Lehrer der Menschheit
Mittwoch, 17. August 2011
Ich höre mir an, Plato sei einer der großen Lehrer der Menschheit. Ich stimme dem ohne Weiteres zu, denn ich weiß, was damit gemeint sein könnte, wenn es nicht nur einer Floskel ist, die gerade zur Hand ist. Karl Popper hat sich anders dazu geäußert und man kann, so wenig wie von Platon, hinzusetzen: bekanntlich. Denn ich kenne weder jemanden, der die Äußerungen Karl Poppers noch jemanden, der die Platons kennt, auch keine 'kleinen Lehrer'. Das rechtfertigt die Betonung, Platon sei einer der Lehrer der Menschheit, insofern diese erst noch bevorstehen dürfte, und nicht etwa schon existiert. Denn so wie man Platon als ihren Lehrer (u. a.) benennt, ist es andererseits die Menschheit, deren Lehrer er ist. Wo und wenn also niemand den großen Lehrer sei es auch nur dem Namen, geschweige denn dem nach, was er lehrt, überhaupt kennt, kann man dem gemäß auch nicht von der Existenz der Menschheit sprechen. Niemand würde ja sagen, Platon sei der große oder einer der großen Lehrer irgend einer Tierart, sei dies auch der Homo sapiens.
Denn erst indem sie ihren Lehrer auch kennt und belehrt ist, ist sie die Menschheit, und nicht nur eine Tierart, eine biologische Form mit der Eigenschaft 'Leben', die im Übrigen noch niemand wirklich bestimmt hat. Das konvergiert ganz gut mit der Vermutung Giambattista Vicos, dass wir nur verstehen können was wir machen können, also bestenfalls das von uns tatsächlich auch Gemachte. Und selbst dies ist praktisch angesichts des Faktischen widerlegt. Wir verstehen nicht einmal, was wir gemacht haben.
So ist die Flucht nach vorne denn auch verständlich. Man gibt die als unlösbar mangels Grips erkannte Aufgabe einfach auf und wendet sich einer neuen zu, von der man stillschweigend voraussetzt, man werde sie schon lösen können, indem man einfach herum probiert, indem man einmal Kredit auf die Zukunft des Wissenschaftsfortschritts und der Forschung aufnimmt, den man immer vom perspektivischen Punkt des Jetzt in eine endlos prolongierte Zukunft mit verschiebt mit dem Jetzt, und indem man sich darauf verlässt, dass die, die man enttäuscht und betrügt mit dem endlos wiederholten Manöver sterben werden bevor sie darauf kommen, dass und wie sie betrogen wurden und daran gehen, das Gesindel zur Rechenschaft zu ziehen, das ihre Zukunft der eigenen kriminellen Energie geopfert hat im Namen der Menschheit, und dass man selbst längst im Grabe liegen wird, wenn der Tag der Abrechnung gekommen sein würde.
Denn auch dies ist einer der unschätzbaren Vorteile des 'beschleunigten Wandels' und der täglichen Paradigmenwechsel und der dadurch bewirkten Unübersichtlichkeit der Verhältnisse, dass selbst dann, wenn es nicht gelungen ist, die Entstehung eines Urteilsvermögens und die Verfügung über das Material aus dem sie generiert wird und über dem sie operiert, mit den Mitteln von 'Sozialisation' und 'Ausbildung' sowie Diversifikation der 'Ansätze' wirksam zu vereiteln, dennoch die verbleibende Zeit nicht reicht, die den unter hoch hängenden Futterkörben unter das Joch gebeugten Nutztieren bleibt, um sich der ihnen ständig entzogenen Wirklichkeit ihres Daseins und ihrer Welt zu versichern, so dass ihrer Vernichtung durch die unablässige Demütigung und Drohung mit der Peitsche und dem Stachel (Arbeit Macht Frei, durch Befreiung der von der Macht verordneten Zwangsarbeit und vom Leben.) die Verhinderung, Vereitelung und Vernichtung ihres Urteilsvermögens ständig wenigstens parallel läuft, wo nicht vorauseilt (durch Regierung mittels permanenter Revolution, die die Maßstäbe unterminiert, die Sachverhalte ständig anders umbenennt und 'rekonstruiert', die Fakten anders interpretiert und 'rekonfiguriert', und dem Urteil unablässig den 'Teppich unter den Füßen weg reißt') durch die Verschiebung des richtigen Urteils in die wissenschaftliche Zukunft (Selbst dem unaufmerksamsten und trägsten Zuhörer muss sich endlich die Formel einprägen – wer erinnert sich also nicht daran , wie an den nächsten Song auf der CD, dessen erste Takte man schon hört bevor er einsetzt – die unablässig beteuert, dies oder jenes wisse man heute noch nicht, die eine Verheißung, ein Versprechen enthält, bei genügend Forschungsgeldern, unablässige Forschungsförderung und bei entsprechend langfristigen Arbeitsverträgen und der Verbeamtung der qualifizierten Wissenschaftler und ihrer großzügigen Ausstattung mit einem Institut wird die Menschheit mit Sicherheit mit der Lösung der schon seit hundert Jahren Wissenschaftsgeschichte dem Inhalt nach jeweils angepasst wechselnden jeweils endgültig letzten Geheimnisse des Universums beschenkt werden von ihren mindestens zweitgrößten, wenn nicht den eigentlich größten Lehrern, denen die großen Lehrer genau genommen nichts mehr zu bieten haben.
Überblickt man das Ganze dieser jungen Wissenschaftsgeschichte jenseits der von ihr selbst erfundenen Legenden, in denen sie sich feiert unter ausschließlicher Erwähnung der großen Segnungen, deren die Massen schon teilhaftig geworden sind in einer Weise, die Fortuna erblassen lassen musste, und unter sorgfältiger Umgehung der Massenmorde, die der von ihr wesentlich mit betriebene, bedenkenlos über die Leichenberge der Biomasse ganzer Generationen einer anschwellenden Weltpopulation seinen Monster Mash vollziehende Fortschritt, dann erscheinen die Segnungen allerdings nicht nur ambivalent, sondern aufs Ganze gesehen mit demselben Recht auch als ausgesprochen fatal, wenn man den Blickpunkt ein wenig wechselt und das Ausgesparte und ständig Übermalte in das Gesamtbild wieder einbezieht, indem man nicht einfach als nicht-wissenschaftlich alle Folgen ausschließt, die praktisch Wissenschaftsfolgen sind, und sich daran erinnert, was so vollmundig verkündet wurde, als man sich noch nicht meinte vorsehen zu müssen davor, wie man formulierte, wenn man sich einen geeigneten Adressaten ausdachte, der die als wünschenswert erscheinende Wissenschaftsförderung besorgen mochte, indem man als gerade heraus formuliert: „Wissen ist Macht“, und den Segen dabei ersichtlich weniger im Auge hatte, sondern vielmehr die richtig erkannten Sponsoren, die sich dann ja auch mit den entsprechenden Geschenken für die ihnen erwiesenen Gefallen revanchierten (Mäntel mit Hermelinkragen, Szepter, Ämter, Titel, Orden) Auszeichnungen, an denen sich wiederum ablesen ließ, welchen Gefallen der jeweilige GRÖLAZ=Größter Lehrer-Aller-Zeiten dann – in einer bis heute aufsteigenden Reihe größter und daher immer größerer solcher Lehrer, die in die Zukunft hinein ins Aschgraue wachsen dürften – nebst Ganzköpergemälde in einem Neugotischen Bau mit Efeubewuchs usw., so dass sich die Leistung für die Menschheit an dem Gesamtkunstwerk problemlos ersehen lässt auch dann, wenn die die staunende Masse der Gehörten Tiere das Lesen verlernt hat, das der Überprüfung des Mummenschanzes dienen könnte, und diese erneute Umstellung auf die Konjunktur des Theaters, das die Welt, das es darzustellen suggeriert, nur bedeutet und zudem in einer geschönten und nach Bedarf zurechtgestutzten Beschränkung.
Denn auch hier gelten die Folgen der erneuten Anwendung des Satzes: Wissen ist Macht, denn es gilt für die 'wissenschaftliche Darstellung' des Wirklichen ebenso wie für das Wissen, das dieser Macht zunächst die primären Bewaffnungen liefert, die die allgemeinen Verwertungsbedingungen der Biomasse des Homo sapiens garantieren, verbessern, optimieren und stabilisieren, in zeitlicher, sachlicher und der einstigen 'sozialen' Hinsicht, in deren verbesserte Funktion (auch anstelle der 'Religion') die Bedarfsanmeldungen der Großorganisationen treten.
Die immer wieder hergebetete These von 'Fluch und Segen', der Ambiguität der Wissenschaft usw. beruht auf der keineswegs selbstverständlichen Unterstellung, es handele sich immer um dieselbe 'Wissenschaft', ob sie sich nun als organisiertes Verbrechen und als Subsystem des Personals der Großformen der organisierten Gewalt handelt, die sich der Verwertung des Homo sapiens als einer Nutztierherde, als kannibalische Ordnung und Terror der organisierten Gewalt verschrieben hat, oder um eine wissenschaftliche Beschäftigung, die sich dadurch definiert oder definieren lässt, mit oder ohne Rücksicht darauf, wie sie sich selbst definiert, denn darauf ist keineswegs Verlass – hier regiert vielmehr jede Möglichkeit der Mimikry, des Betrugs, der Täuschung, wie man sie aus den Fallenstellereien kennt, die das Leben sich in Gestalt des Selbstverhältnisses stellt, das seinen Autokannibalismus beherrscht, ein Selbstverhältnis, das in den Hochkulturen wiederkehrt als organisierte Herrschaft der Bestien und Menschenfresser, die in der eigenen Art die lohnendste Beute erkannt haben vor Jahrtausenden, über die Herde, die ihrer Gier und ihren Selbsterhaltungsinteressen das Fleisch, dann die Sklaven, dann die Leibeigenen und endlich die Arbeitskräfte des Freien Arbeitsmarktes liefert, in dessen organisierten Formen sich der Autokannibalismus die perfektionierte Form des modernen Staates gibt, in dem alles dies zu sich selbst kommt, als globalisierte Tatsache.
Das ist der Sinn der Sublimation des Erhabenen, des Sublimen in dem politischen Sinne, in dem Burke, der sonst keine 'ästhetischen Schriften' verfasst hat, das Wesen der Hochkultur kaum anders als Hobbes richtig verstanden hat, mit dem Zusatz der Hervorhebung des ästhetischen Erscheinungsbildes, das die organisierte Gewalt als Inbegriff des 'Sublimen' oberhalb der Strukturanalyse des Hobbesschen Leviathan, des organisierten Monsters und Menschenfressers, also einer Phänomenologie des Politischen als einer Funktion der Ökonomie, und das beantwortet auch das Problem der immer wieder bemerkten Merkwürdigkeit der Arbeit von Burke als einem ansonsten politischen Schriftsteller: Das Sublime ist der sublimierte Kannibalismus der Hochkulturen, der im modernen Staat, einer Ausgeburt des Seelenlebens von Bestien, und im freien Arbeitsmarkt erst ganz zu sich selbst kommt, so dass sich hier tatsächlich von einem Fortschritt sprechen lässt, der die gesamte Geschichte dieses so zu sich selbst kommenden Selbst-Sozialisationsprozesses der Bestie und der von ihr domestizierten Biomasse, der Herde, die der Gute Hirte mit seinen Hütehunden durch den Trail der Zeit treibt, erhellt von seinem vorerst letzten Punkt der bisher virtuellen Vorgeschichte des Menschen im Sinne der Realabstraktionen aus, die die Struktur der Wirklichkeit bilden, denen die erkenntnistheoretischen Kategorien folgen, die die Betrachtung methodisch geleitet aus der Eigenart der Verfassung des Gegenstandes herausarbeitet, als dessen analytisch zu bestimmende Strukturmerkmale.
Die sich selbst so nennende 'Hochkultur' ist dieses sublime und sublimierte autokannibalische Selbstverhältnis der Tiergattung Homo sapiens zu sich selbst, die mit der Erwirtschaftung des ersten Überschusses einsetzte, der sich zur gewaltsamen Enteignung bzw. Aneignung anbot. In diesem Selbstverhältnis wiederholt sich durch eine Art iterativer Abkapselung, wie er für jede Subsystembildung nach den allgemeinen Einsichten der Kybernetik typisch ist, das autokannibalische Selbstverhältnis des Lebens zu sich selbst, das im Allgemeinen in das Verhältnis verschiedener Lebensformen als Jäger und Beute auseinanderfällt, jedenfalls aber phänomenologisch durch Artendifferenzierung repräsentiert und ausdifferenziert und durch das Jäger/Beute-Schema überlagert wird, damit plakativ angesichts seiner in natürlichen Formen sich darstellenden Differenzierung und der Schichtung, die die Pflanzenwelt des vegetativen Lebens zur Nahrung der Herbivoren ausbildet, auf denen die Carnivoren 'aufsetzen'.
Zu behaupten, Platon sei ein großer Lehrer der Menschheit ist eine Leerformel, die auf Eindrucksmanipulation setzt. Der ausgelöste oder erwartete Schauer der Ehrfurcht vor der Hochsprache des Gebildeten entspricht eher dem Seelenzustand einer 'Bildung' die nichts gelernt hat als den Rollenwechsel vom ehrfürchtig erschauernden Schüler, der sich angesichts des 'Erlebnisses' dazu entschließt, ein mit Ehrfurcht und Respekt verehrter mehr oder weniger großer Lehrer in der in Anspruch genommenen Nachfolge großer Lehrer an deren Stelle und mit dem Privileg der Platzanweisung und Einstufung aller großen Lehrer der Menschheit unter der Voraussetzung, dass sie lange tot sind und nicht widersprechen können, zu dieser Autorität aufzusteigen.
Es ist ein anderes zu sagen, was da gelehrt wurde und die Menschheit vorzuzeigen, die als derart belehrte auch existiert, und diese nicht einfach gleichzusetzen mit der ewig zu belehrenden Knechtsgestalt des gedemütigten und geschändeten, benutzten und um seine Würde gebrachten Tieres mit dem irreführenden Namen Homo sapiens. Denn von wem stammt in welcher Absicht diese Benennung, wenn nicht von seinen Herren. Und damit meinen sie vor allem sich selbst, als Lehrer und Führer der 'Menschheit', die nicht existieren wird, solange es sie, ihre Lehren und ihre Führung geben wird, und die der Herde aufgezwungene, über die verhängte Daseinsform als Nutztierherde. Denn die Guten Hirten sind die herrschenden Bestien, und die von ihnen mit Pfründen bestallten Lehrer sind ihre Hütehunde. Der Mensch, das ist die durch die Moderne auf die Liste der auszurottenden Formen gesetzte mögliche Form des soziokulturellen Lebens. Der existiert also gerade nicht, jedenfalls nicht als durch die Struktur des sublimierten Kannibalismus zugelassene oder gar geförderte oder gewollte Lebensform, sondern als das zu Verhindernde, zu Eliminierende und zu Vereitelnde.
Könnte es sein, dass es dies ist, das aus Platon ersichtlich ist, ob er es nun 'gelehrt' hat oder nicht? Denn was wäre das 'Lernziel' der 'Lehre Platons anderes als dass man am Ende als gewordener Mensch aus der Schule kommt? Und das gerade soll es ja gar nicht mehr geben können, im Namen des Menschen. Und gerade an diesem Manöver der organisierten Gewalt ist exemplarisch zu ersehen, wie der als Fortschritt und Wissenschaft getarnte Betrug, dessen Absicht die absolute Kontrolle über in ewiger, zu lebenslänglicher Abhängigkeit verurteilten Gefolgschaften von mehr oder weniger offensichtlichen Zwangsklienten zugleich die Absicht der mit unerträglichen Heucheleien getarnten Verbergung der ewigen Unmündigkeit, der Entmündigung des im Namen der demokratischen Ordnung zum Souverän erklärten Mündels realisieren ohne dass das anders erscheint als in der Form des großzügigen Angebots der Möglichkeit lebenslangen Lernens unter der Kontrolle derer, die die Themen festsetzen und den 'Stoff aufbereiten' für die 'Lernbereiten' und dabei jede Palastintrige zur Entmündigung des unmündigen Souveräns in einem orientalischen Serail als eine Kindergartengeschichte erscheinen lassen, mit diesen Machenschaften im Staatsdienst aber materialiter und mittels Organisation vereiteln und verhindern, was der Form nach – als Demokratie – ausdrücklich kodifiziert ist. Das läuft darauf hinaus, dass die lizensierte Expertenwelt der auf der unablässigen Klientensuche das Dasein abtastenden Professionen aus den von ihnen gehaltenen institutionellen Hochburgen heraus faktisch die Funktion von Festungsbesatzungen im Namen der von ihnen in jeder Hinsicht bejahten und mit allen ihren Handlungen und ihrer auf dem Begriff und der Erwartung der 'Karriere' und des 'Karriereerfolges' determinierten Mentalität ausüben, such wenn sie das, aus erfindlichen Gründen, nicht 'wahrnehmen' im Wortsinne, wohl aber im praktischen. Denn sie tun es. Sie sind darauf konditioniert.
Und was hat das mit Platon zu tun? Gut gefragt, yau. Und wie ist die Antwort?
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