche Unterschied zwischen dem Geschehenen und der Historie, also zwischen, dem, was tatsächlich geschehen ist, und dem, was darüber geschrieben steht. Denn wenn man – im günstigsten Fall – lediglich erinnert, meinetwegen vollständig, was geschrieben steht, dann erinnert man sich im besten Fall an die Produkte der Geschichtsschreibung.
Dass heißt aber nicht, dass man über die Anamnesis des Geschehenen verfügt. Während das Geschehene gegenwärtig ist, präsent, und zwar in der Form der Grundlagen der Bewusstseinsverfassungen, die mehr oder weniger korrekt Aufgeschriebenes und Dargestelltes erinnern können, ohne dass sie deshalb schon auf diese ihre wirklichen Grundlagen hindurchzugreifen imstande sein müssten, oder, unter Umständen, auch nur könnten. Denn das Vermögen der Anamnesis ist mit der Erinnerung an das aus der Darstellung der ‚Geschichte‘ Gelernte keineswegs mit gegeben. Und diese Darstellung kann der Anamnesis sogar mehr oder weniger wirksam im Wege stehen und sie geradezu vereiteln.
Wo aber die Verhältnisse so sind, ist leicht einzusehen, dass von Gerechtigkeit keine Rede sein kann, schon gar nicht davon, dass diese Bewusstseinsverfassung sie besorge, für sie sorge, denn bestenfalls kann hier ein Zufall eine Übereinstimmung ergeben, was der korrekten Anamnesis nach Gerechtigkeit wäre, und dem, was ein mehr oder weniger zufällig über seinem Dafürhalten operierendes Bewusstsein, zumal in der Gestalt politischer Verantwortlichkeit oder deren Inanspruchnahme halt so entscheidet und ‚macht‘ oder bewirkt, indem es agiert, in dem Sinn, in dem nur agiert, wer sich aufgrund von Mangel an Kenntnis (inklusive der Selbstkenntnis) eben so ‚verhält‘, und nicht handelt aufgrund eines angemessenen Urteils über dem Material, aus dem sich das Geschehen bis hinein in seine eigene Bewusstseinsverfassung zur Gegenwärtigkeit bringt, über deren bewusste Kenntnis, Erkenntnis und Anerkenntnis das Bewusstsein nicht verfügt, das derart nur agiert.
Wer allerdings Geschichte definiert ohne Rücksicht auf diese Unterscheidung, etwa als ‚das, was erinnert wird‘, indem er/sie dazu nicht fähig ist, erliegt dem bloßen Agieren, dem Verhalten im Sinne des Behaviorismus, und die ‚Gründe‘ und ‚Begründungen‘, die dazu einfallen, erfüllen nur die Bedingungen der ‚Rationalisierung‘. Zudem schränkt die Definition den Umkreis dessen, was erinnert wird, entweder auf den Zufall dieser und jener ‘Informiertheit’ – Formierung -- ein, oder delegiert die Zuständigkeit für die ‚korrekte Erinnerung‘ an ‚kompetente Fachleute‘, anders gesagt, an die ‘Brahmanen’ des politischen Systems der organisierten Gewalt.
Das ist ein wissenschaftlich verbrämter Absolutismus, wie er üblich geworden ist in formalen Demokratien, um die von ihnen formal zugestandenen Mitwirkungsmöglichkeiten der Beherrschten auf einem Umweg zu neutralisieren und zu vereiteln. Was dann von der Substanz der Geschichte, dem Geschehenen, das als solches weiter wirkt ohne Rücksicht darauf, ob es auch bewusst ist oder nicht, und was desto wirksamer und fataler weiter wirkt je weniger es einer bewussten Verfügung zur Disposition wenigstens des korrekten Urteils steht, indem es zugleich die Bewusstseinsverfassung determiniert aus ihrem Rücken, die das bewusste Verhalten bestimmt, der Kenntnis noch offensteht im Sinne des Erinnerbaren, ist ein mehr oder weniger umfangreicher Rest, jedenfalls Fragment.
Wo eine Gerechtigkeit bleiben soll, die auf solchem Grund aufgeführt ist, auf dem Treibsand der durch Größenphantasien kompensatorisch aufgeblähten (Selbst-)Täuschung, ist nicht bestimmbar unter diesem Namen. Es ist zum Wenigsten Herumprobieren, Stochern im Dunkeln, und jeder Treffer bloß ein Zufall jenseits eines auf einem über korrekt erkanntem Material operierenden Urteil: Agieren. Im schlimmsten Falle íst es das ganz und gar Unsägliche.
Als Inanspruchnahme der Kompetenz zum Handeln, das die Welt verändert ist es nicht nur eine fatale Lüge, sondern destruktiv in jedem Sinne, und unbedingt fatal in seinen Auswirkungen.
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