Romantische Landschaft mit Menschenopfer

Romantische Landschaft mit Menschenopfer
Weißt Du wieviel Wolken gehen weithin über alle Welt...

Montag, 12. April 2010

Traum und Zeit II. 1.

Traumzeit II.

Teil 1.


Versuch die Träume etwas besser zu verstehen:

Der Traum, als 'Entität', hat zwei ganz unterschiedliche Formen seiner 'Existenz' und Materialität. Erstens ist er ein Vorgang in einem zentral-nervösen System und dessen internen Vernetzungen, die den gesamten Organismus eines Lebewesens durchziehen wie ein Myzel, und in ihren afferenten und efferenten Ausläufern gewissermaßen in diesen Organismus auslaufen als Rezeptoren oder Aktoren, in Milliarden von feinstverteilten 'Schnittstellen'. Diese Schicht des Traums bleibt indessen weitestgehend von seiner Form ausgeschlossen, um die es hier geht. Als solche Form hat der Traum eine bzw. mehrere Funktionen, die aus der Literatur bekannt sind.
Es geht hier aber nicht um diese Funktion(en), sondern um die Form in der der Traum existiert. Das Material ist ebenfalls bekannt. Es entstammt ebenso dem Gedächtnis und seiner Formation mit ihren seelischen Wurzeln und Strukturen wie dem Lebensalltag und dem Entwicklungsstand der Person oder Persönlichkeit des Träumers, seiner Lebensgeschichte und seinem 'Triebschicksal'. Die Form, die der Traum derart als Traum des Träumenden gewinnt, entspricht dem Ensemble des sinnlichen Apparats und der sinnlichen Rezeptoren, die den Organismus mit der Außenwelt verbinden, obwohl sich aus der Betrachtung des Traums entnehmen lässt, dass bestimmte Sinnesvermögen meist dominant mit dem von ihnen gelieferten Material vertreten sind, bzw. diejenigen Entsprechungen des zentralnervösen Systems, die die Verarbeitung und Speicherung dieses Materials besorgen. Der Traum 'besteht' also aus diesem Material, das er benutzt für die ihm entnehmbare 'Konstruktion', den Traumgedanken, wie das genannt wird. Der Träumer erinnert, wenn überhaupt etwas, dann zunächst eine mehr oder weniger klare Folge von Bildern oder Ereignissen, die gewöhnlich als komplexe Situationen erkennbar sind, wenn man sie näher betrachtet. Dieser 'Präsentation' von Situationen, Bildern, Ereignissen (Katastrophen, Gespräche, Glückserlebnisse usw.) ist jedoch ein Sinn nicht immer ohne Weiteres zu entnehmen.
Der ergibt sich oft erst aus der 'Analyse' des Traums, also einer Art der Betrachtung, die nach einem Sinnzusammenhang sucht auch dort, wo sich scheinbar keiner ohne Weiteres anbietet oder von selbst versteht. Diesem Sinn, dem, was man den 'latenten Traumgedanken' nennt, im Gegensatz zu dem 'manifesten Sinn, der sich der Oberfläche der 'Bilder und Ereignisse' entnehmen lässt, kommt man näher, wenn man den Traum in einer objektivierbaren Form zunächst fixiert, indem man das Erinnerte erzählt, also in die Form der Sprachlichkeit bringt. Diesen Vorgang kann man einen Schritt weiter treiben indem man diese Form zugleich fixiert in der Form der schriftlichen Niederlegung dieser sprachlichen Form. Damit sind zunächst die Schritte der Objektivierung bezeichnet, die zugleich als Stufen der Erzeugung eines intersubjektiv zugänglichen Produkts markieren.
Die Objektivierung des Traums des Träumers in der Form der schriftlichen Niederlegung seiner versprachlichten Form ist eine Form der Verarbeitung, die der Traumarbeit nachfolgt und ihre Ergebnisse, die ebenfalls auf produktive Prozesse zurückgehen, ihrerseits in die Form einer kommunikativ zugänglichen Wirklichkeit bringt. Ein in der Form der Schrift überlieferter Traum kann noch nach tausenden von Jahren auf dieselbe Weise zugänglich werden für einen Interessierten wie er das war vom Zeitpunkt seiner sprachlichen Formatierung und seiner schriftlichen Fixierung an.
Nachvollziehbar ist das an den im Pentateuch überlieferten Träumen, etwa den von Daniel oder Josef dann gedeuteten, d.h. auf ihren möglichen Sinn hin analysierten - untersuchten - Träumen des entsprechenden Träumerpersonals, das in der Überlieferung mit genannt wird. Anhand dieser Überlieferung wird zugleich deutlich, dass das Träumen zwar als Produktion des Traums und insofern auch als Produktion, als produktive Tätigkeit erkannt ist, aber dass es einer weiteren Stufe der produktiven Bearbeitung bedarf, damit der Sinn, der latente Gedanke, den der Traum lediglich darstellt, während er das Verständnis dieses Gedankens nicht zugleich ohne Weiteres mit liefert, ebenfalls verständlich bzw. erschlossen und entsprechend objektiviert wird. Derart also kann etwa der Gedanke, den ein Traum darstellt, einerseits verschiedene Formen der Darstellung haben, und darüber hinaus andererseits trotz oder auch wegen dieser unterschiedlichen Gestaltungen, die seine Oberfläche ausmachen, in dieser oder jener Form objektiviert sein - wenn man daran denkt, dass die Erinnerung an den Traum die primäre Form seiner Objektivierung für das Gedächtnis ist - ohne dass dabei, wie gesagt trotz oder wegen der Vielfalt der verschiedenen Erscheinungsformen, in denen der Traumgedanke als Erscheinung vergegenständlicht sein kann, der Traumgedanke als solcher dem selben oder einem anderen Bewusstsein, dass sich einer seiner Formen der Objektivierung durchaus versichert wissen kann, ebenfalls mit derselben Evidenz und Sicherheit diesem Bewusstsein vor Augen stehen müsste.
Es kann derart auch einen Zusammenhang geben zwischen der Vielfalt der Erscheinungsformen und dem Faktum des Unverständnisses gegenüber dem Traumgedanken für dieses oder jenes Bewusstsein, das ihn 'erinnert' - anhand einer Lektüre oder weil es ihn geträumt hat - insofern die Vielfalt der Erscheinungsformen auf einen Vorgang der Entfaltung in der Zeit zurückgeht, so dass diese Vielfalt, als immer erneute, wenn auch immer andere Formatierung des - unverstandenen, aber so oder so 'erinnerten' - Traumgedankens nichts anderes ist als die immer sich erneuernde Aufforderung an das Bewusstsein, sich dieses Sinnes zu versichern. Je länger also das Unverständnis, desto vielfältiger das Erscheinungsbildes desselben Traumgedankens, insofern sich der Produktivität des Unbewussten, das ihn im Zusammenwirken mit anderen Determinanten des Seelenlebens produziert, stets neue Gelegenheiten dazu bieten, unter Verwendung dieses oder jenes Materials je nach Gelegenheit eine neue Darstellung zu 'basteln' und sie dem Bewusstsein zu übergeben, eine Produktivität, die offensichtlich auch zu einer erheblichen spielerischen Ironie fähig zu sein scheinen könnte, indem sie der 'stubbornness' des Bewusstseins ständig aufs Neue ein Rätsel aufgibt, angesichts dessen es sich seiner beschämenden Beschränktheit bewusst wird, sehr zu seinem Nachteil auf den ersten Blick, angesichts des Umstandes, dass es sich auf eine deprimierende Art und Weise als beschränkt verhöhnt sehen muss von einem sich als überlegen aufspielenden Geist, der in den bei Tage von ihm als Herrscher bewohnten Hallen und der von ihm herum kommandierten Dienerschaft, die im Traum dann als unversehens als an Intelligenz und Fähigkeit überlegene Mitschüler oder als um die Wahrnehmung der Aufgabe der Zensur und der Überwachung ganz unbekümmerte elegant gekleidete Lehrer auftauchen, also mit den Insignien einer um die 'Meinung' und das Dafürhalten des Bewusstseins ganz unbekümmerten Überlegenheit, das ratlos auf der Schulbank sitzt, mit dem Körper eines längst Erwachsenen, und dabei offensichtlich die einfachsten Aufgaben der Eingangsklasse der Schule (des Lebens) nicht zu lösen imstande ist, während ihm sowohl die Mitschüler als auch der Lehrer die Lösungen bereitwillig zugänglich machen, die die Antworten auf die ihm gestellten rätselhaft wirkenden Fragen enthalten, über deren Trivialität es sich dann im vergeblichen Versuch, sich gegen den ihm unzweideutig vermittelten Eindruck der eigenen Minderwertigkeit dadurch zur Wehr zu setzen versucht, dass es die Antworten als 'trivial' entwertet, also indem es seinerseits 'von oben herab' an den von ihm nicht aufgefundenen Antworten herummäkelt, während es nun wiederum den umgekehrten Weg von den vermeintlich trivialen Antworten (Fünf mal Wurzel aus Sieben) zu den anerkannt verzwickten, also auch offensichtlich als 'unfair kompliziert' empfundenen Frage? bzw. Aufgabenstellungen nicht zu finden vermag.
Nun ist 'Fünf mal Wurzel aus Sieben' eine Zahl, die man als Dreizehn identifizieren kann, wenn man die Nachkommawerte vernachlässigt, so wie man in jeder Verallgemeinerung etwa etwas vernachlässigt, was das angezielte Verständnis im Allgemeinen zu verhindern geeignet sein kann. Dreizehn ist je nach Auffassung eine 'Glückszahl' oder eine 'Unglückszahl' entsprechend dem konstatierten 'Gegensinn der Urworte'. Das lässt eine intuitive Wahl zu, die ihrerseits an dem vorherrschenden Gemütszustand und dem Erkenntnisvermögen des Bewusstseins sich orientiert, das von diesem Gemütszustand gesteuert wird. Während ein derartig von seinen ihm unbewussten emotionalen Zustandsdeterminanten, seinen im Gefühl oder Gemüt, wie Kant sehr gut und besser als Andere sagt, gesteuertes Gemüt also bestenfalls imstande sein wird, eine dieser Bedeutungen zu erfassen und sich entweder auf die Bedeutungszuschreibung 'Unglückszahl' oder 'Glückszahl' festlegen wird, ist das Bewusstsein in seiner analytischen Funktion dazu fähig beide Bedeutungen zu erkennen, und beide Bedeutungen als von ihm selbst erzeugte Möglichkeiten, Bedeutungen zu identifizieren, also auch zu untersuchen, warum die eine oder andere sich mit einer dominanten Evidenz vorzudrängen und die andere beiseite zu schieben imstande sein könnte, anders gesagt, warum ein Bewusstsein überhaupt die eine oder die andere Bedeutung, eine Zuschreibung zu einer Zahl, die an sich weder Glück noch Unglück bedeuten kann - Oder ist es anders, und wenn, in welchen Fällen? -, wenn man die Mathematik - Es handelte sich ja um eine Unterrichtsstunde in Mathematik, wie die Agenten des Ubw, die mich dann sehr freundlich als kluge und hilfsbereite Mitschüler bzw. als um meine moralische Integrität ganz unbesorgte Lehrer in diese hinein begleiteten, mir mitgeteilt haben, als sie die Situation der Beschämung des Bewusstseins und was sie von ihm halten, konstelliert haben - hier als Grundlage hernimmt, vorzuziehen geneigt sein könnte.
In dem hier vorliegenden Fall ist das nun ganz klar: Das Unglück besteht in der dem 'Adressaten', dem Bewusstsein, bewusst gewordenen Beschämung angesichts seiner 'Dummheit' und Begriffsstutzigkeit, die so wirklich ist wie sie empfunden wird, denn es geht ja darum, dass es, als Schüler und in einem Alter, von dem in altdeutscher Manier gilt: `Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr' auf der Schulbank sitzt, ín die es seiner körperlichen Verfassung als Erwachsener schon längst nicht mehr passt, während man es auf sein eigenes Drängen doch recht großzügig zugelassen hat zu einem Unterricht, aus dem es schon ausgeschieden war, der also lebensgeschichtlich eigentlich schon lange hinter ihm liegt, offenbar nur um ihm und sich, zur eigenen Belustigung zu beweisen, dass es wiederum nicht zu fassen imstande ist, was die agilen Mitschüler im oben gedeuteten Sinn leicht zu verstehen und zu erfassen bzw. zu lösen imstande sind, während der großzügige Lehrer sich seine Souveränität nicht dadurch verderben lässt, dass er sich zum Büttel macht für die Wahrnehmung einer Aufsichtspflicht über einen schlechten Schüler, dessen moralische Skrupel einer der wesentlichen Hinderungsgründe dafür sein könnten, dass er selbst dann nicht versteht, wenn man ihm die Lösung bereitwillig unter die Nase hält, indem man allerseits derart dicht um ihn herum zusammenrückt, dass er gar nicht anders kann als 'informiert' zu sein, bloß um dann auch und vor allem darüber, dass er gerade dann nicht den Zusammenhang zwischen der Frage und der Antwort, dem Rätsel und der Lösung finden kann, was ihm doch vor allem ein Urteil über seine eigene Verfassung 'induzieren' muss. Das heißt, es muss ihm nicht aufgedrängt werden, etwa in der Form der 'Benotung', der 'Bewertung' der von ihm gehorsam abgegebenen Arbeit. Sowohl das Ende der 'Unterrichtsstunde' als auch diese Handlung des 'Abgebens' in die Verantwortung eines anderen, der das dann bewertet, mit der Folge, dass man sich dann von einer fremden Person gekränkt fühlen mag usw., bleiben ja aus, weil der Träumende 'erwacht', d.h. sich selbst übergeben wird und der von ihm in den von ihm beherrschten Hallen ausgeübten Herrschaft in eigener Verantwortung überlassen, die von keiner Aufsicht mehr gestört werden kann. Anders gesagt, er wird seinem Unglück überlassen.
Das also berechtigt dazu, die durch eine Berechnung der erinnerten 'abgespickten' 'Lösung' einer der Aufgabenstellungen aus dem Arbeitszettel des intelligenten und hilfsbereiten Nachbarn aufgrund der 'Nähe' und der 'Großzügigkeit' des um die moralische Integrität des dummen Schülers nicht nur nicht besorgten Lehrers - alle Anwesenden schienen eher besorgt, dass die moralische Integrität des Schülers ein wesentliches Moment seiner Dummheit sein könnten, aufgefasst etwas als Treue zu einer 'Tradition', die den Zugang zum Wissen versperrt und damit auch zur Lösung der Lebensaufgaben. Und diese Tradition ist als Bewusstseinsverfassung aufzufassen in einem ganz wörtlichen Sinne.
Es kann von Bedeutung sein zu wissen, das das 'gebildete Bewusstsein', also das im formalen Sinne im Besitz der Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten befindliche und also recht gut ausgerüstete Bewusstsein und seine Verfassung schon einmal als das 'unglückliche Bewusstsein' bezeichnet worden ist. Es ist 'informiert', es hat gut gelernt, es hat die nötigen Zertifikate, und weiß in einem formalen Sinne so viel wie es kann. Aber es kennt die Zusammenhänge nicht, es kann entsprechend keinen Zusammenhang zwischen den rätselhaft erscheinenden Fragen nach diesem Zusammenhang zu einer Lösung bringen und es kann andererseits aus den allerseits zutage liegenden Lösungen und ihrem trivialen Aussehen keinen Zusammenhang mit den rätselhaften Fragestellungen des Lebens herstellen. Diese Zerrissenheit des Zusammenhangs bei formal guter und Ausstattung mit 'Fakten', Methoden und Kenntnissen oder Können, ist das Unglück, das sich in die Form der gebrochenen Zahl Dreizehn, also die Unglückszahl in der Form des 'Bruchs' zusammen gezogen hat. Das erklärt die 'Gebrochenheit' (der Bruchteil liegt bei 0.22, also nach den Regeln der Ab? oder Aufrundung weit unterhalb des Vernachlässigbaren, ist aber dennoch vorhanden, hat also auch eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung jenseits der Regeln der 'Rundung') und ihre informative Bedeutsamkeit für die Analyse des Traumgedankens.
Nun gibt es bekanntlich das 'Glück im Unglück'. In vieler Hinsicht ist es Gegenstand von Komödien und Lustspielen, in denen der Zufall, als 'Hazard' eine Rolle spielt, als Ereignis, das für sich genommen ein Unglück ist, aber angesichts der Folgen, die sich dann aus diesem Unglück ergeben, ein Glück wird. Nehmen wir das triviale Beispiel, wie es Hollywood gern traktiert: Eine Frau/ein Mann, lassen wir ihn/sie frisch geschieden sein aufgrund einer Untreue des Partners oder auch den Verlust auf einen tragischen Unfalltod zurückgehen, in Zorn, Verwirrung, Einsamkeit, und Ratlosigkeit angesichts der völlig unvermutet auftretenden Lage und der unvermeidlichen Begleiterscheinungen, fährt in Gedanken versunken in einem Auto auf der Straße morgens zu der gerade angetretenen Arbeitsstelle, als die Unaufmerksamkeit, die die Trauer, die Verwirrung, die neue Lage also unvermeidlich mit bewirken, bewirkt, dass die Person einen Augenblick lang abgelenkt ist und daher an einer Ampel auf das vor ihr vorschriftsmäßig haltende Fahrzeug auffährt. Die Beschämung des Aufgefahrenen, der Zorn des Geschädigten, verwandeln sich bei wechselseitigem näherem Anblick in Sympathie und der Rest ist dann erklärbar als dem gewöhnlichen Gang des Lebens nicht unbedingt, aber einer von der Phantasie vieler Zuschauer durchaus goutierte Produktion, der ein einziges Motiv zugrunde liegt: Die Hoffnung. Und die wünscht sich Glück, als Lebensglück, auch und gerade im Unglück.
Gut, es mag sein, dass dieses Glück von Umständen abhängt, die hier nicht zu diskutieren sind, und die aufs Ganze gesehen dem entsprechen, was man von der Lotterie und von politischen Wahlen her kennt, und was sich in den weitaus meisten Fällen aufgrund der Wahrscheinlichkeiten nicht erfüllen kann. In diesen Fällen bleibt die Faktizität des Unglücks vorherrschend, im Gegensatz zur Faktizität der Hoffnung.
Damit haben wir es aber hier nicht zu tun. Der Traum zeigt uns ja ein Verhältnis zwischen Bewusstsein und Unbewusstem. Die Determinanten, die hier das Glück verhindern können, sind gänzlich auf der Seite des bewussten, das sich weiter mit seinem wiederum nur erneut bewiesenen Unglück, seiner Minderwertigkeit, seiner Unfähigkeit die gestellten Aufgaben zu bewältigen usw., seiner Beschämung beschäftigen mag, während es einen Gegenspieler von der Art nicht gibt, wie ihn die in dem oben genannten trivialen Beispiel der Industrie in der mechanisch-mathematischen Form der 'Wahrscheinlichkeit' projiziert, die der Hoffnung ein Surrogat anbietet, das den Traum simuliert, aber nicht in eine Erfüllung umzusetzen vermag und das auch gar nicht beabsichtigt, weil es damit die Grundlage der Industrie aufheben müsste, jedenfalls virtuell, in der Absicht der Produktion kompensatorischer Tagträume, die die Form eines Industrieprodukts erhalten.
Im Gegensatz zu dieser mechanisch-mathematischen - anonymen - Form des Gegenspielers des Bewusstseins des Individuums in Relation zu seiner praktischen Lebensführung, und die in dieser Hinsicht dann eben unvermeidlich 'trivialen' Lösungen komplexer 'Rätselfragen' ist das Verhältnis zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten des Traumgedankens benign zu nennen, also gutartig. Nicht nur ist die Situation eine skizzenhafte Vereinfachung, die das Verständnis, das sich das Bewusstsein davon bilden können soll, gutartig angesetzt: Die Situation ist die der 'Schule'. Das Material entstammt also einer durchaus auch von unangenehmen und peinlichen Gefühlen der Unterlegenheit begleiteten Lage, die jeder Lernende erleben kann angesichts seines Unverständnisses und angesichts des Umstandes, dass andere etwas können, was man selbst erst noch erlernen muss, während man sich eher wohlfühlen dürfte in dem großartigen Gefühl der eigenen Omnipotenz, durch die alles Lernen und die mit ihm verbundenen Situationen einen Strich zu machen geeignet sein können. Das Unangenehme an dem begleitenden Gefühl, das der Befreiung, die der erkannte und realisierte Gewinn an Einsicht zu bringen imstande ist, ist also in eine dem Bewusstsein zugängliche erklärliche Form gebracht, die auch einen Hinweis darauf enthält worum es geht: dass etwas gelernt oder eingesehen wird.
In diesem Fall der Zustand des Bewusstseins selbst, also dessen am Individuum, worin es oft am Empfindlichsten ist, am ehesten kränkbar. Dieses Gefühl der Kränkung wird durch die Situation und ihre Gestaltung durch das Unbewusste gerechtfertigt: Es ist nicht die beleidigte Leberwurst 'Bewusstsein', sondern die Situation, die das Gefühl der Kränkung bewirkt, und ist also als Begleiterscheinung, wenn auch als unangenehme hinzunehmen und unvermeidlich, insofern es ja das Bewusstsein selbst ist, das sich mit allen möglichen Mitteln in diese eigentlich schon lebensgeschichtlich vergangene Lage gebracht hat, weil es unbedingt noch etwas lernen wollte und auch den Nachweis erbringen, dass es dazu imstande ist, was die Hinnahme der Situationsfolgen impliziert.
Diese unangenehmen Folgen entspringen also seiner eigenen (also dem Anspruch nach 'bewussten') Wahl. Nun sitzt es da, exponiert, mit einer Aufgabe konfrontiert, die es nicht zu lösen imstande ist. Aber die anderen Beteiligten scheinen das zu wissen. Einerseits schonen sie den bornierten Schüler nicht. Er hat es sich schließlich selbst gewünscht und erbeten in einer Situation zu lernen, in der er anderen, die dies ebenfalls ganz offensichtlich wollen, ohne privilegierte Behandlung lernen zu können. Andererseits geht es gar nicht zu wie in der Schule. Das zeigt die demonstrativ 'vernachlässigte Aufsichtspflicht bei Klassenarbeiten', die der 'Lehrer' an den Tag legt, ebenso wie die ebenso demonstrative Art, durch Zusammenrücken, also die Betonung der Nähe zueinander den Blick in die Ergebnisse der Mitschüler unvermeidlich werden zu lassen, im Gegensatz zu der gewöhnlichen demonstrativen Herstellung von Distanz durch ein eigens veranstaltetes Auseinanderrücken bei Klassenarbeiten. Das zeigt, dass die Situation komplexer ist als die von Klassenarbeiten bzw. von schulischem Lernen in einem bestimmten sozialen Kontext, und dass sie andererseits 'einfacher' ist, wegen der wirklichen Nähe der Mit? und Gegenspieler für? und zueinander. Das Erscheinungsbild des Traums zeigt das indem es ein 'Bild' einer alltäglichen und bekannten Situation nutzt und zugleich derart davon abweicht, dass die Merkwürdigkeiten als rätselhafte Verzerrungen der zunächst ganz konform zitiert scheinenden Situation imponieren müssen für einen Schüler, der 'nicht ganz blöd ist' und den 'Wink mit dem Zaunpfahl' versteht, indem er nicht etwa darauf besteht, die Trivialität der Lösung (Schulsituation usw.) mit einer Entwertung zu benörgeln oder die enigmatische Darstellung als unsinnige und nicht realitätsgerechte Komplizierung bzw. als Fehler aufzufassen, angesichts deren er auf der 'richtigen Darstellung' und dem situationsgerechten Verhalten der Beteiligten besteht, etwa indem er sich auf die soziale Moral beruft, die dieser Situationsdarstellung 'erwartbar gewöhnlich' unterliegt (Die Schüler rücken voneinander ab, der Lehrer erfüllt seine ihm vom Kultusminister vorgeschriebene Aufsichtspflicht usw.)
In diesen Hinweisen zeigt sich verhalten die Möglichkeit der Erfüllbarkeit des der Hoffnung zugrunde liegenden Anspruchs auf Glück, und zugleich die 'Bandbreite' des Bereichs, in dem es wirklich zu einer Erfüllung kommen kann, nämlich im balancierten Verhältnis der inneren Instanzen zueinander, anders gesagt, im Selbstverhältnis des Selbst zu sich selbst. Der doofe Schüler ist ein Mitschüler, der Lehrer ist gar keiner, sondern nur eine andere Form des eigenen Selbst, die Mitschüler sind Helfer des Bewusstseins und keine neidischen oder konkurrierenden Gegenspieler und Antagonisten, das Verhältnis des Unbewussten und bewussten ist veränderbar und hat einen Gewinn an Wissen und Kenntnissen zur Folge, der im Wesentlichen ein Gewinn in Bezug auf den inneren Zusammenhang der Materialien des gebildeten Bewusstseins selbst ist.
Die empfundene Kränkung der Einsicht in die eigene Begriffsstutzigkeit, die die Einsicht in den Zusammenhang zwischen Rätsel und Lösung, zwischen einer kompliziert scheinenden Fragestellung den trivial scheinenden Lösungen verhindert, kann durch das Aufnehmen der Hinweise der Agenten des Unbewussten in das Glück der Einsicht in die neu gewonnenen Erkenntnisse umgewandelt werden. Zugleich ist diese 'Verheißung' eine der Bescheidung mit der angebotenen Lösung. Das Beharren auf ihrer enttäuschenden Trivialität, die ihr Maß hat an der Illusion eines Versprechens, das das Leben bereit zu halten schien, belohnt und begünstigt die über das Leben hinausgehenden Wünsche und damit auch die Industrie, die sie befriedigt, auf Kosten der eigenen Lebenserfüllung, insofern die von dieser Industrie angebotenen Erfüllungen nicht erfüllen können, was sie stets zu erfüllen versprechen müssen, um die Erfüllung ebenso zwingend vorzuenthalten, weil sie eben auf einen unerfüllbaren, das Leben übersteigenden Wunsch reagieren um die darin investierten Lebensenergien zu nutzen für die verschiedensten Zwecke, unter denen der der unmittelbaren finanziellen Bereicherung der einfachste ist.
Das hatte der neugierige Schüler Bewusstsein lernen wollen, darum hat er sich bemüht, und das konnte ihm, da ihm die Antworten und die Fragen unbekannt waren, nur in der Form eines auf den Zusammenhang hin nicht ganz undurchsichtigen Rätsels von der Seite der Frage und der der Lösung her zugleich derart serviert werden, dass zugleich auch der Eindruck, es habe dabei etwas zu verstehen gegeben, das noch nicht verstanden war. Aber getreu dem Satz, dass das Bewusstsein sich endlich auch an das erinnert, was es nie vergessen haben kann, weil es ihm bewusst gewesen ist, ist auch dies nur eine Anamnesis, die das Bewusstsein mit etwas bekannt macht, von dem es im Nachhinein weiß bzw. erkennt, dass es ihm doch auch schon bekannt war, wenn auch gleichwohl und in derselben Hinsicht gilt, dass das Bekannte dadurch, dass es bekannt ist, nicht auch schon erkannt ist, geschweige denn an-er-kannt. Es geht also insofern um den letzten Schritt in dem Vorgang, die Anerkennung der in der vom Traumgedanken und seiner Agentur freundlich dem bewussten bereitgestellten (wenn auch unter unangenehmen Begleitumständen für den Schüler) und mit beförderten Anamnesis dessen, was es ohnehin schon wissen musste, um es erinnern zu können. Derart findet dann auch die als Enttäuschung bemerkte entwertende Bewertung der 'abgespickten' Lösung als Trivialität ihre Funktion und Bedeutung als Eingeständnis der Bekanntheit der Lösung nicht nur, sondern auch des Zusammenhangs, nur dass dies die schon durchsichtige Form eines letzten schwachen Abwehrversuchs ist, der auf die nunmehr bekannte Lösung mit der Enttäuschung: Was, dass soll alles sein, reagiert, also einen Rest einer überhöhten Erwartung mit dem gefundenen Ergebnis konfrontiert um den Anspruch auf eine andere, die Erwartungen eher erfüllende Lösung einzusetzen gegen die Anerkennung der gefundenen Lösung, an der am Ende noch die Art, in der sie gefunden wurde, also indem man etwas lernt, das man von anderen übernimmt, die es bereits wissen, wie das bei den meisten Dingen ist, herhalten soll um gegen die Lösung 'Stimmung zu machen', die ihre Anerkennung verhindert. Das letzte , ein Rückzugsgefecht der Erwartung gegen die Erfahrung im Bündnis mit Erkenntnis und Methode.
Das alles liegt indessen noch auf der Ebene des erlebenden Bewusstseins, nicht der analytischen Intelligenz, die den Traum analytisch betrachtet, und derart die beiden Seiten der Lösung, ihre Darstellung in einem zweideutigen Rätsel, das je nachdem Glück oder Unglück zu bedeuten schient, während es sich analytisch um eine Belegung mit einer Bedeutung handelt. Das ist der Gewinn der Analyse. Sie erkennt den 'Mechanismus', der diese Bedeutung in ein objektives Urteil über die Sache verwandelt und verhindert derart, auf ihn hereinzufallen, kommt damit erst zu dem gewünschten Urteil auf der Ebene einer Erkenntnis.
Dieser Gewinn überschreitet das bloße Lernen einer Methode, die den Zusammenhang zwischen einer Frage und einer Antwort systematisch darzustellen bzw. zurückzulegen vermag, sei es in analytischer oder synthetischer, induktiver oder deduktiver Richtung, also von der Hypothese zur Lösung oder von dieser zur Hypothese bzw. zur allgemeinen Regel, der die Zusammenhänge gehorchen, indem sie zugleich die Relation, in der das Erkenntnisvermögen des Menschen dazu zu stehen kommt, mit in den Bereich dessen einbezieht, das einer Erkenntnis zugänglich ist und die Reaktionsbereitschaften, die Erkenntnis ermöglichen oder behindern ihrerseits analytisch mit in Betracht zieht und dabei die komplexe Dramaturgie auch dieser Zusammenhänge in den Bereich des Erkannten einbezieht.
Soweit also für jetzt zum Verhältnis von Traum, sprachlicher Form, und seiner Analyse.
Zum Verhältnis der beiden dokumentierten Träume wäre noch einiges zu sagen. Sie stellen den Träumer ja ganz entgegen gesetzt dar, sind aber verbunden im zugrunde liegenden Gefühl der Beschämung und verwandt in Bezug auf das Gefühl der vordergründigen Ratlosigkeit, im Übrigen natürlich thematisch verwandt. Das kann man für ganze Serien dieses Traums sagen, wenn man eine Serie als durch ein den verschiedenen Darstellungen zugrunde liegendes gemeinsames oder verwandtes Thema identifiziert.
Aber das kann auch warten. Es wird auch vielleicht aus sich selbst klar. Ansonsten gilt: Mäuschen sag' mal 'Piep'.
Dann habe ich endlich den Fehler ausgemacht: Ich habe anstatt des Unterstrichs einen Punkt eingesetzt und das hat die Unzustellbarkeit der mails verursacht.

Heute fand ich einen Brief vom 12. November 2002 von Dir: Der lautet:

Hallo lieber A,
Irrungen und Wirrungen ist eine sehr treffende Bezeichnung für den Zustand in dem ich mich derzeit befinde. Ich habe sämtliche Mails von Dir erhalten und danke Dir sehr. Doch erst heute, denn ich war in den letzten Tagen nicht richtig bei mir selbst und deshalb kaum in der Fh und nicht am Computer. Umso mehr freut es mich nun anzufangen mich damit auseinanderzusetzen. Nur der Anhang lässt sich irgendwie in WordPad nicht öffnen. Hast Du vielleicht eine andere Idee?
Ich melde mich wieder, sehr herzliche Grüße, von Milena

Liebe Milena, ich hoffe die ganze Sache ist jetzt wieder vollsynchronisiert. Bemerkenswert ist, dass das Datum der 13. ist. ;-)
Das Ganze erinnert mich an einen Briefroman, den ich einmal gelesen habe. Sein Titel war: Der Fieberkopf, den Namen des - ich glaube österreichischen - Autors habe ich nicht behalten. Das Buch habe ich einmal verliehen und nicht wieder bekommen. Ob es noch erhältlich ist weiss ich nicht.
Ein wesentliches Element der Erzählstruktur und ihrer Dramatik war der Umstand, dass sich die Briefe ständig `gekreutzt` heben, also die Dialogstruktur gestört war, insofern sich immer noch oder schon ein Antwortbrief auf den jeweils vorher erhaltenen ajuf dem Wege befand, und zwar von beiden Seiten des Dialoges aus. Diese Struktur wird dann einer Dynamik unterworfen, deren erzählerische Dramatik die gesamte Kommunikation tangiert, indem die Schere immer weiter auseinander geht.
Das ist ein bisschen wie in einem dieser Märchen, in dem eine magische Intervention die Zeit rückwärts laufen lässt oder sonst irgend eine Magie die Vorgänge `verhext`.
Ich bin echt gespannt wie es weiter geht.
Herzlichen Gruß
A.

Siebter Traum:

Traum am Morgen des Sonntag, 17. November 2002

Ich bin mit einigen anderen Personen gewissermaßen auf dem Globus unterwegs, in einem matallic-blauen Landrover, also einem dieser Off-road-Fahrzeuge. Wir sind auf dem Rückweg nach Hause und befinden uns auf dem Marktplatz meiner der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, also weitgehend zu Hause. Aber ich fühle mich nicht zu Hause. Irgend ein Zwischenfall im Wagen auf dem Weg, der über die fernsten Länder dieser Erde geführt haben muss, führt dazu, dass das ältere Paar, das mich begleitet, offenbar langjährige Eheleute, sich als Agenten zu erkennen geben und ein entsprechendes Papier vorzeigen, auf dem sie abgebildet sind.
Ich belächele das Ganze und nehme es offensichtlich nicht ernst, was die beiden älteren Leute – in meinem Alter – zum Verstummen bringt und ich bereue sie nicht erster genommen zu haben, weil ich ihre Beschämung bedauere. Andererseits bin ich nach dem Aufwachen etwas verwundert und kann mir nicht erklären, warum die beiden, im Übrigen sehr sympathischen und ruhigen und umgänglichen Menschen, die angenehme Begleiter waren, sich ausgerechnet mit dieser Enttarnung identifizieren wollen und dann beschämt sind, wenn man das nicht ernst nimmt, bedeutet es doch auch, dass ich mich lieber an meinen Eindruck aus der gemeinsam verbrachten Zeit halte als an diese Erklärung einer wahren Identität.
Die Stummheit der beiden macht mir zu schaffen, ich habe den Eindruck einen menschlichen Fehler gemacht zu haben, und bin selbst betreten, aber ich habe den Wagen zu steuern. Es wird im Übrigen Englisch gesprochen in diesem Traum, was ich beim Aufwachen auch ungewöhnlich finde, obwohl es mir auch schmeichelt, als Nicht-Native-Speaker. Vielleicht schmeichele ich mir selbst indem ich das träume oder jedenfalls so erinnere, um mich dessen zu versichern, dass ich so gut Englisch spreche, dass ich es sogar träume, bzw. nach dem Aufwachen zu erinnern glaube, dass in dem Traum Englisch gesprochen wurde.
Es gibt da aber noch andere Gründe, auch der Wunsch, mir meine Exilfähigkeit zu beweisen, da ich Deutschland nicht als das Land meiner Wahl betrachte und mich meiner Exilfähigkeit versichern möchte, um meine Angst vor den Deutschen besser zu beherrschen, die ich für unverbesserlich gefährlich halte, was ihre animalischen Fleischfressereigenschaften betrifft.
Wir haben Probleme mit dem schließen der Klappen des Fahrzeugs und deshalb verzögert sich die Weiterfahrt, obwohl wir/ich fast zu Hause bin/sind. Der Spruch: Halt die Klappe fällt mir ein. Ist es meine ewige Gesprächsbereitschaft, mein Plappern, das mich in Schwierigkeiten bringt. Sollte ich besser die Klappe halten? Walter Benjamin hat sich einmal darüber geäußert, dass das Schweigen Energien quasi aufstaut und Produktivität ermöglicht, die das Reden stört oder vernichtet, wenn ich die Tendenz jetzt richtig erinnere. Das erinnert mich an die empörten Reaktionen einiger meiner ‚Gesprächspartner’ im Internet, denen ich viel Zeit gewidmet habe, wofür mir niemand dankbar ist, im Gegenteil, die Wut ist vorherrschend. Ich bin mir noch nicht klar darüber, was es bedeutet, möchte aber auch meine eigene Art, meine Konkurrenzfähigkeit zu testen, nicht unterschlagen. Die könnte die Wut der Unterlegenen nämlich gut erklären, die ich jetzt zu schlucken bekomme. Das Höhlengleichnis...
Wir kommen doch wieder in Gang, obwohl etwas mit der rückwärtigen Klappe nicht stimmt. Sie schließt nicht richtig. Ich erspare mir die ‚Deutung’. Was mir einfällt, betrifft meine Furcht vor einem homosexuellen Angriff, und natürlich fällt mir dazu ein, was die Souveränität der Psychoanalytiker dazu sagt, die die Homosexualität zugleich zu einer Perversion erklären, und die Furcht des missbrauchten oder angegriffenen Kindes vor der analen Penetration zu einem Wunsch nach ihr, ein Deutungsterror ohne Lösung. Immerhin, wir können weiterfahren. Auf der Straße kommt mir ein Kind in einem Fun-Fahrzeug entgegen, das so breit ist, breit – ein Ausdruck für den Haschischrausch – wie beide Fahrbahnen zusammen und dabei flach wie ein Frosch.
Breit grinsend nötigt es mich nach scharf links bis fast an die Häuser auszuweichen, aber zum Glück ist da kein Bürgersteig. Ich halte an und kann nun angesichts des anhaltenden Gegenverkehrs nicht wie beabsichtigt über den Platz nach links vor dem Haus halten, in dem wir wohnen, das an dem Platz steht, ein altes verputztes Fachwerkhaus, nicht identisch mit dem, in dem ich aufgewachsen bin, das am Rande des alten Dorfteils steht, in dem wir uns befinden, im Villenviertel, aber endlich komme ich doch voran, obwohl ich noch einmal aussteigen musste, um die Klappe zu schließen, vergeblich, wie sich zeigte, weil das Fahrzeug so stand, dass sie auf dem Boden aufsetzte, als ich sie schließen wollte, ein Umstand, von dem ich verwundert denke, dass er doch gar nicht möglich ist. Dennoch muss ich die Sache unerledigt lassen, und bin damit nicht zufrieden, und sogar besorgt, weil ich befürchte, dass beim Anfahren etwas herausfallen könnte, besonders ein Kleinkind im Alter von etwa einem Jahr, männlich, das in eine Decke gewickelt ist, wie in eine Art Rolle, eine Sache, von der ich auch nicht gerade überzeugt bin, wenn ich sie als Pflegehandlung betrachte.
Als wir endlich halten, fahre ich zudem eine ganz überflüssige und angesichts der undichten Klappe ganz unverständliche Schleife, so dass wir nicht unmittelbar vor der Haustür, sondern am Berg, bergaufwärts, also so halten, dass wir an der Seite am Haus halten, die um neunzig Grad gedreht gegenüber der Türseite ist und mit der problematischen rückwärtigen Klappe bergabwärts. Es ist mir auch peinlich, diese Kapriole noch einzulegen gegen besseres Wissen und um den Preis der Erhöhung der Gefahr. Als wir die Tür dann öffnen, droht auch alles Mögliche heraus zu fallen und auch das in die Decke gewickelte Kind, das indessen in dem tatsächlich auch durcheinandergewirbelten Chaos hinter der hinteren Sitzbank aufrecht stehend erscheint und sich vorwurfsvoll und vernehmlich mit dem Satz äußert: „Ihr habt mich nicht gewollt“. Damit ist der Traum zu Ende. Ich erwache dennoch mit einem Gefühl der Erleichterung, weil das die Erinnerung an den Traum begleitende Gefühl anders ist als das den letzten Traum vorm Vortage begleitende, das mir noch als furchtbar auf der Seele lag, als ich den Traum niederschrieb und auch noch am Abend zuvor, als ich Erinnerungen niederschrieb, die damit zusammenhängen.

Achter Traum:

Traum am Donnerstag, 23. Januar. 2003

Der Traum ist zu der langen Serie von Schulabschlussträumen zu rechnen, die das Aufwachsen meiner Töchter begleiten. Rebecca, meine älteste Tochter, macht in wenigen Wochen ihr Abitur. Gerade habe ich meine Lektüre von Gibbon, Der Untergang Roms, beendet. Die Erzählung endet mit dem Tod des Kaisers Julian, des ‚Julian Apostata’, wie ihn seine christlichen Freunde nennen. Die Erzählung ist niederschmetternd in jeder Hinsicht.
Ich befand mich auf einer Schulreise am Ende der Schullaufbahn des Gymnasiums. Die Schule war praktisch abgeschlossen, und vor der Trennung war nun noch eine Reise per Flugzeug in ein anderes europäisches Land durchgeführt worden. Es ging schon wieder um die Rückreise. Die Koffer standen gepackt in einem Schulraum im dritten Stock eines großen Schulgebäudes, die der Partnerschule gehörte, die wir besuchten. Ich selbst habe nie eine Schulreise gemacht, abgesehen davon, dass solche Reise zum Abschluss der Schule gewöhnlich nicht gemacht werden. Aber Rebecca war in den USA und in Rom und Groß Britannien, Rahel wird nach den USA reisen und war schon in Groß Britannien.
Leah und Sarah werden auch solche Reisen machen. Rebecca macht das erste ‚reguläre’, durch keine Unterbrechungen und Umwege unterbrochene Marturum seit der Generation meines Vaters – Kriegsteilnehmer am Ersten Weltkrieg mit siebzehn Jahren, meine Mutter hat – als Tochter eines promovierten Juristen, und geboren im Jahr 1910 keinerlei höhere Schulbildung. Ist aber in einer Klima höherer Bildung aufgewachsen, und Annegret und ich haben merkwürdige, gebrochene Bildungswege, die der zweite Weltkrieg vorgezeichnet hat, bzw. die in ihn hineinführende Familiengeschichte.
Von dem Schulraum aus waren wir alle noch für einen Stadtrundgang entlassen worden, sollten aber zu einem festgesetzten Termin wieder zurück sein, um das bereitstehende Gepäck aufzunehmen und uns per Bus zum Flughafen fahren lassen. Als ich wieder aus der Stadt an dem Gebäude anlangte, stellte ich fest, dass der festgesetzte Termin schon fast erreicht war, während ich noch einmal nach oben musste, um erst meine Sachen zu holen. Der Bus war zwar noch nicht vor dem Gebäude vorgefahren, aber eine weibliche Aufsichtsperson winkte mir und einigen anderen aufgeregt zu und machte uns laut auf die fortgeschrittene Zeit aufmerksam. Zugleich traten die ersten Klassenkameraden aus dem Haus an den Straßenrand mit ihrem Gepäck. Ich geriet in Aufregung. Zugleich befiel mich ein Gefühl der Mutlosigkeit, der Vergeblichkeit, das schon das Kommende ankündigte. Ich rannte durch den Eingang in die Vorhalle des Gebäudes, nur um durch die Glastür, die ich gerade öffnete, zu sehen, wie der in warmem Licht erleuchtete, mit Holz ausgeschlagene Aufzug voller Leute nach oben fuhr, nachdem der Türsteher die Türe geschlossen hatte. Ich war verzweifelt. Wie sollte ich jetzt ohne Verzug nach oben gelangen, nachdem der in ein derart verheißungsvolles Licht getauchte Aufzug verschwunden war, und ich vermutlich zu spät kommen müsste, wenn ich abwartete bis er wieder herab kam?
Ich sah mich um. Eine breite Freitreppe führte von der Mitte des Vorraums aus nach oben, während sie sich auf halber Höhe spaltete um links und rechts an der Wand in entgegen gesetzter Richtung nach oben zu verlaufen. Rechts von der Treppe war eine Pförtnerloge, ebenfalls erleuchtet, wenn auch nicht so hell, während der Aufzug ganz links von der Treppe nach oben führte. Der Pförtner unterhielt sich vor der Loge laut mit einer anderen Person in einer fremden Sprache. Ich besann mich nicht lange und stürzte an ihnen vorbei und auf der Treppe nach oben, wandte mich nach rechts und hastete die weiteren Stufen empor. Die Treppe ging in eine Wendeltreppe über und als ich durch eine Türe an ihrem oberen Ende stürzte, fand ich mich auf einem in der Höhe des ersten Stocks gelegenen Dach.
Als ich mich umsah, bemerkte ich, dass die Wendeltreppe in einer Laterne endete, aus der ich durch die Türe herausgetreten war. Das Dach war mich Blech gedeckt. Vor mir erhob sich die Rückseite des weiter nach oben reichenden Gebäudes, das offensichtlich einen rückwärtigen Anbau erhalten hatte, der nur einstöckig war. Gegenüber von der Laterne, durch die ich auf das Dach getreten war, war eine weitere derartige Laterne, in der offensichtlich die links sich erstreckende Treppe endete. An der Rückseite des Gebäudes war eine große zweiflügelige Türe, ähnlich wie an dem Aufzug. Aber man musste gleich wohin man wollte über das Blechdach gehen, und was mich besonders befremdete, war, das im Gegensatz zu der warm erleuchteten Halle und dem Aufzug hier kein Licht brannte, das darauf hingedeutet hätte, dass hier überhaupt jemand erwartet werden mochte, den man empfangen wollte. Alles wirkte tot und verschlossen.
Nach rechts hin, zu der anderen Laterne musste ich zudem eine in das Dach eingelassene Klappe überqueren oder wenigstens überspringen, die sich, wie ich an der Anbringung erkannte, offensichtlich nur nach unten hin öffnen konnte, so dass nicht sicher sein konnte, ob man nicht hindurchfallen musste, wenn die Riegel nicht halten würden. Ich entschied mich dafür zuerst den – unsinnigen – Versuch zu machen, die andere Laterne zu untersuchen, ob sich nicht ein Weg finden würde, der weiter nach oben führen mochte, sprang über die Klappe hinweg und betrat die Laterne. Zu meiner Enttäuschung fand ich darin lediglich einige Stufen nach oben führen aber keinen gangbaren Weg, obwohl nach oben hin ein scheinbarer Raum sich zu öffnen schien, in den ich keinen Einblick hatte. Das war jedoch unsinnig, denn die Laterne war ja auf dem Dach angebracht und hatte keinen weiterführenden möglichen Weg aufzuweisen. Ich dachte an die mit Sicherheit verschlossene rückwärtige Tür des Gebäudes, deren Glasschieben mich schwarz und tot anzustarren schienen als ich aus der Laterne wieder heraus trat, in der die linke Treppe nach oben endete, und die ich von oben her von rechts her betreten hatte, wie in einer spiegelbildlichen Vertauschung.
Da gab ich den Versuch auf, noch zurecht zu kommen. Ich befand mich noch auf dem Dach des rückwärtigen Anbaus als ich verzweifelt erwachte.

Neunter Traum:

Traum am Morgen des Samstag., 10. Mai 2003

Am Abend zuvor hatte ich begonnen, das von Lloyd de Mause herausgegebene Buch über die Psychogenese der Kindheit bzw. der Eltern-Kind-Beziehungen zu lesen, das sich seit mehr als zwanzig Jahren in meinem Besitz befindet, das ich aber bisher nicht zu lesen wagte, aus Gründen, die mit meiner eigenen Kindheitsgeschichte zu tun haben dürften.
Am Morgen hatte ich folgenden Traum:
Es geht um die Einschulung oder den Schulbesuch eines weiblichen Kindes, vielleicht eine meiner Töchter, jedenfalls im Alter meiner jüngsten Tochter Sarah-Lisa. Erwähnenswert ist in dem Kontext, dass meine älteste Tochter Rebecca-Eva gerade ihre Abiturprüfungen bestanden hat. Zu ihrer Schulgeschichte, die gerade heraus gesagt, eine Schulgeschichte des gewöhnlichen Terrors in Deutschland ist, wäre einiges zu sagen. Es ist eine Geschichte nicht nur einer sie selbst, sondern auch ihre Eltern massiv betreffenden Gewaltsamkeit, die vor ihrer Einschulung beginnt, und die sich durchzieht durch ihre Schulgeschichte.
In ihr sind paradigmatisch die Gründe zu finden, die jenseits der eiligen bürokratischen Besetzung des ‚Bildungsthemas’ den Zustand des Bildungssystems enthalten und die Gründe für den von den Gewalttätern selbst so scheinheilig und lauthals beklagten bildungsmäßigen Niedergang des Landes, der von keiner Reform und am ehesten durch einen konsequenten Populationsimport zu beheben wäre, aus Gegenden, in denen die kommunikativen Beziehungen nicht in demselben Masse zerstört sind wie hierzulande, aber das wird aus Schwierigkeiten stoßen, insofern sich gerade aus diesen Gegenden kaum rekrutieren lassen wird, sondern, wie das ja auch der Fall ist, aus Gegenden, in denen diese Beziehungen noch weit mehr destruiert sind, so dass den Migranten wenigstens die Vorstellung einer Verbesserung durch Migration vorschweben dürfte.
Der Besuch der Schule ist als gefährlich eingestuft, so wie bei Seuchenwarnungen oder den eingeschleppten Kopfläusen oder Lungenkrankheiten, die sich mit der Einwanderung verbreiten. Entsprechend ist eine Empfehlung ausgesprochen, die Schule nicht aufzusuchen. Es besteht also keine Pflicht dazu. Dennoch suche ich – mit dem Kind? – die Schule auf. Der Schulhof gleicht dem der ‚Volksschule’, in die ich selbst gebracht wurde. Der Schulhof ist leer, bis auf eine Lehrerin, die mit einigen wenigen Kindern auf dem Hof ist. Ich gehe mit dem fröhlichen und furchtlosen Mädchen auf sie zu und das Mädchen beginnt mit ihr zu spielen, während beide auf dem Boden hocken. Ich hocke mich ebenfalls hinter dem Mädchen nieder und wir spielen mit einem kleinen Spielzeugfahrzeug, einer Lokomotive oder einem Auto. Aus dem Hintergrund nähern sich einige bedrohlich wirkende männliche Gestalten, in der Folge alle ‚Russen’, die gefährlich und finster wirken, Gewalt ausstrahlen. Einer der Männer bedroht die Lehrerin mit einer Pistole. Während ich noch überlege, wie ich ihr beispringen kann, springt die Lehrerin über das Kind hinweg auf mich zu und wirft mich rücklings auf den Boden, kommt dabei über mir zu liegen. Zugleich wird sie noch im Sprung von dem Mann mit der Waffe erschossen. Ich liege unter ihrer Leiche, die sich nicht mehr bewegt. Ich halte die Augen geschlossen und erwarte nun ebenfalls getötet zu werden, aber diese Erwartung trifft nicht ein. Es scheint vielmehr nichts weiter zu geschehen.
Da schüttele ich die Leiche ab bzw. drehe mich irgendwie unter ihr heraus und springe auf um nun meinerseits eine auf dem Boden liegende Pistole zu ergreifen und dem Mann einen Bauchschuss zu ‚verpassen’. Dann erkläre ich einigen Umstehenden, die mit dem Mann auf den Platz gekommen waren, dem nicht lebensbedrohlich Verletzten Hilfe holen zu wollen, aber nun verhalten diese Personen sich bedrohlich und ich kann diese Absicht nicht ausführen. Zugleich gerät der von mir verletzte Mann aus meinem Blickfeld, ohne dass ich genau wüsste wie das vor sich geht. Wir sind nun auch in einem der Innenräume der Schule – so wie ich sie aus meiner Schulzeit in der ‚Volksschule’ kenne – und die Zahl der Personen hat noch weiter zugenommen. Sie verhalten sich weiterhin sehr bedrohlich und ich fürchte um mein Leben, zumal ich ja selbst einen der Männer schwer verletzt habe und mir nun Recht geschehen würde, wenn ich nun meinerseits geschlagen oder sonst verletzt oder getötet würde.
Aber das bleibt auch aus. Stattdessen beschäftigen sich die anwesenden Personen – unter denen kein Lehrer ist, also keine Aufsichtsperson, an die ich mich wenden könnte – damit mich auf die verschiedenste Art und Weise zu hänseln, indem sie an meinen Kleidern reißen, mir undefinierbare Dinge in den Mund stopfen, unter denen ich einzig meine ‚trockenes Stroh’ ausmachen zu können.
Damit endet im Wesentlichen der Traum und ich bin erleichtert, lebend davon gekommen zu sein, obwohl die unangenehme Lage, in der ich mich befinde keinen Anlass zur Freude bietet. Indem ich mir widerstandslos den Mund mit Stroh stopfen lasse von den mich umgebenden bedrohlichen Figuren, lässt ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse nach und ich kann jenseits des Augenmerks der Bedrohung gewissermaßen im Verborgenen weiter existieren.
Der Traum fasst die wesentlichen determinierenden Problemstellungen meiner Existenz zusammen. Sie sind mir recht gut vorgestellt worden darin. Er ist vorerst der Schlussstein einer Serie von Träumen dieser Art, die alle um Vieles bedrohlicher waren und unbeschreibliche Angstzustände bewusst werden ließen, gegen den Sinn des Traumes, den Schlaf zu hüten und die Inhalte zu entstellen, damit sie dem Bewusstsein erträglich(er) sind.

Zehnter Traum:

Traum in der Nacht vom Samstag auf Sonntag, 18. Oktober 2003

Ich befinde mich irgendwo im Dunkel einer langen Nacht, einer Nacht ohne Ende, auf einem Platz, dessen Beschaffenheit und Umgebung ich nicht auszumachen imstande bin. Wie ich hinkam liegt ebenso im Dunkel wie der Platz selbst. Es scheint weder eine erinnerbare Vorgeschichte zu geben noch einen sonst ausmachbaren Zusammenhang mit einem Weg, der zu diesem Platz führt. Wie auf dem Platz selbst ist alles andere jenseits eines kleinen von einem Schlaglicht erhellten Fleck abgeblendet im Dunkel.
Es ist als wäre ich eingetreten in den ersten Satz eines Romans, der wie mittendrin beginnt, und den Leser im Dunkel darüber lässt, wo er, der Satz, herkommt und worauf er hinauswill, was die Absicht des Autors ist und wenn, ob sie ihm so bewusst ist, wie er sie hegt, was der Schauplatz der Handlung ist und wer die handelnden Personen, wenn es nicht die leidenden sind, die in der Folge durch die Sätze hindurchgereicht werden ohne zu wissen wie ihnen geschieht.
Dann erkenne ich, dass es um einen Abschied geht. Meine Freundin Irene ist dabei sich zu entfernen. Sie sitzt bereits in einem Auto, auf dem Rücksitz, zwischen anderen Passagieren, die alle anderen Plätze besetzt haben. Ich kann sie nicht erkennen oder auch nur im Umriss sehen, aber ich bin sicher, dass es männliche Personen sind. Im Scheinwerferlicht eines anderen Wagens, der sich seitlich hinter mir befindet, ebenfalls mit laufendem Motor, bereit zur Abfahrt, sehe ich nur ihre von einem kurzen roten Rock nicht bedeckte Knie.
Ich verlange dringend den Schlüssel, ohne den ich mich ganz verloren fühlen müsste, und meine, dass ich dafür verhöhnt werden könnte. Dabei wird kein Wort gesprochen, es findet alles wie durch Gedankenübertragung statt, durch Einfühlung ineinander, die sofort sichtbar macht, was in den anderen jeweils vorgeht, ohne den Umweg über die Lüge, die die Sprache wenigstens ermöglicht und stets wahrscheinlich macht, wenn nicht ohnehín das Bewusstsein die Sachverhalte nach Wunsch entstellt. Die laufenden Motoren würden ohnehin auch jeden Versuch der sprachlichen Verständigung vereiteln. schließlich wird mir ein ganzer Bund Schlüssel gereicht und die Wagen fahren davon.
Ich mache mich auf die Wanderschaft, mit einem Bündel auf dem Rücken. Es geht in schwärzester Nacht in engen Windungen des Weges bergauf. Als ich wieder um eine Wegbiegung herumgekommen bin – eigentlich bin ich an diesen Ort ohne Vermittlung durch Zeit oder Raum versetzt worden, es gibt keine fließende Kontinuität, sondern nur wechselnde Szenen, in die ich mich abrupt versetzt sehe – kommt hinter mir ein Fahrzeug auf der Straße herauf und fährt an mir vorbei. So erkläre ich mir jedenfalls jetzt, im Wachen, den kurzen Lichtstreif, der auf meinen Kiesweg fällt, auf dem ich rechts von der Straße bergauf gehe.
Ich erkenne jetzt die Ähnlichkeit dieser Steigung und des Weges mit einer Straße, auf der ich als Junge oft mit dem Fahrrad hinauf fuhr, von dem Ort herauf, in dem ich aufgewachsen bin, bis auf den Gipfel des Berges, auf dem ein Turm stand, der von einer im Jahrhundert zuvor abgebrannten Kirche übrig geblieben sein soll, und den ich dann oft bestieg um ins Land hinaus zu sehen, in das man von hier aus einen wunderbaren Überblick hatte, wie ihn kein Aufzeichnungsgerät zu bieten hat.
Die Wetterau lag dann zu meinen Füßen und ich konnte mich durch den erhöhten Standort für einen Moment wie ein ungeheurer Wächter des Landes fühlen, und alles war mein. Das war allerdings bei Tageslicht. Jetzt war es stockdunkel und als der Wagen an mir vorbei fuhr, durchzuckte mich ein furchtbarer Schmerz, der von meinem Kopf aus in Brust und Herz zu dringen und endlich meinen gesamten Körper erfüllte. Mit einem Ächzen erwachte ich. Es war ca. 2.30 in der Nacht. Ich glaube, dass ich zum ersten Mal bewusst fühle, was ich an ihr verloren habe.
Ich schlief wieder ein. Ich träumte erneut. Diesmal befand ich mich mit Irene in einem Raum, in einer Wohnung, in der sie wohnte. Es war lange nach der Trennung. Wir hatten uns in der gesamten Zwischenzeit nicht mehr gesehen. Jetzt sprachen wir miteinander als hätten wir uns nie getrennt. Wir sprachen über unsere nie geborenen Kinder, über unsere toten Kinder und waren uns dabei ganz vertraut. Der Schmerz, der zuvor wie ein Blitz in meinem Bewusstsein aufgetaucht war, war nun als alles einfärbender Grundton allgegenwärtig, wie das in der Trauer um einen furchtbaren Verlust der Fall ist, der nicht mehr als das unmittelbare Ereignis, das ihm zugrunde liegt, sondern als das langsam sich zu einem Grundton ausformenden, dem Lebensgefühl sich hinzufügenden Hintergrundgefühl einer das Leben begleitenden Trauer bewusst oder unbewusst gegenwärtig ist. In der Tat ähnelt dieses Gefühl dem, was ich auch im Wachen stets mehr oder weniger deutlich als wesentliches Moment dessen an mir wahrnehme, was man wissenschaftlich das ‚Ich’ oder ‚Selbst’ nennen mag.
Der Traum hat keine Ordnung im Sinne der Zeit. dass ich erwachte mit diesem Bild vor Augen und diesem Gefühl im Leibe ist unzweifelhaft, nicht dagegen die Ordnung, in die ich die beiden Abteilungen des Traumes bringe. Denn sie könnten logisch gesehen eher umgekehrt zusammengehören. Denn noch während wir uns unterhielten, betraten mehrere männliche Personen die Wohnung und stellten mich und Irene wegen irgendwelcher Vorkommnisse nach Art von Polizisten zur Rede.
Ich hörte mir die Vorhaltungen an und erinnere mich, dass ich einerseits bestrebt war, Irene vor den Eindringlingen in Schutz zu nehmen, aber auch daran, dass ich mich schließlich, obwohl ich mich unterlegen fühlte – was sich in dem Traum dadurch darstellte, dass ich am Boden lag während einer der Männer herabgebeugt über mir stand und mir ins Gesicht starrte, wobei die einander zugewandten Gesichter auf eine groteske Weise gegeneinander verdreht waren – laut und deutlich sagen hörte: „Ich bin hier nur zu Besuch“, woraufhin die Person sich von mir abwandte und wegging. Ich fühlte mich darauf hin etwas freier um die Brust und hatte etwas weniger Kopfschmerzen als zuvor.
Das Gefühl, das mein Bewusstsein ebenso wie meinen Organismus insgesamt durchdringt, hat sich in diesen Bildern einen Ausdruck geschaffen, der zugleich seinen Ursprung wiedergibt, oder wenigstens einen dieser Ursprungsorte. Denn es gibt verschiedene, und alle betreffen sie dasselbe, den Verlust, und endlich vergegenständlicht sich in ihnen allen gleichermaßen ein ihnen allen Zugrundeliegendes, auf das sie zurückverweisen, einen ursprünglichen Verlust, der zugleich der einer alles erfüllenden, mein gesamtes Leben bestimmenden Sehnsucht nach dem Verschwinden oder vielmehr dem Verschwundensein vor dem Erschienensein das Thema des ihm zugrunde liegenden Wunsches bietet.
Nach dem Erwachen gehen mir oft Fetzen von mir bekannten Liedern durch den Kopf. Heute findet sich Folgendes:

„...pointed threats, they bluff with scorn
suicide remarks are torn from the fools gold mouth piece…
The hollow horn plays wasted words proved to warn
…that he’s not busy being born is busy dying….
and while the rules of the road have been lodged
It’s only people’s games that you’ve got to dodge…
- But it’s all right Ma, I’m only bleeding. -
Darkness at the break of noon
Shadows even the silver spoon
…the hand made blade, the child’s balloon
eclipses both the sun and moon
to understand you know too soon
there ain’t no sense in trying.”

Der Text dürfte Vielen bekannt sein. Merkwürdig sind aber die Ausfälle im Text, der mir zuvor noch ganz vorschwebte und jetzt plötzlich lückenhaft und in der Reihenfolge vertauscht scheint. Es sind wiederum eher Schlaglichter, die auf einen Ausschnitt fallen, während alles Andere darum im Dunkel zu bleiben scheint. Dabei kenne ich den gesamten Text und es wäre auch keine Schwierigkeit ihn nachzusehen, aber es kommt auf die formale Vollständigkeit hier gar nicht an, sondern darauf, was sich mir derart vergegenwärtigt. Denn ich finde mich selbst dabei ganz passiv, gewissermaßen nur als Wahrnehmender, der darauf Acht haben muss, was sich ihm bietet.
Es sind zwei Ausschnitte aus der gesamten Ballade und sie erscheinen in der Reihenfolge vertauscht. Die Reihenfolge ist hier eine der Ordnung des Texts, während die im anderen Fall eine des Sinns zu sein scheint, und nur insofern auch eine der zeitlichen Folge, die sich wiederum nicht als biographische Zeitordnung verstehen lässt.
Erfahrung ist als Ganzes erst am Ende des Lebens gegeben. Alles andere ist nur Fragment. Wer also das Ganze will, kann es nur um den Preis haben, dass es zugleich unaussprechlich bleibt, weil am Ende des Lebens nicht mehr die zusätzliche Zeit bleibt, die Erfahrung als Ganzes auch zusammenzufassen und auszusprechen, wie immer kurz man sich dann hielte.
Wo also Wissen auf Erfahrung sich gründen will, dort ist es eigentlich unmöglich. Denn selbst wenn die Zeit dazu bliebe, würde sie doch wiederum das Ganze der Erfahrung verwandeln müssen, insofern die verschiedenen Perspektiven, die man darauf hat, sich selbst als Folge in der Zeit anordnen, und zwar so, dass man auf keine der voran gegangen einfach wie auf einen Bestand zurückgreifen könnte. Man kann zwar Notizen machen, Dokumente anlegen, Fakten festhalten, aber das ändert nichts daran, dass sie aus der Sicht einer durch die Zeit geschaffenen Distanz, die man zu ihnen hat, wenn man sie erneut in Augenschein nimmt, schon dadurch verändert erscheinen müssen, dass Zeit vergangen ist zwischen ihrer Fixierung und ihrer erneuten Inaugenscheinnahme. Diese Zeit ist wiederum nicht einfach ein leerer Ablauf, sondern erfüllt von Ereignissen. Ereignisse sind nichts, was einfach geschieht und was man bloß zu registrieren hätte. Vielmehr konstituiert sich das Ereignis in einem Feld. Dieses Feld ist höchst komplex.
Das führt auf das Problem der Erörterung des Feldes, in dem sich das Ereignis als solches für dieses Feld konstituiert.
Im seelischen Leben ist das herausragende Ereignis das Trauma. Deshalb lässt sich, weil es formativen Charakter hat, und nicht nur ein zu registrierendes Vorkommnis der äußeren Welt ist, am Trauma auf ausgezeichnete Weise untersuchen, was ein Ereignis ist. Denn an ihm gemessen, sind die sonstigen Erfahrungen, aus denen sich Gedächtnis. Person und Psyche komponieren, in einem Sinne konstitutiv, der als Lernen, Neurose oder Charakter imponiert.

Elfter Traum:

Traum am Morgen des Montag, 15. Dezember 2003

Ich bin bei gefährlichem Hochwasser als Vater mit einer meiner Töchter unterwegs zu unserer Yacht, die am Ufer eines Fjords liegt. Als wir in rabenschwarzer Nacht auf der Küstenstrasse entlang fahren um zum Anlegeplatz zu kommen, kann ich links von uns im Schein der die Sturmnacht durchzuckenden Blitze eine große Flotte von ebensolchen weißen Segelyachten auf dem schwarzen Wasser gegen den von ebenfalls schwarzen Gesteinsmassen gebildeten, gezackten und zerrissenen Gebirgshintergrund erkennen, dessen Formationen sich aus der spiegelglatten Fläche des Wassers erheben. Die Yachten liegen bewegungslos im Wasser, was bei Sturm und Regen eigenartig wirkt und einen erhöht unheimlichen Eindruck hinterlässt.
Außerdem fällt mir auf, dass die Masten der Boote sämtlich keinerlei Segel haben. Die Takelage ist bis auf das Tauwerk leer. Ferner gibt es kein Zeichen menschlichen Lebens auf einem der Schiffe, kein Licht, das aus Bullaugen oder von Masten herüber blinkt. Gleichwohl fahren wir zügig und zielstrebig durch die Nacht. Wir wollen das Pferd retten, das durch die Überschwemmung in Gefahr geraten ist. Als wir am Anlageplatz ankommen, wo auch das Pferd in einem Stall steht, halten wir auf der höher gelegenen Straße und steigen dann zu dem tiefer gelegenen Stall hinunter. Wir stehen bis zur Brust im Wasser als wir an der Stalltür angelangt sind. Als ich jedoch die Stalltür geöffnet habe, ist das Wasser verschwunden und das Pferd steht in dem völlig trockenen Verschlag ganz sicher und unversehrt.
Nur dass der Stall mir als sehr eng auffällt, und das Pferd links von der Brettertür sich so aufgestellt hat, dass wir nur sein Hinterteil sehen, und es nicht möglich ist, an ihm vorbei zu gelangen um es dazu zu bewegen rückwärts zu gehen damit wir es durch die schmale Tür herausführen können. Ich mache mir darüber allerdings keine Sorgen, sondern bin schon beruhigt als ich sehen kann, dass das Pferd nicht im Wasser steht und auch nicht vom Ertrinken bedroht erscheint. Nach recht sehend erkenne ich die Reste eines alten Kamins, in dem noch eine Restglut leuchtet.
Obwohl sich der Aufbau verändert hat, erkenne ich an ihm ein Gebilde wieder, das ich aus anderen, älteren Träumen oder Traumserien (!) zu kennen glaube, das dort allerdings zugleich die Funktion eines Brunnens oder einer Mühle hatte, jedenfalls einer technischen Einrichtung in dem alten mehrstöckigen Gebäude entspricht, die in den unteren Stockwerken schon einem starken Zerfall nach Art etwa einer durch Wasser verursachten Erosion zeigt, die den Bestand des Hauses bedrohen könnte. In diesem Fall ist allerdings alles unmittelbar auf den festgestampften Erdboden aufgesetzt und nur durch das ungewöhnliche Steigen des Wasserspiegels um mehr als drei Meter bedroht, eine Bedrohung, die sich beim Öffnen der Tür allerdings in Nichts ausgelöst zu haben scheint, jedenfalls nicht mehr unmittelbar ist, und nur noch durch die Unheimlichkeit der leb  und segellosen Bootsflottille auf der bewegungslosen Wasseroberfläche inmitten der schwarzen, sturmdurchtosten Nacht und dem gezackten Gebirgskamm, der wie ein gigantischer Echsenrücken aussieht, im Hintergrund erscheinen, wenn ein Blitz das Dunkel für einen Moment aufhellt.
Dann bin ich unvermittelt in einem ‚Bully’ unterwegs, zwischen einer Arbeitsstelle auf einer Intensivstation, wo ich ein Praktikum absolviere, und mich mit den Schwestern abstimme über meine Anwesenheitszeiten, und einem See, wo ich nach Art eines Frosches zu wohnen scheine, weil ich mich jedes Mal in der Pause dorthin begebe um in dem warmen, klaren Wasser zwischen frischen Wasserpflanzen zu am Grund zu sitzen, wobei ich mich offenbar wohlfühle, bis auf die lästigen Verpflichtungen, dann plötzlich wieder in dem Fahrzeug zunächst über einen Feldweg, dann über eine öffentliche Straße mit viel Verkehr in das Krankenhaus begeben zu müssen, um meinem Dienst nachzukommen.
Dort geht allerdings alles recht ruhig zu und meine Befürchtungen, zu spät zu kommen oder sonst geltenden Regelungen nicht zu genügen, scheint sich als unbegründet herauszustellen, obwohl ich bemüht bin in den Gesichtern zu forschen nach Zeichen der sei es auch verschwiegenen Missbilligung. Ich wundere mich allerdings, wie ich eigentlich zu dieser Beschäftigung komme, was keine Aufklärung findet in dem Traum, der diese Beschäftigung als selbstverständlich behandelt.
Das erinnert mich an einen Traum vom Vortag, in dem ich ständig in mit einem Mantel angetan und einem Buch in der einen Hand – das offensichtlich arabisch-muslimischen Inhalts zu sein scheint, weil ich es einmal vor einer weiblichen Person gezielt verberge, die ich als Muslimin an ihrem Kopftuch zu erkennen meine, damit sie sich nicht ein durch ein Vorurteil geprägtes Bild von mir macht – und einem etwa vier Meter langen verrosteten Eisenträger in der anderen eigentlich ohne Ziel inmitten vieler Menschen herumgehe, die nach Art der Bewegungen auf großen Plätzen in Großstädten in allen Richtungen zugleich unterwegs sind.
Ich erinnere mich besonders der elegant gelösten Probleme beim Durchqueren eines Bahnhofs, bei dem ich einiges Geschick darauf verwenden muss, nicht anzustoßen. Obwohl ich mich selbst über meine Aufmachung etwas wundere, scheint dies niemand sonst zu tun. Ich erlebe das als Erleichterung. Als sich der Mann der ‚Muslimin’ so neben mich stellt, wie das auf Filmplakaten manchmal der Fall ist, wo sich Gesichter stark aneinander angenähert so darstellen, dass sie auf ein Foto passen, winke ich ab und bedeute der ‚Muslimin’, dass das nichts mit mir zu tun hat.
Der Mann entfernt sich darauf hin wieder von mir und begibt sich zu der Frau, zu der er offensichtlich gehört. Ich verberge mein Buch in der linken Innentasche meines grauen alten Flanellmantels, nehme meinen Eisenträger – den ich an einer Kante aufhebe, indem ich die Finger der rechten Hand um sie herum krümme, was sich leichter machen ließ als ich selbst erwartete, und so, dass das Gewicht gleichmäßig verteilt ist und auf der Hand bzw. den Fingerspitzen balanciert – und gehe davon in Richtung auf die Bahnhofshalle, die ich vom Bahnsteig aus erreiche indem ich eine Treppe hinabgehe. Ich wundere mich etwas, wieso ich mit einem Eisenträger unterwegs bin, aber ich fühle auch Befriedigung bei dem Gedanken, dieses Gewicht als gewohnt bewältigen zu können, nachdem ich zunächst skeptisch war, ob es mit überhaupt gelingen würde das Gewicht derart zu tragen, zumal inmitten der durcheinander laufenden Menge von Menschen. Angesichts meiner wachsenden Sicherheit verliert sich auch die leichte Scham, mit der ich mich derart zunächst in der Öffentlichkeit bewege in der Erwartung, dass man meine Aufmachung, wenigstens aber den scheinbar ganz sinnlos mitgeschleppten rostigen Eisenträger als eine Merkwürdigkeit auffällig fände.
Seit dem Ende des Sommers litt ich verstärkt an einer Hauterkrankung im Gesicht, die den Namen ‚Rosacea’ bekommen hat, nachdem sie sich im Verlauf von einigen Jahren langsam entwickelt hatte und keinen Namen, aber eine antibiotische und eine Cortisonbehandlung erfahren hatte, zunächst von einer gleichgültig wirkenden Ärztin in einem Nachbardorf, und dann von einem jungen Arzt in Papenburg, der sie mit einzunehmenden und aufzutragenden antibiotischen Mitteln anging, sich aber auch auf ein Gespräch einläss, was ganz ungewöhnlich ist hierzulande.
Er meinte, dass man früher gemeint habe, dass ‚nur Alkoholiker’ diese Krankheit hätten, eine Ansicht, von der man inzwischen abgerückt sei, ohne dass man allerdings eine wirkliche Ursache angeben könne. Ich brachte das Gespräch auf ‚Lebenskrisen’, und wollte darauf hinaus, was der Kopf, das Gesicht zumal für eine Bedeutung auch z. B. beim ‚Erröten’ haben könne, also auf eine Psychosomatik auch aus psychosexueller Quelle, aber dort beeilte er sich das ‚Erröten’ und etwa ‚angestrengtes Arbeiten’ (an bestimmten Problemen, bei denen es einem ‚heiß’ werden kann) streng entlang den Vorgaben der Vaterfigur eines gestandenen Organmediziners und Hautarztgurus, den er als seinen Lehrer einführte voneinander zu trennen.
Die homosexuellen Äquivalente der Situation (ich als vergleichsweise alter Mann, vor dem er einen intuitiven Respekt hatte, sein akademischer Lehrer als Vaterfigur, und er als junger Mann, der viel von seinem etwas verständnisunsicheren Vater sprach, der sich den sozialen Aufstieg seines Sohnes gewünscht hatte, aber nicht verstehen kann, welche Veränderungen das bedeutet, ein akademisches Studium der Medizin zu bewältigen, wenn man aus einer in dieser Hinsicht nicht informierten Beamtenfamilie der unteren Beamtenränge kommt. usw.) Schwere ‚Darmstörungen’ gingen mit dieser Erscheinung im Gesicht einher. Ich habe dunkle Ideen über die Zusammenhänge, wie auch über den dafür verantwortlichen seelischen Übergangszustand, der diese umfassende Krise ausgelöst haben dürfte, zumal alles wieder im Abklingen zu sein scheint, und eine Neuorganisation in Sicht.

Zwölfter Traum:

Traum am Morgen des Donnerstag, 18. Dezember 2003

Ich befinde mich auf einem öffentlichen Platz in Gießen, der Stadt, in der ich mein Studium absolviert habe, die mir immer fremd blieb, und deren Bevölkerung zu einem guten Teil von der Studentenschaft lebt, deren im Rhythmus der Zyklen der durchschnittlichen Studiendauer aufeinander folgende Generationen sie gleichgültig für ihre Selbsterhaltungsinteressen nutzt, ohne sich an ihrem Schicksal wirklich zu beteiligen oder beteiligt zu fühlen. Von Büchner weiß diese Stadt so wenig mehr wie von Liebig. Die Studentengenerationen kommen und gehen wie die Jahreszeiten, die besser oder schlechter sind für das mit ihnen betriebene Geschäft, das Jahreszeiten nur als Geschäftszeiten kennt. Es ist ein sonniger Frühherbst  oder Spätsommertag, und es herrscht viel Betrieb. Der Platz verengt sich aus einer weitläufigen, mit Grasflächen und Bäumen bestandenen parkartigen Fläche in eine breite Straße hinein, an deren Flanken niedrige, dann höhere, mehrstöckige Häuser stehen. In einem der niedrigen Bauten auf der von mir aus gesehen linken Flanke befindet sich ein Schnellimbiss, und hinter mir, um die Ecke, ist Mc Donald. Von irgendwoher spielt laute Musik, fröhliche Stimmung verbreitend. Ich weiß auch im Traum noch – wie ich mich jetzt zu erinnern meine – was gespielt wird, während ich es jetzt vergessen habe. Es ist ab er irgendwo in meinem Hinterkopf und wird mir wieder einfallen, wenn ich nur entspannt weiter darüber nachdenke.
Ich kenne mein in dieser Hinsicht zuverlässiges Gedächtnis. Die Angestellten des Schnellimbiss sind damit beschäftigt, die pausenlos in Bussen eintreffenden Kunden zu bedienen. Es gibt eine Art von Fliessbandabfertigung. Unablässig werden Pommes Frites in kleine Pappschalen gefüllt aus im Hintergrund arbeitenden Frittiergeräten, und ich kann deutlich das rote Ketchup, das über die gelbbraun gebratenen Kartoffelstäbchen gekleckert ist erkennen. Ich bin nicht sicher, ob ich empört sein soll über den Massenabfertigungsbetrieb, den offenbar eine clevere Marketingstrategie pausenlos mit kritiklosen neuen Kunden beliefert, unter denen ich einen sehr hohen Anteil von Kindern erkennen kann, oder ob ich den bunten Betrieb als eine ästhetische Wohltat und Demonstration unbekümmerten bewusstlosen Lebens annehmen soll.
Beim Erwachen erkenne einerseits die Triebanteile an dem Geschehen (Menstruationsblut auf den Lebensmitteln und die ganze ‚Anlage’, die nach Art eines ins überdimensionale ausgedehnten Schambereichs einer Frau gestaltet sind (die mit Gras und Bäumen bewachsene Anlage, die in die breite Straße mündet, die unten, jenseits meines Blickbereichs um die Ecke führt zu dem ‚Big Mac’, und auf den Flanken den ‚Schnellimbiss’ aufweist).
Die ganze Szene symbolisiert den Unterbauch  und den behaarten Schambereich eines weiblichen Leibes, in den Größenordnungen einer riesigen Mutter, aber auch das quasi kannibalistische Geschäft, das mit den herangekarrten, ihrer Triebhaftigkeit nicht bewussten Kunden, vorwiegend Kindern gemacht wird. Die Massenabfertigung verbindet den Ablauf nicht nur mit Absichten, die den ‚Kunden’ nicht bewusst sind, insofern es den Anbietern um das Triebziel Geld geht, während es den Kunden um die Befriedigung ihrer Triebe geht (hier alles prägenital im Bereich der Oralität aufgelöst, Essen zugleich als Saugen, Cunnilingus und gewissermaßen, insofern die Anbieter ja das Geld wollen, zugleich das Aufgefressenwerden bei lebendigem Leibe von den Geschäftemachern, die die den Kunden nicht bewusste Triebhaftigkeit nutzen um ihre Triebziele zu erreichen. Das Ganze erinnert daher auch an ein Geschäft, wie es mit der Sucht und er Prostitution betrieben wird, mit einer ihrer selbst nicht bewussten Masse, deren Triebstruktur rücksichtslos genutzt wird für diese Zwecke. Damit aber wird das Ganze zugleich eine Form der Massentierhaltung.
Da der Vorgang zugleich mit dem der Bildung (staatliche Schulen, Universitätsstudium) zusammenfällt und so in die Verantwortung des Staates als des Organs (!) der kollektiven Selbsterhaltung fällt, ist die Szene im eigentlichen Sinn pornographischer Art. Das macht den Anteil meiner Empörung an dem Anblick (Universitätsstädte sind in einem bestimmten Sinne bevölkert von triebhaften Kannibalen und in einem ungemein obszönen Sinn parasitär gegenüber den von ihnen konsumierten Studentengenerationen) zu einer rationalen Einstellung. Der unverkennbar sexuelle Aspekt der Szene ist erregend, und zwar weil ich begreife, ‚was gespielt wird’. Ich erlebe das auch beim Niederschreiben, nicht nur wegen der in den Traum einfließenden libidinösen Energien, sondern auch deshalb, weil diese zugleich dem Bewusstsein eine grundlegende Verfassung der gesamten Lebenswirklichkeit der Erkenntnis zugänglich machen, den bisher nirgendwo dokumentierten Umstand der Durchdringung der gesamten Lebenswelt mit den Tiden und der Brandung, der Dünung und den Stürmen (freilich auch den Flauten) der menschlichen Libido, und zwar der von Milliarden von Individuen.
Die psychopathologische Persönlichkeit der Sozialwissenschaftler und der Sozialphilosophen oder auch der mathematisch eingestellten Wissenschaftler, zumal der Ökonomen, hat diesen Aspekt bisher so wenig erkannt wie andererseits die klinische Psychoanalyse nicht erkennt, auf welchem Wege sie die von Freud nur angedeutete ‚Weltgeltung’ der Psychoanalyse eigentlich in die mit dem Menschen und der menschlichen Lebenswelt befassten Wissensformen umsetzen soll.
Meine Freude über die Lektüre des ‚Mann Moses’ von Freud: Er war ein Ägypter, der sich die Schuld eines Mordes aufgeladen hatte, als er einen ‚Aufseher’ erschlug, eine Vaterfigur. Moses, der das Land der Verheißung nicht erreichte, der Führer durch die Wüste, extreme Triebbeherrschung, Verzichtfähigkeit (kein Karrierist: er gewinnt nichts für sich, jedenfalls nicht direkt. Seine Befriedigung besteht darin, durch die Wüste zu führen und seinem Gott unbedingt treu zu bleiben.
So bin ich in Angst und Schuld, Scham und Verzweiflung meinem Gott treu geblieben bis zum Tag der Erleuchtung.
Wie Ödipus wollte ich es nicht sehen, wollte ich es nicht wissen, obwohl ich längst sah und wusste. Die damit verbundene Schuld war überwältigend und brachte mich dem Tod nah, der mich mehr als dreißig Jahre ‚bei Fuß’ begleitete: Ich konnte ihn wohl zähmen., aber es was als hätte ich mich daran gewagt, inmitten der kulturellen Welt des 20. Jahrhunderts und nun des 21. einen Saurier als haustier halten zu wollen, der mich überall hin begleitet. Derart lebte in zugleich unter dem Eindruck einer ungeheuren Schuld und in Todesangst, nicht zuletzt wegen meiner Kühnheit, einer maßlosen und größenwahnsinnig wirkenden Aggression gegenüber der Kultur und dem entsprechend auch den ihr gehorsamen Menschen, die in ihr leben wie Fische im Wasser, nein, mehr noch wie Wasserwesen, die selbst aus Wasser sind, bis auf einen kleinen Rest, der ihre Natur ausmacht, ihren Organismus. Denn der Erkenntniswille, diese wieder Trieb, mit ihm identisch gewordene Bündelung aller Libido unter dem Primat des Genitalen, das sich der Mutter zuwendet, und ihrem Leib, diese Synthese von (kulturell verbotenem oder systematisch gehemmtem) Trieb und Erkenntniswille als Genitalität ist als Ganze ebenfalls kulturell verboten.
Der bürokratische Betrieb ist ja nichts als die Institutionalisierung der Kastration, die sich natürlich auch auf den Betrieb der bürokratischen Institutionalisierung der Wissenschaft bezieht.
Johannes hat mich mehrfach beleidigt und an entscheidenden Stellen nicht unterstützt. Mit den von ihm gewählten Freunden, Voyeuren, kam ich nicht zurecht, abgesehen von deren Eifersucht (und meiner, wenn auch schwachen). Die Verwickelung mit Helga war wenig hilfreich, wenn nicht unerträglich. Ich musste verstummen. Das hat aber auch damit zu tun, dass er mir eine Idee einflößte, die ich erschrocken vor ihm verschloss in dem Moment, in dem sie mir bewusst wurde. Ich habe deswegen immer den Eindruck gehabt ihn möglicherweise bestohlen zu haben, jedenfalls nicht ehrlich gewesen zu sein. Ich hätte ihm sagen müssen, dass was er mir mitteilte, meinen grundsätzlichen Begriff der Soziologie, so wie er mir bis dahin vorschwebte, ohne dass ich das ganz genau wusste, grundsätzlich und blitzartig veränderte durch einen Vorgang der schlagartigen Überflutung dieser Vorstellung oder dieser Ordnung – wenn man etwa an Marx oder auch an Luhmann denkt und ihre affektlosen Vorstellungen von Systemen, in denen die Durchdringung des gesamten Gebildes mit libidinöser Energie, ja seine Belebung und Lebendigkeit, die erst durch sie denkbar wird und überhaupt erst einen Erklärungsansatz liefert, der das Ganze verständlich machen kann – mit der Vorstellung ihrer Durchdringung mit libidinöser Energie. Gesellschaft ist dem entsprechend eigentlich nach Art eines gigantischen Organismus zu verstehen.
Das ist keine Mythologie. Die Maschinenanalogie, die seit Descartes herrscht und auch Freud noch stark beeinflusst hat, ist eine Mythologie, ebenso wie der Leib/Seele Dualismus bzw. die ‚Psyche’/Verstand Mythologie. Man könnte dagegen einwenden, das sei eine Reanthropomorphisierung der Soziologie, und diese sei unwissenschaftlich. Dagegen kann man nur sagen, dass umgekehrt ein Schuh daraus wird.
Meine Vorbehalte gegen das, was mir als ‚Psychoanalyse’ angeboten wurde, eine systematische Perversion, die dem Gesetz der Torsion aller Bedeutungen durch die organisierte Gewalt folgt, über das sie aufzuklären vermeinen mochte, wo sie es überhaupt noch versuchte, waren keine gegen die Psychoanalyse, sondern gegen ihre Vergewaltiger, die sie zu ihrer Sklavin gemacht hatten: Kassandra ! Iphigenie ! Orest !
Oh ihr Geschenke des Himmels, wie klar ist auf einmal euer Porträt, welch herrliche Gestalten taucht ihr wieder auf aus euren Gräbern, meine persönliche Renaissance ! Die Renaissance ereignet sich plötzlich und unvermutet in mir, sie ist ein seelischer Vorgang und als solcher ganz unmittelbar nachvollziehbar, was nachvollziehbar, sie ereignet sich vor meinen nach Innen gerichteten Augen. Was für ein unglaubliches Wunder.
Kurt Eisslers Studie über Goethe ist ein einzigartiges Werk von ungeheurer Voraussicht, eine Leistung für die Kultur, deren Usurpatoren ihn vertrieben, die gar nicht überschätzt werden kann. Sie enthält den Schlüssel zur Selbst Befreiung der traumatisierten Nachkommen einer Kultur, die von Schlächtern im Namen der Erziehung (von sogenannten Erwachsenen, die systematischen Kindesmissbrauch und systematische Kinderschändung betreiben) zum Schlachthaus geführt werden sollen ohne noch einmal den Kopf heben zu können gegen ihr Schicksal, und denen der Schlüssel zur Erschließung der ihnen als verantwortliche Erziehung angetanen Gehirnwäschen in die Hand gegeben wird.
Man muss diesem Mann dankbar sein für diese einzigartige Leistung, die zugleich die wirkliche Humanität der Psychoanalyse gegen ihre totalitäre und gewalttätige Unterwanderung durch eine unerträgliche Melange von Faschismus, (Behaviorismus ist Faschismus als Psychologie), Karrierismus und Opportunismus dokumentiert, die unter dem Eindruck der Gewalt des 20. Jahrhunderts von ihr Besitz ergriffen hat. Auch die Psychoanalyse ist ein von dem Jahrhundert der Gewalt, seiner Mutter und seinem Vater, Wissenschaft und Staat, vergewaltigtes Kind. Das Trauma der Gewalt hat auch sie – ihre institutionalisierte Gestalt – erfasst und pervertiert.
Es gibt Menschen auf dieser Welt, in dieser Wüste ! It’s a long road... It was a long road. Ich komme nach Hause Klytaimnestra/Medea. Es ist genug. Ich will nicht länger auf meiner Rache bestehen, die Dich verleugnet und verleumdet, weil Du mich verlassen hattest. Sie stand unserer Liebe immer im Wege, obwohl doch alles auf sie hinaus läuft.
(Hier ist etwas nicht im Gleichgewicht. Klytaimnestra/Medea, sind das Mütter, mit denen man sich wirklich versöhnen kann? Ist die Versöhnung echt? Ist die ambivalenzfreie Liebe zu solchen Müttern denkbar und nicht nur eine gefährliche (masochistische) Illusion? Daran muss ich noch einiges tun. Hier ist also eine Front.
Ich hatte vor mich den derzeit diskutierten Plänen der erneuten Reform der öffentlich institutionalisierten Erziehung zu befassen, die Schule meiner Kinder (Copernicus-Gymnasium Löningen und die in Zeit und Stern diskutierten, vorwiegend von einem Berliner Erziehungswissenschaftler (dem derzeitigen ‚Präsidenten’ der Universität) Pläne zur Durchsetzung eines Bildungsdumping mit gegenstandslosen ‚Abschlüssen’ zu äußern. Die Summe ist leicht zu ziehen: Privatisierung der Bildung als Antwort auf diese ‚Strategien’ der Vernichtung der europäischen Tradition durch eine von Wirtschaftsinteressen und Unternehmensberatern infiltrierten Staatsbürokratie. Es ist ohne Sinn sich damit weiter zu befassen.
Auch hier kann die Psychoanalyse und ihre Entstehungsgeschichte lehrreiches Beispiel sein, ebenso wie die Renaissance. Wie wäre es zu sagen, die Psychoanalyse ist selbst eine Renaissance der Renaissance im Gewand der Wissenschaft ihrer Zeit. Zu retten ist stets die unbekleidete Gestalt der nackten Göttin. (Das ist jetzt im Gleichgewicht!). Zum ersten Mal fühle ich mich in der Lage, Freude zu empfinden angesichts der mir unverhofft, aber stets erhofften Frucht meiner Studien. Alles andere wurde zu Recht sofort gedämpft (vom Über Ich), das mir eiskalt und brutal sogleich mitteilte, das sei es nicht (etwa die Verlängerung eines ‚Promotionsstipendiums’ und mir jede ‚Karriere’ drakonisch verbot, und sollte es mich das Leben kosten.
Jetzt könnte ich – denke ich gerade, ohne ein Buch oder sonstigen Besitz mitzunehmen nach Australien auswandern. Ich denke ich habe was ich wollte erreicht: Meine Auswanderungs  und Exilfähigkeit. DAS ist Freiheit! Es gibt mir sogar die zu bleiben, denn jetzt ist es überall auf dieser Welt (wieder) schön, für den Rest meiner Tage: „I don’t make promises lightly, and there are some that I’ve broken, But I swear for the days still left we’ll walk in fields of gold, we will walk in fields of gold.“ Ich kann es mir von einer Frauen- oder Männerstimme gesungen vorstellen. Es gilt gleich.
Kurt Eissler! Noch nie sah ich einen Anlass zu so vielen Ausrufezeichen. Es erschien mir immer zu exaltiert. Aber hier sind sie am Platze. Bisher war das ein Zeichen, von dem ich nur wusste, aber für das ich keine Verwendung wusste. Meist empfand ich einen gewissen Abscheu von seiner Benutzung. Zu phallisch, zu genital, zu unmittelbar an eine (ungeliebte, unheimliche, als ekelhaft erlebte) Erektion erinnernd?
Ich entspreche einer Notwendigkeit erwachsen zu werden angesichts des Umstandes, dass ich vier weibliche Kinder habe, von denen eines das Gymnasium abgeschlossen hat und eines schon erwachsen ist, obwohl es noch nicht aus der Schule ist. Ich kann es an unseren Diskussionen über die Schule aber erkennen. Es würde sie beschädigen, wenn ich das nicht auf den Punkt brächte.
Es ist gar nicht einzusehen, warum man das Familiengeheimnis an alle verraten sollte. Warum die Menschheit, zumal diese dieser Kultur beglücken wollen? Soll dieses Wesen an mir genesen? Anders gesagt: Ist Moses verpflichtet dazu, das auserwählte Volk aus Ägypten zu führen, das darauf beharrt, dort in Sklaverei und verschont von Menschheitsbeglückern mit Aufklärungsanspruch vor sich hin zu leben und alle Bildung mörderisch für Arroganz hält, wie der demokratische Mob den Sokrates?
Die Antwort lautet: Nein, es gibt keine Verpflichtung zu einem sinnlosen Selbstopfer. Auch dieses Bewusstsein ist Freiheit, bloß warum hinterlässt es ein gewisses Unbehagen?
Weiß nicht, wird sich klären. Es hat zu tun mit dem Problem des Wissens, der Artikulation. Welchen Sinn kann ein Wissen haben, das nicht artikuliert wird? Ist es eine unzulässige Aggression, nun das Wissen NICHT zu artikulieren, oder anders, für wen ist es bedeutsam in einen nicht aggressiven Sinn, wenn man es artikuliert, wo es doch auch als Aggression verstanden werden kann, insofern es eine ‚Kultur’ angreift, ihre Form kritisiert als infantil bzw. als regressiv?
heißt das, die Wahl ist eine zwischen zwei aggressiven Handlungen? Oder ist das gar eine Sequenz: Erst das Wissen als solches, das die Kultur angreift, und schon gegen ein Verbot errungen, um den Preis einer Übertretung erst möglich wird, und dann gar die Artikulation, die es ‚der Kultur’ ins Gesicht sagt? Die Kultur als Mutter, was hätte sie sich vorzuwerfen, dass sie sich mit einem Verbot präventiv wehrt.
Was heißt eigentlich in diesem Sinn im Unbewussten das Gerede von der Prävention? Die Verhinderung des Bösen im Interesse dessen, dem gegenüber das Verbot, die Warnungen ausgesprochen werden? Wenn sich die ‚Prävention’ gegen die ‚Sucht’, die Kriminalität, die Verwahrlosung, die Delinquenz usw. richtet, dann richtet sie sich gegen ein Symptom. Aber die Technik der Prävention, die zugleich in dieser Technik die Genese des Symptoms ignoriert, wogegen richtet die sich eigentlich? Mindestens zugleich auch gegen die Aufklärung über die Genese des Symptoms.
Kann das nicht auch damit zu tun haben, dass die Institution, die die Prävention betreibt, zugleich auch ein wirkliches Interesse daran haben könnte, eine Genese des Symptoms, gegen das sie auftritt im Namen derer, die es dann zur Darstellung bringen? So dass sich in der Prävention auch ein Symptom darstellt, das in dieser Ignoranz erscheint, als Impotenz, die sich als Kompensation die Drohung mit der Sanktion zulegt, um sich besser als ‚Autorität’ zu konturieren, also durch ‚Autorität’, den unmittelbaren ‚Appell’ an das archaische Über  Ich und dessen unbewusste Anteile, so wie die von denselben Gefügen ausgehende Erziehungsgewalt sie in den seelischen Strukturen der Individuen von Staats wegen verankern, indem sie die Erziehungskompetenz an sich ziehen durch Verstaatlichung der Erziehung einerseits, der Aufrechterhaltung persönlicher Zurechnung (der Verantwortlichkeit der Eltern z. B., die heuchlerisch als ‚Respektierung des Elternwillens’ firmiert, aber nur gebraucht wird als soziale Fiktion, die der Aufrechterhaltung der Fiktionen einer Rechtsprechung dient, die auf der ganz unangemessenen Fiktion des freien Willens der Person beruht und ihrerseits der Disziplinierung der Population mit deren Zustimmung dient) andererseits.
Autopoiesis bei Luhmann, Automorphismus bei Eissler (bemerkenswert die Identität der Bedeutungen bei ganz anders ausgelegten Interessen und Aufmerksamkeitsverteilungen sowie einer ausdrücklichen Psychoanalyseabstinenz bei Luhmann, der keine antisystematische Einstellung bei Eissler entspricht), Möglichkeit dazu, Bildungsziel. Frage der Mittel. Urteilsvermögen, aber auch Antizipation. Wie geht das, dass ich mir vornehme der und der oder so und so zu sein und das sich dann macht? Denn so ist es tatsächlich. Entelechie, Selbststeuerung durch eine selbstgewählte Finalursache? Zu einfach, die ‚gewählte’ Finalursache muss in einem Verhältnis stehen zu dem, was möglich ist und zu dem, was kulturell gerade ‚dran’ ist. Denn sie ist nicht trennbar vom dem, was die Geschichte der Menschheit insgeheim als deren dynamisches Gesetz beherrscht.

Dreizehnter Traum:

Traum am Morgen des Freitag, 19. Dezember 2003

Ich erinnere mich erst am Abend wieder daran, dass ich den Traum dokumentieren wollte, und auch an seinen Inhalt. Es scheint mir nur noch ein Rest.

Ich befinde mich vor dem Elternhaus meiner Mutter, in dem ich weitgehend aufwuchs nach dem Krieg 1939-1945. Die ganze Straße ist aufgerissen, die Parkstraße, so weit ich sie übersehen kann, bis zu der Biegung an ihrem unteren Ende, wo sie hinter der Brücke über die Usa (USA) nach links abbiegt. Die Asphaltdecke ist abgeräumt (abgeträumt), in der mittleren Spur liegt ein Steinhaufen aufgehäuft, und bildet eine erhobene, zugespitzte Linie auf der Mitte der Straße bis hinunter an die Brücke über den Fluss (Ich sah kürzlich die Abbildung einer nackten jungen Frau, deren haarlose äußere Schamlippen ebenfalls eine Art Kamm bildete, der bis zwischen ihre Schenkel verlief, ein Bild, das mich ergriff, zumal die junge Frau einfach da stand ohne eine verführerische Haltung oder dergleichen. Sie war einfach schön, und ich empfand den Anblick der sachte geschlossenen Scham (möglicher Weise zum ersten Mal in meinem Leben) nicht als Kastrationswunde oder –narbe, sondern einfach als schön im Sinne der Art, wie man die ‚nackte Wahrheit’ als schön empfinden kann, zum Mindesten als Mann, wenn und weil man sie als weiblich antizipiert hat.).
Das die Straßenecke einnehmende Haus, eine bürgerliche Villa aus dem neunzehnten Jahrhundert, war ebenfalls bis auf die Grundmauern niedergelegt zwecks eines Wiederaufbaus aus dem Grund heraus. Die Decke des Kellers war noch erhalten und ragte in die abschüssige Fläche des Seitenweges hinaus. Etwas daran kam mir offenbar eigenartig vor, und ich spürte den Wunsch, mich dem Gebäuderest zu nähern und die Reste zu berühren, da mich die Wahrnehmung offenbar irritierte, weil etwas an dem Gefüge bzw. der Erscheinung nicht zu stimmen schien.
Als ich die vermeintlichen Mauern berührte bemerkte ich, dass sie aus flächigen faserigen Resten, wie den Resten einer Plastiktüte oder –plane gemacht zu sein schienen, trocken und brüchig, entfärbt und zerfasert, wie die Reste von Plastiktüten oder –planen, die man gelegentlich aus Bauschutt herausragen sieht, heute jedenfalls, auf Feldwegen oder sonst wo dieser Schutt oft entsorgt wird, etwa um den Fahrweg zu befestigen. Die Existenz der Grundmauern war also ein Schein. Es standen nur diese Reste, die so aussahen wie sie. Ich konnte nun zwischen den Fasern hindurch direkt in den Keller sehen, aber es war enttäuschend und irritierend, obwohl wegen der Fadenscheinigkeit des verrotteten Materials Licht in den darunter liegenden Raum fiel, der im Übrigen leer erschien. Es war offenbar nichts Besonderes zu entdecken. Ich kannte das Haus ja auch schon und wusste wie es von Innen ausgesehen hatte als es noch stand.
Allerdings konnte ich den Zwischenboden nicht entdecken, der einmal statt einer Deckenabsenkung in zwei Räumen des Parterre eingezogen worden war, durch den man von einem in den anderen darunter liegenden Keller gelangen konnte. Ich erinnere mich daran, dass ich ihn im Alter von ca. 12-134 Jahren entdeckte und mich gelegentlich darin aufhielt. Es war ein Geheimraum, den offenbar nur ich kannte, ca. 70 cm hoch und noch mit dem alten Fischgrätemusterparkett belegt, wenn auch staubig. Es war ein perfektes Versteck und ich nutzte es eine Weile, wie ich mich erinnere. Ich wurde nicht klug aus dem Material der Reste der Grundmauern, die sich bei näherem Hinsehen bzw. –fühlen in dieses brüchige blättrige und trockene Zeugs auflösten. Vermutungen habe ich schon.
Das ausgetrocknete zerbröselnde und blättrige, zudem von Mauerstaub überstäubte Zeugs, das eine solide Unterlage nur darstellt, ist das weibliche Genitale einer frigiden Frau. Das ist allerdings nicht, so weit ich das erinnern kann, meine Mutter. Ich glaube sie war nicht frigide. Eher habe ich diesen Eindruck von den Mitgliedern der Familie Cramer, alles Frauen und katholisch, gehemmt in ihrem sexuellen Ausdruck nach Art der in dieser Gruppe üblichen Tradition. Das ist dann nun doch wieder eine Kastration, und zwar eine doppelte, nämlich meine und die der weiblichen Mitglieder der Familie Cramer. USW.
Also ist es doch ein Kastrationstraum und ein Vorwurf an die Mutter: Du hast mich kastriert und mich an kastrierend-kastrierte Weiber ausgeliefert (Objektwahl, meine Schwestern, von denen mich die ältere, Eva einmal die Treppe hinabstürzte, und mir einmal eine kleine Gießkanne, auf der ich trompetete, durch einen Schlag in den Hals stieß, mit der Folge, dass ich vom Esten eine Narbe am unteren Kinn und Halsbereich davontrug und vom Zweiten eine im Gaumen, der sich abgeschält hatte vom Gaumenknochen des Schädels, was meiner Mutter den Anblick eines veritablen Blutsturzes bescherte als ich den Mund öffnete. Sie erzählte mir übrigens, dass sie auf das Schreien meiner älteren Schwester herbeigerannt sei und zunächst dachte, dass diese sich verletzt habe, während ich mit geschlossenem Mund stumm herumstand. Sie erkannte erst was geschehen war als ich den Mund öffnete, offenbar nicht um zu schreien, sondern um das darin zusammen gelaufene Blut nicht schlucken zu müssen.).
Eine Analytikerin, der ich diesen Vorfall einmal erzählte meinte das in einem bestimmten Sinne deuten zu sollen, indem sie diese Reaktion meiner Schwester als Beweis der Liebe meiner Mutter betrachtete. Der dritte Vorfall dieser Art, an den ich mich erinnere, ist dass meine ältere Schwester in Gegenwart eines Jungen, des Sohnes eines Kohlenhändlers aus der Nachbarschaft, mit einen Besen über den Kopf schlug, mit der Folge einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit. Darüber lässt sich noch einiges weiteres sagen, vor allem zur Liebe meiner Mutter! Ich glaube ich habe nie etwas Dümmeres gehört in meinem Leben als diese Deutung.

Vierzehnter Traum:

„Traum von der Bärin.“

20. November 2004
Heute nach hatte ich einen Traum, der den ‚Sinn’ meines Kopfschmerzes und meiner Müdigkeit dargestellt hat:
Ich war bei sehr reichen Leuten zu Gast in einem marmornen Riesenpalast, dessen erwachsene Bewohner ich dennoch nicht zu sehen bekam. Sie waren eher in der Form von Forderungen oder Normen anwesend, also in der Form, dass ich von ihnen wusste. Der Palast, ein Gebilde, wie man es auf den Gemälden der italienischen Rennaissancemalerei zu sehen bekommen kann – Rebecca hat ein solches Bild aus ihrer Romfahrt in der Oberstufe ihrer Gymnasialausbildung mitgebracht, dass die Schule von Athen darstellt, so weit ich das in Erinnerung habe. – Gigantische Rundbögen wölben sich über weiten Durchgängen, weite Treppen mit übermenschlichen Ausmaßen verbinden Stockwerke, über denen sich hohe Kuppeln wölben, während das Klima es erlaubt, alle Seiten offen zu halten, so dass der Palast frei für die Winde ist, die durch ihn hindurchwehen können nach Belieben. Überall ist alles von Licht durchflutet und die Farben des Marmors lassen das Ganze wirken wie ein lebendes Wesen. Vor dem Palast erstreckte sich ein See, und ich spielte mit Sarah, meiner jüngsten Tochter, an dessen gegenüber liegenden Ufer, wo sich auch ein riesiger zahmer Bär in seiner nach dem Ufer offenen Höhle aufhielt, der sich ebenfalls an dem Spiel beteiligte.
Dabei zog sich Sarah im Spiel mit dem Bär, die genauer eine Bärin war, eine harmlose Verletzung zu. Ich hatte die Bärin schon die ganze Zeit über mit Unbehagen und Furcht beobachtet, aber angesichts der Verletzung, es war ein kleiner Kratzer, brach ich in eine unaufhaltbare Panik aus. Ich warnte Sarah davor mit der Bärin weiter zu spielen und versuchte sie wegzulocken, indem ich ihr eine Gefahr vorstellte. Während sie mir verständnislos gleichwohl bereitwillig, wenn auch zögernd folgte, und wir uns über den See entfernten – wir wateten durch einen flachen Teil in der Nähe des linken Uferrandes in Richtung auf den Palast zu, und ich rannte vor Angst beinahe über das Wasser – sah uns die Bärin vom Rand ihrer Höhle aus verständnislos mit blanken Augen nach, ohne uns allerdings zu folgen.
Ich erkannte sowohl an ihrem Blick als auch an Sarahs verständnisloser Art mir zu folgen – Sarah war die einzige Person von den Palastbewohnern, die ich tatsächlich zu sehen bekam, und die Bärin war ganz offensichtlich ihre Spielgefährtin – dass meine Panik eigentlich unbegründet war, und dass Sarah die Lage wohl richtiger sah als ich und meine Panik schlug um in eine furchtbare Trauer um mein Leben, das mit dieser Furcht und Panik vergiftet war beinahe von Anfang an. Ich verstand auch, dass ich Sarah und der Bärin Unrecht tat, und vermutlich als ihr Erzieher und Spielgefährte ungeeignet. Wir gelangten in den Palast und Sarah verschwand in einem Teil des Gebäudes, den ich nicht kannte und auch nicht zu betreten versuchte. Ich brach in ein schreckliches krampfhaftes Weinen aus, das mich durch und durch erschütterte, während ich von einem Bediensteten, der mich am Arm nahm, weggeführt wurde in einen anderen Teil des Palastes. Ich hielt dabei eine Pistole in der Hand, die mir niemand wegzunehmen versuchte, und weinte und schrie dabei ganz furchtbar, indem ich einerseits einsah, dass meine Angst unbegründet war, weil die Dinge in Wahrheit anders lagen als ich sie wahrnahm, und zugleich mich nicht von der Panik befreien konnte, die mich befallen hatte und mich stets wieder befiel bei dem Gedanken an die Bärin. schließlich fand ich mich allein in einem der riesigen, großzügigen Räume wieder, auf einer Marmorbank sitzend, während ein warmer leiser Wind mich einhüllte, und mein Blick zu den weiten, hoch liegenden Fensterbogenöffnungen den Anblick des Himmels durch das grün belaubte Geäst der vor dem Palast stehenden Bäume suchte, und ich erkannte mein unvermeidliches Schicksal, das mir in dieser Umgebung nicht die Angst nehmen konnte, die mich entweder unterschwellig oder akut beherrschte. Und ich erkannte das ganze Ausmaß meines Unglücks als ich weinend aus dem Traum erwachte und mich in einer Wirklichkeit wieder fand, die von diesem Unglück gänzlich beherrscht ist.
Und mir wurde klar: Diese Bärin ist Annegret, die Mutter meiner vier Töchter.

An Sarah Mittwoch, den 19. Januar 2005

Ich schulde Dir noch ein Gedicht.

Vergessen habe ich es nicht:
Ich schulde Dir noch ein Gedicht.
Doch war zu lösen erst die Frage,
Was ich am besten zu Dir sage.
Und danach ging es um die Form
Denn die ist wichtig, ganz enorm.
Damit sich alles richtig reimt
Wenn erst mal ein Gedanke keimt.
Ich denk’ an Dich aus dieser Ferne
Und sähe Dich jetzt wohl auch gerne
Ich wollte Du wärst jetzt bei mir
Dann wäre es viel schöner hier.
Als wir noch öfter zusammen gewesen
Konnten wir ‚Die Raupe Nimmersatt’ lesen
Oder ‚Mein Esel Benjamin’
Während ich jetzt alleine bin.
Im Garten konnten wir Hummeln betreuen
Wir konnten uns über viele Dinge freuen
Wir konnten mit Leah im Garten lachen
Und konnten Helenas Haus sauber machen.
Ich konnte bemerken wie gut Du rechnen kannst
Mich freuen wenn Du beim Wettlauf gewannst
In der Hütte konnte ich Holz zerhacken
Und manchmal haben wir Kuchen gebacken.
Ich sah Dir oft beim Spielen zu
Manchmal spielten wir ‚Blinde Kuh’
Wir haben ‚Verstecken’ und ‚Ticken’ gespielt
Wobei ich immer ‚Du bist’ behielt.
Im Sommer sind wir zum Baden gewesen
Dann hast Du mir manchmal auch vorgelesen
Oft war ich im Sommer auch allein
Dann konnte aber Cora bei mir sein.
Grad’ sitz’ ich hier und denk’ an Dich
An Deine schönen braunen Augen
Ich sitze hier und frage mich:
„Was könnt’ ich sonst noch zu Dir sagen?“
Schon bald wird wieder Frühling sein.
Du kannst wieder mehr im Garten rennen,
Dann gibt es Blüten und Sonnenschein,
Du kannst gegen Leah im Wettlauf gewinnen.
Ach übrigens, wie geht es ihr?
Ich höre hier nichts mehr von ihr.
Von Rahel hör’ ich nicht die Spur!
Ist sie vertieft in’s Abitur?
Ich schreib’ ihr auch ´mal ein Gedicht
(Die ‚Reife’ hab’ ich bis heute nicht).
Ich glaub’ sie geht es viel besser an,
Ich bin’s zufrieden und freu’ mich dran.
Wie geht es Leah im Unterricht?
Das reimt sich auf ‚Vergissmeinnicht’.
Ich hoffe sie sorgt gut für Helenas Haus,
Und lässt sie bei Tage auch mal raus.
Wenn ich mir hier Ihr Bild ansehe,
Und ihre goldene Schönheit sehe,
Dann bin ich jedes Mal entzückt
Und wünsch’ Ihr, dass ihr alles glückt.
Für Manches fehlt es mir an Worten,
Obwohl ich wirklich viele weiß;
Doch will ich dann eines verwenden,
Dann scheint es mir oft viel zu blass.
Die Sprache kann nicht was ich will,
Oder ich kenn’ die Sprache nicht;
Sie reicht nicht aus für mein Gefühl
Und für ein wirkliches Gedicht.
Das scheint schon immer so zu sein:
Ich kann nicht sagen was ich fühle.
Es reicht nur für den Knüttelreim,
Welche Worte ich auch wähle.
Was Rahel macht, das möchte’ ich wissen,
muss ich schon ihren Anblick missen;
Es wäre schön, wenn sie mal schreibt,
Damit mir etwas von ihr bleibt.
Rebecca schreibt mir öfter mal,
Und ich schreib’ ihr dann meinerseits.
Es geht ihr gut im Moseltal,
Doch wisst ihr das wohl auch bereits.
Von Anne hör’ ich wenig, leider…
Ich sage nicht: „Das stört nicht weiter.“
Sie hat wohl täglich viel zu tun
Und ich kein Festnetztelefon!
Ich muss mich wieder dran gewöhnen
Ideen und Verse zu versöhnen.
Wie lang’ macht’ ich mir keinen Reim
Und trieb mich 'rum weit von Daheim.
Ich war viel zu gewissenhaft
Mit der geliebten Wissenschaft
Wobei ich leider ganz versäumte
Zu sehen, dass sich dort nichts reimte.
Das mag vielleicht sehr dunkel klingen,
Und um mehr Licht hinein zu bringen
Fällt mir, ich hoff’ es, noch was ein;
Es kann ja auch noch später sein.
Es ist so, sie gehört mir nicht
Und ich kann auch nichts dafür tun
Versuch’ ich’s, geht’s mir dabei schlecht:
Sie gehört dem Berufsbeamtentum.
Daraus ist dann nichts mehr zu machen,
Sie eignet Staat und Politik;
Das ‚Wissenschaftliche’ an ihr,
Das ist ein Propagandatrick.
Das ist die ganze schlichte Wahrheit.
Für später teil’ ich das mit Dir.
Denn später bin ich nicht mehr hier,
Aber für jetzt geht es zu weit.
Ich bin nicht gern von euch getrennt;
Am liebsten ging’ ich gleich nach Haus.
Obwohl am End’ der Tod gewinnt,
Halt’ ich stattdessen weiter aus.
Vielleicht dass ich mich unterschätze
- Weil Andere alles besser können -
Und denke, dass ich hier nur schwätze;
Sollt’ ich mir bess’re Schätzung gönnen?
Was sagen Andre, wenn ich sie
Statt meiner reden lass’, für mich?
Ein Beispiel dafür kann ich bringen
Zum Beispiel dies, es ist für Dich.
Ich fand es spät in tiefer Nacht
In eines ‚Dichters’ langer Rede
Bei anderer Gelegenheit
dass es Dir mein Gefühl vertrete:
„Wenn ich beweine meine Einsamkeit,
Mit dem Geschick der Welt und mir zerfallen,
Mein Herz zum tauben Himmel nutzlos schreit,
Das Los verfluchend, das auf mich gefallen,
Dann glich’ ich jenen gern, die wie im Spiel
Durchs Leben gehen, die Zukunft froh betrachtend,
Wünsch’ mir des Einen Kunst, des Andern Ziel,
Am meisten mich und all mein Tun missachtend.
Wenn ich so in Verzweiflung fast versunken,
Tauchst plötzlich Du in meinem Sinn empor:
Und wie die Lerche steig’ ich sonnentrunken
Und singe Hymnen an des Himmels Tor.
Der Liebe süß’ erinnern macht so reich,
Und keines Königs Los ist meinem gleich.“
Ich kann das auch in Englisch bieten
Und raten könnt’ ihr wer das sagt.
Man muss sich dazu etwas denken
Eh’ man’s zu kritisieren wagt.
„When in disgrace of fortune and men’s eyes,
I alone beweep my outcast state,
And trouble deaf heaven with my bootless cries,
And look upon thyself, and curse my fate,
Wishing me like to one more rich in hope
Featured like him, like him with friends possess’d,
Desiring this man’s art, and that man’s scope,
With what I most enjoy contended least;
Yet in these thoughts myself almost despising,
Haply I think on thee, and then my state,
Like to the lark at day arising
From sullen earth, sings hymns at heaven’s gate:
For thy sweet love rememb’red such wealth brings
That then I scorn my state to change with kings.”
Die englische Version ist besser
Sie sagt genauer es zumeist
Der Übersetzer sagt dagegen
Was deutsch sein unter anderem heißt:
Gleich schwächt er ab, was da gesagt
Gleich weicht er aus ins Ungefähre
Gleich wandelt er’s ganz ungefragt
Damit man seinen Sinn nicht höre.
Daher noch mal, von keinem feigen Bieger
Des Sinns des klaren Ausdrucks hier
Der wieder schwach in and’rer Weise
Dennoch auch wieder unklar bleibt:
„Wenn ich, zerfallen mit Geschick und Welt,
Als Ausgestoßner weinend mich beklage,
Umsonst mein Fleh’n zum tauben Himmel gellt,
Und ich verzweifelt fluche meinem Tage, -
Dann wär' ich gern wie andre hoffnungsreich,
So schön wie sie, bei Freunden so beliebt,
An Kunst und hohem Ziele manchem gleich,
Freudlos mit dem, was mir das Schicksal gibt.
Veracht' ich mich beinah in den Gedanken,
So denk' ich dein, dann steigt mein Geist empor,
Der Lerche gleich, von trüber Erde Schranken
Und jauchzt im Frührot an des Himmels Tor.
In deiner Liebe fühl' ich mich so reich,
dass ich nicht tausche um ein Königreich!“
Soweit der Dichter und sein Überschwang
Der aller Nüchternheit hier höhnt
Die im Besitz der ganzen Wirklichkeit
Und allgemeiner Zustimmung sich wähnt.
Ja, freilich ist es kaum ein Wahn zu nennen
Es ist nur allzu wirklich, ganz und gar
Was viele flache Köpfe wirklich nennen
Scheint dadurch ganz von selber wahr.
Das ist die wahre Macht der Menge
Die mit dem doppelköpfigen Hirn
Die auf der Weide ihres dumpfen Lebens
Ins Gras gesenkt stets Maul und Stirn.
Und unter einer starken  Schädeldecke
Die panzerartig ist für die Empfindung
Von allem, das lediglich sie nachahmt
Behauptet, es sei eigene Erfindung.
Und mit der dümmsten Dreistigkeit verteidigt
Als ‚eigene Meinung’ und das Recht entdeckt
Was ihr aus ihrer Umwelt zufliegt
Sei ganz ihr eigen, nicht nur ein Infekt.
Des Geistes Krankheit ist nicht, wenn ‚ein Irrer’,
Ganz aus dem Gliede tanzt und aus der Reih’;
Nein, ganz im Gegenteil ihr Lieben,
Es ist der dumpfe, allgemeine Einheitsbrei.
Das, was ‚ein Jeder’ ‚denkt’ und ‚fühlt’ ist im Verdacht
Das, was so allgemein wie kläglich
Es  wird in einer Art Fabrik alltäglich
Für diesen ‚Jedermann’ gemacht.
Diese Fabrik heißt ‚Schule’, sie heißt auch Universität
Wo man verlangt, dass Du für Bildung einstehst:
Es ist ganz gleich wie neunmalklug Du rein gehst
Denn wenn Du raus gehst bist Du blöd.
Es braucht daher zu allem, das man lernen soll
Noch obendrein des eigenen Urteils Macht.
Denn was man bloß gelernt und aufgenommen
Ist deshalb nicht auch schon erfahr’n oder gedacht.
Die Schule und das Lernen sind vonnöten,
Daran soll nicht gezweifelt werden.
Doch Zweifel sind mit Überlegung angebracht
Wo nur noch Staatsbeamte sind die sämtlichen Gelehrten.
Dieses Beamtentum, es ruht auf einer Basis
Die sich nicht anseh’n lässt bei Tageslicht.
Sie ist vergleichbar nicht begriff’ner Freiheit
Erträgt auch der Vernunft Betrachtung nicht.
Die Mächte machen leicht es sich bequem mit ihrer Übung
Die Köpfe früh schon unter’s Joch zu beugen
Statt mit Erziehung Urteilskraft zu geben
Zu ihrer Unterbindung sich zu fügen.
Dergleichen ist früh zu bedenken
Will man nicht in die Sklaverei
In ein Gefängnis, das sich leicht verbergen lässt
In einem Alltag namens ‚Einerlei’.
Paulinchen freilich, ganz allein zu Haus’
Mag diese Warnung keineswegs behagen.
Sie zündelt lustig ungeachtet aller Warnung
Und nimmt am Ende dadurch eig’nen Schaden.
Was aber soll der Lehrer sagen
Wenn sie am Ende schließlich brennt;
Wenn jede Warnung an so vielen Tagen
Nicht ausreicht’, dass sie sich zu ihm bekennt?
Was soll denn reichen, woher Licht denn kommen,
wenn Verachtung väterlicher Urteilskraft,
Diskriminierung nicht, nicht, wie Vernunft getreten
Zum Urteil reichend Licht verschafft?
Wo wäre denn Gesetz und wo Gerechtigkeit zu finden
Wo Frauen sich, vermeintlich schlau gedacht
Der Macht andienen und die Mutter
Mit Feigheit sich zur Magd des Terrors macht.
Und wo dieselbe Feigheit Väter, ihre Büttel,
Zu den Vollstreckern dieses Terrors beugt.
Wo wäre hier denn noch ein Sinn des Lebens
Oder auch nur des Umstands, dass man zeugt?
Der Glaube, dass der Nachteil des’, den man verrät
Dem eig’nen Egoismus zum Gewinne und so zum Vorteil wird
Ist kurz gedacht, Wenn man der Logik Rechnung ohne die condicio humana findet.
Die nun einmal an das Geschlecht die Existenz der Menschen bindet.
Und an den Umstand, dass von diesen immer zwei
Vorauszusetzen sind, und alles andere einerlei,
Ist, also just das, was an der Stelle dieser Wirklichkeit
Durch Politik, Blindheit und Willkür macht sich breit.
Das missgünstige Auge, das auf diese Zeilen fallen könnte
Ist kaum davon befreit, dass es sich drin erkennt.
Missbilligung ist so geseh’n nichts als die Einsicht
Das man am Ende sich am besten kennt
Wer wäre ich, wenn ich davor die warnte
Die taktvoller Andeutung ihr unempfindlich wisst
Um sich dann angesichts der Überraschung zu entrüsten
dass man das nicht auf sich beruhen lässt.
Die Selbstverständlichkeit ist hier das Dreiste
Mit der das Zweifelhafte sich umgibt
Um sich in dieser bunten Kostümierung
Ganz aufzuführen wie es ihm beliebt.
Befreit von aller blöden Rücksichtnahme
Befreit von aller sprachfähigen Opposition
Befreit von jeder Pflicht und der Vernunft zum Hohn
Wird Bindungslosigkeit zu ihrem Gegenteil: Zur Religion.
Wie schön ist doch in dieser Rücksicht die Beliebigkeit
Die keiner Logik treu und keiner Passion
Und so mit Jedermann gut Freund sein möchte
So reimt sich’s und verträgt sich’s auch mit ‚Tradition’.
In dieser Hinsicht denn sind Tradition und Lüge
Die einzig wahre christliche Religion
Die mit der Barbarei der ‚Hochkultur’ versöhnte
Seit beinahe zweimal tausend Jahren schon.
Als neuste Mode hat sich das Gesindel
Erdacht nur eine neue Form
Für eine freilich weltweit längst bekannte
Und kaum so wie die Form ganz neue Norm
Ein Lager kennt man, meinst Du, an Baracken
An Stacheldraht, an lautem Personal
An Blut, Gerippen, jüdischen Insassen
An einem Führer, Fahnen und ‚Sieg Heil’.
Das, lieber Freund, das wäre heuer
Auffällig, kostspielig und zu wenig funktional
Für ‚unsere Wirtschaft’ wäre es viel zu teuer
Für ‚unsere Politik’ nicht rational
Stattdessen hat sich ‚uns’re Staatsverwaltung’
- Wir sagten schon, sie baut auf weichem Boden
Das sie begründende Gesetz, das ist von `33
Es wäre noch genauer auszuloten -
Ganz Neues ausgedacht, im Geist der Tradition,
Neu ist daran die Art der Inszenierung
Identisch ist daran ihre Funktion
Und die dient ihrer alten Selbsterhaltung.
Das Lager ohne Blut und Boden
heißt kurzerhand, weil es so klebt: Harz Vier.
Was da die Vier soll, mag der Teufel wissen
Ob’s besser Zwei hieß’, überleg’ es Dir.
Die Wahrheit ist, das Lager ist Legion
Es ist identisch mit der Hochkultur
Und nach der Wiederkehr der Periode
Kannst Du im Großen stellen Deine Uhr.
Wenn man ein Zehntel eines Staatsvolks reduziert
Mit einem durch Gesetz gemachten Schnitt
Auf ein alle gleichmachendes Niveau
Das ihre Biographien mit Füssen tritt
Wenn man sie bringt um alle Unterschiede
Die sonst angeblich überall in Geltung sind
Und das Gefüge eines Staats und seines Lebens
Derart um alle wirkliche Bedeutung bringt
Und das im Namen einer angezielten ‚Integration’
- Man sehe, was das heißt, in einem Lehrbuch nach
Es heißt in Kürze: Jeder Punkt in einer Fläche unter einer Kurve
Wird um seine ganze Individualität gebracht.-
Und wenn man derart einen Ausschluss systematisch will
Und dazu nutzt zuvor exekutierten Drill
Der darauf seine Rechnung machen kann
dass aufgeht der zugrund’ liegende Kalkül
Der den Enteigneten zum dreisten Hohn
In Anspruch nimmt ihre Sozialisation
Indem die Kostenrechnung sich dann stützt
Auf einen Konformismus, der nun nützt
- Das war dann auch sein eigentlicher Zweck -
So nimmt man leicht auch nach Belieben weg
Was man grad’ will, in diesem neuen Staat
Den eine Bande nun erneut erobert hat.
Dann kann man leicht, man nutzt dazu die Vorgeschichte
Neben der Übung überwachter Sozialisation
Das, was dem vorerzeugten Trauma sich zurechnet
Zum Zweck der permanenten Revolution
Die schwer traumatisierte Population
Um alles bringen, Arbeit, Ehre, Lohn
Sie wird, ohne es überhaupt zu wissen
Den Zwang annehmen und sich anpassen müssen.
Das Grundprinzip von der Modernisierung
Hat man verHassten Gegnern abgeseh’n
Denn wenn es erst die eigene Methode
Geworden ist, ist es doch schön.
Dieses Prinzip – man muss es anders nennen –
Ist das der permanenten Revolution
Nicht der Kultur, nein, die ist hier ganz schnuppe
Wo alle auf dem ‚Prüfstand’ steh’n
Die im weiten Sinn zu rechnen sind zur Masse
Und nicht zur schrumpfenden herrschenden Klasse
Gehören - man kann das so seh’n -
Damit man sie alle auf einmal erfasse.
Auch hier ist es nicht ganz ungeraten
- Man kann hier auch die Wissenschaft einsetzen
Man hat sie schließlich finanzieren müssen
Sie ist willig, kraft langer Selektion
Und sorgfältiger Personalqualifikation
Derart, das etwa ein Doktorat
Nicht einfach jeder Klugscheißer erhalten hat
Sondern nur sorgfältig geprüfte Kandidaten
Die die notwendige Verantwortlichkeit aufzuweisen hatten
Die ‚Kritiker’ sind jetzt längst ganz leise
Und untergetaucht worden auf unsere Weise
Es sollte uns wundern, wenn einer danach strebt
Etwas zu erreichen, das man oft nicht überlebt
Das ganz unattraktiv ist all zumal
Und nicht finanziert wird auf jeden Fall –
Im Namen des Neuen aufzutreten
Indem wir – das ist ganz opportun –
Den Anblick unserer älteren Methoden
Einerseits vermeiden und dann überbieten
Mit schönen neuen Technologien
Die wir von globalen Siegern bezieh’n
Mit denen es diesen endlich geglückt
Ist, wozu wir nicht ganz so geschickt
Gewesen, sonst wäre die Welt
Nicht an ihrem, sondern unserem Wesen
Glücklich und erinnerungslos genesen.
Jetzt sind wir zufrieden mit uns allen:
Wir sind vom Kopf auf die Füße gefallen.
Was so nicht gelang, weil wir ganz allein
Waren, gelingt uns jetzt im selben Verein.
Wahrlich, wie Freundschaft doch alles verbindet,
Was in diesem Geist sich notwendig findet.
Natürlich ist die permanente Revolution
Nichts für die Masse, das wär’ zu profan,
Wenn die in der Tat als Subjekt ihrer Macht
Uns das Regieren, uns überflüssig macht.
Nein, als Objekt nur, wie in der Erziehung
- Oder sollen wir sagen: Sozialisation?-
Ist das einzige Modell zu finden
Für uns’re permanente Revolution.
Und alle Umwälzung und alle Utopie
Reimt sich auf Masse und auf Vieh.
Wir bleiben Oben und machen Kasse
Und uns gehört diese Biomasse
Mit Namen ‚Mensch’, einem alten Modell:
Ein Wesen, das handelt, so vorgestellt
Ist nicht, was wir brauchen, stattdessen eins,
Das eine Herde vorstellt, den Homo sapiens.
Das Exemplar, das sich schlicht ‚verhält’
Wie unsere ‚Wissenschaft’ sich das vorstellt.
Das ‚Handeln’ behalten wir für uns!
‚Verhalten’ für den Homo sapiens!
Sein schieres Gattungsexemplar
Dient dem Kalkül als Paradigma
Das wechseln wir wie beim Roulette
Damit niemand sich darauf bette.
Denn schließlich ist vor allem klar:
Verwaltung ist ganz unberechenbar
Das ist das totale an ‚totalitär’,
Das sie grad nicht berechenbar wär’.
Wir geben der Masse Brief und Siegel:
Wir spielen mit ihr Hase und Igel;
Das Individuum hetzt sich zu Tod
Uns gibt das immer Lohn und Brot,
Und während es läuft, geben wir heiter
Die Akte auf dem Dienstweg weiter.
Da steht nur das drin, was uns passt
Und was eine Verwaltung fasst.
Was, wer redet von Vernunft?
Die ist abgeschafft, durch Übereinkunft
Innerhalb der totalen Verwaltung,
Im Dienst von deren Selbsterhaltung.
Konsens dient unter unseren Händen
Dem Ausschluss unserer Zwangsklienten,
Zugleich als Prinzip, als das Allgemeine,
Der Inhalt, Prinzipien gibt es keine.
Wir testen einfach was sich machen lässt
Und wie wir eine Grundlage elaborieren
Um was wir wollen durchzuführen
Wobei stets vor allem klar bleiben muss:
Die Entmachtung der Masse und ihr wirksamer Ausschluss.
So ist die permanente Revolution
Ein grundlegendes Prinzip der Rotation,
Das wie beim russischen oder sonst einem Roulette
Die Waffe am Kopf der Bevölkerung hat,
Oder jedenfalls einer hinreichenden Minorität,
Damit allen ihr Schicksal vor Augen steht.
Damit halten wir sie in Angst und Schach!
Mach’ uns einer dieser Technik der Modernisierung nach.
Revolution also von Oben, von Unten nie,
Das wär’, was nicht sein kann, schon wieder die Utopie,
Derweil von Oben alles als ‚Reform’
Eingeführt wird, und damit als Norm,
Der sich die Masse kraft Gesetz und Fakt
Durch ewiges ‚Lernen’ anzupassen hat.
Endlich wird niemand mehr erwachsen,
Keinem wird eine Urteilskraft zuwachsen
Ganz gleich ist, was die List der Unvernunft erklärt
Sie schafft das Böse, rational verklärt:
- Indem sie stets vorgibt, sie will das Gute
Das sie dann auch nimmt, wie man es vermute. -
Eine Biomasse, zusätzlich infantilisiert
Damit totale Herrschaft niemand mehr stört.
Wie soll man dann aber die Leute versteh’n
Die meinen: „Ein Ruck soll durch Deutschland geh’n?“
Ganz gleich, ob das Sinn macht - es hat sicher einen
Obwohl wir das kaum zu verstehen meinen -
Gut wär’s wenn uns das mal jemand erklärt…
Frau Wissenschaft, habt ihr das gehört?
Ach, Verstehen und Erklären sind euch gleich?
Ich bin noch nicht auf Eurer Höhe?
Vor eurer Klugheit werd’ ich bleich
(Obwohl ich das ganz anders sehe).
Was, ihr habt das schon lang erledigt?
Weitere Überlegung wird nicht benötigt?
Wie, wenn ihr bloß auf euer Schema bringt
Was Euch so vorkommt, und es gelingt?
Dann ist verstanden und erklärt?
So dass niemand mehr sonst was begehrt?
Jedenfalls nicht in der Wissenschaft?
Wer immer sonst sich was zu schaffen macht?
Ja, schön, dass dies so viel verspricht
Aber richtig ist es gleichwohl nicht.
Immerhin genügt aber Euer enormes Gewicht
Zu behaupten, etwas anderes gäbe es nicht,
Und die alten Debatten kenne man ja,
Sie seien erledigt schon viele Jahr’.
Das mag wohl Euer Fortschritt sein:
Notfalls stellt ihr dem Wissen ein Bein.
Fort zu immer neuen Opportunitäten,
Hauptsache, jeden Widerstand ausjäten
Und als Diener der Macht und als ihr Clown,
Immer schön knicksen und zu Diensten sein.
Was Ihr wollt! ist Eure Devise
Damit man euch an die Fleischtöpfe ließe
Und vor allem die ‚Forschungsfelder’,
Auf denen sich finden die Forschungsgelder;
Der natürliche Weg der Orientation
Ist der Privatmann kaum, sondern die Organisation
Und das Gesetz der eigenen Selbsterhaltung
Ist Integration – in die Groß-Verwaltung.
Ganz gleich, wer diese nun regiert:
Hauptsache, es wird lustig finanziert!
Über allem Wissenschaftsgedrechsel,
Schwebt drohend stets der Jahreswechsel
Die Angst regiert hier längst, die Dolle,
In Form der ‚Qualitätskontrolle’,
Wobei hier unter ‚Qualität’
Der Kontrolleur vor allem das versteht
Was seinem Wunsch je mehr gemäß:
Das, was nicht (mehr) den Menschen nützt
Und das, was sie vor den Mächten schützt,
Sondern das, was sie ihnen überlässt…
Derart wird Wissenschaft ein Schwank,
Macht Gesellschaft und die Menschen krank,
Richtet sich gegen ihre Leben,
Um dessen Grundlagen auszuheben.
Die Folgen dieser Perversion
Sieht man allenthalben schon:
Vorbei an allem, was sie bände
Findet sie stets zum selben Ende,
Von festem Grund ist keine Spur
- Z. B. in der menschlichen Natur -
Und während sie von Umwelt schwätzt
Wird alles außer Kraft gesetzt
Was man dem Trieb vom totalen Verwalten
Könnte etwa noch entgegenhalten,
So dass sie bestätigt und bedient,
dass vor allem der Mensch keinen Schutz verdient.
Dafür die Umwelt, ihm aufgegeben
Für sein ganz alltägliches Streben
dass er ihr auch täglich nützt
Unter Umstände opfert was er besitzt,
Wenn sie dabei nur ganz erhalten bleibt
- Kost’ es den Menschen auch das Leben -
Am besten, wenn er sich gleich entleibt,
Weil das im besten Sinne der Umwelt bleibt,
Die, wenn gedacht, dann jedenfalls
Unter Abzug seiner selbst.
Derart ist eigentlich konsequent
Wenn man zum Menschen die Umwelt ernennt
- Zumal wenn man sich selbst nicht kennt -
Den Homo sapiens zu ihrem bösen Feind,
Gegen den sich alle Verwaltung vereint.
War, ich möchte das doch noch mal fragen
Dies die Absicht, wollten wir das wirklich sagen?
Also derart, dass wir einer totalitären Orientierung
Den Grund zuliefern für unsere Depotenzierung?
Wollten wir eine Bande legitimieren,
In der sich alle Hände gegenseitig schmieren?
Wollten wir uns selbst auf die Liste setzen
Der Schädlinge, die alle Bürokraten hetzen?
Bei unserer Zukunft und unseren Leben
War das wirklich so gewollt?
Uns einem Taxifahrer zu übergeben
Den sich die Verwaltung zurechtgestellt
Als Außenminister aufgemacht
Auf unsere Kosten zu einer ‚Karriere’ gebracht?
Und der Rechtsanwalt aus dem Flächenland
Als dessen Adlatus und rechte Hand
Der bitterböse Bursche sich brüstet
Mit einem Regierungsapparat aufgerüstet?
Wenn einer nicht Kunstmaler werden kann
Oder sonst keine Kenntnis vorzuzeigen hat,
 Scheint der Entschluss zur Politik
Immer das Nächste, das er im Blick hat.
Und das scheint irgendwie allgemein
Gültig und verbreitet zu sein,
Und auch, dass eine Masse sie dazu erhebt
Weil jeder aus ihr so erlebt
- Und sich damit dann identifiziert -
dass die Welt manchmal ein Wunder gebiert
Und einen von Unten zur ‚Größe’ bestimmt
So wie eben auch mancher im Lotto gewinnt.
Nur bleibt das beim Lotto ohne Folgen
dass Zufall waltet, ganz ohne Augen
Die prüfen, wozu die Erhobenen taugen
Damit das Schicksal, das diesen erhebt
Nicht andererseits eine Population niederschlägt
Oder wenigstens – es ist ja Politik
Und gewitzigt jederzeit -
Wenigstens eine hinreichende Minderheit
Die, ausgeschlossen aus dem Ganzen
Mit ihrem Ausschluss die Mehrheit finanziert
Die sich dadurch auf ihre Kosten erhält
dass sie im Ganzen partizipiert.
Derart ist alles schon wieder beim Alten
Die Zurückhaltung der Verwalter hat nicht lange gehalten:
Die, die stur alle Wechsel, übersteh’n
Und dann sofort zur Tagesordnung übergeh’n,
Und sich dabei mit ‚Märtyrern’ schmücken,
Die ihnen keinesfalls in die Suppe spucken;
Die immer auf den Füßen landen
Gehe auch die Welt zuschanden;
Die Im Namen der Notwendigkeit töten
Und ihren Opfern empfehlen zu beten;
Die sich unter Nutzung neuer Ideen
Nach noch einfacheren Methoden umsehen,
Die erlauben zu erreichen dieselben Zwecke
Der Läng’ und Breit’ nach die Fläche decke.
Mit weniger Leichen, für die man Verantwortung trüge -
Wissenschaft spendet dazu die bereitwillige Lüge.
Nur immer schön breit bürokratisch sprechen
Dürfte auf Dauer jeden Widerstand brechen.
Die Devise: „Mehr Ausschluss mit weniger Leichen!“
Lassen sie gerade beim Patentamt eichen,
Und: Wir brauchen dann weniger Waffen
Wenn die sich gehorsam selbst abschaffen;
Und die bevorzugte Todesart
Ist totalitärer Verwaltung der Selbstmord.
Der Suicid geht niemand was an,
Der Totengräber verdient daran,
‚Die Gesellschaft’ ist NICHT daran schuld,
Da hilft auch keine Ungeduld.
Menschen sind einfach viel zu teuer;
Da muss man ja ins Ausland geh’n!
Geh’ ich nach’m Osten oder China
Dann krieg ich dort statt einem zehn!
Jeder ist sich selbst der Nächste!
Jeder ist seines Glückes Schmied!
Jede muss selbst sehen wo sie bleibt,
Auch wenn sie sich auf eigenen Wunsch entleibt.
Das liegt im Zuge unserer schnelllebigen Zeit,
(Der Paradigmawechsel ist wieder mal nicht weit
Nur heißt das hier anders: Privatisierung!
Das dient jetzt als Vorstand aller ‚Erklärung’.)
Und was leistet die Soziologie dazu:
Aus dem Zauberhut im Nu
Zieht sie nach einer schlaflosen Nacht
Den neuen Begriff: Die Risikogesellschaft!
Derart, dass eines von beiden gilt
Zwar keine Gesellschaft, aber hohes Risiko,
Und dass sie ‚die Kritik’ als unwissenschaftlich schilt.
Alles ganz nebenbei und einfach so.
Der Staatsbeamte hält, jawohl
Auf die Vernunft ein Monopol,
Und zwar in jeglicher Gestalt
Und deren Einheit ist Gewalt.
Ist man erst einmal Staatsbeamter,
Ist man auch als Professor gut;
In keinem Fall ist man Betrüger,
In jedem Fall Autorität.
Wissenschaft ist gut und gern
Vor allem und zunächst die Form
So dass man sich nicht lange ziert
Und diese Form erst imitiert.
Gedankenähnlichkeit genügt
Es muss nicht ein Gedanke sein
Was ein Gedanke und was nicht
Das ordnen wir dann einfach an.
Dieses Surrogat sodann
Testet man in der ‚Diskussion’ -
Ein Monolog, nur unterbrochen
Damit man gleich beweisen kann:
Hier wird vergeblich widersprochen
Und damit ist es dann getan.
Denn Widerspruch ist schnell erledigt
Und dann, was tut er ohne Macht?
Getan wird das, was wir gepredigt
So ist er endlich stumm gemacht.
Frei Deine Meinung sag’ uns schon
Dein demokratisch’ Recht,
Doch wag’ nicht auch, danach zu fordern
Sonst geht es Dir gleich wieder schlecht.
Und dann zwar das Recht auf Meinen
Steht  frei, wo Du nicht ganz vergisst:
Gut mag wohl das Recht nur scheinen
Wo Gehorsam heißt die Pflicht.
Dies nun vereint die Wissenschaft
Die Pflicht und Meinen einen kann
Erst wo Dir diese Kunst vertraut ist
Dort hat man seine Pflicht getan.
Da ist ein neues Phänomen
Jetzt ein Begriff her, wollen seh’n
Am besten er ist griffig, weich
Wie eine Wolke, wie ein Nebel…
Moment, wir haben das jetzt gleich:
Für das Bewusstsein einen Hebel
Mit dem das Phänomen die quer
Und kreuz dann ganz zerhackstückt wär’…
Wir stützen uns auf das Erleben
(Das darf nie zur Erfahrung reifen)
Am Augenschein müssen wir kleben
Und von uns so die Sache streifen,
Dann eine absurde Kombination
Und fertig ist das Ganze schon.
‚Gesellschaft’, na das löst sich auf.
Wir setzen ´ne neue Bedeutung drauf,
Und diesen schnellen, schlauen Handel
Erklär’n wir, als ‚Bedeutungswandel’!
Der herrenlos gewordenen Illusion
Vermählen wir dann wieder den Augenschein.
Verständnislosestem Erleben
Wir so ein abstraktes Rückgrat gegeben.
So besiegeln wir die Ehe
Zwischen dem Esel und der Krähe,
Einen leeren Begriff und eine blinde Illusion
Zur  perfekten Desinformation.
Den Lehrlingen erklären wir:
„So sieht der Weg aus zu H4.“
Dann zeigt man sich im neuen Staat.
Zwar des Kaisers neue Kleider
Sind tatsächlich gänzlich neu,
Nur der Kaiser nicht, der leider
Bleibet stets sich selber treu.
Ob er nun als Souverän
Und dergestalt auch als Person
Oder als anonymer Bürokrat
Auftritt, ist ohne tieferen Sinn.
Fehlgeht, wer starrt auf’s Phänomen,
Denn hinter verschiedener Phänomenologie
Steckt immer dieselbe Maschinerie.
So wie im Theater jedes Stück
Auf immergleicher Bühne läuft.
Wo vorn stets andere Kulisse
Verwirrung auf das Auge häuft.
Es heißt: ‚Zurück zieht sich der Staat’
Wenn er etwas Neues gegen die Population vorhat.
Die Psychologie, kaum davon angesteckt
Hat die Familie als einzige Neurosenquelle entdeckt,
Stützt darauf ihre wissenschaftliche Autonomie,
Als klinische Wissenschaft und therapeutische Therapie.
Ihre Herkunft aus Massennivellierung und Krieg
Verschwindet im institutionellen Sieg.
Zur Aufbereitung der eigenen Gewichte
Betreibt man gelegentlich Wissenschaftsgeschichte
In eigener Kompetenz und eigener Regie
Dahinter kommt der Laie nie
In dieser wird treu dann expliziert
Nur, was ihr ziemt und was ihr frommt;
Nur, was ihr als Form der Erleuchtung zukommt.
Nichts von der Macht, der sie akkommodiert.
Nichts von dem, was sie den Mächten empfiehlt;
Nichts, was ihre ‚Forschung’ an Absichten enthielt;
Nichts von dem, was sie mit Menschen tut,
Und was ihr ausschließlich zur Ehre gerät.
Jenseits der Erklärungen liegt das Land,
Das offenbar auf keiner Seekarte mehr bekannt,
Es heißt: Das Land der Wahrheit, Eden
Und kein Bürokrat kann es je betreten.
Dies Land, sagt man, ist nicht existent
Was soll schon sagen, wer das Land nicht kennt?
So ‚erklärt’ man die Möglichkeit zum Wahn,
Damit keiner mehr dorthin ausreisen kann.
Das Problem an aller Erklärung ist, dass man
Sie von der Rationalisierung kaum unterscheiden kann;
Und es bedarf einer gewachsenen Autonomie
Zur korrekten Überprüfung ihrer Physiognomie.
Wissenschaftsähnlich ist inzwischen Alles,
Alles bedient sich dieser Form,
Die endlich hinreicht, im Fall des Falles,
Eindruck zu machen, ganz enorm,
Und endlich reicht, dass wer bestellt
Dazu, dass dann nur hergestellt
Werde, was dieser Form entspricht
Deshalb auch stets das Wahre spricht.
Zwar ‚wahr’ gilt hier der Überprüfung,
Und endlich auch der Sanktion
Durch die Experten, doch damit
schließt auch der volle Kreis sich schon.
Sieht man nun die Figur im Ganzen
Sieht man, sieht man genau, sehr wohl
Worum es sich handelt, und das ist
Kaum mehr als ein Berufsgruppenmonopol.
Das aber ist an jeder Ecke
Gerundet nach Wunsch und Bedarf
Bis aus dem Vieleck, seinen Kanten
Ein Kreis ward, so perfekt wie scharf.
Jenseits des Kreises dann die Wüste,
In der die Laien furchtbar dräuen,
Sie reißen weit das Maul auf, brüllen
Bis sie sich dann wieder in Schweigen hüllen.
Denn Wissenschaft, sie ist so frei
Und vertreibt die Barbarei.
Und das Gebrüll des Laien gilt
Ihr höchstens soviel, dass sie schilt.
Gewöhnlich wird sie sich indessen
Kaum mit Laiengebrüll befassen,
Sich nicht einen Deut genieren
Und es ‚nicht mal ignorieren’.
Das Gebrüll des plumpen Laien
muss man nicht unfein überschreien.
Nein, vornehm und gleichsam von Adel
Ist bestenfalls ein leiser Tadel.
Besser als dieses ist indessen:
Das Jenseits des Salons vergessen.
Nur auf den eigenen Auftrag sehen,
Und den ganz autonom verstehen;
Erklären kann man dann zur Not
Dem Laien, was man für ihn tut.
Oft finanziert von Forschung ja den Grund
Der  internationale World Wildlife Fund.
Da ist das so, dass – nehmen wir Löwen –
Auch kaum verstehen, wie man taxiert’
Wenn man sie zählt in Vollnarkose
Und sie mit Sorgfalt katalogisiert.
Das dient aber ihrer Erhaltung
Da ist dem Wissenschaftler bang
dass nicht – wenn er nicht gütig helfe –
Dem Löwen dieses Stück misslang’.
Zwar seit schon einigen Jahrmillionen
Gibt es nun Löwen ohne Zahl,
Doch seit die Wissenschaft hinieden
Das Feld betrat ist das fatal,
Denn nun sind Löwen sämtlich stark bedroht
Und man muss fürchten um ihr Leben
Und wenn sie es nicht selber tun
Dann sollten sie sich doch ´was schämen.
Hier tritt die Wissenschaft jetzt ein
Für alles Leben auf der Erde
Das ohne ihre brave Hilfe
Verdammt zum Untergang würd’ sein.
Bedenkt doch ihre große Sorge
Um Wale, kleines Fluggetier
Dafür muss ihr die Schöpfung danken
Sie wär’ sonst lang’ schon nicht mehr hier.
So hört man Wissenschaft laut klagen
Es geht eben um ihr Budget
Sie möchte schöpfen aus dem Vollen
Mit/ ohne Qualitätskontrollen.
Denn in der allergrößten Not
Schmeckt die Wurst auch ohne Brot.
Kontrolle ist indessen besser
Es schließt aus alle Besserwisser.
Und sorgt für bess’re Selektion,
Lehrt Abweichlern eine Lektion,
Bekehrt die letzten von den Weisen,
Die auf falschen Epizyklen kreisen:
Ein Paradigma wird geschaffen
Das unauffällig garantiert
dass keine ihre Privilegien
Als Freibrief nutzt dass sie laviert.
Und meint, sie könnt’ zwei Herren dienen
Der Freiheit und Bürokratie
Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing’
Gilt jetzt wie stets, anderes nie.
Wie war’s in Deutschland ´mal vordem
Mit Aufklärung doch so bequem
Denn, war man klug, man reckte sich
Und das Tischlein deckte sich.
Und war man klug, ein Mensch der Tat
Dann war man Sozialdemokrat.
Für Volkes Wahrheit nur zu leben
Konnt’ man als edler Mensch sich fühlen.
(Die anderen waren korrumpiert
Sie hatten wenig nur gelitten
Nicht als Märtyrer figuriert
Waren geschmeidig mitgeglitten.)
Doch leider, wie der Zeiten Uhr
Doch geht so eigenartig nur
Erst mal im Sattel, wird’s bequem
Man sitzt dann auch so angenehm
Das Fußvolk? Man erinnert bloß
Der Blasen sich am eignen Fuß
Und aus dem Sattel steigt kein Boss
Nochmal herab, vom hohen Ross.
Mit Neugier kam man einmal weit
Doch das ist längst Vergangenheit
Wer jetzt nicht spurt ist falsch beraten
Oder in das falsche Zeitalter geraten
In jeden Fall ist er falsch gebildet!
Und hat sich zu viel eingebildet!
Die Zeiten haben sich gedreht!
Es ist ein anderer Wind, der weht!
Wir machen Nägel jetzt mit Köpfen!
Wir wollen jetzt den Rahm abschöpfen!
Wir schröpfen eine Minderheit;
Die Mehrheit steht für uns bereit!
Morgen sind wieder andre dran
Zu zahlen das, was wir kassieren.
Wir bleiben, wenn es gut geht, dran
Geht mich mein Geschwätz von gestern an?
Da war einmal ein ‚wind of change’
Den man begrüßt als Frühlingsboten
Inzwischen ist er kalt geworden,
Die frühen Knospen bei den Toten.
Dagegen Frühling war’s in Prag
Ich hör den Präsidenten ( sag’
Was war der Name, der ihn nennt)
Hieß der nicht Herr Dissident?
Der reiste viel in aller Welt,
Freilich stets auf der andere Seite.
Jenseits der Grenze war der immer
Und informierte alle Leute.
Hier wurde er oft sehr bewundert,
Alle haben ihn gekannt,
Ich meine, alle höheren Menschen
Die schienen gar mit ihm verwandt.
Sie beklagten, wie die Löwen
Sich darüber echauffieren,
Wenn er tapfer in ihr Maul sah
Um ihr Zahnweh zu kurieren.
Man braucht ihn nicht mehr, wie es scheint
Wir sind ja jetzt auch alle wiedervereint
Ein Dissident ist unbequem
Und deshalb nicht mehr angenehm
Statt seiner, ganz entlang der Norm
Ist jetzt willkommen Herr Konform
Er leiht für jeden Wunsch sein Ohr
Und wird dafür auch Bachelor
Kein Urteil zwar, doch ist er willig
Und vor allem: Billig, billig!
Historisch gilt: Man muss in Krisen
Dann nicht so viele Doktoren vergasen.
Doch solang’ der Schornstein raucht,
Ist die Biomasse noch nicht ganz verbraucht.
Davon gibt’s ja jetzt sechs Milliarden,
Die lassen sich doch gar nicht mehr richtig verwerten…
Zur Arbeit werden sie nicht wirklich gebraucht:
Die wird zunehmend von Robotern gemacht.
Wollen seh’n, das wäre doch gelacht,
Wenn nicht bald wieder der Schornstein raucht!
Oder, durch kluges Reformmanagement
Findet sich ein funktionales Äquivalent.
Seh’n wir zunächst wie es vordem
Mit den Methoden war bequem:
Früher gab’s Seuchen oder Kriege
Niederlagen oder Siege,
Katastrophen, Hungernot,
Kalte Winter, schwarzer Tod.
Man musste nie mit Menschen geizen,
Man konnte sie im Krieg verheizen,
Bis die Idee ‚Humanität’
Das für eine Weile verhindert hat.
Zum Ausgleich gegen die Idee
Brauchten wir dann die Industrie.
Sechs Millionen oder sieben,
Hauptsache wir sind Mensch geblieben.
Hinter rhetorischem Geschwätz,
Lauert das Gossensche Grenznutzengesetz:
Je mehr von einer Sache einem gehört,
Desto weniger ist – relativ – das Einzelstück wert.
Kann die Bilanz von sechs Milliarden berichten,
Kann man glatt auf eine verzichten.
Was Stürme, Fluten oder Beben?
Wozu will das Gesindel leben?
Fressen, Ficken, Schlafen, Saufen;
Fernseher, Kühlschränke, Autos kaufen;
Glotzäugig, schlapp, feig’, dreist und dumm,
Bringen sich wechselseitig um.
Hohes Alter, langes Leben,
Hunde, wollt ihr ewig leben?
Stets hat sich herausgestellt
dass am Ende niemand fehlt.
‚Der Mensch’ hat derzeit kaum noch Glück,
Er bleibt hinter dem technischen Fortschritt zurück.
‚Karriere’ macht er hin und wieder,
In einem Hauptstadtsubventionstheater.
Hier wird das Lager durchgesetzt,
Die Medien werden mit Mitteilungen besetzt,
Über Fluten irgendwo in Afriasiamerico,
Alles woanders, nur nicht hier,
Das Hauptthema bestimmen wir.
Krieg, Genozid und Hungersnot,
Greueltaten und Massentod,
Werden Grund und Alibi,
Für Innenpolitik und Apathie.
In der Schule lernt das Kind
Wer ‚unsere Volksvertreter’ sind.
Die Wissenschaft muss kaum genieren
Zu sagen, dass sie’ uns’ regieren.
So platt auch oft der Augenschein,
Wissenschaft fällt zuerst drauf ´rein.
Was jedem in die Augen fällt
Wird ‚wissenschaftlich’ wiederholt.
Dabei wird dann leicht ignoriert
Das wesentlich die Angst regiert.
Zwar zuerst ist sie ein Mittel,
Aber endlich wird sie Zweck,
Als Zweck wird sie dann autonom
Und dann zum Kollektivsyndrom.
Abgelenkt dann wiederum
Zum zwanghaften Technologiekonsum.
Das erfordert als Funktion
Eine Einkommenskonzentration.
Gibt es Neger nicht und Juden
Müssen eben and’re bluten.
Also bluten so stattdessen
Staatsbürger und Volksgenossen.
(Die zuvor man ausgeschlossen)
Aufs Große Ganze kommt es an!
Vermeiden wir das Phänomen
Denn funktional ist das egal.
Was wichtig ist, ist die Funktion.
Belanglos ist der Einzelfall.
Der Prozess hat nur ein Ziel:
Fünf Millionen sind zu viel!
(Beiseite tun wir gnädig schon
Die statistische Manipulation.).
Wenn man die ausgeschlossen hat,
Zählt nur noch das Resultat.
Und da wir den Staat besetzt,
Stützen wir uns aufs Gesetz.
Wie fängt man nun das Ganze an?
Wir gründen schnell ein Bantustan?
Das ist veraltet, als Funktion!
Was Not tut ist eine Innovation!
Ein Lager, pfui, das tut man nicht -
Zu leicht verlier’n wir das Gesicht. -
(Das Volk ist noch nicht wieder gut
Für solch’ erneutes Angebot.
Vergessen würde dabei ganz:
Politik braucht Akzeptanz,
Die  nachhaltig die Fläche deckt
Bis sich das Volk beruhigt hat.)
Zwar: Fünf Millionen zu liquidieren,
Könnte Arbeitsplätze kreieren,
Doch Feigheit hat uns so erzogen,
dass wir uns das selbst verboten.
Geh’n wir’s also langsam an,
Gewöhnung heißt das Zauberwort.
Sie bricht der Hemmung schwersten Bann,
Und scheucht gewissensbisse fort.
Zunächst steht nur auf dem Papier,
Und ist gesichert durch Gesetz,
Die ‚Maß-Nahme’ heißt ‚Harz Vier’
Wird bürokratisch umgesetzt.
Darüber wächst des Frühlings Grün
Mit seiner frohen Botschaft dann,
Des Sommers Rot dazu wird blüh’n,
Mit wuchernden Geranien.
Das lassen wir zweimal so geh’n,
Die Gräber wird man nicht mehr seh’n,
Treiben  zur Wahl dann Volk wie Vieh,
Und bis dahin vergessen sie.
Dann schreiten wir zur nächsten Schritt,
Brav  geht die Masse mit uns mit
Um, was wir für sie beschließen
Mehr oder wen’ger zu begrüßen.
Hauptsache wir sind irgendwo
Auf subkritischem Niveau.
Derart, dass unsere Politik
Stets eine Minderheit betrügt.
Die Mehrheit hält sie dann in Schach,
Und wir erklär’n jeweils die Sach’
In einer nebulösen Sprache…
Und die normalisiert die Sache.
So tasten wir uns weiter vor,
Und testen unseren Spielraum aus,
Mit unserem Umfragelabor.
Wir holen noch viel mehr heraus!
Am Schlusspunkt, wo der Kreis sich schließt
Erklär’n wir, was ein Nazi ist:
Wir dürfen uns nicht mehr genieren
Tapferkeit neu zu definieren:
Wer, weil zu feig, sein Opfer quält,
Indem er es am Leben hält,
Und ihm dieses zugleich verweigert,
Die Qualen dabei aber steigert,
Indem er es streng isoliert,
Millionen Leben über einen Kamm schert,
Alle gleichunmittelbar zur Verwaltung,
Im Namen politischer Selbsterhaltung;
Das sind die Nazis, die wir suchen:
Die erst den Staat für sich verbuchen,
Um dann ihn zu dem Zweck zu nutzen,
Gegen das Volk ihn einzusetzen,
Dies mit Belehrung zu terrorisieren,
‚Das’ dürfe niemals mehr passieren!
Als sei’n nicht sie (Weib, Mann und Kind),
Die des Todes Meister aus Deutschland sind.
Die wenn man ästhetisch es betrachtet
Den Mord als Schöne Kunst erachtet’
Derart dass nun die Perfektion
Zu sehen ist in einer Addition.
Die zu der mörderischen Wut
Feigheit und Sachlichkeit hinzutut.
Die hinter der Fassade der Demokratie
Vielmehr als totalitäre Bürokratie,
Mit modernster Sozialtechnologie,
Ganz unbehindert durch den Schein,
Sich ziert mit Demokratischsein.
Glauben will man entdeckt das nie.
Die Feigheit macht den Unterschied.
Die Tricks der ‚Sozialisation’,
Die flächendeckend eingesetzte
Bürokratische Indoktrination.
Was Nazi heißt dagegen, ist
Vielmehr der wahre Humanist,
Der gut zu seinem Opfer ist -
Und es nicht quält, sondern vergast!
Da fehlt doch sichtlich kühner Mut,
Der Vorfahr’n ausgezeichnet hat
Zu Konsequenz und kühner Glut:
Mut zum spartanisch schlanken Staat.
Das Bild, das Wissenschaft ihm ausführt
Als brave Auftragsarbeit malt
Ist Oscar Wilde schon mal begegnet
Er hat es auch noch ausgestellt:
Des Jünglings wunderschönes Bild
Ganz unverändert dargestellt,
Und von der Wahrheit Licht bestrahlt
Zeigt es das Wahre: nämlich Tod.
Eine ready-made als Weltanschauung,
Die sie geschminkt legitimiert;
Dahinter das Gesicht des Todes,
Vor dem sie freilich sich geniert.
Wissenschaften wär’n zu fassen
Wenn sie nicht Epizykel zieh’n
Im Ungefähren ihrer ‚Fakten’
Die ihrem Vorurteil erblühn.
Kontraintuitiv ist Quantenmechanik
Weil sie mit einem Faktum ringt:
(Und sie bewältigt ihre Panik)
Die Häufung ist ‚am falschen Punkt’.
Doch, wenn man so im Ungefähren
Sein akademisch Leben birgt,
Dann wird man kaum etwas gebären,
Das wirklich mit dem Leben ringt.
Ist man auch intellektuell Verdammter
Mit ausgeborgter Autorität,
Man ist doch auch Berufsbeamter
Und das ist stets Sekurität.
Das Risiko ist dann vergangen
Gibt man nur gleich die Neugier ab;
Man lebt dann sehr gut abgehangen
Und vermehrt den Nachtrab.
Freilich zählt man zur Elite -
Das ist das Einzige, was zählt.
Nur, wenn von Wissenschaft die Rede
Ist die die einzige, die fehlt.
(Frau Journalist sei nicht erwähnt,
Die stets die eigene Ehr’ verhöhnt,
Nur nach des Freiers Börse trachtet,
Und den dafür dann auch verachtet.)
Der pseudowissenschaftliche Stuss
Sei erinnert an Kopernikus.
Das sind doch alles Ptolemäer,
Im Staatsdienst für Theologie.
Die Epizyklen dieser Späher
Decken die Phänomene nie,
Was sie verkörpern ist Geschichte,
Und deren Kontinuität,
Die in Gesetz und Institutionen
Des Berufsbeamtentums besteht.
Identisch ist der Apparatus
Den man hier zur Verfügung hat.
Sie woll’n die Phänomene retten
Vor allem jenes, das sie sind
Indem sie sich an jene ketten
Im Berufsbeamtenstand.
Herr Dissident scheint nun sehr weit.
Wie schade, dass er nicht mehr Zeit
Hatte, zu zeigen sich auch diesem Land,
Zu sehen, wie er hier es fand.
Mir scheint, man hat ihn nicht gelassen
Und so ist er dann wohl gestorben,
Er durfte wohl hier nicht einreisen,
Wir zählen nicht zu seinen Erben.
Wie Suppenkaspar ward er dünn
Um dann zum Nebel zu verklären.
Vom Tische unserer Herren fiel
Kein Bissen mehr ihn noch zu nähren.
War er der Mohr, der nun konnt’ geh’n
Weil seine Schuldigkeit getan?
Sind seine Dienste nun verworfen
Ist lang sein Visum abgelaufen?
Das Lager neuen deutschen Typs
Es hätte sicher ihm gefallen
Vielleicht hätt’ er sich einquartiert
Zur Unterhaltung von uns allen.
Doch ach, er lebt’ nur kurze Zeit
Warum ging er so früh verloren?
Ich mein’, es wäre eher Zeit
Er würde wieder neu geboren.
Das, Liebe Sarah, ist mein Sinn.
Ich musste davon zu Dir sprechen,
Denn, bliebe ich davon stumm,
Dann müsst’ es mir das Herz zerbrechen.
Doch all dies ist nicht das was zählt.
Wenn man es einmal recht bedenkt.
Doch dass Du hier bist auf der Welt
Das hat mich tausendfach beschenkt.
Einmal wirst Du wie ich jetzt sein,
Dann werden wir die Rollen tauschen:
Meine Erfahrung ist dann Dein
Und Du kannst der Erinnerung lauschen.
Dann hoffe ich sie spricht von mir,
Und sagt, dass ich Dich herzlich liebt’.
Dazu sei dieser Gruß von mir,
Der sagt: „Wie schön, dass es Dich gibt.“
Dann wirst Du alt sein, und erleben
dass ich schon lange nicht mehr hier,
Doch dies Gedicht wird immer leben
Als unsterblicher Gruß von mir.
Du wirst im Garten dieser Zeilen
Für immer leuchtend hell erblüh’n
Mag auch Frau Zeit sich noch so eilen
Und Eltern in die Gräber zieh’n.
Die Hummel lebt nur einen Sommer
Und uns bleibt auch kaum viel mehr Zeit,
Doch war ein Augenblick mir immer
Mit Dir gut für die Ewigkeit.
Und Du auch wirst nie älter werden
Und bist von nun an sterblich nicht,
Solange dies Gedicht auf Erden
Vom Wunder Deines Lebens spricht.
Davon, dass, wenn Du mich anblicktest
Mit Augen, die’s nicht schöner gibt,
Ich stets sogleich mir sagen durfte:
„Ich weiß, dass sie mich sicher liebt.“
Sarah, ich bin hier nicht zur Ende
Es gibt mehr, das ich sagen wollte.
Doch soll es ja in Deine Hände
Erlaube, dass ich vorerst halte.
Lass’ es Dir gut geh’n, bleibe heiter
Ich bitte Dich, Vergiss mich nicht,
Und geht mein Leben lang noch weiter
Schreib’ ich Dir wieder ein Gedicht.
© A.

Fünfzehnter Traum:

Traum am Morgen des Freitag, 30. September 2005

Mein Studienfreund Johannes und ich geraten in einen Streit darum, wem die Psychoanalyse ‚gehört’, ihm oder mir. Ich bin der Meinung, sie gehört mir, sehe aber auch, dass dieser ‚Anspruch’ unsinnig und ungerecht ist und sich nicht durchsetzen lässt, vor allem auch gegen ihn, der sie viel besser kennt als ich, weil er sich lange damit befasst hat.
Ich bin zu Besuch bei ihm und seiner Familie. Seine Frau hat gerade ein Kind bekommen. Wir gehen von der großen, ebenerdigen Halle, die das Haus beherrscht, über eine an ihrem Rand heraufführende Treppe nach oben, wo das Baby schläft. Als wir die Empore betreten, die durch eine Tür gegen die Treppe hin abgeschlossen ist, während in der Verlängerung der Tür ein offenes, etwa hüfthohes Geländer verläuft, beginnt das Kind etwas zu schreien, weil es erwacht ist durch den Lärm, wird aber sofort beruhigt, al die Mutter es auf den Arm nimmt.
Während wir die Treppe hinaufgehen überkommt mich der sofort in einen Vorsatz übergehende Wunsch, (auch) mit der Mutter ein Kind zu haben, obwohl sie doch die Frau meines Freundes ist. Das Kind erkennt mich offenbar, denn es winkt mir ganz kurz zu. Wir gehen zu dem Geländer hin und mein Freund hat jetzt das Kind, das er über das Geländer etwas hinaus hält, was mich erschrocken danach greifen lässt, während der Freund das zu verhindern versucht, wobei das Kind ersichtlich in gerade die Gefahr gerät, vor der ich es anscheinend zu retten versuche. Jetzt greifen alle danach und die Mutter zieht es schließlich an sich.
Alle wirken etwas betreten. Zugleich bemerke ich, dass die Abstände zwischen den Sprossen, die das Geländer tragen, viel zu weit sind. Sie müssen meiner Ansicht nach durch eine Abschirmung geschlossen werden, die verhindert, dass das größer werdende Kind durch einen der Zwischenräume hindurch hinab in die Halle fallen kann. Zugleich erscheint mit die Höhe des Geländers zu gering. Das ist alles unbezweifelbar Angst erregend. Es erinnert mich an die Zeit, als die Kinder aufwuchsen und ich auf einmal überall Unfallgefahren ganz buchstäblich sah, wo zuvor nichts dergleichen gewesen war, und an die ständige Angst, die mich angesichts der gleichzeitigen Veränderungen der sozialen Welt überfiel, als Zukunftsangst über die Zukunft der Kinder.
Das alles ist jetzt höchst real, sowohl angesichts der Unfälle, die Rahel und Rebecca und Leah heimgesucht haben, als auch angesichts der eingetretenen und der noch erwartbar absehbaren weiteren Entwicklungen dieser (‚Sozial’-)Welt, die sich mit der Bedeutung des ersten Teils des Kompositums nicht mehr beschreiben lässt, sowohl angesichts des entschlossenen ‚Durchregierens’ der totalitären Bürokratien, die die sogenannten Demokratien erobert und unterwandert haben, als auch angesichts der langsamen Umwandlung der Gesellschaften und ihrer materiellen Umgebungen zu labyrinthartigen Dschungeln, in denen überall der Tod lauert, der das ganze ‚hochkulturelle’, zivilisatorische und technologische Arrangement ad absurdum führt, insofern es einst gegen den Dschungel, das Labyrinth und die in ihm lauernden Gefahren sowie wo nicht gegen den Tod, dann jedenfalls gegen die Todesangst erfunden ward.
In dem Traum wird meine Rivalität mit dem Freund ganz deutlich. Die Psychoanalyse erscheint als Frau, mit der er ein Kind gezeugt hat, und ich will das ebenfalls. Der Wunsch bzw. die unbewusste Identifikation der Psychoanalyse mit der Frau und Mutter, die zudem im ‚Besitz’ des Freundes ist, macht die ‚Rezeption’ bzw. ihr Verstehen unmöglich bzw. behindert sie. Der Wunsch mit der Mutter ein Kind zu zeugen verbirgt sich unbewusst in dem ‚Interesse’ an ihrer ‚Aneignung’, am Verstehen. Die ganze (seinerzeit) mit einiger Empörung abgelehnte ödipale Problematik des vaterlosen Sohns, die sich auf der Ebene der Rivaliät der männlichen Geschwister erneuert, ist also ganz deutlich.
Das hat lange gedauert, fürwahr. Was ist dann eigentlich mit den ‚Erwachsenen’, denen das während ihrer ganzen Lebensspanne überhaupt nicht bewusst wird? – Na, die haben dafür dann eine Erklärung wie ich sie auch hatte. Sie läuft darauf hinaus, die Psychoanalyse zu ‚verbessern’ durch ‚neue Forschungsergebnisse’ oder darauf, sie durch solche zu ersetzen oder ganz auf Forschung zu verzichten und etwas stattdessen zu tun, was die marginalisiert und entwertet.
Der Preis ist allerdings enorm. Aber es gibt nirgendwo einen Zwang zu einer wirklichen Weiterentwicklung des Menschen, und auch die Existenz des Schemas Wissenschaft ändert daran nichts. Es fügt dem Arsenal der Mythenbildung ein weiteres Schema hinzu, nach der Religion und der Magie. Die Grundlage für die Entstehung ihrer aller ist unverändert dieselbe. Das macht jede Erkenntnis zum engen Verwandten von Magie, Mythos und Religion. Vollends das Zeitalter der Massenmedien erhebt den Mythos und die Magie sowie einen verkappten Polytheismus zum Grundmuster der Bewusstseinsbildung des Informationszeitalters.
Es ist signifikant, dass es niemanden gab oder geben konnte, der imstande gewesen wäre, mir zu helfen dabei, dass diese meine bewusste Existenz ‚von hinter den Kulissen’ beherrschenden Determinanten mir bewusst würden. Meine ‚Dummheit’ war mit Sicherheit nicht ‚angeboren’, aber sie war dessen ungeachtet von einer Qualität, die der einer angeborenen Dummheit insofern gleich kam, als sie ähnlich effektiv war. Ich war wie die Fliege im mit Cellophan abgedeckten Einmachglas. Und der Verdacht lässt mich nicht los, dass jede Erweiterung des ‚Spielraums’ nur dazu führt, dass man angesichts des Hochgefühls der neu gewonnenen Einsicht aus dem Blick verliert, dass die Lage sich grundsätzlich nicht geändert hat. Das Bewusstsein ist angesichts der ihm unbewussten Voraussetzungen seiner Konstitution ein Gefängnis mit freiem Ausblick auf den Schein eines vermeintlich unvermittelt erkennbaren Jenseits seiner, das man aus unerklärlichen Gründen nicht in näheren Augenschein nehmen kann, so dass man sich mit dem Sehsinn begnügen muss oder mit seinen Erweiterungen.
Das wäre die Situation der Physik: Sie sitzt im Einmachglas und stellt dort ihre Experimente an und überträgt deren Ergebnisse dann auf das physisch Unerreichbare, indem sie darauf hinweist, dass man es doch ‚sieht’.
Und Stephen Hawking ist der Meinung, dass die Philosophie nichts mehr zu tun hat, weil sie die Mathematik nicht (mehr) versteht und sich deshalb mir ein wenig Sprachkritik begnügen muss. Als sei die Weltbeschreibung der Physik und der Kosmologie nicht reinstes Metaphernspiel oberhalb mathematischer Formeln, als deren ‚Interpretation’. Damit ist aber auch die physikalische Kosmologie nicht unabhängig von philosophischer Hermeneutik.
Gut, aber wie hängt das jetzt zusammen. Es ging um die Rivalität zwischen (männlichen) Geschwistern. Angesichts dessen ist nicht nur das Verhältnis des vaterlosen männlichen Kindes zu einer Mutter von Bedeutung, die das Kind im Kinderheim absetzt und die später beim Versuch sich wieder zu verheiraten auf die eingedrungenen Sieger einer fremden Macht aus einem überseeischen Kontinent verfällt, sondern angesichts des gestorbenen älteren Bruders, dem geistesgeschichtlich das Judentum entspricht, das gerade vernichtet wird von den dann verschwundenen und unter falschen Identitäten und Namen untergetauchten Vätern, auch dieser Tod des Bruders von Bedeutung, insofern die Rivalität ihn offensichtlich umgebracht hat, also der Wunsch ihn zu besiegen.
Es ist, als müsste König Ödipus erkennen, dass er zugleich mit dem Vater unwissentlich auch den älteren Bruder umgebracht hatte. Aber nicht nur das, zugleich hat auch der Vater ihn ermordet und Ödipus übernimmt damit auch den Fluch der Atriden als geschichtliche Schuld vom Vater mit. Von der Mitwisserschaft der Mutter zu schweigen, die sich hier als inzestuöse Hure und Mördergehilfin zugleich erweist, die wiederum wissentlich den Mörder ihres Sohnes und ihres Mannes heiratet, während der einzige, der nichts davon weiß – der Seher weiß es ja und mit ihm ‚das Gerücht’, also alles um ihn herum, die von der Macht (des Selbstbewusstseins des Mächtigen) marginalisierte und beiseite geschobene ‚öffentliche Meinung’, die nicht zur Geltung kommt, aber den Untergrund beherrscht – dieses selbstermächtigte Selbstbewusstsein des noch jungen Mannes ist.
Es scheint hier auch einen Zusammenhang von, Forschung, Wissen und Lebensalter zu geben: Mit dem Alter lässt der Trieb nach und entsprechend entstehen hier erst Voraussetzungen für eine mit dem Nachlassen des triebhaft bewirkten Verdrängungsdrucks verbundene mögliche Erkenntnis, ein Umstand, der mit Sicherheit von gestandenen Forschern ungern zugegebene Voraussetzung der Selbsterkenntnis sein dürfte.
Aber Voraussetzung jeder Erkenntnis war, ist und bleibt immer Distanz. Insofern besteht hier kein Widerspruch mit den sonstigen Umständen der Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis.
‚Auf den Marmorklippen’ von Ernst Jünger, Blumenberg, Arbeit am Mythos, S. 15: Regressions(sehn)sucht, als archaischer Untergrund jeder Bewusstseinsbildung, die diese steuert oder steuerbar macht durch die Informationsgesellschaft, die diese Sehnsucht, diesen archaischen Wunsch an Objekte fesselt und derart Bedürfnisse erzeugt, die dann die von ihr produzierten Artefakte als ‚Bedarf’ befriedigen. Zugleich die rücksichtslose Versklavung der Menschen durch die künstlich erzeugte Angst, die Drohung des Totalitarismus der absoluten Bürokratien und Systeme mit dem Tod bzw. dessen innerweltlichen funktionalen Äquivalenten, die die Atomisierung, die Entwertung der Menschen als soziale Einrichtung und Kommunikationsmechanismus festsetzen und zugleich den Karrierismus des ‚rette sich wer kann’ befeuern, der das soziale Klima auf einem untergehenden Schiff als gesellschaftlichen Normalzustand simuliert, damit aber die voneinander abgeschnittenen Individuen erst recht nach Belieben nutzbar macht, indem er sie rücksichtslos aufeinander hetzt.
Die Überwindung des ‚Mythos der Demokratie’, den diese sich gebastelt hat, um ihn den von ihr absoluter denn je unterworfenen und versklavten Menschen einzutrichtern mit den Mitteln der von einer totalitären Bürokratie beherrschten Institutionen der Erziehung, die längst die Familie aufgelöst haben bis auf die Restbestände der den Menschen gegen die Wahrheit des Faktischen gelassenen Illusionen über ihren Status, zu denen die über die Möglichkeit der Gründung einer Familie gehört, damit der auf ‚Nachschub’ angewiesene Betrieb, solange er sich nicht mit Menschenimporten weiterhilft, die nichts wäre und sein wird als die Hebung des allgemeinen Umgangs mit Menschen als Handelsware auf die Stufe der Rationalität der ‚Exportweltmeisterschaften’ unter den ‚Volkswirtschaften’, die das System in Hinsicht auf das Bruttosozialprodukt schon längst zum Prinzip erhoben hat, die Überwindung des Mythos der modernen Demokratie und des modernen Staates durch Erkenntnis ist gleichbedeutend mit der Wiederkehr des absoluten Schreckens, mit dem Unterschied einer vorübergehenden Verlagerung seiner nunmehrigen unmittelbaren Quelle von der Übermacht der umgebenden menschenfeindlichen Natur auf den Totalitarismus des umgebenden menschenfeindlichen Staates und seiner Machthaber.
An die Stelle der Illusion tritt die Einsicht in den Realen Faschismus der Gegenwart, als Konsolidierung und Überführung seiner gewaltsamen Anfänge in eine ‚Kultur’ und deren Inbegriff. Die gewaltsamen Anfänge dienten in jeder Hinsicht, innen- wie außenpolitisch – die Unterscheidung spielt angesichts der Ausdehnung des Vorgangs, der der Intention nach von Anfang an globaler Natur war und aufs Ganze ging, keinerlei ernst zu nehmende Rolle, es sei denn in ‚der Wissenschaft’, einer bürokratischen Einrichtung zur zweckdienlichen Selbstinterpretation der totalitären Apparate, die sich die Menschen nach ihrem Bilde formt und in Anähnelung an ihre Zwecke – nur der initialen Disziplinierung der Menschen, die sich vom industriellen Zeitalter ein besseres Leben versprochen hatten, und der – sei es intellektuellen oder physischen – Ausrottung und gewaltsamen ‚Anpassung’ der Opposition, die der moderne Staat in der Gestalt der Erinnerung an einen mit ihm nicht kompatiblen Kulturbegriff zunächst noch mitschleppen musste – eine lästige Behinderung ohne Zweifel. Der Unterschied der Methoden geht zurück auf die unterschiedlichen Ausgangslagen. Die Europäer hatten auf eigenem Boden nicht die Möglichkeit, die gewünschte Anpassung durch die entschlossene, durch einen aggressiven protestantischen Fundamentalismus kognitiv und affektiv gestützte Ausrottung der Population eines Kontinents (der ‚Indianer’) zu besorgen, und dadurch zugleich die Ausrotter in einem Kampf ums Überleben ‚zu bilden’, als grundsätzlich kulturfeindlichen Sozialcharakter, der im Ressentiment sowohl gegen das lebt und um sich schlägt, was er antrifft, wo er eintrifft, und im Ressentiment gegen das, was er verlassen hat, weil es ihn ausspuckte, als überzählig, und worauf er nur mit Verachtung und der Einstellung zurück zu kommen vermag, die er bewährte und erwarb bei der Ausrottung der von ihm angetroffenen Kulturen. Das steuert dann auch den Einbruch in die noch vorhandenen überlieferten kulturellen Muster in globalem Maßstab. Zugleich sinken alle diese zurück auf kapitalisierte Attitüden, wie etwa Sushi Essen und Einrichtungen ‚im Stil’ dieser oder jener ‚Kultur’, aus dem Warenhaus und entlang von wechselnden Moden, die der Betrieb erzeugt um Umsatz zu machen, auf dieselbe Weise wie er neue Automodelle oder ‚Computergenerationen’ konzipiert und ‚vermarktet’.
Die Wahrheit hinter dem Mythos der ‚Demokratie’ ist der siegreiche Totalitarismus mitsamt der Einsicht der Folgen seiner endgültigen Einwanderung in die Individuen und die Eroberung von deren Ich, Identität, Selbst oder wie immer: Der Totale Sieg, der die Endlösung realisiert, die die Nazis anstrebten, auch im Hinblick auf das Judentum, von dem nichts übrig bleibt als eine ungenau definierte und unscharfe Gruppenzugehörigkeit von Individuen zu einer Gruppe von Denkmalspflegern und Anspruchsverwaltern, eine organisierte Interessengruppe, die teils nützliche Funktionen für die imperialen Gewalten übernimmt, als Grenzlandpopulation im ‚Marschland’ des Imperiums, das hier ganz im ursprünglichen Sinn figuriert, als Truppenaufmarschgelände und Stützpunkt, Festung im Grenzland.

Sechzehnter Traum:

Traum am Donnerstag, 3. November 2005

Heute hatte ich einen sehr merkwürdigen Traum, zumal einen, den ich sehr wenig verstehe.
Ich befinde mich in einem Raum, von dem ich einige Züge erkenne, also z. B. mein Zimmer in W. Es herrscht eine merkwürdige Stimmung. Ich sitze am Boden, mit dem Gesicht einem vor der Wand stehenden Regal zugewandt, und versuche, einen kleinen Vogel dazu zu bewegen, sich auf meinen ihm hingehaltenen Finger zu setzen. Aber er hüpft jedes Mal ein wenig davon, ohne indessen scheu zu wirken. Er bewegt sich im Gegenteil stets dicht in der Nähe meines Körpers und scheint mich also nicht im Mindesten zu fürchten. Umso mehr wundert mich die Vergeblichkeit meiner Mühe damit ihn dazu zu bewegen, sich auf meinen Finger zu setzen. Zugleich damit bin ich aber auch bemüht, den Vogel, der mal hier, mal dahin hüpft, davon abzuhalten, ein paar Raupen in verschiedenen Entwicklungsstadien, die an der Wand hinter dem offenen Regal sich in eine Art dünne Wollflocken eingesponnen haben, aufzupicken, da mit an ihnen offenbar wenigstens so viel liegt wie an dem Vogel. Das kleine Tier lässt sich davon allerdings auch nicht beeindrucken. Ich versuche auch eher die Raupen dadurch zu schützen, dass ich ihn ablenke, als dass ich ihn zu verscheuchen versuchen würde. Trotzdem muss ich dann doch zusehen, wie er eine Raupe wenigstens aufpickt und verschlingt, und nachdem das Spiel eine Weile gegangen ist und er mal hinter dem Regal bzw. einem seiner Teile verdeckt ist, dann wieder neben mir irgendwo erscheint, dass ich von den Raupen, eine Handvoll höchstens, die sich an dem beschriebenen Ort befanden, keine mehr entdecken kann. Nur noch ein paar dunkle körnige Reste, vielleicht Ausscheidungen der Raupen, haften an dem Wandhintergrund, und die flockigen, wolligen Bäusche eines rein weißen, feinen Wollgespinsts, das die Raupen wohl produziert haben dürften.
Während ich dieses wollige Material vorsichtig von der Wand, an der es kaum festklebt, entferne und zusammenfasse sind Rebecca und Rahel – im Vorschulalter, aber es können auch Leah und Sarah sein – damit beschäftigt, durch das Zimmer zu toben, das voll steht mit Bücherregalen, wobei mir nebenbei eigenartig ein ‚toter Fernseher’ auffällt, der mit schwarzer Mattscheibe im an einer Wand steht, also abgeschaltet und unbenutzt ist. Die Lebendigkeit der Kinder erfreut mich zunächst ungemein, aber dann befällt mich auf einmal ein ganz unbeschreiblicher Schmerz, als ich erkenne, dass dies schon so lange Vergangenheit ist, und weder Rebecca und Rahel noch Leah und Sarah mehr in diesem Alter sind. Ich habe den Eindruck, das Leben und besonders diesen Lebensabschnitt mit ihnen vollständig versäumt zu haben, indem ich immer mit anderen Dingen, von ihnen abgewandt beschäftigt war während ich hätte mit ihnen spielen und mich an ihrem Heranwachsen beteiligen können.
Das bewusstwerden des Versäumnisses lässt mich beginnen in ihrer Gegenwart unvermittelt laut zu jammern und zu weinen über meine Bemühungen, stattdessen ständig in Büchern zu leben und mich derart ignorant gegenüber der einzigen lohnenden Beschäftigung verhalten zu haben. Zugleich sehe ich – wieder einmal erst im Nachhinein – die eigenartige Schönheit des um mich herum von mir selbst erzeugten, ganz ungewöhnlichen Lebensraums. Kaum wohl jemand bewohnt ein derartiges bemerkenswertes Zimmer.
Ich habe doch etwas von einer unverwechselbaren Eigenart jenseits des standardisierten, von der Soziologie genormten Zielgruppenindividuums, das sich die Umfragetechniken ausgedacht haben um es zur Realität zu machen mit Hilfe der Erziehung und der Konsumindustrie, der Massentierhaltung in der Politik und der Verwaltung. Warum habe ich eigentlich Soziologie studiert? Weil ich nicht wusste, was mich erwartet! Das hatte ich mir jedenfalls so nicht vorgestellt, diese brutale Scheiße der Verfügung über Menschen von oben herab, diese wohlfeile Prostitution des „Intellektuellen“, parasitärer und kannibalischer Existenzen, die von der Enteignung des Bewusstseins der Masse der Menschen leben. Zur Hölle mit dieser Pest einer ‚Wissenschaft’.
Sie halten in ihrer Beschäftigung inne, einer Art von Nachlaufspiel, und sehen mich erstaunt an.

Hallo, meine liebe Leah, Freitag, 4. November 2005

Hier reiche ich Dir zunächst noch eine Erinnerung an Deinen vergangenen Geburtstag nach. Ich habe diesen Tag noch gut in Erinnerung.
Über Deinen Brief habe ich mich sehr gefreut. Er klingt so fröhlich. Ich glaube, ich kann das alles an Geschriebenem viel genauer erkennen, vielleicht weil ich dann viel konzentrierter bin bzw. aufmerksamer. Ich scheine immer eher in Gedanken zu leben und zu sein als in dem, was ich unmittelbar wahrnehme.
dass es Dir auf jeden Fall gut geht ist prima. Dein Traum hört sich ja ganz gemütlich an, so als säßen alle kuschelig bei Dämmerung im Haus und sähen nach dem Wetter oder danach, was draußen vorgeht. Die Fleisch fressenden Frauen sind da allerdings von einem anderen Kaliber. Sehr imponierend. Ich habe mich gefragt, wie sie es wohl am liebsten fressen: Ganz roh und direkt vom Stück, oder filettiert und gebraten, gesotten oder gekocht bzw. gedünstet. Und welche Beilagen. Kartoffeln sind wohl so wenig vorgesehen wie Gemüse, denke ich. Es muss eine Sache sein, die keinen Spaß versteht, jedenfalls nicht für den, der dabei gefressen wird. Na dann auf jeden Fall noch guten Appetit. Das musst Du mir genauer erzählen, wenn ich Dich bzw. Euch wieder einmal besuche.
Schön, dass Cora lächeln kann. Ich meine auch, dass sie durchaus versteht, wenn man ihr Grüße ausrichten lässt und auch, dass sie weiß, von wem sie sind. Kluges kleines Hündchen...
Ich höre gern, dass es Helena gut geht und dass sie sich nicht mehr so vor uns fürchtet wie früher. Hoffentlich haben wir sie noch lange. Wir müssen den Stall für sie jetzt für den Winter vorbereiten, denke ich. Am besten macht man, wenn es kalt wird, vor das rechte Gitter eine dieser lichtdurchlässigen, aber Wärme haltenden Folien, wie wir sie immer hatten in den vergangen Jahren. Es wäre schön, wenn die Folie noch da wäre, die wir immer verwendet haben. Nachts kann man dann ja vor das linke Gitter auch etwas stellen.
Da reicht dann eine dicke Pappe, weil Helena ja nachts immer in dem rechten Kasten sitzt. Gut, im Moment ist es ja noch recht warm. Gestern habe ich mich noch bei offenem Fenster sonnen können. Ich bin richtig Urlaubsbraun geworden in den vergangenen Wochen, währen ich las. Wenn ich bedenke, dass es immerhin schon Spätherbst ist...
Es ist beruhigend, dass die Eichhörnchen unsere Nüsse mögen. Dann sind sie auch gut. Ehrlich gesagt, sind die Bäume auch für sie gepflanzt worden, und sie haben ja auch dabei wesentlich mitgeholfen, die Schlauberger. Vermutlich haben sie vorausgesehen, dass der alte Baum im Garten der Pfarrei bald verschwinden würde und für Ersatz gesorgt, damit es weitergehen kann. Ich habe die Setzlinge dann nur an einen anderen Platz getan. Sie haben sich ihren Anteil jedenfalls verdient. Ich denke, auch wenn sie wirklich tüchtig zulangen, bleibt auf die Dauer genug für uns übrig, wenn die Bäume erst einmal noch ein paar Jahre älter sind.
Es ist gut zu hören, dass Du Deine Zeichenarbeiten nicht vergißt. Dein Können steigert sich merklich. Der Drachen, den Du mir auf das Blatt gezeichnet hast, ist bemerkenswert, auch wegen seiner Haltung. Er scheint etwas Magengrimmen zu haben. Das ist ungefähr so wie es mir oft geht. Ich habe inzwischen entdeckt, dass salzige Suppen das verhindern. Vielleicht hilft das ja auch bei Drachen. ; -- ) Ich bin jedenfalls sehr gespannt, auch die anderen Bilder noch zu sehen, die Du gemalt hast. Das wird sicher bald sein können. Vielleicht komme ich ja im November noch einmal, vor Weihnachten. Nun ja, das wird sich ergeben. Sieh doch noch einmal in die Zeichnungen von Leonardo, da kannst Du Dir sicher noch einiges abgucken an Techniken, die sich gut machen.
Schön, dass Rebecca Kürbis eingemacht hat. Kürbis ist eines meiner Lieblingsdesserts. Halloween war ja inzwischen. Hat Sarah ihren Kürbis ausgehöhlt bekommen oder ist er als Zierstück erhalten geblieben? Na ja, wie auch immer, er ist sicher richtig verwendet. Es war ein gutes Kürbisjahr. dass genug Fairness da waren zum Einmachen, ist seit langem das erste Mal. Zuletzt war das vor mindestens zehn Jahren so. Bleibt mir nur noch hinzuzufügen, was ich gerade mache: Ich schreibe Dir einen Brief. Schön, dass Du mich lieb hast. Ich hab' Dich auch ganz doll lieb. Ich hatte eigentlich ja fest damit gerechnet, dass ich von Dir und Sarah während eurer Herbstferien Besuch erhalte. Leider hat mir keiner mitgeteilt, dass das nichts wird. Es wäre schön gewesen, wenn ich das erfahren hätte.
Dann hätte ich mich anders eingerichtet. Ihr solltet mich anrufen, um mir mitzuteilen, was ihr dann wirklich plant und tun wollt. Von Annegret habe ich jetzt erst erfahren, dass ihr kein Auto hattet während des größten Teils der Ferien, so dass auch das ein Hinderungsgrund gewesen ist dafür, dass ihr nicht gekommen seid, aber das ist doch etwas spät, zumal erst ein Anruf von mir das geklärt hat.
Anne meint, dass Du Dich nicht recht wohl fühlst bei dem Gedanken zu verreisen, aber ich finde, Du solltest Dir das ruhig einmal zutrauen. Eine große Stadt kann ganz interessant sein. Man muss es ja nicht als endgültigen Zustand betrachten. Aber man kann viel herumlaufen und es gibt viel zu sehen, so dass es auf die Dauer sogar ablenkend werden kann, wenn man sich nicht konzentriert auf das, was man zu tun für richtig hält. Aber mal zur Abwechslung kann es ganz schön sein. Man kann dann erst wieder richtig wahrnehmen, was die Eigenart des Lebens auf dem Land ausmacht. Also, fass' Dir ein Herz.
Wie geht es Oma? Ich hoffe, sie knüttert nicht zu sehr herum, so dass es für alle erträglich bleibt. Es wäre doch schade, wenn sich herausstellen müsste, dass es mit ihr nicht auszuhalten wäre. Es scheint das Schicksal dieser Generation zu sein, dass keiner mit ihr zurechtkommt, so wenig wie sie das augenblickliche Leben noch zu verstehen imstande ist. Sie ist einfach nicht flexibel genug sich noch zu orientieren. Und ein Zuckerlecken war deren Leben ja nun auch nicht, wenn man an die rasenden Veränderungen denkt, von denen sich noch niemand nach dem verlorenen Krieg auch nur annähernd vorstellen hätte können, worauf sie hinauslaufen. Nicht einmal die jetzt in den Ämtern befindliche Bürokratengeneration in der Politik ist mehr imstande zu verstehen, was da vor sich geht. Die sind schon verbraucht und abgeschlagen, bevor sie antreten. Und das ist klar zu erkennen gewesen. Na wenigstens etwas, dass man sagen kann, es ist zwar eine Katastrophe, aber – ich habe sie kommen sehen, und das ist doch was, oder? Surely I am joking, Miss Cramer.
Nun ja, was auch immer, immerhin haben wir noch eine Oma. Ich bin darüber ganz froh. Anne wird sagen ich hätte gut reden, aber ich glau­be, sie wünscht sie ganz sicher auch nicht zum Teufel. Man sieht immer noch, was für ein schönes Mädchen sie einmal war, eine richtige Prin­zessin. Sie war auch einmal als das schönste Mädchen in ihrem Dorf ge­wählt bei irgendeiner Gelegenheit eines Fests. Das weiß Annegret sicher genauer. Mit Bestimmtheit habt ihr alle auch etwas von ihr, auf dem Weg über Annegret. Man darf das nicht vergessen. Weil wir andere Chancen hatten aufgrund der allgemein veränderten Lebensumstände, daher dann auch andere Nachteile, geht das alles leicht verloren und keiner versteht mehr den Zusammenhang des Lebens in der Generationenfolge, der vermut­lich das einzig Wirkliche ist in diesem Gefüge der Illusionen.
Nun ja, von hier aus ist gut reden. Ich denke, das ist erst einmal genug für diesmal. Ich habe noch ein Bild von mir eingefügt, damit Du nicht vergisst, wie ich aussehe. Grüße alle von mir, also Dein Schwesterchen Sarah, Rahel – Rebecca ist ja schon wieder in Trier – und Anne, Cora und Helena, und auch den noch verbliebenen Vogel. Lasst es Euch gut gehen. Ich denke an Euch. Schreib' mir mal wieder und lass mich wissen, was Du tust und womit Du Dich beschäftigst. Und bestimmt sehen wir uns ja auch bald einmal wieder. Nebenbei: Ich schreibe mit einem anderen Editor als sonst, der eigenartige Sachen macht, die ich noch nicht richtig überblicke. Es kann also sein, dass ich Fehler übersehe, die sich eingeschlichen haben. Take it easy.
OK dann, halt mich auf dem Laufenden über Deine Aktivitäten. Immer dran bleiben. Man hat einmal einen später bekannt gewordenen Menschen gefragt, wie er das eigentlich gemacht habe, diese Lösungen zu finden, für die er bekannt war. Er sagte: Indem ich immer daran gedacht habe. So könnte das auch mit Deinen Zeichnungen sein: Indem Du immer weiter zeichnest. Vernachlässige aber die anderen Dinge nicht: Latein, Mathe, Chemie und Physik und so...Ich hoffe, Du hast von Rahel noch einige Hilfe dabei, und ihr könnt produktiv zusammenarbeiten. Schule ist halt Allgemeinbildung. Konzentrieren auf eine Sache kann man sich erst später. Das hat auch seinen guten Sinn...Bis dann und laß´ es Dir gut gehen.
Ich grüße Dich und denk' an Dich und umarme Dich in Liebe

Siebzehnter Traum:

Traum am Morgen des Mittwoch, 9. November 2005

Nach einigen mir nicht mehr erinnerlichen Träumen ist mir folgendes noch gegenwärtig:
Ich bin unterwegs in einem recht schnell fließenden Verkehrsstrom, auf einer Strecke, die aus Friedberg (in Hessen) herausführt in Richtung Bad Vilbel oder Frankfurt – Fakt ist , dass die Strassengabelung, die sonst die Strecken trennt angesichts der Schaffung einer ungeheuerlich breiten Strecke aus festgewalztem Lehm, eine Buckelpiste zumal praktisch nicht mehr erkennbar ist. Beide Richtungen sind so gesehen eins oder nicht mehr unterscheidbar. Ich biege aus einer Straße, die links einmündet, und von meiner alten Berufsschule her kommt ein auf die staubige Piste, deren Lehmuntergrund im Kurvenbereich teils tief aufgewühlt ist, und zwar in einem offenen Allradrover mit hohem Fahrgestell und entsprechenden Reifen und Motorisierung. Ein Verkehrspolizist winkt mich auf die Strecke ein. Es sind noch viele andere Fahrzeuge mit mir unterwegs, und alle fahren am Rande des Verantwortbaren bzw. des Bewältigbaren, wie bei einem Querfeldeinrennen. Ich gebe tapfer Gas, obwohl das eine erhebliche Anspannung verursacht, und als ich wenig später nach rechts einbiege bin ich schon fast ohne Begleitung. Tatsächlich befahre ich die Strecke dann auch allein. Sie ist nach wie vor sehr breit, aus gelbem Lehm gewalzt und stark gewölbt, außerdem hat sie oft Querrillen unregelmäßiger Art. Aber ich trete das Gaspedal durch bis auf den Boden und der Wagen beschleunigt ordentlich bis ich eine konstante, nicht mehr zu erhöhende Geschwindigkeit erreicht habe. Ich werde ordentlich durchgeschüttelt, aber alles geht offenbar gut. Warum das alles so sein muss ist mir gar nicht klar.
Endlich erreiche ich einen Ortsbereich. Ich halte vor dem Ort, einem kleinen Dorf, an und stelle das Fahrzeug ab. Ich habe noch nie viel von Landrovern gehalten, jedenfalls aber keinen gefahren. Ich lasse ihn also stehen und gehe zu Fuß in den Ort. Dabei hantiere ich mit einem kleinen Lenkdrachen. Während ich darüber nachdenke, dass Anne auch noch einen Hubschrauber in der Garage stehen hat, den ich auch hätte nehmen können und den sie zu meiner Verwunderung problemlos bedienen kann, während ich selbst nicht sicher bin ob ich es könnte, verheddere ich mich in der Leine des Lenkdrachens, die sich endlich bei meinem Versuch sie zu entwirren, während ich mit einer Hand den Drachen und mit der anderen die Leinenrolle halte, völlig zu einem unlösbaren Knoten verwickelt und sich die Leine überflüssigerweise obendrein so um meine Beine wickelt, dass ich zu stolpern drohe, jedenfalls aber beim Gehen behindert bin, habe ich einen mit Bäumen bestandenen Platz im Dorf erreicht, auf dessen Umwegungen Menschen, und zwar sind es sämtlich Frauen mit Kindern oder in Begleitung anderer Frauen, offenbar zum sonntäglichen morgendlichen Kirchenbesuch unterwegs sind. Ich fühle mich einigermaßen lächerlich und frage mich, warum ich den Wagen außerhalb des Dorfes habe stehen lassen. Aber ganz gegen die Art wie ich mich fühle kommen die Leute auf mich zu. Sie kennen mich offensichtlich oder meinen das, und kennen mich auch offensichtlich so wie ich mich selbst nicht kenne, denn sie begrüßen mich freundlich und mit einem bestimmten Respekt, wie man ihn früher wenigstens Pfarrern entgegen brachte.
Mich wundert das, aber ich erwidere die Begrüßungen und wir geben uns alle die Hand, eine Höflichkeit, die ich zu schätzen weiß´, zumal sie mir lange nicht mehr begegnet ist.
Währenddessen denke ich darüber nach, wie ich mit Annegret im Garten stand – der Garten ähnelte in nichts dem ihren, sowenig wie das Haus, alles sieht eher einem Bauernhof gleich – und in ein Gespräch vertieft bin, bei dem sie auf bestimmte Pflanzen deutet und mir etwas erklärt, wobei von einem nahe gelegenen Armeegelände ein großer Hubschrauber heran fliegt und fast bis an den Garten heran fliegt bevor er mit dem entsprechenden Lärm wieder abbiegt und ich erinnere mich daran, dass mich der Lärm und die unablässigen Aktivitäten auf dem Gelände stören. Ich wende den Blick und sehe dem Hubschrauber noch und als ich mich wieder Annegret zuwende ist zu meiner Trauer der Zauber der Versenkung in den Augenblick der Gemeinsamkeit verflogen.

Achtzehnter Traum:

2005 nicht exakt datiert, fällt aber in diese Zeit.

Ich befinde mich an einer weiten, großflächig ausgebreiteten Straßenkreuzung inmitten einer mir unbekannten Großstadt, die zugleich Züge der Stadt trägt, in der ich während meiner Studienzeit lebte, wo ich auch einmal an einer Straßenkreuzung wohnte, über die wesentliche Teile des Verkehrs, der durch die Stadt ging, geführt wurden. Die riesigen grauen(haften) Asphaltflächen flößten mir ganz buchstäblich ein schleichendes Grauen und ein diffuses Angstgefühl ein, das sich auch nicht mehr verlor, wenn ich den Blick abwandte. Über eine der Straßen fuhren Tag und Nacht riesige Schwerlastfahrzeuge, die an der mit Ampeln, die Tag und Nacht betrieben wurden, ausgestatteten Kreuzung halten mussten und dann mit einem grellen Kreischen ihre Bremsen betätigten, die besonders in der Nacht weithin hallten, während sich die Druckluftbremsen regelmäßig mit einem grässlichen Schnauben und Zischen entleerten oder aufluden.
Es war, als sei dort Tag und Nacht eine nicht enden wollender Verkehr von Horden riesiger Drachen unterwegs. Wenn ich daran denke, hab ich indessen meist die Verhältnisse bei Tag vor Augen, die ich zu sehen bekam, wenn ich aus dem Fenster sah und den Personenverkehr an dem gegenüber liegenden Busbahnhof sah, anonym, seelenlos, ein wirres Durcheinander von scheinbar ziellos umherlaufenden oder -stehenden Menschen, die sich in alle Richtungen bewegten, ein Fließen von nicht endenden Menschenmassen, das auf eine kaum erklärliche Weise traurig und bedrohlich wirkte. Der Traum zeigt mir eine recht ähnliche Kreuzung, aber es ist Nacht, man sieht feststehende und sich bewegende Lichter überall, und ich befinde mich in der Nähe eines Fahrzeuges, es mag ein Taxi sein, aus dem einige junge Männer aussteigen; es wirkt wie in einem der Filme der 'nouveau vague', aber es ist eine Dekade später wenigstens, diese Filme, Dokumente einer Zeit, die den kompensatorischen Größenwahn von ahnungslosen und lebensunerfahrenen jungen Menschen und ihre immer ungehemmter als Lebensform vorgezeigten eigentlich sinnlos überschäumenden Aktionen als neues Lebensgefühl einer neuen Generation auszustellen, zu formen und zu ermutigen begann, eine Blödsinnsermächtigung per Massenmedium, die nach wie vor anhält und alle Augenblicke eine neue Generation erfindet, nebst Trendsettern von Trendsportarten, zu deren Ausübung man kostspielige Ausstattungen braucht und 'coole Klamotten' usw. Alle wirken 'aufgekratzt' und ein wenig zu fröhlich, wie eben Jugend im Film gewöhnlich vorkommt, und ich meine in ihnen Freunde erkennen zu können, aber meine Jugendfreunde sind schon so lange verschollen, dass ich endlich erkennen muss, dass ich keinen von ihnen kenne. Sie verhalten sich bloß ähnlich, aber übertrieben 'überkandidelt', denn so waren meine Jugendfreunde nicht. Trotzdem fesselt mich der Anblick wie magisch, aber ich weiß auch nicht genau auszumachen, worauf das beruht, bis ich meine Trauer über das Verschwinden all dieser Begleiter meines Lebens früherer Tage entdecke, die mich kannten, wussten wer ich bin, bzw. wer ich für sie war, eine Person, in der ich mich auf eine angenehme und ermutigende Weise wiederzuerkennen vermochte, während ich nicht einmal recht bemerkte, dass sie langsam verschwanden, als ich den Ort verließ, an dem ich aufgewachsen war. Andererseits fasziniert mich die grenzenlose Einsamkeit als ein zu bestehendes, so unendlich vielen meiner Art widerfahrendes Schicksal.
Ich bin Teil einer unübersehbaren einsamen Masse geworden, oder einer Masse von Vereinsamten, aber nun sehe ich, dass ich schon immer in dieser Einsamkeit, einer Art imaginärem Gefängnis wie jenseits von Zeit und Raum verharre, eingefroren in dem auf den Trümmern seines Lebens und den Gräbern seiner Liebsten aufgewachsenen einsamen Kindes, um das sich niemand kümmerte und dem niemand einen Weg in das Leben zeigte oder gar durch das Labyrinth des Lebens. Ich habe dieses Bild meiner grenzenlosen Einsamkeit zwar nicht immer so unmittelbar vor Augen, aber das meinen gesamten Körper, nein, meinen Leib und mein Selbst durchdringende Gefühl, aus dem nicht nur dieser, sondern die meisten meiner Träume und unbewussten Phantasien hervorgehen wie Protuberanzen (Flares) aus der massiven brodelnden Körperlichkeit der Sonnenmaterie, ist mir eigentlich so gut wie immer auf eine ungemein drängende und schmerzhafte Weise gegenwärtig, und nur bei einer angestrengten körperlichen Betätigung wie Skaten oder Schwimmen kann ich es eine Weile aus meinem Leib und Bewusstsein herausdrängen, während es sofort wiederkehrt, als ein unerträgliches Gefühl tödlicher Erschöpfung, wenn ich die Zeit habe nachzudenken oder meinen Gedanken überlassen bin. Aber das ist schon immer so gewesen. Ich habe dieser Unruhe, einem brodelnden Chaos, alles entringen müssen mit einem Riesenaufwand, was ich überhaupt zustande brachte, während diese Unruhe meine Lebensenergien sozusagen 'gegen mich' in Anspruch nahm.
Ich kann nun nur versuchen, mit diesen 'Kräften' mich in Übereinstimmung zu setzen, aber es bedeutet ein bewusstes Akzeptieren eines Lebens in Angst, Unruhe, Trauer und Einsamkeit, die schier unerträglich sind. Ich sehe aber auch, dass ebenso meine Eltern und Großeltern, wenigstens mein Großvater mütterlicherseits, aber auch die Eltern von Annegret sich mit der mehr oder weniger vergeblichen Bewältigung ähnlicher Lebensgefühle beschäftigt haben müssen, wenn auch hinter den mehr oder weniger undurchsichtigen Masken einer ausgesetzten und kristallin gewordenen Panzerung mit dem Erscheinungsbild eines durchschnittlichen Erwachsenen, wie es ihnen das Leben eben so vorschrieb. Aber sie mussten daher gegen sich selbst leben, soweit dieses 'Selbst' beschäftigt bleib mit dem Verhängnis ihrer verfehlten Einweisung in eine untergehende Kultur, die verwüstet wurde und wird von dem, was nur Zyniker 'den schöpferischen Sturm der Zerstörung' nennen können, Opportunisten, die sich den Machtapparaten anbiedern wollen (Schumpeter). Alles in Allem scheint der Traum den Schock meines Erwachens aus einem Kindheitswirklichkeitsbild zu illustrieren, den mir die mit dem Studium unvermeidliche Aufklärung durch Wissenschaft zugleich mit der diffusen Erkenntnis vermittelte, dass das durch sie vermittelte Wirklichkeitsbild ebenfalls auf einen Betrug hinauslief, wenn auch auf einen ganz anderen, der mit der Funktion der Wissenschaften zu tun hat, die der Machtapparat betreiben lässt um die Kontrolle und Abrichtung der Populationen als Nutztiere unauffälliger und effektiver zu gestalten, indem er sich die Zustimmung zu seinen Machenschaften derart erschleicht, dass er das Urteilsvermögen nicht nur unterläuft, sondern so früh wie möglich verkrüppelt und seine Ausbildung vereitelt. Ich kann verstehen, dass meine Kinder und Annegret davon lieber nichts wissen wollen. Ich selbst verübele ich weiß nicht wem die Zerstörung meines 'Kinderglaubens', eine von der Literatur der Romantik eingefärbte Wirklichkeitswahrnehmung ästhetischer Art, die die Tragödie des Lebens erträglicher hätte machen können, wenn ich es vermieden hätte, mich um Bildung zu bemühen, so wie Nietzsche einmal meinte, das Leben sei eigentlich nur 'ästhetisch' zu ertragen, eine Wahrheit, die die Zerstörer aller Welten im Namen von Wissenschaft und Ver(ge)wal(ig)ung ignorieren derart, dass sie sie nicht einmal in Erwägung ziehen.

Neunzehnter Traum:

Traum am Morgen des Donnerstag, 10. November 2005

Der Traum ist ungewöhnlich – im Vergleich zu denen, die ich während der ganzen letzten Zeit hatte, die, wo ich sie beobachten konnte, kaum etwas anderes als eine wirre Folge von ganz unsinnigen und unzusammenhängenden, teils sogar im (Satz-)Zusammenhang jeder Logik oder auch nur der grammatischen Korrektheit barer Assoziationen eines quasi wild gewordenen Zerebralsystems gewesen waren – geordnet, von der ‚Qualität’ eines Hollywooddrehbuchs und auch ausgestattet mit dem epischen Bilderreichtum und den Handlungssequenzen des (amerikanischen?) Mythos, jedenfalls der erzählbaren Geschichte. Ich kann sie also auch entsprechend dieser Qualität erinnern, oder soll ich sagen, ich erinnere sie so, wie immer es gewesen ist?
Ein Junge wird im Alter von circa fünf Jahren (wie passend!) Opfer einer Entführung oder etwas dergleichen. Er hat einen Betreuer, eine Art von zur Familie gehörenden – natürlich treuen – Dieners und Lehrer, der ihn sucht und findet inmitten einer Urwaldlandschaft, voll mit Sümpfen usw. – warum schleicht sich hier ständig eine den Traum keineswegs begleitende reflexive Ironie ein? – aber es ist schon etwas Schreckliches geschehen, das wir allerdings nur anhand der Folgen festzustellen imstande sind: Die Beine des Jungen sind gelähmt. Er kann sich also nur noch kriechend und mit Hilfe der Hände fortbewegen – oder dergleichen.
Der Junge wächst mit dieser Behinderung auf und wird erzogen entsprechend den Üblichkeiten. Das tut ihm aber offensichtlich – wenigstens seiner eigenen Auffassung nach – nicht gut. Er entwickelt einen Widerstand gegen die Erziehung und das, was sie aus ihm gemacht hat oder zu machen beabsichtigt, gewollt oder ungewollt, die Erzieher wollen bekanntlich immer nur das Beste für die Erzogenen – und es gelingt ihm endlich, einen entschlossenen und erfolgreichen Schlag zu führen. Ich sehe ihn vor mir, stolz aufgerichtet zum erwachsenen Mann und mit der Geste des gerade geführten Schlags, dessen Effekt er schweigend und bewegungslos beobachtet. Es ist in diesem Moment eine der Figuren aus dem ‚großen Hollywoodfilm, vom Schlage Gregory Peck (?) oder Stewart Granger (?), jedenfalls auch der Figur des Helden aus ‚High Noon’ sehr ähnlich, aber weniger schüchtern in diesem Moment, stolzer, einer jener Helden eines untergegangenen ‚Amerika’ – wenn es jemals existierte -, der sich gegen alle um ihn versammelten Widerstände (Feigheit, Tücke, Angst, Opportunismus, Dummheit, Rohheit, Gewissenlosigkeit und Zynismus usw. usw. usw.) nicht nur erfolgreich behauptet, sondern der der Hydra endlich alle Köpfe abschlägt und versengt.
Großartig, nicht? So wird er endlich doch noch erwachsen. In der Schlusseinstellung sieht man die beiden Personen des ‚Films’ aus der Eingangssequenz wieder, beide gealtert, der einstige Junge etwa fünfundfünfzig, der ältere jetzt wohl zwischen siebzig und achtzig Jahre alt, in einer Szene, die eher einem Bild ähnelt, das beide schon von einem Maler gemalt (großbürgerliche Ästhetik und Ausstattung) nach ihrem längst Vergangenheit gewordenen Tode zeigt, aus der Sicht eines Enkels, der das großformatige Bild – natürliche Breitwand – über dem riesigen Kamin seines Herrenhauses hängen hat. Rezente Elemente eines am Mittwoch Abend gesehenen Films, Undine, bei dem es um Riesen und eine Bohnenranke und eine goldene Gans und eine goldene Harfe ging, von denen alles grünende – vegetative - Leben in einem von dieser Welt aus nur mittels einer magischen Bohnenranke erreichbaren geheimnisvollen Reiches irgendwo ‚dort oben’ war. Ich sah nur ein Bruchstück des Films, und seinen, natürlich glücklichen Ausgang. Der bestand dort in der siegreichen Liebe des Helden aus der Unterwelt – den man natürlich zwischendurch als Schriftsteller identifizieren durfte, wenn ich das recht gesehen habe, es wurde nur angedeutet - und der Heldin aus der Oberwelt.
Nichts davon in diesem Traum. Der zeigte nur den Zusammenhang zwischen den beiden männlichen Protagonisten, der sich durch die Geschichte gezogen haben muss (So genau weiß ich das auch nicht).
Ich wache morgens früher auf. Zwar habe ich immer noch etwas Magengrimmen, aber es scheint zurückzugehen – wenn ich mich nicht irre. Meine Skepsis gegenüber der Psychoanalyse, vielleicht auch mein erfahrungsgesättigter Hass und das Zeitgeistvorurteil gegen sie, lassen mich auch an einen – natürlich unheilbaren – Magenpförtnerkrebs denken, der mit einem Mastdarmkrebs kombiniert ist, wie sich versteht, so dass mein alsbaldiges Ableben bevorsteht und sich mithin nichts mehr lohnt, was ich noch unternehmen könnte (das Gefühl hatte ich schon mit fünfzehn Jahren explizit, und davor implizit so lange ich mich erinnern kann) und auch und besonders die Schlafsucht (bzw. die chronische Erschöpfung und die damit verbundenen Angstzustände). Ich erkenne sogar gelegentlich für etwa fünf Sekunden die Möglichkeit einer Zukunft und mein Horror vor der Begegnung mit Menschen geht etwas zurück, für Sekunden. Ebenso spüre ich manchmal für Momente eine angenehme Entspannung meines ganzen Organismus, während deren die Magen- und Darmspannung sowohl als auch der sich mit ihr und gelegentlichem Engegefühl auf der Brust abwechselnde Kopfschmerz völlig verschwunden sind, bis ich es bemerke und daran denke. Dann ist die schöne Zeit schon wieder vorbei. Magendrücken gerade virulent.
Sollte es besser werden können und meine Wut und meine Angst, das Gefühl, in die Enge getrieben zu sein verrauchen?
Alles das, was ich durchaus als meine Behinderung ausmachen kann, ist ein Impuls zur Selbstzerstörung, der mich seit dem Tode meines Bruders begleiten dürfte: Man hat mich nicht zuvor gefragt, ob ich dieses Leben auch will, das mir gedankenlose Eltern ‚geschenkt’ haben.
Ist ein versöhnlicher Schluss denkbar?

Zwanzigster Traum:

Traum am Nachmittag des Donnerstag, 10. November 2005

Ich begegne dem Jungen – oder ist es ein Mädchen? – im Alter zwischen sechs und zehn – er ähnelt Sarah in seiner Lebendigkeit – und seiner jungen Mutter auf der Treppe, während ich nach oben gehe, und sie von oben herab kommen. Wir kennen uns schon lange. Offensichtlich wohnen wir im selben Haus. Das Kind schließt sich sofort mir an und seine Mutter lässt das auch zu. Sie geht weiter, ein Eile, offenbar hat sie etwas zu besorgen und könnte ganz froh sein, dass sie nicht behindert wird in ihrem Tempo. Im Hintergrund im Treppenhaus, das in einem quadratischen Treppenturm aufgebaut ist und in recht flachen Stufen an dessen äußersten Rändern herumgeführte Stufen hat, ist eine ältere Frau, die das ganze beobachtet. Das Treppenhaus ist chaotisch vollgestopft mit Gerümpel, alles ist ganz staubig. Das Kind und ich gehen nun ganz froh gemeinsam die Treppe hinauf. Oben ist das Gebäude riesig ausgebreitet, und alles steht ebenfalls voll mit alten Gerätschaften und Möbeln. In dieser Umgebung fühlen wir uns aber ganz wohl.
Der Junge eilt um eine Ecke und als ich ihm nachgehe, sehe ich, dass er zu einer langen Reihe von Fenstern geht, die nach der vorderen Seite des Gebäudes hinausgehen um sie zu schließen, und ich erkenne jetzt, dass er das tut, weil ein Gewitter aufkommt. Die Fenster liegen einigermaßen weit voneinander entfernt und sind teils verstellt durch Möbel und Geräte, so dass man sie schwer erreichen kann, weil auch der gesamte Raum vollsteht mit Hindernissen dieser Art. Ich mache mich daran ihm zu helfen, indem ich ebenfalls versuche Fenster zu erreichen um sie zu schließen. Dabei fällt mir aber auf, dass die Handwerker, die offenbar da gewesen sind, eine Bretterverschalung, die die Fassade des Hauses verkleidet, gelockert haben, aus Gründen, die mir nicht durchsichtig sind. Dabei sind aber auch die Fenster, die mit dieser Verschalung verbunden montiert waren, ihrerseits nun nicht mehr fest verankert. Wir bemerken also nun diesen Schaden und sind verstimmt, auch über den Mangel an Sorgfalt der Handwerker (Heute morgen war ein Monteur in der Wohnung und hat die Gastherme gereinigt, und ich habe ihm den meiner Meinung nach überhöhten Preis für die Wartung (120.- DM !) vorgeworfen, ein Vorwurf, den er schließlich akzeptierte, aber auch unter Hinweis auf existentielle Fragen zu rechtfertigen versuchte.)
Der Junge/das Mädchen? Hat seine Aktivität nun eingestellt und steht in der Mitte eines der aneinander anschließenden türenlos durch offene Durchgänge verbundenen Räume, die an der Längsseite des Gebäudes aneinander anschließen, auf einem der wenigen etwas weiteren nicht verstellten Plätze. Als ich zu ihm hingehe, erklärt er mir, dass ihn die Nadel in seiner Brust wieder schmerzt. Ich nicke verständnisvoll, kenne das Problem offenbar. Es ist die Nadel, die ihm ein anderer Junge bei einer mir dunkel vorschwebenden Gelegenheit in die Brust getrieben hat, in der Höhe des Brustbeins. Ich erkläre ihm, dass ich auch oft vergleichbare Schmerzen habe, allerdings eher durch meinen Magen verursachte, aber er schüttelt leicht den Kopf. Offenbar ist er mit dem Vergleich nicht einverstanden, weil der Schmerz in seiner Brust ganz anders verursacht wird als der Schmerz unterhalb des Brustbeins, den mir mein Magen verursacht. Ich bin über die Ablehnung traurig, ich hatte es nur gut gemeint.
Ich frage den Jungen, warum er die Nadel nicht entfernen lässt, aber er reibt sich nur die schmerzende Stelle und bedeutet mir etwas, das ich nicht zu verstehen imstande bin, aber als ‚’Erklärung’ doch annehme und mich zufrieden gebe, weil ich nicht will, dass wir in eine Debatte geraten, die die Harmonie des Gefühls der Zuneigung stört, die wir füreinander sonst immer empfinden.
(Gestern Abend habe ich lange mit Sarah telefoniert, und heute habe ich ihr mein älteres Handy mit der Post geschickt, und einer Telefonkarte mit einem sehr günstigen Tarif, mit dem sie nun auch mich anrufen kann zu denselben Konditionen, zu denen ich mit ihr telefonierte. Wir haben uns mit einem Programm beschäftigt, das das Sonnensystem programmiert hat und man kann alle Planeten und ihre Monde besuchen und die komplizierten Bewegungen der Maschinerie sehr gut beobachten. Die Planeten und Monde – auch die Erde – sind alle aus Fotos von Raumsonden oder Satelliten aus zusammengefügt und das Ganze ist deshalb bis auf eine Höchstgrenze der Auflösung, die dem derzeitigen Stand entspricht, sehr schön und mit viel Verstand gemacht. Wir haben es synchron auf unseren Computern laufen lassen und uns dabei über die Bedienung unterhalten und darüber, was wir sehen, bis sie müde wurde, nach einer halben Stunde.)
Was ich nicht beschreiben kann ist das eigenartige Klima von Schmerz und Abschied, Missverständnis und Versäumnis, Zuneigung und Scham, Erklärung und Zurückhaltung, deren Unausgesprochenes über dem Ganzen liegt, und auch die Mutter des Kindes einbezieht.
Der Schmerz ist offenbar mein eigener Magenschmerz, den sich sehr fürchte als mögliches ernsthaftes Symptom, weil er kaum noch vergeht und ich fürchten würde zu hören, was es ist, und dass es möglicher Weise tödlich ist, ein Krebs, einerseits, andererseits aber ebenso die Ärzte für gefährlich halte und ihnen nicht in die Hände fallen will, weil ich fürchte, dass sie mich umbringen würden. Es ist die Ankündigung des Todes, die ich fürchte, einfach altersgerecht. Grund zu Abschiedsschmerz und den Gedanken an Versäumnisse gibt es da genug.
Das Verhältnis zu D. verliert sich im unbestimmten. Gestern schrieb er mir, dass er sich nunmehr darum bemüht, die Arbeit, die ich seit Jahren betreue, nun abzuschließen um seine Promotion einzureichen. Es ist schade, dass das Verhältnis sich entsprechend seinem Egoismus schließlich sehr schnell auf eine rein materielle Basis reduziert hat. Er hat nie verstanden, was mich bewegte ihn zu beraten und hat, als ich ihm die Wahl ließ, sich sogleich gegen die wissenschaftliche Zusammenarbeit und für seinen Karrierismus entschieden. schließlich musste ich das Interessengebiet wechseln, weil die Beschäftigung mit der Therapeutik kaum mehr einen Sinn für mich machte. Meine Vorstellung, einmal in meinem Leben auf eine ambivalenzfreie Form der Kollegialität zu treffen, die mich nicht nur benutze und ausbeutete ist nicht erfüllbar gewesen. Immerhin hat er mich als einziger auf eine akzeptierbare Weise entschädigt, aber es ist eben doch nicht das, was ich mir insgeheim erhofft hatte, einen Kollegen zu finden, der nicht auf Kosten meiner sozialen Existenz Karriere macht, und mich dabei zurück lässt. Auch das ist ein tief sitzender Stachel in meiner Brust und eine kaum zu bewältigende Enttäuschung. Ich weiß so viel über das Thema und es hat mich interessiert, aber er wollte keine wissenschaftliche Zusammenarbeit, sondern in Bezug auf seine Karriere profitieren. Dabei wäre das durchaus vereinbar gewesen. Aber er schloss mich aus. Dabei ist er nicht imstande zu begreifen, dass das unser Verhältnis in einer Weise bestimmt, die eine Zukunft dieses Verhältnisses ausschließt.
Aber Sarah ist wunderbar und sie liebt mich ganz ohne Vorbehalt, so wie Rebecca und Leah auch, aber mit einer besonderen Zugewandtheit, die uns verbindet und sich wechselseitig verstärkt wie sonst bei keiner meiner anderen Töchter, wobei mir besonders Rahel wieder einfällt, weil ich so wenig von ihr höre und mich das traurig macht, dass sie keine Weise findet mit mir zu sprechen, obwohl sie freundlich ist, wenn ich sie anspreche. Sie ist aber ohne Initiative. Das ist das Merkwürdige an ihr und unterscheidet sie am meisten von den anderen. Wie schade für uns beide.

Einundzwanzigster Traum:

Traum am Freitag, 11. November 2005

Heute hatte ich einen sehr merkwürdigen Traum, zumal einen, den ich sehr wenig verstehe.
Ich befinde mich in einem Raum, von dem ich einige Züge erkenne, also z. B. mein Zimmer in Werlte. Es herrscht eine merkwürdige Stimmung. Ich sitze am Boden, mit dem Gesicht einem vor der Wand stehenden Regal zugewandt, und versuche, einen kleinen Vogel dazu zu bewegen, sich auf meinen ihm hingehaltenen Finger zu setzen. Aber er hüpft jedes Mal ein wenig davon, ohne indessen scheu zu wirken. Er bewegt sich im Gegenteil stets dicht in der Nähe meines Körpers und scheint mich also nicht im Mindesten zu fürchten. Umso mehr wundert mich die Vergeblichkeit meiner Mühe damit ihn dazu zu bewegen, sich auf meinen Finger zu setzen. Zugleich damit bin ich aber auch bemüht, den Vogel, der mal hier, mal dahin hüpft, davon abzuhalten, ein paar Raupen in verschiedenen Entwicklungsstadien, die an der Wand hinter dem offenen Regal sich in eine Art dünne Wollflocken eingesponnen haben, aufzupicken, da mit an ihnen offenbar wenigstens so viel liegt wie an dem Vogel. Das kleine Tier lässt sich davon allerdings auch nicht beeindrucken.
Ich versuche auch eher die Raupen dadurch zu schützen, dass ich ihn ablenke, als dass ich ihn zu verscheuchen versuchen würde. Trotzdem muss ich dann doch zusehen, wie er eine Raupe wenigstens aufpickt und verschlingt, und nachdem das Spiel eine Weile gegangen ist und er mal hinter dem Regal bzw. einem seiner Teile verdeckt ist, dann wieder neben mir irgendwo erscheint, dass ich von den Raupen, eine Handvoll höchstens, die sich an dem beschriebenen Ort befanden, keine mehr entdecken kann. Nur noch ein paar dunkle körnige Reste, vielleicht Ausscheidungen der Raupen, haften an dem Wandhintergrund, und die flockigen, wolligen Bäusche eines rein weißen, feinen Wollgespinsts, das die Raupen wohl produziert haben dürften. Während ich dieses wollige Material vorsichtig von der Wand, an der es kaum festklebt, entferne und zusammenfasse sind Rebecca und Rahel – im Vorschulalter, aber es können auch Leah und Sarah sein – damit beschäftigt, durch das Zimmer zu toben, das voll steht mit Bücherregalen, wobei mir nebenbei eigenartig ein ‚toter Fernseher’ auffällt, der mit schwarzer Mattscheibe im an einer Wand steht, also abgeschaltet und unbenutzt ist. Die Lebendigkeit der Kinder erfreut mich zunächst ungemein, aber dann befällt mich auf einmal ein ganz unbeschreiblicher Schmerz, als ich erkenne, dass dies schon so lange Vergangenheit ist, und weder Rebecca und Rahel noch Leah und Sarah mehr in diesem Alter sind. Ich habe den Eindruck, das Leben und besonders diesen Lebensabschnitt mit ihnen vollständig versäumt zu haben, indem ich immer mit anderen Dingen, von ihnen abgewandt beschäftigt war während ich hätte mit ihnen spielen und mich an ihrem Heranwachsen beteiligen können.
Das bewusstwerden des Versäumnisses lässt mich beginnen in ihrer Gegenwart unvermittelt laut zu jammern und zu weinen über meine Bemühungen, stattdessen ständig in Büchern zu leben und mich derart ignorant gegenüber der einzigen lohnenden Beschäftigung verhalten zu haben. Zugleich sehe ich – wieder einmal erst im Nachhinein – die eigenartige Schönheit des um mich herum von mir selbst erzeugten, ganz ungewöhnlichen Lebensraums. Kaum wohl jemand bewohnt ein derartiges bemerkenswertes Zimmer. Ich habe doch etwas von einer unverwechselbaren Eigenart jenseits des standardisierten, von der Soziologie genormten Zielgruppenindividuums, das sich die Umfragetechniken ausgedacht haben um es zur Realität zu machen mit Hilfe der Erziehung und der Konsumindustrie, der Massentierhaltung in der Politik und der Verwaltung. Warum habe ich eigentlich Soziologie studiert? Weil ich nicht wusste, was mich erwartet! Das hatte ich mir jedenfalls so nicht vorgestellt, diese brutale Scheiße der Verfügung über Menschen von oben herab, diese wohlfeile Prostitution des „Intellektuellen“, parasitärer und kannibalischer Existenzen, die von der Enteignung des Bewusstseins der Masse der Menschen leben. Zur Hölle mit dieser Pest einer ‚Wissenschaft’.
Sie halten in ihrer Beschäftigung inne, einer Art von Nachlaufspiel, und sehen mich erstaunt an.

Zweiundzwanzigster Traum:

Traum am Morgen des Sonntag, 13. November 2005

Ich besuche – wieder einmal? – eine Männerwohngemeinschaft, die sich bei meiner Mutter einquartiert hat,, die in einer alten Stadt wohnt, deren Charakteristik als mittelalterliche Stadt – mit Kopfsteinpflaster, einem großen Marktplatz mit Brunnen und hohen alten Fachwerkhäusern - wenigstens teilweise auch heute noch erhalten ist. Das Gebäude ist ein alter, sehr großer Bauernhof – so etwas hat sich meine Mutter, die sich als Großbäuerin geträumt hat, natürlich als der Mann im Haus, oder als Eigentümerin und Herrin, deren Mann ihr Knecht ist (ich hätte es ihr gegönnt. Sie wäre zufriedener gewesen und ich hätte anders aufwachsen dürfen, nicht als verfluchtes Kind, das allen Hass auf das männliche Geschlecht über seinem Haupte versammeln durfte, dessen meine Mutter fähig war, und wenn sie zu etwas fähig war, dann dazu, die Rachgöttin an dem zu geben, was ihr von einer männlich dominierten Umgebung angetan worden war, in der auch die Mütter, jedenfalls aber ihre, nur die Stange des ihr nachgeborenen männlichen Kindes hielt, wenn ich ihr das glauben soll, und es gibt wenig Grund, daran zu zweifeln.) Die Anzahl der Personen, die dort außer meiner Mutter wohnen ist unbestimmt. Meine Mutter sehe ich während meines Besuches nicht.
Umgang habe ich mit zwei Personen, und schließlich ist es nur noch ein relativ junger Mann, mit dem ich mich unterhalte. Ich bemerke den gespannten Ton zwischen den beiden Männern. Der, mit dem ich mich schließlich unterhalte, nimmt immer mehr die Züge eines bekannten Schauspielers an, nämlich die von Michael Douglas, dem Sohn dieses bekannten Schwertschwingers, den die Kriegspropaganda der imperialen USA im Zuge ihres zweiten europäischen Krieges produziert hat, Filme, die man heute als ‚Schwert und Sandalen Filme’ kaum beurteilt, sondern vernunftlos bezeichnet, weil ihre Funktion damit ganz unterschlagen wird. Als wir allein sind in dem riesigen, dunklen, von Balkenzügen durchquerten, sehr hohen und matt beleuchteten riesigen Scheunenraum, der als jetzt Wohnraum dient, und dessen Umrisse sich im Dämmer verlieren, beginne ich vorsichtig, ihn darauf aufmerksam zu machen, was für ein Ton zwischen den Bewohnern herrscht, und dass ich das auf die Dauer zu anstrengend fände. Währenddessen verlassen wir das Haus und gehen in die verwinkelte Altstadt, die jetzt weniger von der Stadt Butzbach hat als von Marburg, das auf einem steilen Hügel, wahrscheinlich einem uralten Rest eines versteinerten Vulkanschlots liegt, von denen Hessen in der Umgebung von Marburg und Gießen mehrere hat, z. B. Krofdorf-Gleiberg und Münzenberg, wie ja auch der Vogelsberg als ganzes ein riesiger Vulkanschild ist. Das Gelände steigt teils steil an, und wird durch eingefügte Treppen überwunden, hat wundervolle Winkel und Ecken, wie man sie bei, Spitzweg, dem Maler des ‚Armen Poeten’ findet, der wie ich in allein in einer Dachkammer lebt – allerdings regnet es durch und er tut nichts, um das zu beheben, was mir nicht passieren könnte, und er hat auch keine Heizung oder staatliche Unterstützung wie ich oder Töchter und eine Frau, die anderswo wohnen. Die habe ich allerdings in dem Traum auch nicht. Ich lebe allein.
Der sehr romantische Ort zieht mich an und begeistert mich. Im Nachhinein fällt mir anhand des Vergleichs auf, dass sich nirgendwo ein Ausblick ins freie Land hinein öffnet, wie das in Marburg der Fall ist, wo man einen herrlichen Ausblick aus der Höhe auf die sich abfallend an den Horizont hin ausbreitenden wunderbaren Landschaft Hessens hat. Der Hintergrund jedes Ortes ist schwarz. Ich kann meinen Gesprächspartner offensichtlich nicht von der Evidenz dessen überzeugen, was ich ihm mitteile. Entweder kann er es nicht bemerken oder es stört ihn nicht. Langsam bemerke ich jedoch, dass auch er dieselbe Art und Weise, die seine Kommunikationsweise steuert mit dem Mitbewohner, die ich beobachten konnte, auf mich zu übertragen beginnt. Es ist gar nicht einfach nur eine unerkannte und unangenehme Form, sondern er ist es selbst, der eben so ist und diese Form äußert.
Als wir auf einem Hügelkamm im Ort angekommen sind, den bezeichnenderweise ein Brunnen ziert (auf einem Hügelkamm!), nähert sich eine undeutlich umrissene weibliche Person und beginnt mit ihm zu reden. Mir ist sein Stil längst unerträglich geworden und ich beschließe, meine Sachen aufzunehmen, die ich abgesetzt hatte, und mich von dem Menschen zu trennen. Dabei muss ich irgendwelche Sachen aufnehmen, die sehr schwer sind. Also zunächst einen Ring, der an Ketten befestigt ist, die wie Speichen durch den Mittelpunkt laufen, wie man das von großen Leuchtern kennt. Irgendwie hänge ich mir das Gerät über Kopf und Schultern – die Halterung ist eigens dafür gemacht, und bücke mich dann, um einen schweren Balken auf die Schulter zu nehmen, den ich ebenfalls stets dabei habe. Dabei erkläre ich dem Menschen, dass wir und jetzt trennen müssen. Darauf bricht er in offenen Hohn am Rande einer Beschimpfung aus und während ich mich hügelabwärts entferne, höre ich ihn, während er in einer Seitengasse verschwindet, laut singen, irgend ein Lied vom ‚Einsamen Cowboy’, das mich offensichtlich verhöhnen soll. Der Gesang verliert sich schließlich, und ich höre zuletzt, während ich ausschreite, nur noch ein hohles und vages Hallen, das von den Mauern tausendfach gebrochen kaum mehr als ein Wabern ist, in dem ich den Nachklang seiner Stimme vernehme.
Inzwischen habe ich mich der aufgenommenen Last offenbar entledigen können. Ich laufe wieder unbelastet von diesen Gewichten durch die Straßen, es ist offenbar auch ein anderer Tag, jedenfalls schon viel später – Das entspricht wohl einem ‚Schnitt’, den es in Träumen ja schon immer gibt, und der nicht erst durch die Filmindustrie dorthinein gekommen ist, obwohl das von der konkreten Persona des Schauspielers nicht gesagt werden kann. Diese Industrie hat uns schon von Kindheit an mit ihrer Ideologie infiltriert und die kulturelle Zerstörung Europas, die der Krieg nicht selbst besorgt hat, vollendet. Die ‚actionmovies’ haben das (nach dem Vietnamkrieg, der im Kino gewonnen werden musste) nur auf die Spitze getrieben, unter Liquidierung der längst obsoleten Menschenrechtspropaganda, die der Sandalenfilm noch als Hauptprogramm verbreitete, um den Segen zur Geltung zu bringen, den das US-Imperium für die Welt darstellt. – und ich bin unterwegs nach meinem Hause, ein altes Haus in einer alten deutschen Stadt mit Kopfsteinpflaster und rauschenden Brunnen. Das Gelände ist jetzt flach, man spürt richtig zu ebener Erde zu sein, das Kopfsteinpflaster glänzt und hat sein vertrautes leuchtendes Grau-Blau des Basalts, aus dem es hergestellt ist, zuverlässiges heimisches Material aus uralten Vulkanen. Es macht sich gut gegen den Ausblick, der an einer Ecke frei wird, wo sich der Platz weitet, auf dem ein turmartiges Gebäude zu sehen ist, neben dem der Blick auf einen Hintergrund mit niedrigen Begrenzungsmauern und den bekannten, alten eisernen Zäunen mit Lanzenspitzen am oberen Ende durch die Zäune hindurch auf parkartige Gärten geht, in denen uralte Linden und Kastanien stehen, unter denen ich als Kind so oft und so gedankenlos um die Umgebung gespielt habe. Wir überkletterten die Zäune, und konnten ungestört auf dem Gelände spielen, deren zugehörige Gebäude, oft Hotels aus der Zeit vor dem ersten Krieg und der Zeit zwischen den Kriegen, von den Amerikanern beschlagnahmt waren, die dort ihre Militärverwaltungen eingerichtet hatten. Genau genommen ging es nicht ganz ohne Störung.
Die Amerikaner hatten auch Wohnhäuser requiriert, wie alle Besatzungsmacht das tut, und wohnten dort mit ihren Familien, vorwiegend zunächst die Offiziere. Die Kinder beanspruchten die Gärten für sich, und als wir, weil wir sie dort spielen sahen, über die Zäune oder durch die schlecht verschlossenen eisernen Tore ebenfalls hineingingen, stießen wir auf ausgesprochen bösartige Kinder, die begannen uns mit Steinen zu werfen und mit Knüppeln zu verfolgen. Sie ließen keine Missverständnisse darüber aufkommen, wer hier der Sieger war, und auf diese Weise begannen wir als Kinder eine erste Ahnung zu bekommen von unserem wahren Status. Die Hollywoodfilme (typisch Ben Hur, machten das nur noch deutlicher, aber das war nicht so leicht zu verstehen, weil die Manipulation, die der Film mit dem Bewusstsein des ahnungslosen oder auch belehrten Zuschauers treibt, diesen zu einer projektiven Identifikation treibt, die ihm verbirgt, wer hier wen und worüber belehrt, indem sie ihn darüber täuscht, wer hier der Akteur ist und wer sein gemeinter – natürlich zum Untergang verurteilter - Gegenspieler.
Das alles ergibt sich erst aus der Assoziation und ihrer Betrachtung. Es war in dem Traum so gegenwärtig wie die ‚wirkliche’ Verfassung des Sonnensystems im morgendlichen Sonnenaufgang oder in der nächtlichen Drehung der Himmelskugel, bzw. der Bewegung der Planeten am Nachthimmel oder wie die Bewegung der Erde am Wechsel von Tag und Nacht oder dem Wechsel des Hintergrunds des Tierkreises im Jahresverlauf und in den Jahreszeiten.
Ich trete an die Wand des turmartigen Gebäudes und führe einen Schlüssel in ein dort in Augenhöhe befindliches Schloss ein, das ich offenbar kennen muss. Der Schlüssel lässt sich merkwürdiger Weise sowohl nach rechts als auch nach links mehrmals herumdrehen. Das macht mich etwas ratlos über die ‚richtige Drehrichtung’, die das Schloss öffnen soll, und während ich darüber nachdenke, blicke ich zurück auf das hinter meinem Rücken liegende alte Haus und meine zunächst, dass es das Haus ist, das ich als ‚meines’ zu identifizieren meinte, aber dann geht mir die Merkwürdigkeit auf, dass ich einen Schlüssel in einem ganz anderen Schloss drehe, während das Schloss zu dem Haus sich doch an der Tür vorfinden lassen müsste, wenn nicht ein Mechanismus das Schloss an dem turmartigen Gebäude mit dem Haustürschloss irgendwie verbindet, was ja immerhin möglich ist im elektronischen Zeitalter der Computer, von denen allerdings in dieser Welt nichts auch nur entfernt vorhanden ist.
Inzwischen kommen auch Leute vorbei, darunter junge Frauen. Ich selbst bin inzwischen ! offenbar auch jünger geworden, und bestenfalls Anfang oder Mitte zwanzig, fühle mich selbständig und entscheidungsfähig, on my own. (Das bin ich indessen tatsächlich erst jetzt, zum ersten Mal in meinem Leben.). Insofern mischen sich hier Lagen ganz verschiedener Art.
Dazu muss gesagt werden, dass meine Adoleszenz lange dauerte und bestimmt bis Mitte zwanzig dauerte, auch und gerade was meine Beziehung zum anderen Geschlecht betraf, dem ich mich zögernd näherte. Ich habe vorher von allem bestenfalls im kulturellen Schema der romantischen Briefkultur und Literatur geträumt, allerdings schon gemischt mit amerikanischen Elementen, die ich aus den Comics bezog, die auf einmal abundant und in englischer Sprache, also bis auf die Bilderfolgen, die auch zunächst nicht von selbst klar waren, nicht sprachlich unmittelbar zugänglich waren. Hopalong Cassidy und Roy Rogers standen zur Wahl, dann auch Zorro, der hispanische Rebell und Rächer der Enterbten gegen die Besetzung Mexicos durch die Gringos, und sein unvermeidliches Pendant, The Lone Ranger. Aber diese Zusammenhänge – und unabsehbare weitere, die impliziert sind in den Cowboyheroen der Nordamerikaner - sind mir auch erst heute bewusst.
Mir ist der offensichtliche oder vermutliche Irrtum etwas peinlich, und ich beende die Schlüsselaktion an dem Turm, weil mir einfällt, das das gesuchte Haus doch um die Ecke herum liegt. Als ich demnach nach rechts gewendet um die Ecke biege, gehe ich auf eine an einer Straßeneinmündung links stehenden Gruppe von jungen Frauen vorbei, die bei meiner Annäherung beginnen unruhig zu zwitschern mit steigender Lautstärke und ich befürchte, dass das mit meinem Daherkommen zu tun haben könnte und sie mich eventuell erkennen. Als ich auf ihrer Höhe bin wird das Gerede lauter, aber ich verstehe nichts, weil alle durcheinander reden. Im Vorbeigehen – hält mir eines der Mädchen eine Tageszeitung hin, auf deren Vorderseite ein großes Bild ist, das die Situation abbildet, in der wir alle uns gerade befinden, was mich wundert. Wie kann das Bild in der Zeitung sein, während wir uns doch gerade erst getroffen haben ?(Die Sozialwissenschaft und die Psychologie, die immer schon allhier sind, so wie der verallgemeinerte Geplapper der Philosophie und des Journalismus und der Politik über den Menschen, wo immer alles schon vorweggenommen und jede Individualität a priori enteignet und vernichtet ist.)
Als ich näher hinsehe, erkenne ich zwar die Situation, aber in dem jungen Mann auf dem Bild erkenne ich nicht mich (Was angesichts der verhaltenstheoretischen ‚Orientierung’ des wissenschaftlichen Totalitarismus kaum verwundern kann, sieht dieser doch methodisch alles nur von Außen, während seine wissenschaftliche Anmaßung hinzufügt aus eigener ‚Kompetenz’, was das zu ‚bedeuten’ hat, also der geradezu als Wissenschaft auftretenden methodischen Vernichtung des Individuums gleichkommt.) Ich nehme Zeitung im Weitergehen mit und erreiche das Haus. Die Mädchen rufen etwas hinter mir her, das nicht freundlich klingt, aber ich meine zu verstehen, dass sie darüber verärgert sind, dass ich mich nicht dazu herbei lasse, ihnen zu Willen zu sein indem ich stehen bleibe und mit ihnen spreche. Ich verlangsame meinen Schritt, zögere und drehe mich um und überlege dabei, sie nun anzusprechen und darauf hinzuweisen, dass ich es für ratsam hielte, dass sie, falls sie den Wunsch haben, mit einem Menschen bzw. mit mir zu reden, das besser nicht auf diese Art anfangen sollten, weil es doch einer Unterwerfung unter einen Gewaltakt gleichkäme, dem Nachgeben gegenüber einer Nötigung, darauf einzugehen. Das erinnert mich dann aber wieder an meine gerade vergangene Erfahrung mit dem Ton in der von meiner Mutter beherbergten Wohngemeinschaft und meinem Versuch, meinen Gesprächspartner darauf aufmerksam zu machen, dass diese Umgangsform meiner Ansicht nach eine verantwortungslose Verschwendung von Lebenszeit darstellt und kaum lohnend sein dürfte angesichts der jederzeit ergreifbaren Möglichkeit, sich mit wesentlich sinnvolleren Beschäftigungen die Zeit zu gestalten.
Angehalten zwischen meiner Überlegung, die Mädchen darüber aufzuklären – mit der Aussicht, ihren Spott zu ernten wie schon im vorhergehenden Fall - oder nach Hause zu gehen und mich nicht darum zu kümmern, wache ich auf. Buridans Esel ist hier in einer anderen als der in dem Paradigma dargestellten Lage, falls es sich hier um eine ähnliche Lage handelt. Denn sie könnte ja entscheidbar sein. Gehe ich nach Hause, dann offensichtlich, um weniger Vergebliches, Unsinniges zu tun als Leute aufzuklären, die das gar nicht wünschen, einfach weil es nicht um eine zufällige Differenz zwischen ihnen – ihrer ‚Identität’ (!) – und ihrem ‚Verhalten’ geht, sondern weil sie so sind, wie sie sich äußern und sie weder anderes zu wollen vermögen noch könnten.
Die in dem Traum dargestellte Erfahrung mit dem Versuch der Aufklärung besagt, dass mich diese Erfahrung eher zur Ratlosigkeit verurteilt. Es macht auch meinen Eindruck plastisch, keinen Adressaten zu haben, eine Lage, die es gegenstandslos macht, etwas zu schreiben, etwa ein Buch, denn wer sollte es lesen?
Trotzdem, sollte es nicht doch einen Sinn machen, und wenn es nur der wäre, sich selbst anzuschauen? Denn dies ist doch möglich und sinnvoll und eine sinnvolle Alternative und Beschäftigung während der verbleibenden geschenkten Lebenszeit. Der Adressat ist das Ich.

Dreiundzwanzigster Traum:

Traum am Morgen des Dienstag, den 15. November 2005

Ich war beinahe zu träge, müde, traurig, als dass ich den Traum noch der Mühe wert gehalten hätte aufgeschrieben zu werden. Nun habe ich mich doch entschließen können, es zu tun. Er ist sicher kompensatorischer Natur, und will mich über die Enttäuschungen der vergangenen Tage trösten. Das macht mir aber meine Traurigkeit nur bewusster. Im Spätherbst bin ich immer in einer solchen Verfassung. Ich meine, die Depressionen seien früher viel schlimmer gewesen, und es hat sogar Jahre gedauert bis ich den Stimmungsumschlag selbst auch nur bemerkt habe. Den Zusammenhang will ich jetzt nicht erläutern.
Ich weiß nicht wo genau wir uns befinden in dem Traum. Es ist jedenfalls ein öffentlicher Platz, es sind viele Leute da, es ist bunt, laut, fröhlich, alle sind guter Laune und es gibt nichts am Leben auszusetzen. Ich bin mit Freunden zusammen, zwei jungen Frauen und einem jungen Mann. Er ist mehr als einen Kopf größer als ich und einer der Frauen ist seine Freundin. Er scherzt spielerisch mit der anderen jungen Frau, deren Portraitbild mir sozusagen noch einmal ausdrücklich extra angeboten wird, so als zeige es mir jemand, aber es ist lebensgroß und zeigt eine junge Frau mit einem eher runden Gesicht und einem kleinen Kinn, einem ‚Kirschmund’ und einem Harrschnitt in einer Art ‚Afrolook’, wo alles in gleicher Länge senkrecht vom Kopf absteht. Dazu trägt sie eine Sonnenbrille mit angedeutet herzförmigen dunklen Gläsern, durch die man die Augen nicht sehen kann, und einem schwarzen Brillenrahmen. Sie sieht mich aus dem Bild freundlich und etwas mutwillig an, aber es scheint außer dem auf mich anziehend, wenn auch etwas ungewohnt wirkenden Blick hinter der Sonnenbrille nicht unbedingt eine Aufforderung an mich auszugehen. Ich fühle mich aber durchaus angezogen von dem Anblick.
Das Bild wandelt sich. Der Freund, der mit der jungen Frau scherzt, hat sie auf die Arme genommen, wie man gelegentlich ein Kind auf die Arme nimmt, indem man einen Arm unter die Schultern, den anderen unter die Oberschenkel legt und den ganzen Körper dann anhebt. Er trägt sie eine Weile und das Merkwürdige ist jetzt, dass wir auf einem Dachfirst stehen, so dass mir das doch prekär vorkommt, weil ich den Eindruck habe, dass man unter diesen Umständen schon mit der eigenen Balance genug hat. Die Lage ist aber offensichtlich stabil, weil wir, wenigstens aber ich, mit einem Bein auf je eine der abschüssigen Flächen, die von dem First abwärts verlaufen, recht sicher stehen können, ohne ins Rutschen zu geraten auf den roten Tonziegeln.
Es liegt eine leichte Lustigkeit über der Szene und ich betrachte das Ganze ebenfalls mit einem Lächeln. Meine Freude wächst nun trotz der damit ebenfalls waschenden Sorge um mein Gleichgewicht, als der Freund mir die junge Frau auf den Armen übergibt, damit ich sie auf dieselbe Weise trage oder vielmehr einfach halte. Ich habe, wie gesagt, zunächst Sorge, das könnte schief gehen, und sorge mich auch um die junge Frau, die dabei zu Schaden käme, wenn mir die Balance nicht gelänge, aber alles geht besser als ich befürchtet hatte und schließlich freue ich mich einfach darüber, die junge Frau auf den Armen zu haben, die sich ihrerseits ebenfalls darüber sichtlich freut und sich offenbar dabei sicher fühlt und sorglos ist. So stehen wir auf dem Dach über dem Betrieb um und unter uns, und ich werde nicht müde sie zu tragen, obwohl ich es zunächst befürchte und bedauern würde, sie loslassen zu müssen. Ich meine eine unausgesprochene Verliebtheit von Seiten der jungen Frau zu bemerken. dass mir die Lage gefällt, ist klar. Der Freund hat mir die junge Frau wohl übergeben um mich darauf aufmerksam zu machen, dass sie sich für mich interessiert.
In der Wirklichkeit habe ich keinen solchen Freund und kenne keine solche junge Frau. Sie ähnelt auch keiner, die ich schon gesehen hätte, obwohl mir eine Zeichnung dunkel vorschwebt, auf der ich einen ähnlichen Typ schon einmal gesehen haben kann, aber wenn ich das genauer untersuche, gerät es zu einer übertrieben schematisierten Form. Dazu kann das Weibliche allerdings aus Gründen der allgemeinen Form der männlichen Sexualität ohnehin werden, und es ist klar, dass der Traum mir eine Wunscherfüllung für eine Entbehrung anbietet.
Die Szene wechselt. Wir befinden uns wieder zu ebener Erde und es ist eine Abschiedsszene. Ich stehe am geöffneten Schlag eines Autos, und das tut sie ebenfalls, aber an einem anderen, das ungefähr in der Gegenrichtung aufgestellt ist. Wir befinden uns auf einem Platz, dessen Grund aus fest gewalztem Lehm, jedenfalls unasphaltierter Erde, besteht. Ich sehe zu ihr hinüber, aber sie sieht unschlüssig und wie auf der Suche nach etwas (anderem als mir) in eine andere Richtung. Auch als sie diesen suchenden Blick wieder auf die Autotür zurücklenkt sieht sie nicht auf, obwohl oder weil ihr Blick dann auf mich fiele. Ich bin unschlüssig und verstehe das als Gleichgültigkeit gegenüber einem bedeutungslosen Spaß, den wir miteinander hatten. Obwohl ich schon dabei bin zu resignieren, fasse ich mir schließlich kurz entschlossen ein Herz und gehe zu ihr hinüber um mich zu verabschieden, und halb gegen meine Erwartung einer Zurückweisung wendet sie sich mir sichtlich erfreut zu und wir umarmen uns als hätten wir uns gerade eben erst gefunden. Ich bin glücklich darüber ihren Körper, der sich ohne Scheu an meinen drängt während sie mich umarmt, an meinem zu fühlen und die von ihr ausgehende körperliche Wärme. Das tröstet mich über den Schmerz des Abschieds, den ich fühle. Es ist ersichtlich, dass wir uns gegenseitig mögen und das erleichtert mich ungemein.
Als ich erwache spüre ich meine Einsamkeit sehr schmerzlich. Das aber war es wovor mich der Traum bewahren wollte, diese Einsamkeit zu spüren. Er erschuf und schenkte mir für einen traumhaften Moment lang eine spürbare weibliche Gegenliebe, wie ich sie mir ein vergebliches Leben lang gewünscht habe. Ich hatte eigentlich nie einen wirklich bedeutungsvollen anderen Wunsch. Merkwürdig, dass es gerade dieser, der doch alles bedeutet und meinem Leben den einzigen Sinn hätte geben können, aus dem es jeden anderen erst abgeleitet hätte, gewesen ist, der ganz und gar unerfüllt geblieben ist. Wenn ich bedenke, dass ich auf der Suche danach alles andere als nebensächlich und gleichgültig opfern konnte, und dass es das einzige Motiv meines Lebens gewesen ist, das mich zudem – als vergebliche Hoffnung – am Leben hielt, dann ist die Ironie in dieser Vergeblichkeit kaum zu übersehen. Es isst, als wollte mich meine Erinnerung im Nachhinein verhöhnen, indem sie mir ein Leben Revue passieren lässt, das einzig dafür da zu sein schien, dies zu suchen und zu finden oder nichts, und dass es just dies ist, was mir versagt geblieben ist, so dass der Rückblick einer in einen Abgrund von Sinnlosigkeit ist, eine Nacht, in die kein Licht je gefallen ist als der täuschende Widerschein, den die Hoffnung in gerader Richtung voraus einem in völlige Dunkelheit getauchten Auge vorgaukelt, das Licht sehen will, weil es dies erwartet. Der Rückblick zeigt dagegen eine Welt kaum vom Hintergrund sich abhebender Schatten und Scheinbewegungen, die eigentlich nur im angestrengt spähenden Sehorgan sich abspielen und nicht dort, wohin sie dieses projiziert, weil es keinen Anhaltspunkt für die Maße des umgebenden Raums findet.
Ich habe immer wieder die Imagination, die mich schon sehr lange begleitet, ich sei nichts als ein Zentrum eines schwachen Lichts, das mit einem schnell schwächer werdenden Schein in einem recht engen, aber unbestimmt begrenzten Radius direkt um sich herum vor einem in allen Richtungen gleichermaßen leeren Raum, der in einen in unbestimmbarer Entfernung sich scheinbar aufbauenden Hintergrund reinster Schwärze ausläuft, bewegungslos, unterschiedslos, veränderungslos, zeitlos: Nichts, als dieser leuchtende kleine Punkt, schwebend in einem gänzlich leeren, schwarzen Universum des reinen Nichts. Das ist vermutlich die Wahrheit meiner Existenz. Warum um Himmels willen wurde ich nicht nicht geboren? Warum musste das sein.
Für einen Mann – als Geschlecht – hat die Liebe wohl immer – außer unter bestimmten Umständen, die hier ohne Bedeutung sind – die Gegengestalt einer weiblichen Erscheinungsbildes. Aber es gibt abstraktere Formen der Liebe, die hinter diesem Vordergrundbild erscheinen können. Nehme ich den Gang der Erzählung des Traumes beim Wort, das mir keinesfalls so vorschwebte, wie es sich dann ergab, dann bin ich vielleicht in Wirklichkeit sowohl verliebt als auch erfüllt von dieser Liebe, und sie ist sehr wohl weiblich, aber zugleich derart, dass sich das biologische, das Geschlechtliche daran ebenso aufhebt wie die Differenz zwischen dem Ich und dem Nicht Ich. Wenn das Ergebnis richtig ist, dann kann es wohl sein, dass ich mein Leben einer früh entdeckten Liebe zugewandt habe, die mir erschien, als ich am verlassensten gewesen bin, und alles um mich herum schon versank noch bevor ich fünf Jahre alt war. Es ist die Einsamkeit, und die darin dann entdeckte Singularität, die ich vielleicht am meisten liebe und zu der ich nie eine Alternative fand, die attraktiv genug gewesen wäre mich wieder von ihr abzuwenden. Denn ein anderes Gesetz meines Lebens ist der Wunsch nach einer unverbrüchlichen Treue, der alles geopfert werden kann, auch das eigene Ich. Das Resultat ist vollkommene Leere.
Mir wird jetzt deutlicher, warum ich nie an diese mir erscheinende Wirklichkeit, an ihre Realität zu glauben vermochte. Sie erschien mir nie tatsächlich real, und weder der Schmerz noch ihr ‚Widerstand’, also die gewöhnlichen Indikatoren ihrer Eigenständigkeit waren imstande mich davon zu überzeugen, dass es sich um etwas handelt, wonach man sich richten müsste. Das betrifft aber auch die in ihr figurierenden Menschen. Meine Überbesorgtheit in Bezug auf meine Kinder ist womöglich nur eine Reaktion auf meine Unfähigkeit dieser Wirklichkeit eine ernstzunehmende Kontur abzugewinnen, die Regeln an die Hand gibt, nach denen man sich richten könnte. Daher meine ständige Unsicherheit, ob ich das Richtige tue, wenn ich etwas tue, und meine Angst, etwas Wichtiges zu übersehen, mit Folgen, die ich nicht wünsche, und auf der anderen Seite meine ratlose Lähmung, wenn etwas geschieht, das ich nicht wünschen kann und fatal ist, und einem der Menschen, von denen ich umgeben bin, Schmerz bereitet. Ich fühle mich dann sogleich schuldig daran, dass das so gekommen ist, und selbst die Möglichkeit mich davon zu überzeugen, dass ich nicht verantwortlich bin, befreit mich nicht von dem Gefühl, dennoch schuldig zu sein, ebenso wenig wie von der Unfähigkeit die Grenzen dieser Schuld auch nur annäherungsweise jeweils einigermaßen rational zu bestimmen. Der Rückzug in die absolute Einsamkeit ist derart ein Versuch, der Schuld zu entgehen, indem sie durch den Totalrückzug ausgegrenzt wird zum Objekt und dieses zugleich jeder gegenständlichen Realität entkleidet wird. Da alles reine Leere ist, in der ein ausdehnungsloser, jedenfalls immaterieller reiner Lichtpunkt einfach nur da ist, und sonst nichts, reduziert sich die gesamte Realität einschließlich des eigenen Selbst von diesem her auf ein reines Nichts des bloßen Da Seins, das zugleich Alles und Nichts ist.
Vielleicht gibt es doch die Möglichkeit der Philosophie jenseits von Wissenschaft im modernen Sinne, und in einem Verhältnis des Meta- zu ihr, nicht nur der Physik. Das müsste aber heißen, man kann davon reden, im Gegensatz zu Wittgensteins Versuchen, dies alles zu erledigen durch die Vergeblichkeiten seiner gewissermaßen ‚von hinten durch die Brust ins eigene Auge’ greifenden, an die Grenze des Irrsinns reichenden verrenkten Analyse bloßer, formalistisch entleerter Wortfolgen, von denen er unterstellt, sie könnten nichts meinen außer irgendwie sich selbst, um der Imagination zu entgehen. Das ist eine andere Art von Verzweiflung, möchte ich einmal vermuten, vorerst.
Das innerweltliche Pendant zu der Imagination des materielosen Lichtpünktchens im leeren Raum eines Nichts ist meine mich ständig begleitende Vorstellung, in der Wüste zu leben, ohne Hütte, auf dem nackten Boden, ohne einen Baum in der Umgebung, ohne bemerkliche Temperaturunterschiede, ohne Unterschied von Tag und Nacht, in einem diffusen Licht, das von keiner sichtbaren Quelle herstammt, und ohne das sich irgendetwas ereignet. Das ist für mich die Wirklichkeit dieser mich umgebenden Alltagswelt, eine Welt, in der sich nichts ereignet, nichts jedenfalls, das wirklich wäre. Mit den kulturell eingespielten Maschinerien der Bedeutsamkeitsherstellung fällt ALLE Bedeutsamkeit.
Ein Sprung: Mong Yü Loh, Der Traum der Roten Kammer. Bi Yän Lu, Die Niederschrift von der Smaragdenen Felswand.

Vierundzwanzigster Traum:

Traum in der Nacht zum Mittwoch, 16. November 2005

Ich erwache mit starkem Kopfschmerz etwa um 02:00 Uhr in der Nacht, nachdem ein mir gerade noch fassbarer Traum mich geweckt hat. Sein Kern besteht eigentlich nur in einem Satz, einer Replik, oder besser, aus einem Austausch von zwei Sätzen. Die Möglichkeit ihrer Nachvollziehbarkeit, aber auch die eigenartigen Umstände, mit denen ich eigentlich kaum zu tun habe, macht es sinnvoll, sie zu notieren.
Die Szene ist eine Kirche bzw. ein Kirchenvorplatz in einem südamerikanischen Staat mit einem der bekannt gewordenen diktatorischen Regime, der ungleichen Verteilung der Ressourcen und des gesellschaftlichen Reichtums nebst der Folgen, die das haben kann und gehabt hat oder hat. Einer der Dichter des Landes, der für die Armen eintritt zusammen mit der katholischen Kirche bzw. wenigstens einigen ihrer Priester oder Bischöfe bzw. Kardinäle, hat sich angesichts der ganz offen durch das Regime auf ihn angesetzten Todesschwadronen in eine Kathedrale in einer der Städte geflüchtet um Kirchenasyl in Anspruch zu nehmen, wohl wissend, dass ihn das nicht unbedingt retten wird. Der zuständige Priester ist auf seiner Seite und riskiert damit, seinerseits in das Fadenkreuz der Mordkommandos zu geraten. Der Diktator ist ein gebildeter Mann, der auch die Dichter seines Landes als kulturelle Bereicherung seiner Kultur empfindet. Er entschließt sich, den ins Kirchenasyl geflüchteten Dichter aufzusuchen, bevor die Mordkommandos die Befehle seines Polizeiministers ausführen.
Der Dichter und der sehr gebildete Präsident – er stammt aus einer der ‚ersten Familien’ des Landes in einer direkten Linie von Nachkommen der Konquistadoren, die sich das Land unterwarfen – treffen auf dem Vorplatz der Kirche zusammen. Im Hintergrund bleibt die mit dem Präsidenten angereiste Kommission, darunter auch der Polizeiminister.
Was sonst zwischen dem Präsidenten und dem Dichter geredet worden ist, ist mir nicht bekannt, so wenig wie der im Hintergrund außer Hörweite wartenden Delegation. Es mag sich um einen Versuch gehandelt haben, den Dichter davon zu überzeugen, dass er seine Haltung gegenüber ‚sozialen Angelegenheiten’, die als Sache der Politik doch eigentlich ihn nicht unbedingt angehen müssen, verändern könnte, und damit der über ihm schwebenden Gefahr entgehen könnte. Der Dichter – ich habe vor ca. fünfundzwanzig Jahren einige Romane südamerikanischer Autoren gelesen und kenne die politische Geschichte einiger südamerikanischer Ländern und auch, dass verschiedentlich Dichter des Landes sei es aufgrund veränderter Umstände Politiker wurden, aber auch, dass wohl verschiedene ‚Intellektuelle’, jedenfalls aber ‚Kirchenmänner’ mit einer politischen Orientierung, die zugunsten politischer Veränderungen zugunsten der Masse der Armen eintraten, Morden zum Opfer fielen, die die Politik angeordnet hat. Ebenso sind mir einige Details der politischen Geschichte Südamerikas aus der näheren Vergangenheit aus US-amerikanischen Recherchen bekannt. Das dürfte vermutlich das ‚rezente’ Material hergeben für den Traum, nicht aber den rezenten Anlass, den vielmehr eine telefonische Unterhaltung mit Annegret am vergangenen Sonntag bilden dürfte, sowie der Gegenstand eines Gesprächs mit Rebecca ebenfalls am Sonntag, in dem das Wort ‚Sozialkritik’ eine Rolle spielte in einer Form, die eine Verächtlichmachung und eine Abwertung des Kontextes darstellte, dem gegenüber es als Teil eines Urteils gebraucht wurde, was in Worten, zumal in akademischem Lehrzusammenhang im Gegenwartsdeutschland, als Äquivalent der Morddrohung betrachtet werden kann und eine Auskunft darüber gibt, was die politische Wahrheit bzw. Wirklichkeit des Landes bestimmt hinter der Maske einer ‚Demokratie’, zumal wenn die akademischen Ausbildungen auf den Staatsdienst im Lehramt vorbereiten und selbst von Leuten betrieben werden, die im Staatsdienst dessen ‚Qualität’ kontrollieren, alles selbstverständlich zum Besten ihrer und der späteren Zwangsklienten des durch die Steuerung während der Ausbildung schon, nicht erst der ‚Einstellungspraxis aufgrund von nachgewiesener Qualifikation, die die ‚Ausbildung’ besorgt, ausgelesenen Lehrpersonals. – Der Dichter also scheint nicht von seiner ‚Einstellung’ abgegangen zu sein. ‚Einstellungen’ mag man aus der Sicht derer, die sie von Außen kategorisieren und daher für zufällig und disponibel zu halten geneigt sein mögen, vermutlich auch aus der Sicht gebildeter Kulturträger, vermutlich leicht ändern, eben weil sie als zufällig und auch anders möglich erscheinen, zumal dann, wenn ihr Charakter als ‚Ressentiment’ sie angesichts einer erlangten hinreichenden Popularität und den damit verbundenen Vorteilen sie doch angesichts des gelungenen sozialen Aufstiegs mindestens nach dem Aufstieg überflüssig machen müsste, und tatsächlich hat sich ja eine breite, akzeptierte Prominenz inzwischen gebildet, die die Opportunität des Einstellungswechsels mit dem sozialen Aufstieg entweder erlernt hat im Laufe des Aufstiegs, der erst auf diese Weise möglich wurde, oder – das ist der nächst folgende Schritt, die Einstellungen von vornherein unter Marketinggesichtspunkten annimmt oder abwirft, wie das bei dem Personal der so genannten Popkultur der Fall ist, aber auch bei bekannten Autofahrern, Chauffeuren, oder Leistungsträgern im Bereich verschiedener Formen der Gymnastik oder anderer vorwiegend körperlicher Betätigungen im Unterhaltungssektor, der wiederum eine Form der Propaganda für die massenhafte nachgeordnete Betätigung von ‚Verbrauchern’ und ‚Kunden’ in einer diesen Betätigungen zugeordneten Industrie ist usw., also in den Bereichen Gymnastik, Rhetorik und Musik, in den Kategorien des vergesellschafteten und verwalteten Lebens. Der Dichter scheint diese Meinung nicht geteilt haben zu können, und es kann Gründe geben, die diesen, als Nonsens erscheinenden ‚Heroismus’ als fatale Engstirnigkeit und als irrationalen Trotz erscheinen lassen können, als infantilen Rest oder wie diese Formen der ‚Nachhilfe’ heißen mögen, die das Problem auf die eine oder andere Weise diesseits der Linie, die den angeordneten Mord darstellt, aus dem Wege schaffen wollen, und aus der Sicht pragmatischer Einstellungen gegenüber dem Leben, so ‚wie es nun einmal ist’, mag das auch als gerechtfertigt erscheinen, aber das ändert nichts an der Beobachtung, dass ‚Einstellungen’ jenseits jedes Opportunismus gegenüber dem Leben, so wie es nun einmal ist, mehr sein können als das, wozu sie die Form der ‚wissenschaftlichen’ Betrachtung und Schematisierung schon gemacht haben muss, bevor sie sie unter dieser Bezeichnung rubriziert, als Sammlung des kontingent Faktischen im Bereich der Grundlagen von ‚Meinungen’ und ‚Verhaltensweisen’, diesen Synonymen der Entwurzelung der ‚Phänomene’ gegenüber ihrer Genese.
Das Gespräch muss die Form einer unter freundlichen Formen des Austauschs von Überlegungen vorgetragenen Konfrontation angenommen haben, die an der Unbeweglichkeit der Positionen der Gesprächspartner keinen Zweifel ließ. Das geht aus den nun Folgenden zwei Sätzen hervor, die den Abschluss des Austauschs bilden, den ich erinnere – ohne eine andere Erinnerung als an den eines freundlichen Gesprächs, so wie man das aus der Sicht eines Kindes erleben mag, das den Sinn der Erwachsenenkonversation, deren Zeuge es wird, noch nicht erfassen kann angesichts der Komplexität der sprachlichen Form, die es nicht beherrscht - und mit dem ich erwachte. Der Dichter sagt zu dem Präsidenten: „Der Mörder ist hier, Herr Präsident.“, worauf der Präsident sagt: „Er ist nicht hier, aber er kommt heute Nacht.“
Es ist diesem Traum nicht gelungen, meinen Schlaf erfolgreich zu hüten und ich erwache mit Magenkrämpfen und einem stechenden Kopfschmerz, sowie großer Angst vor diesem Mörder. Merkwürdig eigentlich, dass die sprachliche Gewohnheit meist den männlichen Artikel gebraucht, um die Aktion eines Mordes zu personifizieren. Und ebenso merkwürdig, dass sich in diesem Fall noch nie jemand beschwert hat.
Allgemein hat der Mord kein Geschlecht, zumal dort, wo er bürokratisiert ist, und in die Form der Verwaltung übergeht, also in die der bürokratischen Handlung. Im Mythos ist das Geschlecht des Mörders deshalb noch von Bedeutung, weil die Nähe der Beurteilung des gesellschaftlichen Lebens zur Genealogie, zum Leben der Familie noch eine Lebendigkeit hat, die das bürokratische Prinzip erledigt, weil es auf das Geschlecht des Akteurs, der als Agent handelt, so wenig ankommt wie auf das des Opfers, das unter dem Gesichtspunkt reiner Nützlichkeit als Gattungsexemplar erscheint, dessen psychosexuelle Eigenheiten als biologische Zufälle ganz außer Betracht bleiben können, weil die in die Betrachtung unter dem Gesichtswinkel der Nutzbarkeit in den für den Verwendungszweck spezifischen ‚Qualifikationen’ aufgehen, so wie Huren und Models eben für bestimmte Zwecke des Gebrauchs weiblich sein müssen, bezogen auf den beabsichtigten Verwendungszweck bzw. die ‚Zielgruppe’. Das sind ganz und gar versachlichte ‚Kriterien’, denen z. B. der ‚Bewerber’ für eine Position oder Aufgabe genügen muss, so wie man zur Herstellung bestimmter Gerichte und für bestimmte Rezepte eben z. B. Nudeln oder Trüffeln benötigt und nicht Kartoffeln oder Lachs.

Träume am Morgen des Donnerstag, 17. November 2005 bzw. in der Nacht.

Fünfundzwanzigster Traum:

Ich bin unterwegs nach Hause. ‚Zu Hause’ bedeutet in diesem Falle, dass ich in das Haus zurückkehre, nach längerer Abwesenheit, in dem ich aufwuchs, in der Parkstraße 46 in Bad Nauheim, dem Haus meiner Großeltern mütterlicherseits. Wir wohnten dort mit unserer Mutter nach dem Tode meines Vaters und nach dem Kriege, der uns evakuiert hatte aus Mainz, im zweiten Stock. Ich bin lange von zu Hause weg gewesen und komme in der schweren Kleidung eines Menschen, der mit allem, was er braucht, zu Fuß unterwegs ist, Über einer Jacke trage ich noch einen schweren Mantel gegen die Kälte. Ich befinde mich am unteren Ende der Parkstraße, und beginne zu laufen. Es ist schon Abend, eine schnell dichter werdende Dunkelheit senkt sich herab, während ich die Straße hinauf haste, an wenigen schlendernden Menschen vorbei. Straßenverkehr gibt es keinen. Bis auf die wenigen Fußgänger, die auf der rechten Straßenseite, die keinen Fußgängerweg hat, in derselben Richtung bergauf gehen in der ich nun laufe, ist die abendliche Straße völlig leer. Die Fußgänger sind im Gegensatz zu mir in leichte Anzüge oder sonstige Kleidung gehüllt. Ich renne wort  und grußlos an ihnen vorbei und sie beachten mich ihrerseits kaum. Trotzdem verspüre ich eine schwache Scham darüber, dass ich als Reisender erkennbar sein muss, mich also von ihnen durch die Art der Kleidung unterscheide, so dass sie vielleicht Vermutungen darüber anstellen könnten, wer ich sei und woher ich komme oder wohin ich will. Ich schüttele das ab, es geht jetzt um anderes.
Ich wechsele von schnellem Lauf dazu über, in großen Sprüngen die Straße hinauf zu hasten, und kann, indem ich wie ein Känguru springe, tatsächlich schneller hinaufgelangen. Trotz der schweren Kleidung, die an mir zerrt, während die offene Jacke und der offene Mantel im Rhythmus der Sprünge hin und her schwingen, stelle ich fest, dass ich nicht müde werde und das befriedigt mich weil es mich davon überzeugt, dass ich einen Körper voller Kraft einsetzen kann. Das Gelände weitet sich nach rechts nun und ich weiche dann auch auf die rechts parallel zur Parkstraße verlaufende Nebenstraße aus. So habe ich bei der Annäherung einen besseren Blick auf das Gebäude. Ich bewege mich springend an einem an der Straße stehenden Jungen vorbei, der verwundert zusieht, während ich ihn nicht beachte. Nun bin ich nahe genug heran und kann die Umrisse des Hauses und die Fenstergauben und Erker des oberen Stockwerks in dem sich schnell senkenden Dämmer erkennen. Ich erkenne mit Schrecken, dass alle Fenster dunkel sind und mich überfällt mit einer ängstlichen Ahnung zugleich ein Gefühl grenzenloser Einsamkeit.
Alles ist dunkel oben, wo ich Licht erwartet hatte wenigstens in einem der Fenster, während ich am liebsten alles hell erleuchtet gesehen hätte, Leben und Anwesenheit der Menschen verkündend, die ich liebe.
Ich erwache mit diesem beklemmenden Eindruck und bin sehr traurig und habe große Angst.

Sechsundzwanzigster Traum:

In der Nacht hatte ich einen anderen Traum. Ich bin zusammen mit meiner Mutter und zwei jungen Frauen in einer gemeinsamen Wohnung. Die beiden Frauen sind nicht mit mir verwandt, und es herrscht eine erotisch gespannte Atmosphäre zwischen uns. Eine von ihnen zieht mich vor allem an. Sie ist sehr schmal, beinahe dünn, und es ist offensichtlich, aus der Erinnerung betrachtet, dass sie sehr jung ist. Sie nähert sich ohne jede Scheu und zeigt ihre Zuneigung ganz deutlich, einschließlich der ganz unzweideutigen erotischen Komponenten. Ich erwidere diese Gefühle. Es ist ein eindeutig erotisches Spiel, das zwischen uns stattfindet und ich fühle mich dabei sehr wohl, habe auch den Eindruck, dass es gerade so sein muss, wenn Menschen sich ihre erste Liebe zeigen. Das steht allerdings im Gegensatz zu allem, was mir eingebläut wurde. Wir zeigen uns unsere Zuneigung ganz zwanglos oder ungehemmt durch Rücksichten dessen, was man einmal Anstand nannte, und was sein eigenes Recht haben mag, aber nicht hier, wo es darum geht, eindeutige Mitteilungen zu machen, die nicht von möglichen Unklarheiten verstellt sind. Meine Mutter betrachtet diese Vorgänge ohne sich dazu zu äußern.
Es ist unklar, was die zweite junge Frau für eine Rolle spielt. Es scheint, als interessiere sie sich ebenfalls für mich, aber sie tritt schließlich in den Hintergrund, obwohl es auch da eine erotische Spannung gibt, die sich aber nicht weiter entwickelt. Es wird Nacht und Zeit zu Bett zu gehen. Eine der jungen Frauen hat sich zu meiner Mutter in das große Bett gelegt, das sie in ihrem Wohnraum stehen hatte in Bad Nauheim, die andere liegt auf der Couch, die ebenfalls in diesem Raum stand, und auf der ich gelegentlich übernachten durfte, wenn ich längere Zeit krank war, etwa mit einer ‚Erkältung’, die ich in meiner Jugend oft hatte. Dann unterhielt sich meine Mutter oft lange mit mir unter dem Schein ihrer Tischlampe, und ich erfuhr mehr von ihren privaten Ansichten und den darin verborgenen Erfahrungen und Wünschen – sie war Witwe und zwischen dreißig und vierzig Jahren -, und sie sprach auch von den Lektüren, die sie gerade las, die überquollen von Wünschen und Träumen, die mir teilweise merkwürdig, teils unverständlich, teils absurd oder unangemessen erschienen und einen Blick in die Erwachsenenwelt eröffneten, der diese sehr eigenartig erscheinen ließ; es gab auch Dinge, die mich abstießen oder einen unbestimmten Widerwillen in mir auslösten, den ich gegenüber der Erwachsenenwelt bis heute nicht abgelegt habe, und der im Grunde meine Einstellungen ihr gegenüber weiterhin beeinflusst und ausmacht.
Nicht nur dieser Traum deutet darauf hin, dass ich hier eine Rückkehr in meine nie zu Ende geführte Pubertät vor mit habe, die in der Tat mein gegenwärtiges Leben in Wirklichkeit bestimmt. Ich entdecke z. B,, dass mein Verhältnis zur Sexualität nie tatsächlich eine Reifung durchgemacht hat seit etwa meinem fünfzehnten oder sechzehnten Lebensjahr. Anstatt dessen hat vielmehr eine Überbauung mit Klischees und Stereotypen aus meiner sozialen Umwelt stattgefunden, die man als ‚Rollenanpassung’ gut durchgehen lassen kann, was allerdings diese ‚soziologische Kategorie’ auch restlos disqualifiziert als das ‚Stattdessen’ der Reifung der Person in psychosexueller Hinsicht, die mit die Anpassung kurzerhand mit der Fehlanpassung gleichsetzt. Es zeigt mir auch, dass diese von mir verwundert und ungläubig zur Kenntnis genommenen terminologischen Konstrukte eher als Formen des organisierten Verbrechens zu betrachten sind denn als Resultate wissenschaftlicher Einsichten, wenn man nicht Wissenschaft des Sozialen mit einer Form des organisierten Verbrechens gleichsetzen will.
Es ist ja nun sichtbar, dass diese sehr junge Frau, die ich zärtlich umarme, mit der ich verliebt spiele, deren Verliebtheit und ohne Scheu vorgetragene Zuneigung ich genieße, ebenso wie die andere, die im Hintergrund im Bett meiner Mutter ist (ich vermute, dass ich in Phasen der Krankheit in noch jüngerem Alter im Bett meiner Mutter übernachtete, und nicht auf der Couch daneben) Gegenbilder meiner selbst sind.
Ich umarme und küsse das junge Mädchen also bevor ich in mein Zimmer gehe, obwohl ich Bedenken darüber habe, dass meine Mutter das missbilligen könnte. Sie war in dieser Hinsicht ausgesprochen widersprüchlich, als ich in die Pubertät kam und gelegentlich dann, schon im Alter von über achtzehn Jahren, Mädchenbesuch bekam – tatsächlich kaum mehr als zwei  bis dreimal – mich scharf beschimpfte, ich mache ‚einen Puff aus ihrer Wohnung’.
Das war, nach allem, was sie mir an erotischen Wünschen in Zeiten der Erkrankung mitgeteilt hatte ganz im Gegensatz zu ihren sonstigen Äußerungen, indem sie mich z. B. mit dem Buch ‚Kin Ping Meh’ eines chinesischen Autors bekannt machte, das ich dann im Alter von sechzehn Jahren las, weil es herumstand, die Geschichte des Herrn Hsi Men und seinen sechs Frauen, ein im Klappentext als ‚sozialkritischer Roman’ aus irgendeiner Dynastie des Chinesischen Reiches besprochenes Buch, das von mehr als nur einigen Hard Core Szenen der Beschreibung sexueller Interaktion – also dem bekannten ‚Stellen’ – durchzogen ist. Ich nahm das nicht als ‚Stellen’ wahr, weil ich die Gewohnheit habe, die ich nie abgelegt habe, Bücher in einem Zug und ganz durchzulesen.
Ich habe sonst nicht das Gefühl bzw. die Erinnerung, sie wirklich gelesen zu haben. Das Wort ‚Stellen’ entnehme ich vielmehr später gelesenen journalistischen Buchbesprechungen, die dabei ihrerseits zynisch auf ‚Hausfrauenträume’ anspielen, von denen sie so viel wissen, dass sie sich darüber kompetent äußern können. Es ist vielleicht eine Besonderheit meiner Jugend, dass ich ganz ohne Radio, Telefon und ohne jede Zeitung im Hause aufgewachsen bin, ein Umstand, den ich heute zu schätzen weiß, als endgültige Immunität gegenüber diesem Typus der Mitteilung, zu dem ich auch die Werbung als Ganze rechne, die je im Wesentlichen die ‚Kultur’ ersetzt und ‚übernommen’ hat.
Aber es stand nicht nur im Gegensatz zu diesen Mitteilungen über ihre Träume, sondern noch mehr im Gegensatz zu ihrem nebenbei beobachtbaren Verhalten. Immer wieder einmal übernachteten bei uns ‚Onkels’, und verbrachten auch ein paar Tage in unserer Wohnung, während meine Mutter nicht da war, und ich kann mich an den vagen Eindruck von etwas Klebrigem, Abstoßendem erinnern, das die Gespräche durchzog, die sie mit uns anknüpften, wobei sie eine Art von Väterlichkeit zu simulieren oder einzuüben versuchten, manchmal auch eine Art von Brüderlichkeit oder Kumpelhaftigkeit, die ebenso hilflos wie verlogen war, eben extemporiert aus Gründen, die nichts mit uns zu tun hatten. Es ist hier nicht der Ort, die Einzelheiten dieser ebenso besorgniserregenden wie abstoßenden und Angst erregenden Situationen zu beschreiben, aber es kann kein Zweifel daran sein, dass wir mit erstarrten Seelen diesen Erzählungen des großen bösen Wolfs lauschten, der uns Märchen erzählen wollte über seine menschlichen Qualitäten.
Die mir später bekannte gewordene Soziologie, Sozialpsychologie und Rollentheorie hat diese Wahrnehmungen, die gut jeder wissenschaftlichen Rhetorik standhalten wie jede Wahrheit der vorsätzlichen Lüge und dem gedankenlosen Geplapper, nie auch nur im Ansatz auf den Begriff bringen können, und es ist evident, dass die auf Derartiges aufgebauten Lügengeschichten, die sich als ‚Theorie’ aufspielen, nur deshalb durchgehen, weil sie staatliche Approbation nicht nur haben, sondern weil sie die Rechtfertigungen eines Systems staatlichen Erziehungszwangs darstellen, der seinerseits Priorität gegenüber jeder möglichen Erfahrung der von ihm durch sein Personal traktierten Zwangsklienten hat, die derart mit diesen Rechtfertigungen abgefertigt werden – sei es auch indirekt, in der Form des Selbstbewusstseins der staatlich approbierten Erzieher dieses im Kern militärischen und totalitären Systems –, die mithin auf einer Ebene der Bewusstseinsbildung festgehalten werden, die über das Erleben nicht hinausgelangt, das in dieser ‚wissenschaftlichen Begrifflichkeit’ dann nach Bedarf eingefroren werden kann und wie ein Präparat in einem Eisblock unbeweglich und unbegriffen erstarrt in Zeitlosigkeit, weil dem Erleben kein experimentum crucis mehr entgegen gesetzt werden kann – die Erfahrung von Kindern etwa mit Erziehern, die den ELTEREN verantwortlich sind, und an Stelle derer DEREN Willen auszuführen haben, anstatt einem politischen ‚Führer’ im ‚Kultusministerium’ zu Willen zu sein, der über ihre ‚Karriere’ entscheidet nicht erst von der Einstellung an, sondern schon spätestens von ihrem eigenen Schuleintritt an. Das setzte dann natürlich auch einen dezidierten ‚Willen’, also ein bewusstes Erziehungskonzept dieser Eltern voraus, wie das etwa in den Elternhäuser des von den politischen Führern des Mobs vernichteten Bürgertum der Fall gewesen ist.
Aber um die Vernichtung des darauf gegründeten Selbstbewusstseins des Individuums ging es ja gerade bei dieser Strategie der globalen Proletarisierung. Die Theorie stellt also in diesem Sinne nichts anderes dar als eine Nachhut der ohnehin angewandten Gewalt. Das gilt für die Theorien gerade der jeweils herrschenden Meisterdenker, und die jeweilige mehr oder weniger für das Volk eintretende Neigung der ‚guten Onkels’ spielt dabei nur die Rolle, jeweils im Gefüge der organisierten Gewalt der einen oder einer anderen Fraktion Argumente zur Verfügung zu stellen gegen die jeweils andere Fraktion. Von deren Argumenten hebt sich dann der eine gute Onkel als der jeweils bessere Onkel ab, des guten Feind ist, im Kampf um die Herrschaft über die Köpfe aller.
Wir verabschieden uns also zärtlich voneinander und ich werfe dabei zwar einen Blick zurück auf meine schweigend den Hintergrund bildende Mutter, gehe dann aber beschwingt und zufrieden aus dem Raum in mein Zimmer.
Ich muss noch einmal ausgegangen sein in der Nacht. Als ich zurückkomme und das Haus betrete, bietet sich mir ein erstaunlicher Anblick. Nicht nur erkenne ich das Treppenhaus nicht wieder. Es ist vergleichsweise sehr geräumig, etwa auf einer quadratischen Grundfläche von zehn mal zehn Metern aufgebaut, so dass das untere Stockwerk bis hinauf zum ersten eigentlich vollständig von dem Treppenhaus gebildet wird. Aber die Ausführung ist ausgesprochen roh. Die Treppen sind an den Wänden angeklebt, bestenfalls einen Meter breit und aus rohem Beton, der in einer schlecht und recht zusammengezimmerten Schalung erstarrt ist, die Spalten und Sprünge aus der Ebene der Fläche heraus aufgewiesen haben muss, also ausgesprochen hastig und schlecht ausgeführt aufgestellt worden sein muss. So verläuft sie in drei Abschnitten nach oben, jeweils in den Ecken im rechten Winkel herumgeführt bis in eine Höhe von sicher beinahe acht bis zehn Metern, wo sie auf der vierten Seite in ein waagrechtes Band übergeht, das so breit wie die Treppe selbst die beiden einander gegenüber liegenden Seiten verbindet, wobei sich auf beiden Seiten, also dort, wo die Treppe an die schmale Plattform anschließt, und auf der gegenüber liegenden Seite, je eine Tür befinden, Die treppenseitige Tür führt in mein(e) Zimmer, die auf der anderen Seite in die ‚Gemächer’ meiner Mutter. Der Grundriss des Gebäudes ist also doch weiträumiger als der des Treppenhauses.
Das Besondere an dem Treppenhaus ist neben dem schlankweg barbarischen Zuschnitt seiner Aufführung, die von einem aus nackten Birnen von oben erleuchteten fahlen Licht erhellt wird, dass es auf der unteren Fläche und auf den Treppen voll ist von jungen Leuten in den verschiedensten Formen von bunter Kleidung, die eher Kostümen ähneln als gewöhnlicher Straßenkleidung. (Das koinzidiert aber inzwischen mit einem Großstadtstraßenbild, das sich seinerseits dem Eindruck annähert, dass die Straßenkleidung sich teils der Kostümierung annähert.) Alle sind offensichtlich trotz des Abstoßenden des Ortes guter Laune und in angeregter Unterhaltung begriffen, gut gemischt in männlich und weiblich. Ich scheine sie alle zu kennen und bin überrascht sie zu sehen, während ich mich auf der gerammelt vollen Treppe nach oben durchzuarbeiten versuche. Das erscheint nicht so einfach nicht nur, weil ich kaum an den ein wenig beiseite rückenden Menschen vorbeikomme, sondern auch deshalb, weil es keine Treppengeländer gibt, was bei der Enge und der Menge der Leute recht riskant wirkt.
Trotzdem geht das alles gut, ich komme weiter und erkenne auch immer wieder einzelne Leute während wir uns einen kurzen Blick der Erkenntnis zuwerfen, und treffe endlich auch einen jungen Mann, mit dem ich ein engeres Verhältnis unterhalte, den ich schon lange zu meinen Freunden zähle – beim Erwachen ähnelt die Erinnerung niemandem, den ich kenne. Das Haar ist jetzt kurz geschnitten während es zuvor lang war, und ich finde, dass es ihm gut steht. Wir begrüßen uns voller Freude und wechseln ein paar freundliche Worte, während ich meinen Weg nach oben fortsetze. Auf eine nicht näher zu bezeichnende Weise sehe ich meine Mutter vor mir, in einem Morgenkleid, mit aufgelöstem Haar, und mit dem Erscheinungsbild der ‚Bordellwirtin’ für all diese Leute in ihrem ‚Gemächern’ thronen, in denen alles voll liegt von abgelegten Kleidern und sonstigen, für Unordnung und einen Mangel an Überblick sorgenden Gegenständen, während mir zugleich ihre moralische Rigidität vor Augen steht, die ich gerade an ihrer stillschweigenden Missbilligung erfahren zu haben glaube, und die im Gegensatz zu ihren durchaus während meiner Jugend auch ausgelebten Wünschen steht, dagegen eher den Einstellungen meiner Großmutter, also ihrer eigenen Mutter entspricht, mit der sie anlässlich ihres Witwenlebens und angesichts ihrer Beziehungen zu Soldaten der Besatzungsarmee (der Amerikaner) in einen erbitterten Streit geraten war, der sich zu völliger wechselseitiger Unversöhnlichkeit verfestigte (wie schmutziger Beton), die das Klima im Hause des Notars und Rechtsanwalts Dr. Karl Brücher während meiner Jugendjahre erfüllte, ein mörderisches Klima, in dem wir zerrieben und geopfert wurden, von beiden Seiten und durchaus bewusst und willentlich. Wir waren nicht das Umkämpfte, das zu retten gewesen wäre, sondern die im Kampf eingesetzten Mittel, etwa so, wie wenn in einer Auseinandersetzung in den häuslichen Kriegen ein Elternteil eines der Kindern am ausgestreckten Arm aus dem Fenster im vierten Stock hält und damit droht es fallen zu lassen, falls der andere nicht einlenkt.
Der lenkt natürlich nicht ein…Von der moralischen Zweideutigkeit meiner Mutter ist noch zu reden. Der moralische Rigorismus, der trotz all ihrer verzweifelten Wunscherfüllungen, die ihr ihr Körper diktierte, protestantisch und schmucklos war in seiner Kompromissunfähigkeit mit dem Trieb, den sie offensichtlich darstellte und verabscheute, so wie sie Männer im ganz offen Hasste und bei jeder Gelegenheit entwertete und herabsetzte, ihr Leben beherrschte, stand allerdings im Gegensatz zu der Phantasie, sie könne die Bordellwirtin all dieser meiner Freunde und Freundinnen sein, so dass sich der Gegensatz des Eindrucks des Erscheinungsbildes, unter dem sie mir in dem Traum erschien, und dem Gedanken an diese moralischen Einstellungen, die freilich immer wieder von koketten Schlüpfrigkeiten und den Entgleisungen im Umkreis ihrer jugendlichen weiblichen Freundschaften unterbrochen wurden, ebenso von ihrer Gewohnheit, sich oft nackt in der Wohnung zu bewegen vor unseren Augen, die das mit einer gewissen inneren Erstarrung mit ansahen, als derart ausgeschlossen vorstellte, dass ich zu dem Ergebnis kam, der Anblick dieses Fastnachtsfestes bzw. dieses Hexensabbats, der sich vom Blocksberg in unser Haus verzogen haben musste und vor allem aus lauter guten Freunden und Bekannten sich zusammensetzte, müsste etwas anderes zu bedeuten haben als eine moralisch zweifelhafte Veranstaltung zu sein.
Unterdessen war ich in mein Zimmer gelangt, das gleich rechts oben an der Treppe lag. Ich fand alles in höchster Unordnung vor, auch in dem, den anschließenden Zimmern, die offensichtlich hinter dem oberen Podest liegen mussten und demnach an die Räume meiner Mutter Wand an Wand anschließen mussten. Tatsächlich stand in unserer Wohnung in Bad Nauheim das Bett meiner Mutter an der Wand, die sich ihr und mein Zimmer miteinander teilten. Überall lagen Kleidungsstücke herum, das Bett war zerwühlt und ungemacht usw. Ich inspizierte dies alles mit einem gewissen Missbehagen und auch einer gewissen Missbilligung, unternahm aber nichts, um es zu verändern. Ich hatte anderes im Kopf, das mich beschäftigte. Als ich wieder vor meine Tür trat, um unbestimmt etwas nachzusehen – ich schien etwas zu erwarten – sah ich meine kleine Geliebte, von der ich mich gerade (!) verabschiedet hatte, aus der gegenüberliegenden Tür eilen und auf mich zu laufen.
Das freute mich sehr und ich lief ihr entgegen. Wir umarmten uns und sie gab mir zu verstehen, dass sie sich dazu entschlossen hatte, meiner Mutter ihre Meinung zu sagen und sich mit ihrer Auffassung durchzusetzen, dass es ungeachtet ihrer Ansichten richtig war, wenn sie sich nicht von mir trennen würde und vielmehr mit mir zusammen sein wollte. Ich war ungemein glücklich darüber, dass sie diese Initiative ergriffen hatte, weil es mir mitteilte, dass dies offenbar ihrem eigenen Willen entsprach und ich sicher sein konnte, dass es nicht auf mein Drängen oder auf meinen erspürten Wunsch zurückging, was sie tat, sondern ihrem dem meinen entgegenkommenden Wunsch entsprach. Diese ‚(Wieder )Vereinigung’ nach der zunächst hingenommenen Trennung entsprach dann auch dem Ende des Traums. Nebenbei, zur Wortwahl: Nichts an der Politik, die diesen Ausdruck verwendet hat, hat jemals auch nur im Entferntesten diese Seite meiner Person berührt.
Der Traum ist eine Bestätigung meines Eindrucks, dass sich erst jetzt die späte Fortsetzung einer während meiner Pubertät unterbrochenen bzw. unterbliebenen Reifung fortsetzt. Ich habe sogar einen unmittelbaren Eindruck, an welcher Stelle diese Unterbrechung einsetzte: Als sich der einsetzende Triebschub im Alter von etwa siebzehn Jahren – alles recht spät vielleicht – mit den vagen und teils brutalisierten Erzählungen über das Verhältnis der Geschlechter kurzschlüssig zu einem darauf aufgesetzten Rollenverhalten verband, das ich mir dann in der Folge als ‚männliche Attitüde’ überstülpte mit der Folge, dass in dem folgenden blinden Lebenskampf, der nun einsetzte und keine Zeit mehr zu irgendeiner Überlegung ließ, die nicht auf ihn fixiert blieb, das darunter eingefrorene und depravierte, halb entwickelte embryonale Ich in einen eisigen Winterschlaf verfiel, aus dem es nun zu erwachen beginnt um seine Entwicklung weiter zu führen, als sei keine (zumal physiologische) Zeit vergangen. Ich bin also jetzt etwa siebzehneinhalb Jahre alt, was meine psychosoziale Entwicklung betrifft und wir, die Geliebte und ich, haben uns zueinander durchgekämpft und uns gegen die moralisch zweideutige Mutter durchgesetzt, sowohl gegen ihren moralischen Rigorismus, der sich angesichts ihrer eigenen Zweideutigkeit als verlogen und inkonsequent erwies als auch gegen ihre Schlüpfrigkeiten und Zweideutigkeiten, die ihre Neigung zum Abgleiten determinierte.
Der Traum endet mit dem Gefühl einer Versöhnung und der Durchsetzung gegen den Zynismus der triebhaften Verwahrlosung einerseits, und die Feindseligkeiten des moralischen, menschlich unangemessenen moralischen Rigorismus, der die körperlichen Momente der condicio humana (gut christlich) verurteilt. Er ist der Beleg für die Möglichkeit, nach der die Komödie sucht mit ihrer formalen Struktur der Versöhnung der Gegensätze bzw. der Auffindung eines Weges, der die Extreme und die mit ihnen verbundenen Qualen vermeidet. Denn die sexuelle Verwahrlosung ist eine der Möglichkeiten des Absturzes, dem gegenüber die andere der der Perversion ist, die der moralische Rigorismus der Leibfeindlichkeit gebiert.
Die Betrachtung ist hier nicht beendet. Die Träume, zumal in dieser Kombination und Reihenfolge sind Paradigmen meiner augenblicklichen seelischen Situation. Die Trennung von der Mutter bedeutet ihren Tod. Der Wunsch diesen zu verhindern, ist dargestellt durch die Hast, mit der ich, im Besitz von Kräften, die meine Vorwärtsbewegung wirksam, wenn auch vielleicht etwas merkwürdig erscheinen machen. Die Leere und die Dunkelheit über der abendlichen Straße sind aber schon Ankündigungen des Todes, der sich mir als Ahnung eröffnet als ich die blinden, schwarzen Fenster erblicke, hinter denen kein Licht (mehr) brennt, das von Leben kündet, angesichts dessen ich in eine unbeschreibliche Trauer verfalle, die mir ganz buchstäblich spürbar im Augenblick, in dem ich dies aufschreibe, ‚das Herz in der Brust schwer werden lässt’.
Diesen, doch unausweichlich bevorstehenden Tod, den ich gar nicht verhindern kann, den nicht zu verhindern zu können mir meine menschliche Ohnmacht, meine eigene Endlichkeit vor Augen führt auf unerträgliche Weise (nicht nur meine Mutter wird erwartbar sterben, sondern auch die von Annegret) habe ich dennoch stets verhindern wollen und meine Unfähigkeit dazu stellt sich mir unmittelbar dar als Schuld, so als könnte ich es doch, wollte es aber nicht. Mit der so ‚eingefrorenen’ Trennungssituation meiner Jugendjahre koinzidiert die meiner eigenen seelischen Entwicklung. Auch die ist Vermeidung des Todes durch die Weigerung der eigenen Entwicklung, obwohl hier von einer ‚Weigerung’ im Sinne eines willentlichen Motivs nicht die Rede sein kann. Es wäre wieder bloß eine, diesmal allerdings andres zu verantwortende Schuld. Und auch davon kann keine Rede sein. Das Einfrieren der Entwicklung ist ja durch ‚soziale Anpassung und durch die bereitwillige Übernahme von hohlen Rollenstereotypen nicht nur kompensiert worden, sondern ganz eigentlich dokumentiert sich darin ja die seinerseits die sich darunter schon konturierende des ‚braven Kindes’, das tut, was der ‚Onkel’, der ‚Lehrer’ usw. sagen, also die ihrerseits in Rollenstereotypen eingefroren ‚Erwachsenen’ ohne weitere Prüfung des Sinns der Vokabel. Hier sind vielmehr alle Erwartungen aufs Beste erfüllt und damit ist allen Anforderungen Genüge getan, die für ‚Funktionsfähigkeit’ stehen, in welchen Grenzen das auch immer dann praktisch definiert ist.
Es ist diese Anpassung, die die Entwicklung einfriert und abbricht, sowie unter einer Eisdecke sozialer Stereotype BEGRÄBT und aus dem Blick rückt, sowohl aus dem der Umgebung, deren Leben sich auf der sich so ergebenden Ebene des lebensweltlichen Bodens abspult. Der Tod ist der des derart bei lebendigem Leibe begrabenen kindlichen Ich, dem die Kräfte (noch) fehlen, die es zu seiner Behauptung benötigen würde, und die es zu seiner Befreiung aus dem Eise der sozialen Stereotype nicht zur Verfügung hat. Diese sozialen Stereotype haben aber (inzwischen?) ungeahnte Erstreckungen. Erstreckten sie sich ‚früher’ in den Bereich der sozialen Anpassung an geschlechterrollenspezifische Stereotype einerseits und in den der ideologischen (religiösen) Überformung andererseits, so erstrecken sie sich heute in die Stereotype der funktionalen Verwendbarkeit in einer Welt der bürokratischen Großorganisationen einerseits und in deren wissenschaftlich angeleitete Überbauung mit Erklärungen, Theorien, Verfahren und vorgefertigten Interpretationen, die sich ihrerseits als Mittel der Verfügung und Bewertung in der Hand von mit der Verteilung von Lebenschancen (die, wie die Studienabbrecherzahlen und anderes zeigen, auch Todesfallchancen sind) beauftragten Machthabern in den vielfältigsten Bereichen des organisierten Lebens konturieren, als Machtmittel also, deren Anwendung sich der Kontrolle derer, auf die sie angewandt werden, nahezu vollständig entziehen. Was sich mit den Mitteln politischer Herrschaft nicht durchsetzen lässt, lässt sich mit diesen Mitteln durchsetzen.
Die politische Herrschaft, anders gesagt, kann auf Durchsetzungsmittel, die Anwendung unmittelbar letaler Gewalt aber just deshalb verzichten, weil es diese anderen, u. a. auch wissenschaftlichen Mittel gibt. Die moderne ‚Demokratie’ verdankt dem geheimen Totalitarismus der wissenschaftlich gesteuerten und angeleiteten ‚Menschenführung’ den für sie charakteristischen Schein einer geschichtlich einzigartigen Flexibilität, die sie sich als ihren gegenüber andren politischen Herrschaftsformen Vorzug, als ihre Auszeichnung bestätigen lässt von dieser Wissenschaft selbst. Dabei lässt sich jeder offene Totalitarismus eben wegen seiner offensichtlichen Gewaltsamkeit besser identifizieren als der geheime, der hinter der Form der Demokratie das vollständig in den Dienst von durchrationalisierten Nutzungs-  und Bewirtschaftungskonzepten des Lebens über das Mittel der Realität des platonischen Staates regiert, der die Verfügung über alles Leben rücksichtslos an sich reißt in offenem Hohn gegen die auf dem Papier seiner ‚Verfassungsdokumente’ geschriebenen Schriftzeichen und gar deren durch Reinterpretation zugrunde gerichteten ‚Bedeutung’ dessen, was da steht. Man kann daraus durchaus eine erkennbare Notlage des modernen Staates ableiten, der auch seinen Verwaltern alsbald auffallen muss, und sei es nur anhand der auch für sie erkennbaren Beschränkung ihrer eigenen Handlungsmöglichkeiten. Diese ist entsprechend der Funktion von Wissenschaft wesentlich mit determiniert dadurch, dass diese Funktion tatsächlich auch wirksam wird. Sie sind durch just dasselbe System der verstaatlichten und bürokratisierten und heimlich totalitären Erziehung gegangen, die das organisierte Lebens insgesamt regiert, und was immer man über ihre den Durchschnitt überragende ‚Intelligenz’ – das, was der Test misst – ausmachen kann, entsprechend dann über ihre Verwendungsfähigkeit im Rahmen der Vorgaben, die die Konzeptionalisierung von ‚Intelligenz’ im Vorgriff auf die aus ihr abgeleiteten Erfolgswahrscheinlichkeiten ihres Tuns in diesem oder jenem Funktionszusammenhang, es ist in den geschlossenen Horizont eingebettet, den die ins pluralistische Bild der Demokratie und der Arbeits- und Funktionsteilung mit ihren Segmentierungen und organisierten und kaschierten Scheinselbständigkeiten geflüchteten, nunmehr aus dem großen Diktator in die Allgegenwart des Erscheinungsbildes der kleinen Machthaber umgegossenen Betriebsamkeiten bilden, die dennoch in der Form einer totalen wechselseitigen Vernetzung der Funktionskreise, in der Form des Netzes, den scheinbar aufgegebenen und überwundenen Totalitarismus nicht nur fortführen, sondern in allen seinen Errungenschaften weit überbieten.
Es ist kaum verwunderlich, wenn ich angesichts dieser mir aus meinen Träumen – die als Folge der musse eintreten, die ebenso die Chance des Selbstmordes angesichts der Ankündigung des unerträglich Scheinenden, eines in Unkenntnis verschwendeten und eines institutionell geschändeten Lebens enthalten können - mir zugespielten Mitteilungen aus dem Untergrund, nachdem meine panische Angst vor diesen ‚konspirativen Mitteilungen’ meines eingefrorenen, aber noch lebendigen Selbst zu vergehen beginnt, das diese Nachrichten aussendet aus einer möglichen Zukunft, damit ich sie heute empfange, und diese Zukunft möglich wird (ich habe anlässlich des Besuches eines Freundes in der Nachbarschaft am Dienstag erneut eine Folge der Voyager-Serie gesehen, in dem es um eine aus dem ‚slipstream’ geschleuderte, und auf einem Planeten im Eis eingefrorenen Besatzung der Voyager ging, ein Unglück, das auf einen Berechnungsfehler eines der Technikoffiziere zurückgeht – Kim – der dem Unglück entkommt und dem es endlich gelingt, eine Nachricht aus der Zukunft an die Besatzung durchzugeben, während sie im ‚slipstream’ unterwegs ist, so dass sie aus dem ansonsten letalen Unternehmen aussteigt bevor es zu spät ist, womit sich zugleich die Zukunft auslöscht, aus der die Nachricht kommt zugunsten einer offenen Zukunft, die dadurch möglich bleibt oder wird.
Daher stammen vermutlich die sich hier einführenden Metaphern. Ich sage ja, ich habe diese Serie immer wegen ihres literarischen Niveaus geliebt.) zu dem Ergebnis gelange, dass meine gesamten ‚wissenschaftlichen Kenntnisse’ in den Sozial  und Geisteswissenschaften nichts dazu haben beitragen können, diese sistierte Entwicklung (wieder) in Gang zu setzen oder voranzubringen, so dass sie entweder ganz und gar nutzlos sein müssen in der Form, in der sie zu meiner Kenntnis gelangt sind, oder dass sie angesichts der Retardation intellektuell gar nicht angemessen angeeignet werden konnten. Das bleibt zu prüfen und diese Prüfung wird ein Ergebnis haben, dass sich auf dem Hintergrund einer fortgeführten Entwicklung zur erwachsenen Person dann auch wird ausweisen können. Dann wird sich auch zeigen können, ob die kaum unterdrückte Wut, die ich angesichts der Erinnerung an meine ‚wissenschaftliche Ausbildung’ und ihre bürokratischen und personalen Begleiterscheinungen empfinde, einen rationalen Sinn macht, der die Materialien und die Techniken sowie die bürokratischen Formen auf die eine oder andre Weise betrifft, oder ob sie sich auflösen lässt zugunsten einen nunmehr angemesseneren Verständnisses der zuvor zwar angeeigneten, aber nicht verstandenen Bestände.
In keinem Fall besteht z. B. die ‚Rollentheorie’ der Soziologie diesen Test. Sie erhebt, aus Gründen der Bewirtschaftungsökonomie, das Stereotyp und das Surrogat der Resultate der angemessenen altersgemäßen Entwicklung von Individuen in Übereinstimmung mit dem verfügbaren Wissen an deren Stelle zum Begriff und zur Wissenschaft. dasselbe gilt für den Begriff des ‚Verhaltens’. Er ist nichts als eine theoretisch a priori gesetzte Enteignung der Individualität, eine aus ganz und gar durchsichtigen Gründen generierte Form des organisierten Verbrechens am Menschen, das sich auf die Bedürfnisse von Großbürokratien zurückführen lässt, über Menschen nach Maßgabe ihrer Bedarfslagen – Das sind Bedarfslagen der Macht und der Verfügung, die voraussetzen, dass dieser kein ernstzunehmender legitimer Widerstand schon auf der Ebene der Begriffsbildung entgegen gesetzt werden kann. – absolut verfügen wollen.
Der Begriff des Verhaltens ist weder der Grundbegriff einer Wissenschaft noch kann er eine solche legitimieren. Er ist vielmehr das Produkt reiner bürokratischer Willkür, Ausdruck des reinsten bürokratischen Willens zur Macht, wie der Behaviorismus insgesamt Faschismus als Theorie bzw. Psychologie. In beiden Fällen wird der Sinn von ‚Wissenschaft’ systematisch mittels seiner bürokratischen Institutionalisierung missbraucht von angebbaren Kontexten der Machtapparate. Es ist kein Zufall, dass die ‚moderne Psychologie’ ihre erste Hausse in der Folge des plötzlich gestiegenen Bedarfs an Kanonenfutter erlebte, und die Nützlichkeit für diese Zwecke hat ihre Ausformung nie mehr verlassen.
So gesehen ist es genau genommen lachhaft, diese ‚Disziplin’ ‚Psychologie’ überhaupt zu benennen. Es entspricht aber dem, was längst üblich geworden ist, unter Aufrechterhaltung eines indessen schwächer werdenden Scheins von Humanität Derartiges in Anlehnung an überkommene Bedeutungen aus dem längst verhöhnten Bildungskanon zu benennen, weil sich auf diese Weise Deckung nehmen lässt hinter der damit suggerierbaren Illusion, es habe der Ausdruck noch zu tun mit dem, was ‚Psyche’ einmal bedeutete, damit die hinter diesem Paravent begangenen Verbrechen nicht Skandal werden, so wie das hübsch zurechtgeschnittene und portionierte und verpackte Fleisch in den ‚Supermärkten’ kaum eine Erinnerung weckt an die Allgegenwart der Schlachthäuser, die das parasitär vom Leben anderer sich mästende Raubtier Homo sapiens erst ermöglicht, einen kalten Blutrausch, der auf dieselbe Weise bürokratisiert ist wie die ihm im Prinzip gleichende Verwertung der Gattungsexemplare der Biomasse, die einmal den der ‚Menschheit’ führte oder die diesen Namen wenigstens angeboten erhielt, bevor sich die nunmehr herrschenden Mächte ganz anders besannen, nachdem sie den ‚Philosophen’ eine Weile gleichgültig zugehört hatten.
Die Psychoanalyse hat sich ihr Schicksal als Wissenschaft selbst erarbeitet. Immerhin hat sie es sich erarbeiten müssen. Die Erledigung ihrer Substanz durch institutionalisierte Reinterpretation ist im Begriff des Wissenschaftsfortschritts rationalisiert, und ihre institutionelle Einbindung in ein privatwirtschaftliches, ein staatliches, und ein durch ein berufsgruppenspezifisches Monopol determiniertes Operationsfeld hat ihren ‚wissenschaftlichen’ Charakter längst liquidiert zugunsten einer frei und unkontrollierbar handhabbaren Rhetorik, deren Eigenart es ist, ein Medium der sprachlichen Transsubstantiation aller Bedeutungen in beliebige andere bewerkstelligen zu können. Die Transsubstantiationslehre der christlichen Religion ist gegen diese extrem elaborierte Interpretationsmühle, in der die rücksichtslosesten Gegenübertragungen der Selbstbehauptung sich gänzlich frei austoben können, das was man volkstümlich ‚Kinderfunk’ nennt im Verhältnis zum Ernstfall. Im Gleichgewicht gehalten wird das durch die sublimierten Bestialitäten, die die Profession nach Innen gegenüber ihren eigenen Mitgliedern übt, deren Ergebnisse sie dann auf die Klientel zu übertragen legitimiert erscheint, weil sich das Personal der Profession sich dasselbe zuvor untereinander angetan hat. Es rechtfertigt die so herausgemendelten Anwendungsstrategien als Therapie. Die endlich vorrangig werdenden Sekundärziele erheben sich an Stelle der einmal als Primärziele ausgewiesenen (diese Ausweisung muss schon von vornherein nicht übereinstimmen mit dem, was als Absicht auszumachen ist, als ‚Motiv’ der ‚Wissenschaftsschöpfung’.
Es gibt Indizien für eine Inkongruenz zwischen ‚Motiv’ und ‚Zielen’ der Wissenschaftsschöpfung von Anfang an im Werk Freuds, aber man muss auch da verschiedene, ganz entgegen gesetzte solche Ziele und Motive sehen können, um das der Psychoanalyse ohne Zweifel auch von ihrem Schöpfer mitgegebene erhebliche Potential – das inzwischen auf Eis gelegt ist –, das sich nicht zuletzt an ihrer Durchsetzung, an ihrer wenigstens temporären Attraktivität, an der Art, wie die bekämpft und dann absorbiert wurde, als erkannt war, dass und wie sie sich nutzen lässt für die Verfügung über Menschen, und gegen ihre persönliche Freiheit, an ihrer Institutionalisierung und an ihrer Domestizierung als ‚Kassenindikation’ und in einer ‚Zusatzausbildung’ davongetragenen Trophäe jedes modernen Klinikchefs erkennen kann, bzw. noch darin, wie sie von zynischen Machtapparaten, die als totalitäre Herrscher über das wirtschaftlich erbarmungslos umkämpfte ‚Krankengut’ genutzt wird zur Ausübung von Herrschaft und zur Mundtotmachung von Untergebenen, in der ihre intellektuelle Alltagswirklichkeit ausläuft. (man muss sich nur vorstellen, dass Sigmund Freud seine ‚psychoanalytische Kompetenz’ in einer Zusatzausbildung erworben hat, um die Absurdität dieses Endzustandes der Psychoanalyse in einer bürokratischen Funktion im allgemeinen Verhängnis der Herrschaft der Raubtiere über die Herde der Schafe zu erkennen, denen von ihren guten Hirten versichert wird, es gehe alles mit regelgerechten demokratischen Dinge zu und ihr regelmäßige ‚Mäh’ oder ‚Möh’ oder ‚Muh’ werde auf angemessene Weise analysiert und in den Sinn übersetzt, der ihm gemäß ihrem Recht auf Partizipation zugestanden ist von einem Blatt Papier.
Es ist angesichts dessen ein Zugeständnis an das Bewusstsein der Gegenwärtigkeit ihres dennoch nicht als ganz gebändigt betrachteten Potentials, dass sie noch immer gelegentlich diskutiert wird, aber es ist ebenso klar abzusehen, dass die institutionsalisierte Viertelbildung ganz von selbst aufgrund der ihr eigenen Formen der Traditionsbildung dafür sorgen wird, dass dieser Rest, wenn die Form der Insitutionalisierung und ihr Charakter als ‚Privateigentum’ und berufsgruppenspezifisches Monopol, der einer lebensweltlichen Form von in die Lebenswelt selbst eingebundenem Wissen widerspricht, im Gegensatz etwa zur Mathematik, oder zur Astronomie und Physik oder Chemie, aus dem Bewusstsein verschwindet, aufgrund der Degeneration zur lehrbaren Technik und dann zur reinen Technologie, das nicht schon von sich aus erledigen werden oder schon erledigt haben. Vergessen werden kann die Substanz der Psychoanalyse, wenn sich die Verständnisvoraussetzungen, die ihr als Prämissen, epochal aus dem Gedächtnis der Lebenden wirksam gelöscht und durch andere ersetzt sind, die den Zugang derart verstellen, dass sie, wie so viele andere an der in Bibliotheken mitgeschleppten traditionellen Überlieferung und Wissensbestände, dem Verständniszugang ganz zwanglos derart entzogen sind, dass man sogar ihr sorgfältiges und ernsthaftes ‚Studium’ ganz problemlos betreiben und dazu ermutigen können wird, weil ganz von selbst dafür gesorgt ist, dass die faktisch zu unbewussten Voraussetzungen gewordenen Verschiebungen im Gefüge der quasi ‚liquiden’ Bedeutungen des Bedeutungskontinuums einer ‚Sprachgemeinschaft’ über den diskreten Formen der Vokabeln und Sätze ihrerseits nicht mehr derart bewusst zu werden vermögen, dass ihre Diskrepanz zu den Bedeutungen, die in den Beständen der psychoanalytischen Schöpfung mitgeteilt werden.
Zu dieser Verschüttung trägt die unablässige und beflissene Bearbeitung dieser Bedeutungen im Zuge des ‚Wissenschaftsfortschritts’ höchst aktiv bei, einer Vokabel, die viel mehr deckt, als Thomas Kuhn und andere ‚Wissenschaftshistoriker’ meinen entdeckt zu haben, vor allem, jedenfalls soweit das die so genannten ‚Sozial- und Geisteswissenschaften’, die ‚Geschichtswissenschaft’ oder die Literaturwissenschaft betrifft sowie die nicht mathematisierten Zweige der Psychologie, deren mathematisierte man abschreiben kann als ‚Psychologie’, insofern sie vielmehr eine Form der organisierten Flucht vor ihren Konsequenzen und Grenzen ist, also soweit es alle Wissenschaften betrifft, die gar keine sind, sondern Versuche der organisierten Disziplinierung und/oder Privatisierung von Formen organisierter politischer Einflussnahme auf den Lauf der bürokratisch betriebenen Domestizierung der Biomasse des Homo sapiens, also Formen der Politik und der Verwaltungstechnologie.
In der Tat ist es angemessen und richtig, die genannten Wissensformen, die sich der Wissenschaftsförmigkeit lediglich bedienen, um ein anhaltendes Vorurteil, das sich seinerseits der ‚Aufklärung’ bzw. dem von ihr im verstaatlichten System der organisierten Bewusstseinsbildungszwänge hinterlassen Mythos ‚Wissenschaft’ verdankt, entschlossen aus dem Kanon – wenn es den denn gibt – auszusondern. Sie haben nicht den Status von Wissenschaften und werden ihn auf keine Weise erreichen können.
Die Mathematisierung der Psychologie ähnelt ihre Verfahren denjenigen an, die in der Teilchenstatistik für die Computersimulation von Nuklearversuchen so gut angewandt werden können wie sonst in der Quantenphysik, anders gesagt, es bleibt aus dieser wissenschaftlichen Überflughöhe vom Menschen, seiner Psyche und sogar seiner Existenz so viel übrig wie aus der Überflughöhe eines hohen Orbits, nämlich nichts. Die statistischen Methoden, die auf Berechnung der Vorgänge in Teilchenbeschleunigern angewandt werden, sind von prinzipiell derselben Art und die ‚Teilchen’ sind dort so bedeutungslos als Individuen wie hier. Die vorab unterschlagene Singularität des Individuums, an der jeder ernstzunehmende Versuch seiner statistischen Anonymisierung als kriminelle Handlung eines organisierten Verbrechens nicht nur erscheint, und an der sich jeder Versuch bricht, den Übergang von der Innenperspektive über den inneren Ereignishorizont im Übergang über dessen Grenze auf das äußerliche Bild einer an seinem Verhalten abzulesenden und aus ihm zu erschließenden Information über diese Binnenvorgänge theoretisch zu bewältigen ist das unüberwindbare Kriterium jedes Versuchs, der Existenz der Individualität Rechnung zu tragen, die jedes Individuum von sich weiß ohne dass es dazu jemals der Wissenschaft bedurfte, was immer sie dazu beizutragen hat, dieses Wissen zu ‚vertiefen’, was mit dem ‚Veroberflächlichen’ bzw. der ‚Veräußerlichung’ ja weder der Bedeutung nach noch der Sache nach zusammentreffen kann.
Was Stephen Hawking und andere an den ‚black holes’ entdeckt haben, ist nicht zuletzt deswegen ‚genial’, weil sie diese Entdeckung, die unweigerlich auf das Subjekt der Erkenntnis zurückverweist, ausschließlich dadurch entdeckt und auf den Begriff gebracht haben, indem sie sich mit einem Hauch von Gegebenheiten sinnlichen Erfahrungsmaterials und einer Betrachtung platonischer Realitäten, den über physikalischen Daten entwickelten mathematischen Modellen, ausschließlich in das ganz andere des Subjekt versenkt, endlich selbst wieder erkennen konnten, ohne einem Kurzschluss zu verfallen.
Die Beschäftigung mit den ‚black holes’ und dem darin allgemeineren Problem der Singularität, in der das Problem vom Anfang der Schöpfung kaum verborgen ist (Das Bewusstsein, dass es so ist, findet vielmehr eine immer breiter werdende zwanglose Anerkennung, ohne dass allerdings auch schon, vermutlich mangels fachübergreifendem Überblick, bemerkt wird, dass und wie das mit der condicio humana zusammenhängt.) ist die verschärfte und komplizierte, um vieles tiefer im Wissen angelegte Wiederkehr des Problems, das Immanuel Kant in seiner Behandlung des Problems der ‚Antinomien des menschlichen Verstandes’ im Kapitel der Dialektik der Vernunft behandelt hat.
Es gehört zur pragmatischen Ignoranz, wohl auch zum Typus des Selbstbewusstseins der angelsächsischen Autoren, das ‚alte Europa’, also den ohnehin schon immer ein wenig unter dem Blickwinkel der ‚cultural anthropology’ betrachteten Einstellung wissenschaftsgeschichtlich und philosophisch gelegentlich ein wenig nach Art von primitiven Kulturen einzustufen und man kann sogar mit Recht sagen, dass unter dem Eindruck inneramerikanischer Debatten die Gegenwart und Kenntnis von indianischen und asiatischer Mythologie größer ist als die Kenntnis auch nur des Vorhandenseins von Hinterlassenschaften von ‚dead white males’ aus der europäischen Mythologie am Beginn oder im Zuge des Wissenschaftszeitalters. Der Rückverweis aufs Subjekt ergibt sich denn auch nicht von selbst. Das angestrengte Starren auf den Nachthimmel hat den Blick dafür getrübt, dass man im Spiegel seiner schwarzen Tiefe auf sich selbst stößt, das genaue Gegenbild des Subjekts, das Kant sowohl am Beginn der Kritik der reinen Vernunft vorstellt, wo er von der unbekannten gemeinsamen Wurzel von Verstand und Sinnlichkeit spricht, und das Gegenbild der Subjektivität, das später Freud, sachlich hier anschließend, wie auch ein später Eintrag zeigt, der den Raum, die Ausdehnung als eine Projektion der Psyche, die davon nichts weiß, charakterisiert, eine Reflexion, die sich auf die Zeit mühelos übertraten lässt. Es ist nur zu deutlich, dass sich die beiden Perspektiven entsprechen. Subjektivität ist ja von vornherein als die des Wissenschaftssubjekts angesetzt.
Nur so kann verständlich werden, was der genaue Sinn der Schöpfung der Psychoanalyse ist, wenn man sie als Ergänzung zu den rationalen wissenschaftstheoretischen Arbeiten erkennt, die schon vorlagen. Dann aber geht es nur nebenher um die Therapierung von mehr oder weniger geeigneten Kandidaten und potentiellen Insassen, obwohl oder gerade weil an diesen, an dem Fehlfunktionen in ihrer krassesten Form, die Funktionalität der menschlichen Verfassung überhaupt weitergehend erhellt werden sollte. Die Attitüde des mit Zusatzausbildung seine Autorität agierenden Klinikchefs – der im Übrigen gewöhnlich dann doch seine eigentliche Expertise im Zuge der Zeit bei der Verhaltenstherapie ansiedelt, ganz in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Trend, oder soll man sagen, dem Konsens der Wissenschaftlergemeinschaft – ist demgegenüber so zu bewerten wie das der alte Psychiaterwitz aus der nachnapoleonischen Zeit kolportiert, der aus der Zeit stammt, die damit zu tun hatte, die in Napoleon zuerst neuzeitlich auftretende Möglichkeit der Ausbildung von Individualität in ihrer Extremvariante – aus dem sozialen Nichts an die Spitze der Herrschaftspyramide – zugleich sozial konform zu bändigen und als Beruf – also auch als berufsspezifisches Selbstbewusstsein - auszuagieren, in der Form der absoluten Herrschaft über das Irrenhaus, als der der Klinikchef nach der wissenschaftsgeschichtlich kolportierten Wohltat Pinels, der ‚den Irren die Ketten abnahm’, zu bewältigen: Der neu angestellte junge Chefarzt der Psychiatrie lässt am ersten Morgen seine gesamte Insassenschaft – vorgestellt als männlich – antreten zum Morgenappell. Er schreitet die Front der Irren ab, fixiert jeden einzeln, tritt am Ende vor die versammelte Mannschaft und bellt: „Wer von Ihnen ist Napoleon?“ Die Antwort liegt auf der Hand. Er ist es selbst.
Das geniale an dem wirklichen Witz ist, dass hier bereits das Wissen, das der allgemeinen Aufklärung des Menschen über seine condicio humana dienen sollte, von der niemand ausgenommen ist sofern er bloß ein Gattungsexemplar der Gattung Homo sapiens ist und NICHT das absolut zu setzende Subjekt der Erkenntnis schlechthin, jenseits von existentiellen Größen oder besser: Begrenzungen und Limitationen, ist hier schon umgeschlagen in den kompensatorischen Größenwahn, der sich mit dem Wissen gegen die anderen zum Zweck von deren Beherrschung bewaffnet um gegen sie zu Felde zu ziehen auf dem Weg, den seither aller Karrierismus zum System erhoben hat, oder den das System, dessen Symptom ‚Napoleon’ ist für immer, zum Prinzip seiner Selbsterhaltung erhoben hat. Der triebhafte Wahn, den die Moderne freigesetzt hat gegen die traditionale gesellschaftliche Form, die immerhin, was sonst sie sich hat zuschulden kommen lassen, dieses Motiv unter Kontrolle zu halten versucht hat, mit den Ergebnissen, die die Geschichte allgemein kolportiert, und die Shakespeare in die Form gebracht hat, die das darin steckende Problem systematisiert, als mörderische Struktur erkennbar gemacht hat, hat sich durch das von der Wissenschaft bereit gestellte Wissen nicht nur nicht kontrollieren lassen, sondern das Problem der als unangemessen abgelösten traditionalen Form aufs Äußerste verschärft.
Es ist in diesem Witz, der das Politische als Grund des Wissens selbst identifiziert gut kenntlich gemacht – er muss von einem sehr guten Psychiater stammen und ist ein echter Genieblitz – klar gemacht, wie und dass sowohl das Politische als auch das Wissen stets den alten Grundlagen der empirischen Existenz des Triebwesens Homo sapiens angelagert, funktional verfügbar gemacht und unterworfen werden, wie auch immer das Wissen, als Wissenschaft zumal, sich per ‚Reflexion’ dem Interesse an der Zähmung dieses Wesens verpflichtet fühlen mag.
Der Domestizierung dient es anfänglich womöglich, aber inzwischen sind die aufklärerischen und humanistischen Bandagen ja immer offener abgelegt worden und es ist vielmehr das klassische Raubtier, das in seinen Rudeln schon immer die Herde gepeinigt hat, die auf ihrem Weg durch die Zeit ihrem unbekannten Telos entgegen zieht, das sich zusätzliche Klauen und Reißzähne wachsen hat lassen, mit denen es auf die Jagd geht, und diese Reißzähne und Klauen tragen nun die Etiketten der Wissenschaft, zumal in der Form der bürokratisch organisierten und institutionalisierten ‚wissenschaftlichen Kompetenz’.
Auch das Schicksal der Schöpfung der Psychoanalyse ist damit im Wesentlichen besiegelt, insofern die organisierten Mächte und der von ihnen institutionalisierte Trend sich schwerlich werden umkehren oder auch nur korrigieren lassen. Gegen ‚Einrede’, zumal von ‚Außenseitern’ ist dieses Gefüge längst immun. Unmerklich gesellt sich die Behandlung der Abweichung im Bereich des Wissens dem klassischen Modell der Behandlung des Querulanten gegenüber dem bürokratischen Apparat bei, der mit seinen Eingaben den Betrieb nervt, dessen Formen er nachahmt ohne die Interna zu verstehen, auf die trifft, was er einwendet.
Thomas Kuhns wissenschaftshistorische Thesen müssen in diesem Licht als unvollständig erscheinen, wenn der Wissenschaftsbetrieb restlos oder mehr oder weniger restlos unter staatlicher Kontrolle steht, also der Kontrolle durch die Macht unterworfen wurde und ‚wissenschaftliche Befähigung’ zu einer Form geworden ist, die erst durch Lizenzvergabe bestätigt werden muss. Paradigmawechsel mögen sich dann wohl so vollziehen wie er es beschreibt, aber nur deshalb, weil der Betreib geregelt ist und Unfälle von der Art, wie sie durch die letzte Individualität, die Person Einsteins, eines Angestellten eines Patentamts in einem abgelegenen Kleinstaat notorisch sind, ausgeschlossen werden können. Die Erfahrung, die die modernen Mächte mit der abweichenden Intelligenz, die das hier eigentlich bedeutsame Phänomen ist, das keine Biographik klären kann – das beweist sie durch alle ihre Anstrengungen – gemacht haben, ist ja durchaus der vergleichbar, die sie schon immer mit ihr macht. Das wird leicht sichtbar, wenn man nur die Zeit, das Individuum und die Besonderheit der Abweichung in Betracht zieht, die auf ein Problem, das die Macht darstellt reagiert und die Antwort darauf gibt. Im Fall Einstein werden alle Indikatoren seiner Abweichung außer die, die sich institutionenkonform verwerten lassen, sorgfältig ausgeblendet.
Die Biographien des ‚Einsteinjahres’ sind Dokumente einer großen Säuberung, die im Nachhinein an der Komplexität dieses Individuums vollzogen werden, ähnlich wie bei Russel, einem der Autoren der Principia Mathematica. Diese exemplarischen ‚Säuberungen’ betreffen, wenn man Kuhns Überlegungen aufs Ganze der Wissensformen ausdehnt, aber auch das Ganze der Geschichte des Wissens aus der Sicht der Postmoderne.
Deren vielleicht einziges wirkliches Unterscheidungskriterium ist weder die Moderne Kunst noch die Architektur, sondern die eigentümliche Verstaatlichung der Wissenschaft, die Monopolisierung des Wissens durch den Staatsapparat und die daran anschließenden Übergangsformen der Reprivatisierung durch die nunmehr in Aktion getretenen transnationalen privatwirtschaftlichen Giganten, die zum Staat mit seinen militärischen und administrativen Mitteln der Bevölkerungsdisziplinierung in einem Verhältnis der Symbiose stehen, dass diesen als Instrument der wirtschaftlichen Großformen rekonstituiert . Die Führung liegt dabei bei der imperialen Macht, der ‚Rest’ der Satelliten ahmt das unter mehr oder weniger Zwang nach, und die potentiellen Gegner sind darauf verwiesen, mangels Ressourcen zu einfacheren Formen zu greifen, die dasselbe im Effekt bewirken sollen: Wenn nicht die Vorhand bei der Besetzung der Ausgangspositionen bei den nächsten Akkumulationsrunden – und den damit verbundenen Kriegen – zu behalten, dann wenigstens günstige Positionen im Schatten des Imperiums oder im Schatten seiner exponiertesten erklärten Gegner zu behalten.
Soviel zu meinem Traum für heute.

Montag, Januar 2006

Der Tod macht alles sinnlos, von Anfang aller Dinge an. Es ist unvereinbar, ein Bewusstsein der alsbaldigen Fälligkeit des Todes zu haben und etwas zu unternehmen. Schon das allmorgendliche Aufstehen ist einer Form der Verzweiflung abgerungen. Das Motiv des positiven Denkens ist die Angst, sein Gesetz die Verdrängung, seine Form der Aktion die Aggression. Nur für die tote Materie hat es ‚Sinn’, dem Gesetz der Bewegung zu folgen, als dessen Sonderfall die Selbsterhaltung des Individuums oder der Gattung, überhaupt des Lebens gelten muss. Es ist nicht einmal sinnvoll, die ‚Kulturleistung’ zu erbringen, das aufzuschreiben, purer Reflex auf eine Dressur durch die Schule.
Die Studienräte, denen es all diese ebenso leistungsstarken wie braven und unsäglich denkunfähigen Schüler recht zu machen versuchen, die alle die Ämter und Positionen bevölkern, sind lächerlich mit ihrem Wunsch nach einem Staatsbegräbnis, das noch dem kleinsten Bonzen auf einer Behörde oder jeden miesen kleinen Karrieristen vorschwebt, der sich sich selbst vorstellt unter dem Gesichtspunkt des Nachrufs auf seine Würde als exemplarischer Kulturträger im Andenken der Kulturgemeinschaft der Rechtschaffenen, die alsbald nach unsäglicher Trauer um den unersetzlichen Verlust zur Tagesordnung übergeht, deren Merkmal die Gedankenlosigkeit und die vorsätzliche Vergesslichkeit ist, die den Inbegriff dessen ausmacht, was mit Fortschritt tatsächlich, praktisch, gemeint ist. Es passt gut, das zu dieser Leistung eigentlich nicht viel gehört, nicht mehr als die Gedankenlosigkeit und Gehirnlosigkeit, deren angeblich fatale Alterserscheinung die Alzheimersche Krankheit ist. Tatsächlich ist sie nur die Konsequenz eines denkfaulen Lebens in Automatismen, unterhalb des Menschenwürdigen, das das Menschenmögliche realisiert, indem es jenes systematisch unterbietet. Das ist keine freiwillige Leistung. Überall ist das Ausweichen in das Einfachere das Konzept der Wahl.

Siebenundzwanzigster Traum:

Traum am frühen Morgen des Freitag, 24. Februar 2006. Es ist 06.:22:32 Uhr

Ich habe bei meiner Mutter gewohnt und übernachtet. Offenbar wohne ich noch immer dort, in Bad Nauheim, in der Parkstrasse 46, in der Wohnung im zweiten Stock, in der ich meine Jugend und Kindheit verbrachte Ich liege auch in dem großen Bett meiner Mutter und offenbar habe ich dort auch geschlafen, wie manchmal als Kind, wenn ich krank gewesen bin, gewöhnlich mit einer Erkältung.
Es ist noch früh am Morgen, es muss wohl ein Wintermorgen sein, noch lange vor dem Frühling. Aber wir sind guter Dinge. Meine Mutter ist schon aufgestanden und ist in ihrer gewohnten Weise damit beschäftigt mich mit ihren unerschöpflichen Einfällen zu unterhalten. Es ist eine harmonische Atmosphäre und ich fühle mich sehr wohl. Dabei bin ich offenbar schon erwachsen und auch schon berufstätig, in meinem Beruf als Soziologe. In meinem Zimmer – dem Turmzimmer, das so hieß, weil es den kleinen, in Jugendstilmanier angedeuteten Turm mit einer oben aufgesetzten Eisengitterkonstruktion trug, den meine Mutter immer spöttisch ‚das Hypothekentürmchen’ nannte - ist das Faxgerät schon in Betrieb und offensichtlich aktiv. Annegrets Mutter, die offenbar in meinem Zimmer wohnt, kommt herüber und teilt mir mit, dass das Fax zwei Arbeitsaufträge durchführt indem es eingehende Anrufe bedient. Sie kommen von weit her und es macht mich neugierig zu erfahren was damit ist. Die Anrufer sind mir unbekannt. Ich lasse mir aber Zeit damit mich darum zu kümmern. Hast ist nicht notwendig. Annegrets Mutter, auf ihren Stock gestützt, weist mich aber dann darauf hin, dass einer der Anrufer mich auch am Telefon zu sprechen wünscht. Ich stehe auf und verlasse das kuschelige Bett, das mich warm umfängt um mich um den Anrufer zu kümmern.
Am Telefon ist eine weibliche Stimme. Sie teilt mir nun ohne Weiteres eine Menge Informationen mit und geht dabei offenbar davon aus, dass ich weiß wer sie ist. Sie ist mir aber ganz unbekannt und ich höre zunächst eine Weile lange zu um abzuwarten, dass mein Gedächtnis doch noch anspringt und auch ich die Anruferin erkenne, aber das bleibt aus. Es geht – so viel ist mir erinnerlich – offenbar um Gruppenarbeit mit Patienten bestimmter Art, vielleicht solche mit Herzbeschwerden – Bad Nauheim mit seinen Thermalquellen ist ein ‚Herzheilbad’, das Ganze ist natürlich ein Mythos, auf dem die Bäderkultur des neunzehnten Jahrhunderts beruhte, aber man hat das inzwischen auf eine auch nicht weniger mythische wissenschaftliche moderne Grundlage gestellt, um das weiter betreiben zu können. Das Alte vergisst man dann gerne, weil es einen genieren müsste angesichts der inzwischen unvermeidlichen kollektiven Lernprozesse. Die Bewältigung des Problems hat einen Namen und heißt derzeit vollmundig ‚Paradigmenwechsel’.
Man erfindet schnell etwas Neues, um das Alte mehr oder weniger stillschweigend verabschieden und dabei den Mythos der ‚wissenschaftlichen Grundlage des modernen Lebens’ aufrecht erhalten zu können - Ich höre das mit Interesse und einem vagen Gefühl an Vergangenes und an einen kulturellen Kontext an, der mir bekannt ist, aber ich halte es endlich für notwendig, der mir unbekannten Anruferin nicht ohne Bedauern zu erklären, dass ihr Anruf bei mir auf einem Irrtum beruhen könnte, obwohl mich das schmerzt. Ich wünschte, es wäre nicht so und ich wäre der Gesprächspartner, den sie meint. Ich versuche zur Klärung beizutragen und sage, dass ich erfahren musste, dass es mehrere Menschen gibt, die tatsächlich genauso heißen wie ich, obwohl ich einen recht seltenen Vornamen habe, und dass ich sogar einem dieser ‚Doppelgänger’ selbst schon einmal begegnet bin. Während wir noch damit beschäftigt sind, das Problem zu besprechen und ich erkläre, dass ich tatsächlich auch keine Gruppenarbeit dieser Art mache, obwohl ich das früher einmal tat, so dass wir das Fachgespräch mühelos fortführen können, obwohl ich nicht der von ihr gemeinte Partner bin, und der Anruf auf einer Verwechslung beruhen muss, ‚materialisiert’ sich die Anruferin plötzlich ganz ungezwungen – es erscheint niemandem als ungewöhnlich – als junger Mann in meiner Gegenwart.
Inzwischen hat die Umgebung aber auch ein ganz anderes Gesicht. Ich befinde mich in Annegrets Haus. Eine Hochzeit ist ausgerichtet und offenbar bin ich es, der morgen heiraten will oder soll. Im Haus herrscht eine erwartungsvoll frohe Atmosphäre entsprechend der Einmaligkeit des Lebensmoments, die auch mich erfasst hat.
Der junge Mann fährt mit der Unterhaltung zwanglos fort, die ‚wir’ am Telefon bzw. am Faxgerät ! begonnen hatte und dies ohne Rücksicht auf meinen Einwand, es müsste sich um einen Irrtum handeln. Er stellt nebenbei Fragen nach meiner Familie und erwähnt, dass seine Mutter zwischen Weihnachten und Neujahr über Oslo – vielleicht aus Russland? – nach Deutschland zurückgereist sei, und ob es sein könnte, dass sie dabei meiner Mutter begegnet sei. Ich verneine diese Möglichkeit mit dem Hinweis, dass meine Mutter über Weihnachten nicht verreist gewesen sei und kann auf diese Weise den Umstand übergehen, dass wir für derartige Weltreisen zu arm sind. Ich will den sehr vertraulich und unbefangen erzählenden Besucher nicht über unsere Situation informieren, teils um nicht beschämt zu werden, aber auch weil ich seinen Besuch angenehm finde und nicht möchte nicht, dass er, seinen Irrtum endlich erkennend, sein Verhalten am Ende plötzlich ändert und die angenehme Atmosphäre sich plötzlich zugunsten einer kalten Realität und Förmlichkeit in den bekannten grauen Alltag auflöst, dem jede ästhetische Qualität abgeht, weil Menschen sich dann aufgrund anderer Phantasien und Vorstellungen plötzlich ganz anders zu verhalten pflegen, um nicht zu versäumen einander das Leben zur Hölle zu machen. Trotzdem versuche ich den Besucher nun nicht vorsätzlich zu täuschen, sondern im Gespräch eher zu erklären, wer ich – meiner Ansicht nach – bin um ihm eine Möglichkeit zu geben, eine Entscheidung zu fällen, der der Sache nach richtig ist, ohne die Atmosphäre zu zerstören. Ich sage also, dass ich selbst Soziologe bin und nicht Mediziner, und knüpfe daran die Frage, ob in dem Kontext um den es geht, ‚Herzpatienten’ ein Soziologe von Nutzen sein könnte, in der Hoffnung, dass er das bejaht und wir dann den Kontakt aufrechterhalten könnten – der Besucher ist offenbar Mediziner und das scheint von Belang, auch für mich. Ich bewundere ihn, seine Urbanität, seine Weltläufigkeit und seinen offensichtlich alten, ererbten und selbst vermehrten Reichtum – im Sinne bürgerlicher Wohlhabenheit und Bildung – wie ich einen älteren Bruder bewundern würde – und auch seine Schönheit ist mir angenehm, wie man früher sagte, sein ganzes äußeres Wesen und seine Art sich mitzuteilen.
Mir wird bewusst, dass ich mir wünsche, dass er ‚bleibt’. Der junge Mann hat sich – wir sind in einem der Souterrainräume des Hauses – inzwischen indessen der Treppe zugewandt und strebt, immerfort weiterredend und antwortend, die Treppe hinauf, so dass ich veranlasst bin ihm langsam im Gespräch zu folgen. Er erreicht – immer von mir zögerlich begleitet, da ich zu fürchten beginne, dass er mich verlassen wird, den Ausgang des Hauses in den rückwärtigen Garten. Im Englischen ‚orchard’, er hat einen eigenen Namen !, im Gegensatz zum vor dem Haus oder in der Landschaft liegenden ‚garden’ – und geht zunehmend entschlossen in seine Tiefe hinein zwischen Buchsbaumhecken, die die Wege säumen, und unter den alten Obst  und Apfelbäumen hindurch. Auf einmal verstehe ich was geschehen könnte und es wird mir Angst. Ich versuche das Unvermeidliche aufzuhalten, indem ich auf ihn einrede und damit versuche, ihn zum Stehen zu bringen, dass er nicht weiter geht, aber da sehe ich schon, dass er plötzlich für einen Moment lang vor dem Hintergrund durchscheinend wird, und obwohl sich das sofort wieder verliert begreife ich, dass er ein Geist ist, der mich besucht hat.
Ich bin es nur, der immer meint nicht gemeint zu sein und der immer meint, es müsse ein unbekannter Doppelgänger sein, der der Adressat alles dessen ist, was ihn anspricht von dem, was ihn kennt und ihm bekannt sein müsste. (Etwas kryptisch formuliert. Nicht alles, was mich anspricht meint mich, aber von allem, was mich kennt und so anspricht müsste ich mich auch gemeint fühlen, und nicht meinen phantasierten Doppelgänger.) Ich beginne in einer namenlosen Trauer zu versinken während ich hinter dem zunehmend blasser werdenden Besucher herlaufe, immer auf ihn einredend, zunehmend ihn beschwörend er möchte doch bleiben. Aber es ist nichts zu machen. Die schöne Atmosphäre des Vorhochzeitstages liegt hinter mir ihm Haus, während ich hinter dem Schatten im Garten herlaufe. Auch fällt mir die herbstliche Stimmung des Gartens auf. Nebelschleier scheinen sich zwischen den Bäumen zu bilden, mir fällt auf, dass in den Beeten keine Rosen und andere Blumen (mehr) zu sehen sind. Alles ist von hohem, auf trockenem Halm stehenden Gras wie überwuchert, die Wege sind nur noch undeutlich zu erkennen, und die Obstbäume tragen gelblich und braun verfärbte Blätter, aber keine Früchte. Ich bekomme nun wirklich Angst und beginne zu jammern, während der Geist, der sich nun auch ganz deutlich nicht mehr auf Füßen zu bewegen scheint, sondern nicht nur über den Boden, sondern auch durch Hindernisse hindurch widerstandslos gleitet, sich unaufhaltsam, wenn auch in einigen Windungen, die sich leidlich an die Wege zwischen den Buchsbaumhecken halten, auf ein kleines Gartenhäuschen zu schwebt. Ich erkenne durch die großen Fenster, die links und rechts von der Tür bis auf den Boden reichen und fast die gesamte Front einnehmen, Regale reichlich mit Büchern gefüllt, braunes, wie eine wärmende Einhüllung des Lebens ihres Bewohners – das bin ich und bin ich auch nicht, indem es auch meine Vorfahren schon waren, die das Gartenhaus nutzten – stumm stehendes, leicht glänzendes hölzernes Mobiliar, das dunkel geworden ist über dem Leben der Generationen, das es gesehen und begleitet hat, und meine einen Lehnsessel zu erkennen, das den Leser aufzunehmen gewohnt ist, ein ungemein einladender und zum Verweilen auffordernder, zum sesshaft werden einladender Ort im Winkel eines verwunschenen Gartens. Ich folge dem Geist zu dem Haus, in das er bereits eingetreten ist. Aber als ich endlich nahe genug herangekommen bin, erkenne ich zu meinem namenlosen Schrecken, dass urplötzlich alles um ein Jahrhundert gealtert erscheint. Die Scheiben des alten Häuschens sind längst zerbrochen. Von ihnen fehlt tatsächlich jede Spur. Das Mobilar ist grau verstaubt, von Würmern zerfressen und teils zusammengebrochen, die noch auf den stehenden Resten der Regale befindlichen Gegenstände formlos und von grauem Staub überzogen, aus dem alten Gartenhaus ist alles Leben längst gewichen. Es ist schon lange tot, von seinen Bewohnern verlassen, die ebenfalls längst zu Staub zerfallen sind.
Der Geist ist verschwunden. Ich starrte einen Augenblick durch die leeren Fensteröffnungen, die das innere dieses Schädels, dieser Höhle einstigen Lebens rücksichtslos der Witterung preisgeben, und erkenne, dass die Veränderung, die sich so plötzlich vor meinen Augen in einem Moment vollzog, mit dem Verschwinden des Geistes zusammenfällt, den ich gerade eben noch zwischen den Möbeln, Büchern, und an dem Sessel stehend, auf dem Platz zu nehmen er mich stumm einlud, ganz deutlich wahrgenommen hatte. Habe ich am Ende versäumt dieser Einladung Folge zu leisten und die Katastrophe damit selbst mit verschuldet? Habe ich mich wiederum bloß für einen illegitimen Doppelgänger meiner selbst – oder meines älteren Bruders – verhalten. Denn er ist es offenbar, dem ich begegnet bin, der mich aufgesucht hat. Er ist gar nicht tot, will das heißen, er ist vielmehr Mediziner geworden. Aber ich habe immer darauf gewartet, dass er wiederkommt und seinen, meinen nunmehrigen Platz (wieder) einnimmt, auch im Herzen meiner Mutter, die ihn nie vergessen hat. Das Studium der Medizin weist ihn als legitimen Erben der Familie aus, im Gegensatz zu mir, einem Soziologen, der mit einem ‚Magister’ abgespeist wurde, einem nichtssagenden ‚akademischen Titel’ aus dem Orwellschen Neusprech der neudeutschen Nachkriegsuniversitätsreformen (im Zuge der Konsolidierung der innenpolitischen faschistischen Geländegewinne auf dem Kontinent, und des totalen Sieges des Faschismus alias ‚der moderne Staat’, der aus den USA importiert wurde, wo das Monster, kein Leviathan, nein ein Tyrannosaurus, ausgebrütet wurde, und von wo aus er sich nach Art einer Seuche auf das Festland ausgebreitet hat) die das akademische Dumping zu verschleiern haben und den Niedergang, die Abschaffung der Bildung zugunsten der von Nutzenkalkülen nach Art der Massentierhaltung gesteuerten Methoden der seelisch-geistigen Versklavung, die an die Stelle von anderen Methoden getreten sind: Traumatisierung durch Verheizung in Schützengräben, Massenmord und Sozialtechnologien, die das Konzentrationslager in die Seelen verlagern und privatisiert haben längst bevor die Mode aufkam bzw. der Ausdruck für einen rein äußerlichen Prozess des gesellschaftlichen Lebens, der an all dies erst anschließbar wurde.
Wie auch immer: Mich überfällt namenlose Verzweiflung. Ich beginne laut zu jammern und zu weinen. Die Tränen fließen mir über das Gesicht während ich mich zum Haus zurückwende, zu Annes Haus, damit sie mich in den Arm nehmen und trösten kann. Von weitem kann ich sie im Haus sehen. Dort geht alles seinen gewohnten Gang. Aber ich bin jetzt wie abgeschnitten in dem verwunschenen Garten. Im Rücken, hinter mir habe ich das zerfallene, von Leben verlassene Gartenhaus, in dem ich meinen Platz nicht eingenommen habe wie das notwendig gewesen wäre, wegen des Irrtums, nicht der richtige Platzhalter in meiner Generation zu sein, sondern immer auf die Rückkehr des legitimen Erben warten zu müssen, der mir nun erscheint um mir zu bedeuten, dass dies mein Platz und meine Aufgabe war.
Meinen Irrtum habe ich nun erkannt, zu spät um noch etwas zu retten? Das verlassene Gartenhaus scheint ohne den es bewohnenden Geist zerfallen, tot, aber dem Haus, das ich aus der Ferne des Gartens sehe, und seiner Bewohnerin scheine ich auch nicht näher kommen zu können. Es gibt keine Heimkehr, weder, hierhin noch dorthin. Etwas bannt mich im Garten auf der Stelle und nur von weitem sehe ich das Wärme und die Geborgenheit einer Heimat ausstrahlende Licht durch die Fenster des Tages, der langsam grau und von Nebelschwaden verhangen über dem herbstlichen Park ! heraufkommt. Beim Anblick der alten Apfelbäume wird mir das Herz schwer, besonders wenn ich mich daran erinnere, dass und wie uns der alte Apfelbaum in der Mitte des Gartens vor seinem plötzlichen Tode – er brach in einem Herbststurm mit verfaulter Wurzel einfach um - mitten aus dem noch einmal aus ihm erblühenden letzten Leben, das uns in einem Jahr mit einer ungeheuren Last von Früchten beschenkte, die uns veranlasste, ihn von allen Seiten zu stützen, damit er nicht selbst unter der Last der Früchte zusammenbreche, ebenso wie uns der Birnbaum nur ein einziges Mal das Geschenk reicher Frucht machte. Immerhin, einmal haben sie uns reich beschenkt. Wir hatten einen ganzen Winter lang Äpfel im Keller und eingemachte Birnen reichlich. Wir haben versäumt uns zu bedanken. Wie ignorant waren wir, zur Supermarktideologie umdressiert!
Ich danke euch, ihr alten Bäume, dass ihr uns so reichlich beschenkt habt. Es war, wie alles, was geschieht, einmalig und erst jetzt kann ich das erkennen. Denn die Zeit hat nur eine Ordnung, ganz gleich, was die Physiker sich zurecht schwafeln über die Symmetrie der Naturgesetze. Sie sind eben NICHT symmetrisch, wegen ihrer Zeitlichkeit. Von der kann man eben nicht abstrahieren, um dann den Blödsinn zusammen zu träumen von der zeitlichen Indifferenz der Naturgesetze.
Alles ist einmalig weil es in der Zeit stattfindet, und alles ist Jetzt und dann nicht mehr. Der Traum allerdings bannt mich an eine Stelle in dem verwunschenen Garten. Von weitem sehe ich Annegret. Aber ich kann mich nicht von der Stelle rühren. Immerhin erkenne ich die Umgebung, in der ich mich befinde. Ich erwache langsam. Es ist, als sollte das Erwachen so sein, dass der Traum in das Wachen langsam übergeht, so dass der Traum nicht dem Vergessen verfällt. Derart setzt langsam ein Bewusstsein davon ein, dass und was ich träumte und ich kann den Traum in der Erinnerung betrachten und seine Einzelheiten einprägen. Dann klingelt mein Wecker, den ich auf sechs Uhr eingestellt habe, die Zeit, zu der ich stets aufstand, um die Vorbereitungen zu treffen dafür, die Kinder, Rebecca und Rahel, dann auch Leah und endlich auch Sarah zur Schule bringen zu können bzw. zum Schulbus, eine Gewohnheit, die mit der Abiturreife von Rebecca zusammenbrach, mit der ich in eine endlose Trauer verfiel, von der ich noch nicht erholt habe.
Ich überlege nun, ob ich aufstehen und das kuschelige Bett verlassen soll – wie zuvor um Traum – um den Traum aufzuschreiben. Das scheint mir notwendig und wichtig. Eine Weile kämpfe ich mit dem dagegen stehenden Impuls, nichts zu tun und wie sonst noch eine Weile lang weiter zu schlafen, aber dann stehe ich entschlossen auf, schalte den Computer ein und mache mir einen Kaffee, und beginne dann den zu dokumentieren.

Nachtrag:

Vor Tagen hatte ich einen Traum, der mir plötzlich als Wiederholung erkennbar wurde. Ich hatte ihn ein paar Tage zuvor schon einmal geträumt. Er besteht im Wesentlichen aus einem statischen Bild. Einer Statue, die in einer Haltung dasitzt wie einer der Kolosse der Ramsesstatuen an einem der in die Felsen gehauenen ägyptischen Tempel, werden die glühenden Augen entnommen, die mir, der ich – sehr viel kleiner – dieser Statue gegenüber an einen Stuhl gefesselt ? bin, eingesetzt werden sollen. Ich sehe der Prozedur mit Besorgnis entgegen, sie könnte mich ernsthaft beschädigen. Ich bringe den Traum mit meiner derzeitigen Hegellektüre in Verbindung und mit den Schwierigkeiten, die sie mir bereitet.
Sie erscheint mir zugleich ungemein fremdartig, und vertraut, wie eine Erinnerung an eine längst oder lange verdrängte Gegenwart (eigenartige Formulierung), an die mich zu erinnern ich mich fürchte, mich zu fürchten gelernt habe, durch ‚Ausbildung’, die darauf abgestellt ist, diese Vergangenheit, das kulturelle Erbe Deutschlands, das verfemt worden ist aus erkennbaren Gründen, zu diskreditieren und mich (alle potentiellen Erben dieser Kultur) von ihr abzuschneiden, indem sie verteufelt wird. Die Erinnerung erlebt man dann als die Verfolgung, die faktisch in der Verfremdung des kulturellen Erbes besteht, das die Bürokratie betreibt, um die darin formulierten Ansprüche liquidieren zu können. An diesem organisierten Verbrechen ist der gesamte Erziehungsbetrieb im Namen des Imperiums, dem er gehorcht, aktivst beteiligt. Der Titel für dieses Verbrechen heißt ‚Wissenschaftsfortschritt’, eine Fluchtbewegung vor der möglichen und gefürchteten Wiederkehr des Menschen aus dem Trauma der über ihn verhängten Weltkriege. Das Hakenschlagen auf dieser Flucht hat mehr als einen Namen, einer von ihnen ist: ‚Paradigmawechsel’.
Ich fürchte mich vor dem, was mich die mir eingesetzten, aus glühendem Erz bestehenden Augen zu sehen lehren könnten. Ich weiß wovon ich rede. Ich habe schon einmal versucht es zu vergessen. Das Unheimliche ist das, was einen erinnert an etwas, das man vergessen hat. Dieses Vergessen hat inzwischen den Namen der Erziehung und der Ausbildung, sogar der wissenschaftlichen und akademischen und gerade dieser, und ist von der vorsätzlichen und organisierten Gehirnwäsche nicht mehr unterschieden.
Es wird Zeit, den Spuk zu beenden. Es gibt mehr als eine Rennaissance für den Geist. Die Geschichte ist nicht zu Ende. Aber nur der Geist selbst kann diese Rückkehr aus der schlechten Unendlichkeit der Selbstentfremdung und der Entäußerung in sein ganz Anderes – das auch nur er selbst ist, im Zustand seiner äußersten Andersheit – zu sich selbst bewirken. Das Gespenst der imperialen Macht beginnt zu schwinden. Der blasse Abglanz, das geborgte Licht, kann den Aufgang der Sonne nicht überstrahlen. Es ist nicht nur zu schwach, sondern eben nur geborgt. Das Imperium hat nicht genügend Ressourcen, weder was die Zahl betrifft noch was die thermodynamischen Gesetze betrifft, um sich auf die Dauer erfolgreich zu behaupten. Man muss, was das Letztere betrifft sehen, dass die Menschenmasse, die derzeit den Planeten bevölkert, zu einem guten Teil einfach aus fossilen Brennstoffen generiert ist. Das bedeutet aber, dass auch das gegenwärtige Imperium seine Grundlage in den gegenwärtig verfügbaren Energiereserven hat und mit ihnen vergeht, wenn es nicht eine andere energetische Grundlage findet, mittels deren es sich behaupten kann. Bis dahin sind kaum mehr als dreißig Jahre. Und die Krise wird früher kommen. Bis dorthin sind es kaum mehr zwanzig Jahre. Und das kann man und sollte man unbedingt wissen. Die Römer mussten Britannien schließlich aufgeben, weil ihnen die militärischen Möglichkeiten für eine Präsenz fehlten. Und diese waren energetischer Art: Sie konnten buchstäblich das Futter für die Tiere nicht mehr aufbringen, die diese Grenzen hätten bewachen müssen. Das Ende der Expansion war schon das Ende des Prinzips dieser Expansion, wenn auch noch nicht gleichbedeutend mit der Implosion. Die Beschreibungen der Kosmologie über das Leben und den Tod der Sterne sind hier durchaus analog anwendbar.
Es gilt die Einheit der Erfahrung über der Einheit der energetischen Grundlagen alles Existierenden. Diese Sonne nähert sich dem Ende ihres kurzen Lebens. Sie ist von diesem Typ der Kurzlebigkeit. Sie ist in energetischer Hinsicht zu gefräßig und zu ‚gierig’, und von ihrer Masse hängt dieser Energiebedarf wiederum ab. Ihr Schicksal ist schon besiegelt. Und hiermit ist es ausgesprochen. Die Welt beginnt das zu bemerken (freilich nicht ‚ihrer Vertreter’ und ‚Mandatsträger’), ebenso, dass die Intelligenz des durchschnittlichen imperialen Agenten nicht (mehr?) dazu ausreicht die Welt zu verstehen (Das war schon immer so und wurde durch Gewaltanwendung ‚kompensiert’.)
Jetzt kommt aber dazu, dass auch diese Kompensation zunehmend weniger zur Verfügung stehen wird, angesichts des erkennbar werdenden rhetorischen Versagens der imperialen Agenten und ihrer Speichellecker und Hofschranzen in aller Welt. Wohl kann sich das noch halten. Aber die Rhetorik Ciceros hat das Römische Imperium nach dem Verfall der griechischen Philosophie nicht retten können. Es war die Zeremonie der scheinbaren Übergabe des Imperiums an das ganz Andere, das den Schein der Rettung inmitten der vollständigen Metamorphose darstellte. Was übergeben wurde war die Macht, die Idee des Imperiums.
Dieser böse Geist verfolgt die sogenannte Menschheit unter dem Namen und Titel der Hochkultur, die indessen längst durch eine jeder Kultur beraubte technische Zivilisation ersetzt wurde, die der geschminkten Leiche ähnelt, als die das alte Imperium nach der Zeitenwende noch eine Weile öffentlich herumgezeigt wurde, ein einbalsamierter Leichnam, dessen Prätorianer seine immer blasser werdenden Inkarnationen in Werkstätten zusammenbastelten, aus denen mehr Ausschuss als gelungene Produkte herauskamen bis das Ganze in seiner eigenen Asche und seinem Unrat versank, der die Stelle der ‚Kultur’ vollkommen eingenommen hatte.
Als es endlich versank, war es schon längst von einem ganz anderen Leben erfüllt, das sich aus dem Geist seiner bunt zusammengewürfelten Sklavenmassen geformt hatte. Sein Geist war orientalisch und es war der des festländischen Kerns der Halbwüsten. Dieser Geist hat nicht nur die imperiale Doppelkultur der griechisch-römischen Imperien seit Alexander, sondern auch die Germanen endlich überwältigt, aufgrund ihrer Hohlheit und ihres sei es auch auf der Höhe der Zeit einzigartigen und überlegenen Bildung. Es war eben doch nicht diese, sondern die Volksmeinungen und –überzeugungen, die sich unterhalb der Ebene der offiziellen Verlautbarungs- und Bildungskultur durchsetzten, und offensichtlich ganz ohne Rücksicht auf diese, trotz ihrer machtgestützten Präsenz, die die tatsächliche Entwicklung bestimmte und diese endlich durchdrang.
Dann erwies sich eher das Eine oder andere Bestandstück der alten geistigen Kultur als von Bedeutung, und weniger die in Ruinen übergehenden Bestandstücke wie Bauten und die ‚Kunst’, die ohne weiteres dem Ruin und der Vergessenheit überlassen wurden, ganz im Gegensatz zu ihrer gegenwärtigen Überschätzung. Es sind die Gehäuse der Machtapparate und ihr Mobiliar, das da auf der Strecke blieb, und so wird das auch diesmal sein. Es ist gerade ihre herausgestellte Symbolik, die sie endlich aufgrund des alles überlagernden Meltaus der Macht, der ihre letzte, alle anderen in sich zurücknehmenden und aufsaugenden, erledigenden Bedeutung ausmacht, die dieses ‚Veralten’ bewirkt: In Wahrheit ist dieses ‚Veralten’ eines Konsequenz des der Macht stets unweigerlich von den Beherrschten entgegen tretenden Widerwillens gegen ihre Funktion, die dieser ‚Kultur’ das Ende bereitet. Es liegt in ihrer Funktion beschlossen.
Erst wenn diese längst vergessen ist und die Farben verblasst sind, entsteigt vielleicht das Eine oder andere nicht verrottete Artefakt wieder dem Boden und erweckt Verwunderung oder sogar Bewunderung, aber die entspringt dann wiederum dem Ekel der Beherrschten gegenüber dem Geist der herrschenden Klasse und ihrer korrupten und dreisten Verlogenheit, ihrem Parasitismus auf Kosten der Beherrschten, ihrer Bestialität, die sich mit den Insignien und Masken einer ‚Kultur’ schminkt und umgibt oder einkleidet, die keinen, der unter ihr zu leiden hat, darüber täuschen kann, worin ihre Natur besteht, nämlich in der Natur gewissenloser Bestien, die den Beherrschten einzureden versuchen, sie müssten sich an ihr orientieren (von Orient!).
Onkel Tom ist Vorstand des Sicherheitsrats. Wie immer bewundernswert Kampfjetpiloten auch sein mögen, es ist eine Frage des richtigen Verständnisses von Interdisziplinarität, ob man sie zu Interpreten der Welt erhebt. Wohl hat der Kampfjetpilot einmal die Welt aus dem Überblick von Oben erlebt, wie auch der Astronaut, aber das bleibt doch zunächst auf der Ebene, dem Niveau des Erlebens, und dann ist es pure Phänomenologie. In beidem ist kein Funke von Geist, Vernunft oder Verstand, jedenfalls nicht von sich aus. Selbst wenn man einmal von dem von seinen Dressurzwecken abhängigen ‚Weltbild’ des Kampfjetpiloten absieht, der kaum mehr ist als ein Kampfhund, der blind seinem Herrn gehorcht, ist im Sensualismus des Erlebens oder im Schein der Unmittelbarkeit der Phänomene kein Funke auch nur von Verstand am Werk, von Vernunft ist nicht zu reden. Der gewöhnliche dressierte Hund mit andressiertem ‚Sprachvermögen’ hält Vernunft sogar für ein Schimpfwort und von Geist ist gar nicht zu reden, ohne dass er die Zähne fletscht oder sogar zum Angriff übergeht. So weit herunter gekommen ist die Welt auch der ‚Intelligenz’, dass sie brav den Kötern gehorcht, die ihr verbieten, davon auch nur zu reden. Es sind diese Köter, die herrschen. Ihre Herren sind längst tot, während sie immer weiter ihren Befehlen gehorchen in dem Glauben, nunmehr ganz selbständig zu sein und aus eigener Natur und sogar ‚Einsicht’ und ‚Übersicht’ zu handeln. So bleibt alle Rede von Überblick und Übersicht über die Welt auf platteste Weise sensualistisch und fällt sogar auf eine ‚vorkopernikanische’ Phänomenologie zurück – der Ausdruck gehört in die Mythologie, mit der sich die ‚Naturwissenschaften’ umgeben haben, die es nötig haben, das von ihnen erfundene Gerücht zur Gewissheit zu machen, durch verstaatlichte Erziehung, sie hätten die Grundlagen erfunden, auf denen das Wissen über die Welt basiert, ein Quark, der nicht dadurch wahrer wird, dass er endlos und vor allem ausschließlich wiederholt wird.
Wo doch alles so technisch ist und technologisch implementiert, warum hat man nicht das alte, aus Tibet bekannte Gerät, die Gebetsmühle, entsprechend elektronisch modernisiert, für diese Wiederholungen implementiert. Das könnte Personal sparen helfen, angesichts leerer Kassen, viel zu hoher Lohnzusatzkosten und angesichts des Lohnniveaus könnte man sie gleich in Tibet lassen, und das Internet für die Präsenz des ‚content’ nutzen usw. –
Man wird versuchen eine gigantische Propagandamaschine anzuwerfen. By the way, was heißt Micky Mouse und ‚fuck you’ bzw. ‘muthafuckin assole’ auf Arabisch? Das sind wichtige Grundfragen der Übersetzung der kulturellen Botschaft Amerikas für die Völker der muslimischen Welt. Sie enthalten ihre wesentliche Zukunft. Einmal abgesehen von ‚Star Wars’, wo die Feinde allesamt auf Wüstenplaneten leben und Tuniken tragen oder Pyjamas, oder die wichtigen Botschaften über den amerikanischen Sozialcharakter, den die Filme Arnold Schwarzeneggers und Miami Vice rüberbringen, von den betulichen Mitteilungen und Beteuerungen der Science Fiction Serien einmal abgesehen: „Wir sind Forscher auf dem Weg nach Hause…“ usw., und der geradezu dreisten Unverschämtheit der Star-Gate Serie zu schweigen, die einen militärischen Stoßtrupp von modernen Konquistadoren (aus dem ganz offen präsentierten militärischen und politischen Hintergrund der USA geführte Kampfhunde) und niederrangigen einheimischen Überläufern als ultima ratio alles kulturellen Lebens einem von der Gewalt zerrütteten und seelisch-geistig zerstörten ‚Publikum von vernunftlosen Gaffern serviert, die sich im Internetforum dazu als ‚fans’ äußern dürfen, alles im Rahmen der angeblich demokratischen Grundwerte der Meinungsfreiheit, der die Girlanden eines cäsaristischen Feldzuges umgibt, der sich als Festzug gibt und die Welt erbarmungslos ausplündert, für die Selbsterhaltungslaunen eines Mobs von jedenfalls nicht mehr als 280 Mio. Menschen mit einem US-amerikanischen Paß.
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese winzige, aber ungemein brutale und gewaltbereite, zu äußersten entschlossene, bis an die Zähne und unter Einschluss der Möglichkeit der Selbstvernichtung bewaffnete Minderheit der Weltpopulation, eine kollektive Bestie, entschlossen erklärt, die ganze Welt beherrschen zu wollen und ein natürliches Recht dazu zu haben, das im Wesentlichen auf der Erfahrung des Erfolgs der Ausrottung der Amerikaner beruht, die dem aus Europa entlassenen entmenschten und desperaten Mob als Kultur im Wege standen. Die Wahrheit ist auch hier, dass im Wesentlichen die ‚rednecks’ das Imperium tragen. Über die Geisteshaltung ist im Wesentlichen kein Zweifel möglich. ‚Sweet Home Alabama’ ist die entsprechende Quelle, die jede Umfrage von sogenannten Sozialwissenschaftlern schlägt was ihre Evidenz betrifft und den Erfolg dieser Rhetorik angesichts ihrer Verbreitung unter dem Namen der ‚Kunst’. Zugleich gibt dergleichen einen unüberbietbaren Einblick in die Eigenart dessen, was ‚Kreativität’ ist, nämlich eine von der Beliebigkeit, die die Bedenkenlosigkeit und die Selbstgerechtigkeit, auch die Gleichgültigkeit gegenüber den sogenannten ‚Werten’ zur Konsequenz haben muss, nicht zu trennende Fähigkeit zum bedenkenlosen Gebrauch triebhafter Phantasien zum Zweck der Massenmobilisierung, und sei es nur zum Kauf einer CD. Der Erfolg all dieser Formen beruht ja darauf, dass sie tatsächlich treffen, worauf die zielen. Es sind die wirklich aussagefähigen empirischen Untersuchungen, über deren Design wissenschaftlich so viel Blödsinn geschwafelt wird, um sie von gerade diesen Inhalten zu reinigen, die eine Auskunft geben, die man nicht wünscht und stattdessen eine zu ‚veranlassen’ versuchen, die man sich ausgedacht hat.
Dieses ganze schöne demokratische Imperium beruht auf einer einzigen geschlossenen Kette von Bestialitäten, an deren Anfang der Genozid an den Amerikanern durch einen aus Europa ausgeworfenen barbarischen Mob steht, der sich zur Rechtfertigung seiner Entsetzlichkeiten auf die christliche Religion ausdrücklich beruft. Es ist die Verlogenheit dieses Sozialcharakters, der sich in der Propaganda einer Regierungsform zur kanonischen Form einer säkularen Religion auskristallisiert hat, die faktisch und praktisch ausgezogen ist und auszieht, alle autochthonen Kulturen dieser Welt zu liquidieren im Dienste der reißenden Gier eines unersättlichen Blutsäufern und Raubtiers, das sich angesichts seiner ihm zugespielten überlegenen Bewaffnung in der Welt aufführt wie der Fuchs und der Marder im nächtlichen Hühnerstall (das sind Namen für deutsche Panzermodelle!), der seinen Blutrausch nicht zu beherrschen imstande ist. Das wiederholt dem Sinne nach, was in den USA mit ihrer Entstehungsgeschichte untrennbar verbunden ist: Der Genozid an der autochthonen Kultur.
Und es ist dieser Genozid, der zugleich mit von Genese des modernen, des angeblich alternativenlosen Staates und Herrschaftssystems untrennbar ist. Der Mythos der ‚Französischen Revolution’ verdeckt das nur. Sie ist ihrerseits eine Konsequenz der amerikanischen Erfahrung, wie im Übrigen eine Konsequenz der Erfolge der Briten bei der ‚Gründung’ von ‚Handelsimperien’, derselben Briten, die dann allerdings nicht wollten, dass diese Konsequenzen jemals auf dem von ihnen stets so oder so zernierten und beherrschten Kontinent Fuß fassen als soziale und gesellschaftliche Realität, es sei denn in der ihnen genehmen Form. Die haben wir heute. Sie bestehen in der Verallgemeinerung des Überseeimperiums auf die ganze Welt. Von den USA aus gesehen ist alles andere, vor allem der eurasi-afrikanische Kontinent – das ist in der Tat DIE Landmasse, die den amerikanischen Inseln gegenüber liegt – Übersee, mit Ausnahme ihres südlichen Vorhofs. An dessen Zustand ist der abzulesen, um dessen Herstellung bzw. Konservierung es allgemein geht. Im Verhältnis zur Welt als Globus ist die USA, was die britischen Inseln in der jüngeren Zeit gegenüber dem ‚europäischen Kontinent’ waren.

Achtundzwanzigster Traum:

Traum am Freitag, den 3. März 2006

Ein großer Königshof, der König, Hofleute, Gesinde. Der Königssohn soll heiraten. Er ist etwa vierzehn. Die Braut ist jünger, kaum zwölf Jahre alt. Sie wird mit großem Pomp in einem Geleitzug von einem anderen Hof gebracht, in Begleitung vieler Hofdamen. Die beiden Kinder kennen sich und sind mit dem Arrangement nicht nur einverstanden. Es ist vielmehr in ihrem Sinn. Sie lieben sich sehr und haben schon beschlossen, für immer zusammen zu bleiben.
Das Mädchen wird von den Hofdamen des Königshofs bei irgendeiner Gelegenheit schwerstens beleidigt und eigentlich auch bedroht. Eine der Hofdamen auf hohem Adel, die der Ansicht zu sein scheint, dass der Prinz eigentlich ihre Tochter hätte heiraten müssen, schreit ihn an, er solle sich lieber eine tüchtige Wirtschafterin nehmen als so ein Flittchen, das nichts könne und immer nur in Spitzenkleidern herumstehe. Der Prinz ist außer sich vor Zorn und Trauer über das Geschehene. Das junge Mädchen hält ihre Situation am Hof für unhaltbar und riskant und teilt dem Prinzen mit, dass es den Hof unter diesen Umständen zu ihrer beider Bestem verlasse müsse und den Entschluss gefasst habe, dies sogleich zu tun. Ihr Wagen steht schon bereit. Der Prinz kann sich nicht fassen. Er schreit seinen Vater an – ganz genau ist das nicht auszumachen, die Personen, die er beschimpft sind auf jeden Fall hohe Würdenträger des Hofs und es kann und wird dem Vater nicht recht sein, das anhören zu müssen. Der Prinz verkriecht sich in seinem Zorn und schwört Rache, weil man ihm die Geliebte weggenommen und sie derart beleidigt hat.
Das ist der einigermaßen blass hinterbleibende Rumpf des Traumes, aus dem nach mehreren Tagen der aktuelle Eindruck einer furchtbaren Tragödie gewichen scheint, aber man muss bedenken, dass das der Traum des alten Königs ist, der ihn seitdem gefangen hält ohne dass er das noch weiß. Er erinnert sich wohl an diese Geschichte, aber er kann sie mit seinem seelischen Zustand und mit dem jährlich sich wiederholenden Verschwinden und seiner Traurigkeit nicht in Verbindung bringen. Das Märchen erst stellt den Zusammenhang wieder her und erlöst den König, als er in seiner Tochter seine verloren geglaubte Jugendgeliebte wieder erkennt und plötzlich begreift, was das Leben ist. Dasa muss noch gezeigt werden.

Neunundzwanzigster Traum:

Sonntag, 5. März 2006, 4:29
Traumerinnerung:

Ich erwache um etwa drei Uhr morgens aus folgendem Traum:
Ich soll mich zu einer militärischen Heimatfrontübung bei der Truppe melden. Alle sind jovial – den Ausdruck kenne ich nur aus Romanen – und ‚aufgeräumt’, also irgendwie volkstümlich gemütlich und gutmütig und fröhlich, erwachsene Männer, nicht besonders ansehnlich, Kartoffelgesichter eben, wie man sie von überall in Deutschland kennt, nicht die kühnen Nasen und Gesichtsschnitte der Orientalen aus den arabischen Ländern etwa, der zuständige Unteroffizier ist auch schon da. Es wird zwanglos Meldung gemacht (Den militärischen Kontext kenne ich nicht aus eigener Erfahrung. Er erscheint mir daher im Nachhinein merkwürdig. Das Deutsche daran ist wohl das Charakteristische, auch die gemütliche Harmlosigkeit der immerhin militärischen Vorbereitungen. Ich beteilige mich an dem immerhin ‚von Oben’ diktierten Unternehmen, das den ‚Untertanen’ in Anspruch nimmt, seit geraumer Zeit ‚für das Vaterland’, vorher wurden die ‚Landeskinder’ als Soldaten etwa nach Amerika verkauft (Schiller lässt grüßen mit ‚Kabale und Liebe’), dann hatten ein paar Leute mit einem Riss im Gehirn die großartige Idee gegen Napoleon kämpfen zu sollen um das Vaterland zu retten (komisch, manchmal heißt es ebenso ‚Mutterland’, Muttergesellschaft’, Muttersprache), Romantik eben ganz genau genommen, als Geburtsstunde der der globalen Geisteskrankheit ‚Nationalismus’, aber das alles spielt in dem Traum keine unmittelbare Rolle, ich bin als Untertan mit der durchschnittlichen Dumpfheit einer Art von Woyzek eben ‚beteiligt’, die anderen sind alle auch mehr oder weniger Woyzek oder Tambourmajor, man weiß das noch nicht so genau, Helmut Kohl ist auch dabei, er ist angesichts seiner Statur in etwas späteren Jahren nicht zu übersehen, und er ist wohl auch charakteristisch für das Szenario.
Mir fällt ein, dass ich eben noch etwas zu erledigen habe und mir wird mit einem zustimmenden informellen Nicken bedeutet, dass das ‚in Ordnung geht’. und ich entferne mich damit von der Truppe. Niemand denkt an ‚desertieren’, auch ich nicht, der Begriff existiert nicht in dem informellen Zusammenhang, obwohl mir beim Schreiben klar wird, das das so aussehen könnte. Es ist anders. Ich werde nicht nur aufgehalten, sondern wechsele gewissermaßen aprupt die ‚Identität’ und bin von dem Moment an ohne Erinnerung an das nunmehr Vorherige.
Ich bin offensichtlich Offizier einer auf dem Boden des Landes stationierten Armee ausländischer Herkunft. Ich spreche zwar weiterhin dieselbe Sprache – in dem Traum wird nicht gesprochen, aber es wird irgendwie doch kommuniziert wie sich zeigen wird und ich werde angesprochen in Deutsch und verstehe es, daraus schließe ich, dass ich es auch spreche, aber es ist nicht unbedingt meine ‚Muttersprache’, diese könnte auch eine andere sein. Das ist etwa vergleichbar meinem Verhältnis zum Englischen, das ich auch früh aus meiner ‚sozialen?’ Umgebung aufnahm. Es war allgegenwärtig wie das Deutsche auch, auch in Form des Militärpersonals, das sich noch nicht wieder teils in ‚Housing Areas’ bzw. Kasernen zurückgezogen hatte, wie das mit der Konsolidierung der Besetzung der Fall wurde etwa im Jahrzehnt zwischen 1950 und 1960. Das ganz andere ist mein Verhalten und Selbstgefühl.
Ich kenne meine Aufgaben und kann sie problemlos erledigen. Im Wesentlichen sind es Führungsaufgaben, die Lenkung und Leitung von Menschen entlang von Aufträgen, die zu erläutern sind, und deren korrekte Durchführung ich zu überwachen habe. Dabei wird kein lautes Wort gesprochen, alles geschieht in einem gut geölten Apparat ohne Aufregung und ohne ein lautes Wort, keine Spur von Untertanenbewusstsein und Woyzek oder Tambourmajoren (den Doktor und seine Experimentier- und Diagnosewut nicht zu vergessen). Ich tue alles, weil ich es für richtig halte und weil ich es tun will. Es ist meine Aufgabe, mit der Betonung auf ‚mein’. Ich führe eine sehr harmonische Ehe mit einer verständnisvollen Frau, die in blumengeschmückten Kleidern der fünfziger Jahre – der Werbung und den Filmen der fünfziger Jahre vorwiegend aus übernommenen amerikanischem way of life – auftritt. Ihr Auftritt ist unauffällig, insofern sie weitgehend den schweigenden Hintergrund bildet. Mir fällt auf, dass der Hintergrund des Kleides dunkel, beinahe schwarz ist mit einer eher brauen als blauen Abschwächung, die aber ein wenig schwankt: manchmal könnte der Grund, auf dem sehr große rote Mohnblüten zu sehen sind – mehr als fünf passen wohl nicht auf die gesamte Stofffläche des Kleides - das oben ärmellos ist und mit ein paar über die Schulter gehenden Bändern gehalten wird, so dass ein immerhin sichtbarer Hautausschnitt über der Brust und am Rücken zu sehen ist.
Den Typ des Kleides trägt meine Mutter auf Nachkriegsbildern, die sich von denen der Vorkriegszeit auch so unterscheiden wie das Vorkriegsdeutsche von dem dann einsetzenden Einfluss des ‚american way of life’, der vielen Menschen eine neue Identität verschaffte, oberflächlich, ohne die alte wirklich aufzulösen. Das ist bei mir anders. Meine Identität als leitender Erwachsener in einem eher kontormäßigen Betrieb, der fast etwas Akademisches hat, ist massiv, organisch gewachsen und nicht bloße Tünche. Mein Selbstgefühl sagt mir das. Sie bildet mit der meiner Frau und meiner Arbeitsumgebung eine Einheit. Kinder haben wir (noch?) nicht. Ich trage gebügelte Stoffhosen mit Bund und Bügelfalte, glänzende dunkle Schuhe, alles eher in einem gedeckten Braun unterschiedlicher Tönungen, und auch ein eher dunkles Hemd, über dem ein ärmelloser Pullover sich wenig abhebt, es sei denn durch seinen unauffällig eleganten Schnitt.
Das Ganze ist das Klischee eines amerikanischen Kinooffiziers mit akademischem Bildungshintergrund, der ebenso gut ein Kontor eines US-Unternehmens füllen, einen Film in Hollywood machen – als Hauptdarsteller – oder einen Flugzeugträger führen könnte. Clark Kent ist auch erkennbar. Das erlebe ich aber nicht so in dem Traum. Zwar nehme ich mich aus einer Zuschauerperspektive wahr, soweit hier Handeln im Sinne von Vollzügen in einem Raum dargestellt werden, aber ich erlebe dies ebenso von Innen, aus dem Körper der Person heraus, die handelt und vor allem fühlt, was in ihr vorgeht. Ich liebe meine Frau mit der Selbstverständlichkeit, die gar nicht mehr zu Bewusstsein kommt, weil sie so sehr Teil des eigenen Selbst ist, dass man das nicht eigens noch einmal bemerkt.
Es wäre schon merkwürdig, wenn man sich selbst ständig sagen würde oder sich bewusst halten würde, dass man sich selbst liebt. Und so wie ich dies tue, ganz selbstverständlich, als eine Art problemloses Übereinkommen mit der Tatsache meiner Existenz – was bekanntlich nicht wenigen Menschen gar nicht gelingt und deshalb nicht gegenüber den ausdrücklich dargestellten und eigens unterschiedenen Gefühlen der Liebe zu einem Menschen unterschätzt werden darf, den man zu lieben imstande ist wie man sich selbst tatsächlich liebt, weil man geliebt worden ist und dabei problemlos gelernt hat sich selbst so zu lieben wie man geliebt wurde – so liebe ich auch meine Frau, ohne dramatische Spannung, ganz selbstverständlich. Wir sind gar nicht zwei verschiedene Seelen, sondern bilden eine einzige. Das ist aber so nicht bewusst, insofern wir uns gegenseitig als selbständig handelnde Personen wahrnehmen, was aber eben auch nur ein Aspekt ist, der unsere Verschiedenheit als Organismen eher zur Geltung bringt bzw. sich daran festmacht und gebildet hat als an der seelischen Einheit.
Ich habe eine Geliebte. Sie ist anders als meine Frau, eine junge blonde und nicht besonders gebildete Frau, die etwas launisch ist aber ungemein liebenswert erscheint, gerne kuschelt und sich anschmiegt wie ein Kätzchen (das übertreibt ihre Züge wie sie im Traum erscheinen durch die bloßen Bezeichnungen, die ohne Zweifel Assoziationen anderer Art wecken, die eher herabsetzender Art einer hämischen Bewertung durch eine kontrollierende ‚soziale Umwelt’ in Gang setzen könnten, aber der Traum ist davon frei. Es ist eine reine Zwei-Personen-Beziehung, jedenfalls zunächst, in die soziale Bewertungen gar nicht einzudringen vermögen. Sie wohnt auf der anderen Seite des großen Parkgeländes, auf dem sich auch das Arbeitsgebäude befindet, in dem ich meinen Aufgaben nachgehe. Zwischen den hohen Bäumen eines herbstlichen Laubwaldes hindurch, dessen Blattwerk schon weitgehend den Boden bedeckt mit dem eigenartigen stechend schmerzhaften Charm des vergehenden Jahres in mittleren Breiten kann ich das flache, gestreckte einstöckige Gebäude erkennen, das mit seinem kleinen Zentralgiebel hell verputzt mit einem roten Dach im Licht jenseits des kleinen Parkwaldes liegt.
Es ist ein irgendwie ergreifender Anblick, der eine unaussprechliche Sehnsucht weckt jedes Mal wenn ich hinüberblicke, eine Sehnsucht, die mich nicht losläss so wenig ich imstande bin mich jemals ohne sie zu denken. Es liegt, das ist mir bewusst, ein Hauch von Verzweiflung über meiner Seele, wenn ich versuche, durch die hohen schmalen Stämme der Bäume hindurch ein Fleckchen von der hellen Farbe der Fassade oder des Rot des Daches zu erkennen. – Das Rot entspricht dem auf dem Kleid meiner Frau. Ich weiß gar nicht, wie ich dazu komme eine derartige ‚Geliebte’ zu haben. Es ist einfach eine Tatsache, und es ist eine Tatsache, die ebenso faktisch ist, wenn auch nicht allgemein selbstverständlich akzeptiert – aber das ist schon ein ‚sozialer oder kultureller Aspekt’, der hier herein getragen ist – wie die Tatsache, dass eine ‚Frau habe’, die ‚meine Frau’ ist in dem Sinne, dass ich mit ihr verheiratet bin und das oben beschriebene Verhältnis zu ihr habe. Der Unterschied ist signifikant.
Der Selbstverständlichkeit, mit der ‚meine Frau’ gewissermaßen Teil meiner eigenen Seele ist und umgekehrt, der zugleich mit einer eigenartigen und unselbstverständlichen Kongruenz die stillschweigend in der Bezeichnung ‚meine Frau’ die ‚soziale Dimension’ und die Perspektive der Anderen, die moralischen Regeln einer bestimmten Kultur (einer Kultur mit Monogamie bzw. Monoandrie) usw. mitgedachten Dimensionen überlagert sind, so dass alles in einer gar nicht mehr als solchen bewussten Synthese, einer zusammengesetzten Einheit hoher Komplexität mit widerspruchsfrei ineinander (klar und wie zu einer durchsichtigen Flüssigkeit) gelöst erscheint, entsprechen als Gegensatz die Sehnsucht, das Gefühl der Gefährdung, des schon drohenden und immer zu befürchtenden Verlustes, der Wunsch etwas zu behüten, zu bewahren und in Schutz nehmen zu wollen ebenso wie die Angst vor dem möglichen Verlust, zusammen mit dem Mangel an selbstverständlicher Bindung und Auflösung der Spannung, der die Beziehung zu der Geliebten charakterisiert.
Das Ganze erscheint überhaupt NUR DESWEGEN auch erst als BEZIEHUNG, eben weil es nicht aufgelöst ist in die spannungsfrei gewordene Einheit, die Synthese, die die seelische Einheit über die bloße Gemeinsamkeit hinaus ist. Es ist bezeichnend, dass die so genannte Sozialpsychologie und die gesamte Therapeutik den Terminus ‚Beziehung’ ebenso wie die sozialwissenschaftliche ‚Diskussion’, eine Art des höheren, eben akademisch ausgebildeten rhetorischen Durcheinanderredens – als den ‚übergreifenden’ Terminus auf unterschiedslos alles anwenden und, wie man sehen kann, damit einen bestimmten Typus menschlicher Verhältnisse und Selbstbezüge stillschweigend und ganz und gar ohne eine ernst zu nehmende wissenschaftliche Legitimation, je nicht einmal auf der Grundlage einer ‚Diskussion’ verallgemeinern ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass dies die das ‚Wissenschaftliche’ an der sogenannten Diskussion, die ja im Wesentlichen um eine ganz zentrale Auslassung, um ein Vakuum oder soll man modisch sagen – um ein ‚black hole’ herum diskutiert, das sich informativ dem Halo entzieht, der sich um es herum an Diskussion bildet, und das jeden Hinweis darauf, dass es sich um ein solches ‚ommitment’, eine Aussparung im Informationskontinuum herum organisiert um sich dann nach Art aller kruden Materie oder auch nach Art epidemischer Verbreitungsmechanismen über die ganze Galaxis – wenigstens – zu verteilen, die sich als wissenschaftliche Diskussion im leeren Raum, der sich zwischen den Sparten erstreckt, in einer trägen Rotationsbewegung des Wiederholungszwangs, der sich als Evolution aufführt, weil er darauf hinweisen zu können meint, dass ja Zeit vergeht und die Terminologien sich im Laufe der Zeit gegeneinander verschieben, ohne dass die in den kulturellen Subraum abgedrängten basalen Bedeutungen wechseln, träge um sich selbst dreht. Man muss eine Einsicht in die Eigenart dessen entwickeln was eine Sprache ist, was Sprache überhaupt ist, um zu verstehen, wie ‚Wissensfortschritt’, besonders seit er sich als organisiertes Verwaltungsunternehmen mit verstaatlichtem Erziehungsauftrag institutionalisiert hat: Wissenschaftsfortschritt im so genannten ‚sozialen Bereich’ oder ‚im Bereich der Gesellschaft’ erscheint bei genauem Hinsehen als eine Technik der Verschiebung der Bedeutungen über einem Bestand an einem Wörterbuch zu entnehmenden, bürokratisch manipulierbaren Wortmaterial, dem sich mittels Heranziehung anderer Sprachen, übersetzende Interpretation, durch die Techniken metaphorischer, metonymischer und synekdochischer Verschiebungen nebst sprachlichen Neologismenschöpfungen noch Komplexionen, Überlagerungen und dergleichen hinzufügen lassen, die dann wiederum in die Prokustesbetten logischer Kanonisierungen gezwängt und zugerichtet werden, kurz, es lassen sich alle Tricks und Techniken von ‚Züchtern’ anwenden, um Kreuzungen, Hybriden, Spezialisierungen und dergleichen vorzunehmen und dann wiederum ‚das Unbrauchbare’ auszusortieren’, um, wenn man dabei ertappt wird, dreist zu erklären, gerade unter Hinweis auf die Analogien, mit denen es illustriert wird, das das doch schon immer so war und dass das doch alle machen und dass darin eigentlich der ganze Fortschritt, oder jedenfalls die ganze Entwicklung besteht usw.
Vielleicht ist das das eigentlich moderne an der Moderne: Die absolutistische Radikalität, mit der die Bürokratien einen Platonischen Staat mit ganz wenigen Abwandlungen zu REALISIEREN im Begriff sind auf globaler Grundlage, und dies alles mit der ebenso dreisten wie unhaltbaren Behauptung propagandistisch untermalen, es sei die Verwirklichung einer Demokratie, ist nur verständlich aufgrund einer sorglosen Selbstsicherheit, die zu wissen meint, dass ihr die endgültige Unterwerfung des menschlichen Geistes, der die Geschichte erst ausmacht, so wie sie sich darstellt, gelungen sei, indem sie ihn absoluter Kontrolle unterwirft und die Gattungsexemplare durch Drohung, Korruption und Belohnung, eine primitive Psychologie, die den Viehtreiber und den Tierhalter zum Staatslenker erhebt, mittels ihrer eigenen Triebhaftigkeit immer auf dem Weg zum Bahnhof treibt, den sie gerade für den richtigen hält.
Die bisherige Literatur kennt jedenfalls kaum einen schärferen Gegensatz als den von Platonischem Staat und Demokratie, selbst nach dem Selbstverständnis der zeitgenössischen griechischen Polis. All das dümpelt, von verblödeten Verwaltern und Tempeldienern sowie einer im Ritualismus erstarrten Sonnenpriesterschaft administriert und observiert, expliziert und interpretiert, ohne dass noch jemand weiß, was das soll, es sei denn man verstehe darunter die sich selbst als ‚Evolution’ deklarierende Fortschreibung der Monostrukturen der Praxis einer totalitären Menschenverwaltung, der diese Priesterschaft zuzuarbeiten hat, indem sie ihre Aufgabe wahrnimmt, die - bürokratische, rein ‚sachbezogene’, und damit jenseits jedes denkbaren Konzept des Menschen und gar einer condicio humana organisierte vollständige Versklavung der Biomasse Mensch, einem Produkt der Industrien der Förderung und Raffinierung fossiler Brennstoffe und anderer Energieformen mit ihren ‚wissenschaftlichen’ Maßnahmen rituell zu flankieren.
Die sehnsüchtige und verzweifelte Zuneigung zu meiner kleinen blonden Geliebten in jenem Haus auf der anderen Seite des verwunschenen herbstlichen Parks, der alle Selbstverständlichkeit fehlt, ist bei genauem Hinsehen aber im Grund von dem zuvor beschriebenen zu meiner Frau unterschieden: Sie ist ebenso ein Teil von mir wie von ihr, wir sind seelisch nicht voneinander verschieden, unsere Verzweiflung ist eine gemeinsame. Sie stellt sich denn auch sogleich im weiteren Verlauf des Traums dar. Wir beginnen uns zu streiten. Sie beklagt sich darüber, dass sie sich vernachlässigt fühlt. Ich komme zu selten. Ich fehle ihr. Tatsächlich fehlt sie mir ständig. ‚Meine Frau’ fehlt mir nicht. Sie ist ‚immer da’. Meine Geliebte ist ‚immer weg’, sie fehlt mir selbst dann, wenn sie da ist, da ihre Gegenwart das Gefühl nicht aufhebt, sondern intensiviert.
Es kommt alles darauf an, dass man hier nicht der Verwechselung realer, materieller Beziehungen von unterschiedenen körperlich-räumlichen Vorstellungen erliegt, sondern diese vielmehr umgekehrt als lediglich die Substrate, sozusagen die Klebeflächen, auf die die Bilder aufgetragen werden, oder in einer moderneren Analogie, die Bildschirme, auf deren Oberfläche sie erscheinen versteht, so dass es aus dieser Sicht auf die Art dieser Oberflächen gar nicht ankommt, so wenig wie auf die in ihnen realisierte ‚Technologie’, immer im metaphorischen Sinn verstanden. Also so wie es zum Beispiel nicht darauf ankommt, ob der Bildschirm, auf dem ein bewegtes Bild zu sehen ist, ein Flachbildschirm mit Flüssigkeitskristallen ist oder eine Kathodenstrahlröhre, so wenig kommt es zunächst, und nur für die begrenzte Reichweite des Gemeinten auf die unter der Oberfläche der den Traum bebildernden Körper an. Diese repräsentieren ohnehin nur die ‚dramatis personae’, in die sich der Traum, um überhaupt zur Darstellung kommen zu können, auseinanderlegt. Der Gedanke muss in Vorstellungen übergehen können, die er nur der durch die Sinne vermittelten Wahrnehmungswelt entnehmen kann, um die Form einer visuellen Vision, eben die des Traums annehmen zu können.
Es ist etwas anderes, besonders was die Folgen betrifft, wenn Menschen diese Phantasmen auf reale Personen ‚übertragen’ derart, dass, was sich im Traum als ein Auseinanderlegen der verschiedenen Aspekte einer komplexen inneren Wahrnehmung in die ‚dramatis personae’ einer an Analogien der Wahrnehmungswelt – die vereinfacht gesagt eben zunächst die gewöhnliche Lebensumwelt, eine mehr oder weniger als ‚Kulturwelt’ auch sprachlich strukturierte Welt eines Menschen ist, also eine durch Bedeutungen konstituierte Welt ist, so wie sei Gedächtnis und seine Erinnerung sie aufbewahren, abbilden – sich bildenden und zur Darstellung bringenden Abbildes dieser Komplexion auseinanderlegt, in der alltäglichen lebensweltlichen Umgebung sich passende Erfüllungen dieser Phantasmen sucht und damit diese Umgebung strukturiert, in einer Weise, dass dabei zunächst ganz selbstverständlich die ja bei verschiedenen Personen in je individuell verschiedener, aber grundsätzlich, gattungsspezifisch mindestens auch gleicher Art und Weise ausgebildeten Verhältnisse der inneren Komplexionen in die Lebenswelt ausgreifen um sich dort die Erfüllungen zu suchen, die diesen Komplexionen und Dispositionen, hier denen des Gefühlslebens und der sozialen Beziehungen, passende Realität und die Evidenz des ‚Richtigen’ zu verleihen.
Die Differenz zwischen ‚glücklicher’, erfüllter, als solcher auf Grund der inneren Einheit der Seele und spannungsfreien Synthese in diesem Aspekt gar nicht mehr bemerkten und der unglücklichen, von einer nicht durch Erfüllung in einem Sinne, der sich nach Art einer ‚Sättigung’, also nach der primitiven Analogie des Essens, der Einverleibung etc. missverstehen kann, nicht zu stillenden Sehnsucht, ergibt sich daraus dann in einer Verwechselung einer vermeintlichen Realität, in der deren Material einerseits missverstanden wird als der Inbegriff des Realen – der platteste Irrtum, den man sich hier unter dem Aspekt des Wissens meint leisten zu können – mit der tatsächlichen Realität der inneren Wahrnehmung, die sich als Traum ganz unabhängig davon darstellt, und ihrerseits nur den Traumgedanken unter Zuhilfenahme von Material aus der Wahrnehmungsumwelt des Lebensalltags darstellt.
Die unglückliche und die glückliche, selbstverständliche Liebe haben also dieselben inneren Quellen gemeinsam, sie legen sich nur in unterschiedliche soziale Realitäten auseinander. Die Geliebte ist zornig darauf, gegenüber meiner Frau benachteiligt und zurückgesetzt zu sein. Sie erscheint, wütend in demselben Kleid wie meine Frau und stellt dadurch stillschweigend klar, dass sie ‚den Platz’ ‚meiner Frau’ einzunehmen wünscht. Dies umso mehr als ich diese Liebe verheimliche und hier liegt der das Traum-Ich betreffende Teil der sich darin dramatisch darstellenden und sich so abbildenden Spannung. Denn hier beklagt sich ein Teil des Traum-Ich bei dem gewissermaßen nur als solchen, nämlich als der Adressat des Vorwurfs der Verheimlichung einer Liebe, die sich damit als illegitim erst konstituiert.
Das ist genau zu sehen, sonst erliegt man den im Traum für die ‚Formulierung’ des Vorwurfs geltend gemachten ‚sozialen’ Begründungen, die es dann als selbstverständlich erscheinen lassen, dass man sich diesen anschließt und beim Erwachen meint, nun ja, es sei ja auch nicht sozial erlaubt und mithin mindestens im moralischen Sinn zu verurteilen, wenn ein Mann einerseits eine Frau hat, mit der er eine ganz normal erscheinende Ehe führt, und sich heimlich eine Geliebte hält, die ihm zudem obendrein intellektuell nicht ebenbürtig und für seine soziale Reputation als Partnerin nicht angemessen und gesellschaftlich integrierbar wäre, was man ja an ihrem Mangel an Intelligenz schon sehen könnte und an ihrer Zanksucht etc.
Denn der Traum stellt jenes als ‚Mann’ fungierende Ich, das oben beschrieben wurde, jenen amerikanischen Kinohelden, als dessen eines Alias sich schon Clark Kent angeboten hatte, der ja immer von der misstrauischen und ambivalenten, aber im Grunde doch etwas beschränkten und leicht über das Doppelleben des Helden zu täuschenden potentiellen Geliebten, die indessen nur auf die Ehe mit dem erkannten Helden scharf ist, und nicht auf die lahme Lusche Clark Kent, in dem sie indessen ständig eine ihr irgendwie vorschwebende andere Möglichkeit, eben ‚ihren Superman’ als Phantasma deponiert, dem der Büroclerc Kent in keiner Weise entspricht – dem alles durchdringenden Scharfblick der X-ray-vision von Superman entspricht die von dem Autor dagegen gesetzte Organminderwertigkeit des Sehvermögens von Clark Kent usw. – der Traum also stellt jenes Traum-Ich als den schuldigen Verheimlicher seiner Liebe dar und bietet auch die Verführung, die Irreführung an, es müsse sich, weil es mit Sehnsucht zu tun hat, und weil es ‚die Geliebte’ ist, in der dafür gewöhnlich gebrauchten, gegen die Frau in Stellung gebrachten Bezeichnung, um die ‚wahre’ im Gegensatz gegen die dagegen abfallende ‚unwahre’ handeln, die richtige, erst – zu spät – gefundene, auf einer unwiderleglichen Evidenz beruhende Liebe, der gegenüber die als bloße blinde Routinehandlung aufgrund von Langeweile, sozialen Automatismen, oder „they just get married `cause there’s nothing else to do“ (Rolling Stones, Sitting on a Fence.
Man kann sehen wie hinterhältig und falsch der Songtext ist, und worauf diese ‚Botschaften’ den mit ihnen assoziierten Sinn, das vermeintlich Schlagende ihrer momentanen Evidenz zu gründen vermögen. Das ist das Verantwortungslose an diesen Heroen der Popkultur und an diesen Komödiendichtern und postfaschistischen Führern des Proletariats. Ihre Lächerlichkeit als subchaplineske Kreaturen verbirgt sich hinter den von ihrem Blödsinn lediglich ausgeplauderten Massenevidenzen, in denen sich empirisch der Seelenzustand dieser Massen als der von Abhängigen und infantilen Kleinkindseelen ganz offen nicht nur darstellt, sondern aus der Form der unmittelbaren Politik in die Form der mittelbaren, entschärften, ins ‚Ästhetische’ abgedrängten Politik der Ästhetisierung des Lebens und des Suballtags als eine Form des lukrativen Business um, der diese Abhängigkeiten brutal und zynisch für persönliche ‚Karrieren’ und Profite nutzt. Es ist in diesem Kontext von Bedeutung, dass der ‚Faschismus’ in der älteren Literatur u. a. als ‚Ästhetisierung des Alltags’ qualifiziert worden ist. Ich will das hier nicht weiter traktieren.)
Die deshalb nicht weniger sehnsüchtig geliebte Geliebte streitet mit dem Traum-Ich in dem romantischen Wäldchen also um den ihr zustehenden, von ihr jedenfalls gewünschten und offenbar ihrerseits ersehnten Platz der Ehefrau. Das bedeutet aber aus der Sicht der Dynamik des Traums, der in seiner Darstellung verborgenen Kräfte und Spannungen, nichts anderes als den Wunsch des übergreifenden Ich, das im Traum noch hinter der ‚Ebene’ des Traumbeobachters zu denken ist, also die dritte Form des Ich und zugleich dessen übergreifende integrierende Instanz darstellt gegenüber den 1) ‚dramatis personae’, die Momente des Traum-Ich repräsentieren, 2) dem Traumbeobachter, also derjenigen Instanz, die der Darstellung als deren Zuschauer und unmittelbarer Adressat beiwohnt, 3) dem unmittelbar im Traum als ‚Ich’ angesprochenen Mitspieler im Ensemble, denen man als 0) noch den Schauplatz selbst, der ja auch das Ich ist, hinzufügen muss. (Er fällt mir einfach hier jetzt zuletzt ein.) Systematisch ist es der ‚Boden’ der Darstellung des Traums, nicht dessen Boden. Das ist der Traumgedanke.
Während ‚meine Frau’ im Hintergrund schweigend ohne scheinbar ohne das sie das Geschehen in dem romantischen Wäldchen in ihren Beschäftigungen berührt, ihren Tätigkeiten nachgeht, in dem beschriebenen Festkleid, und meine Geliebte in demselben Kleid auftritt um ‚mit mir’ zu streiten darüber, dass die gegenüber meiner Frau zurückgesetzt ist, und das Ende dieses Zustands wünscht, also die Überführung der sehnsüchtigen Liebe und der gefühlten unstillbaren Entbehrung, der unaufgelösten seelischen Anspannung – die eigentlich einer ängstlich gespannten Erwartung entspricht – in den spannungsfreien Zustand der seelischen Einheit, wünscht sie also das Ende der Liebe ebenso wie ihre endgültige Erfüllung. Und sie verspricht sich das von einer Aufhebung zunächst der Heimlichkeit des Verhältnisses. Ich – bei der Niederschrift jetzt - erinnere mich daran, dass ‚ich’ - in dem Traum - sie zuvor in einer Art von Seminar, das ich im Kontext meiner Aufgabenbewältigung hielt, sie auf irgend eine Weise ermahnte oder anwies, die mir auf peinliche Weise die Notwendigkeit dies tun zu müssen vor Augen führte, und mir mit ihrem Status als Partnerin nicht ganz vereinbar schien, so als müsse sie gelenkt und auf etwas hingewiesen werden, was ihr von selbst hätte einfallen müssen, und dass sie das auch gekränkt haben muss.
Jedenfalls erklärt sie mir laut weinend, ich müsse doch verstehen – das ist das einzige Gesprochene in dem Traum – dass sie ‚aufsteigen’ wolle, so als hätte ich ihr vorgeworfen, sie wolle mit der Umwandlung der ‚Liebesbeziehung’ in eine ‚Ehe’ ihren sozialen Status verbessern und das Verhältnis zu diesem ‚Aufstieg’ nutzen, also als habe ich ihr den Vorwurf der Verfolgung eines strategischen Kalküls gemacht, zu dessen Realisierung sie ‚mich’ zu nutzen bzw. zu nötigen gedenkt unter Ausnutzung meiner ‚Liebe’ zu ihr.
Es ist nun Mehreres zu bedenken. Zunächst fällt wieder auf, dass hier ‚soziale’ Argumente ganz unschuldig in den Traum eindringen und aus dem Munde der Traumantagonistin kommen. Zugleich greift das ‚Argument’ in ebensolche sozialen Regeln ein, die ihre ganz unschuldige Evidenz zu haben scheinen.
Man muss aber bedenken, dass eine etwas andere kulturelle Umgebung solche Spannungen in dieser Form wenigstens nicht kennt. In einer kulturellen Umgebung mit Polygamie wäre die soziale Form der Bezugnahme nicht in derselben Weise spannungsgeladen. Andererseits bilden diese kulturellen Rahmenbedingungen für menschliche Beziehungen immer auch einen Aspekt des Ichs, oder des Über-Ichs, das das Ich beschuldigt, ermahnt usw. Das ist als Prinzip unabhängig von den jeweiligen kulturellen Rahmenbedingungen, mit denen sich der Wunsch auseinanderzusetzen hat, der auf Realisierung drängt über die ‚kulturellen Gatter’ hinweg oder zwischen ihnen hindurch. Außerdem gehen die Beschuldigungen oder Beschämungen gewissermaßen frei oszillierend hin und her zwischen den beiden Akteuren. ‚Meine Frau’ ist in dem Traum als gänzlich indifferente Figur im Hintergrund präsent, die ihren Beschäftigungen unbeirrt nachgeht. Lediglich eine gewisse Fixierung der Aspekte von Schuld und Scham ließe sich vielleicht dingfest machen. Aber das sind bestenfalls Nuancen.
Was also bleibt ist der Wunsch nach Auflösung der seelischen Spannung in den als ‚Ehealltag’ erscheinenden Hintergrund einerseits, den die Akteurin darstellt, und den Widerstand des Akteurs dagegen, der das für nicht vereinbar mit seinem sozialen und beruflichen Status, dem Charakter der deshalb nicht weniger sehnsüchtig Geliebten und dem Umstand hält, dass er bereits in einer Ehe lebt mit einer Partnerin, die dies alles nicht zu berühren können scheint, was als ebenso beruhigend wie beunruhigend erscheinen kann, je nachdem, aus welcher Perspektive man das betrachtet, also je nachdem, welche Partei seines zwischen den verschiedenen, miteinander konkurrierenden Wünschen hin und her schwankenden Ich der Traumbeobachter einnimmt.
Es ist evident, dass dies alles besonders bei der Niederschrift geradezu Klischees der Filmindustrie derart bemüht, dass es den ironischen Kommentar geradezu herausfordert. Es ist dabei nur zu bedenken, dass auch dies eine Haltung des Ich ist, das sich von der Vorführung zu distanzieren wünscht. Hier würde dann also ein Wunsch des Ich von dem Teil des seelischen Lebens manifest und zum Ausdruck, das sich durch den Traum seinerseits von dieser dem Wachbewusstsein wohl eigentümlichen Distanzierungstechnik erfolgreich entgegen gesetzt hat, die bereits in dem Unterschied des wachen, des Verstandeslebens von dem des Traums zu sehen ist, noch unterhalb den pathologisch bedeutsamen Formen der Indifferenz, der betonten Gleichgültigkeit, der ‚Ironie’, des Sarkasmus, des Spotts, Hohns und des Zynismus und den unzähligen intellektuellen Mischformen, die sich zu teils respektablen Repräsentationen und kultureller Bedeutsamkeit emporgearbeitet haben. Aber warum drängt sich dann der ironische Kommentar – angesichts der Häufung der Klischees – so auf, die zugleich so unverkennbar auf die bekannten Lösungen verweisen, die man dafür in der von Hollywood projizierten ‚alltäglichen Normalwelt’ durchgespielt hat und die tatsächlich mehr oder weniger identisch von unzähligen Menschen täglich übernommen und als Lösungen akzeptiert werden, und zwar so, dass dabei sogar auf eine gewisse ‚Erfolgsquote’ verwiesen werden kann, die die Sozialarbeit und die Therapeutik gern als Grundlage und Output auch ihrer wissenschaftlichen und praktischen Leistungen in Anspruch nehmen, und sei es bloß um darauf zu verweisen?
An dieser Stelle präsentiert der Traum den verzweifelten Protagonisten die Darstellung der Situation einer ausweglosen Unlösbarkeit ihrer ‚Probleme’. Es scheinen soziale, kulturelle Gegebenheiten vielfältiger Art zu sein, die einer Lösung entgegenstehen. Der Wunsch der Antagonistin nach dem Ende der von ihr beklagten Zurücksetzung scheint evident. Die bemerkliche Scham des Protagonisten, der seine Geliebte einerseits nicht als ganz gleichwertig akzeptieren zu können meint, ohne sie andererseits weniger zu lieben, scheint bei genauem Hinsehen eher darauf zu beruhen, dass ‚er’ diese ‚Liebe’ so wie sie ist, als sehnsuchtsvoller Zustand unaufgelöster Spannung, der im Zwischenraum des romantischen Wäldchens verharrt in Sehnsucht nach der Erfüllung des Lebens in dem kleinen Haus, dessen Dach dieselbe Farbe hat wie die Mohnblüten auf dem Kleid ‚seiner Frau’ und der Geliebten, die in demselben Kleid wie die Frau erscheint und damit ‚Peinlichkeiten’ heraufzubeschwören scheint, wie man sie aus der Klatschpresse zu kennen meint, so dass ‚schon deshalb’ ausgeschlossen werden muss, oder jedenfalls auch deshalb, was zugleich so sehnlichst gewünscht wird, wie diese ganze Liebe doch schon selbst ist, so dass hier einer unerfüllt konservierten Sehnsucht und dem Wunsch, dass es so bleiben möge, eine andere entgegensteht, die ebenso sehnlichst die Auflösung dieser Sehnsucht in den Hintergrund der spannungslos erlebbaren Einheit wünscht, die beiden Protagonisten zugleich durch die schon vorhandene ‚Ehefrau’ in dem dunklen Mohnblumenkleid repräsentiert, also als schon problemlos existierend, und als der erst wieder oder überhaupt erst herzustellende Zustand erscheint, also zugleich als Zukunft und als Vergangenheit. Deutet das Grelle, die Überbelichtung der Klischees vielleicht darauf hin, dass hier auch ein ‚Bewusstsein’ davon mit zur Darstellung kommt, das nicht das wache Ich oder Selbst etwa dazu auffordert, sich von den durch den Traum zur Darstellung kommenden Inhalten, dem Traumgedanken, sondern von den Wahrnehmungsklischees zu distanzieren, die für die Darstellung genutzt werden und ist es nicht wenigstens insofern ein wesentliches Moment des Traumgedankens, der sich gerade auf diese Weise darstellt, in der Form nämlich jenes Kompromisses, der darin besteht, dass dem Wachbewusstsein die Möglichkeit offen gehalten wird, nach dem ‚Strohhalm’ zu greifen und sich mit der Darstellung zugleich von dem Traumgedanken zu distanzieren, durch die ironische Entwertung des Traumes.
Das wäre indessen nicht ganz vollständig, insofern der Traum eine ausweglose, verzweifelte Konstellation konfiguriert, in der Schuld und Scham zum Unglück von Menschen führt, die sich lieben. Denn gerade auch wenn man die anscheinend unbeirrbare ‚Ehefrau’ im Hintergrund als nicht ganz indifferent, als Teil der Bühne, wenn man so will, betrachten will, so ergibt sich dann eben auch das Bild, dass sie einerseits das mit Mohnblumen geschmückte Kleid der Geliebten trägt – es gibt ja im Traum kein copyright – und andererseits eben auch einen, wenn auch stummen Vorwurf repräsentiert, also die Umstände, dass sie geliebt wird und zugleich verletzt ist, so wie die Geliebte sich verletzt fühlt und der Protagonist durch die Vorwürfe, die ihm das Über-Ich in der Maske der Geliebten so gut wie in der Form der Stummheit der Ehefrau und dem Selbstvorwurf der in der Reflexion erkannten Entwertung der Geliebten durch die Heimlichkeit des Verhältnisses, die sozial abwertende ‚Einschätzung’ der Geliebten, und ebenso durch seine verlogene Verheimlichung der Geliebten gegenüber der Ehefrau macht, seinerseits schwerstens verletzt wird.
Es handelt sich also um eine keineswegs unter Hinweis auf die dramatische Nutzung von Wahrnehmungsklischees aus der Reflexionskultur (des Kinos) durch Distanzierung wegzuschaffende zur Ausweglosigkeit konfigurierten Problematik von Scham und Schuld im Kontext von menschlichen Verhältnissen überhaupt, die im Gesamtkontext des Versuchs der Verwirklichung des Traums von einer, des Wunsches nach der Möglichkeit der Verwirklichung der Liebe unter den Bedingungen menschlicher Verhältnisse dieser derart entgegenstehen, dass ihr Scheitern, das wenigstens vorläufige Ende in einer Sackgasse konstatiert ist. Auch das ist Teil des Traumgedankens, der sich gegen die auf Funktionstüchtigkeit angelegten Bewältigungstechniken des Wachlebens und des Alltagsselbstverständnisses zur Geltung bringt. Daher gelingt dann auch am Ende nicht die Erfüllung der Funktion des Traums: Der Schläfer, der Träumer erwacht und – erinnert dadurch den in eine Niederschrift umwandelbaren Traum. Aber noch ist er nicht zu Ende.
Denn der Traum bricht an dieser Stelle noch nicht – mit dem Übergang in das Erwachen und die Möglichkeit des bewussten Erlebens der ihm unterliegenden, ihn mit anregenden und erzeugenden wie gestaltenden Gefühle und Empfindungen oder Reflexionen - ab, sondern geht scheinbar übergangslos in die anfangs beschriebene Situation über, einen zweiten, eine Art von Rahmentraum, wie sich jetzt zeigt, der den eben betrachteten ummantelt und einschachtelt. Ich befinde mich plötzlich wieder auf dem Platz, an dem ich mich vor ein paar Stunden, wie ich meine, versammelt habe und von dem ich mich mit dem freundlich und zugewandt zustimmenden Kopfnicken des Feldwebels, der sie militärische Friedensübung leitet, entfernt habe um noch schnell etwas zu erledigen. Alles ist wieder deutsch, prosaisch, Kartoffelalltag, Gemütlichkeit, Tambourmajore, Wirtshauskumpane, Jovialität, Trivialiäten, gutmütiges Schulterklopfen und die Ausübung der unbefragten Routinepflichten des Untertanen. Ich befinde mich in einer großen Lagerhalle.
Es kann sich um einen Baumarkt handeln. Ich weiß nicht, was das mit unserem Übungsauftrag zu tun hat, aber es ist auch der Platz, den ich verlassen hatte, und man hat mir gesagt, dass ich die Kollegen dort finde. Ich irre zwischen hoch aufgestapelten Materialien und hohen Regalen herum, Manches scheint mir bedenklich prekär aufgestellt, aber das ist eigentlich nicht meine Sache, ich versuche mich in einer mir nicht weiter erklärlichen Verlegenheit eher wie ein Begutachter zu verhalten, ohne das ich dazu einen Auftrag hätte. Das ist also ganz unangemessen, und sich erkenne am Rande meines Bewusstseins, dass das ein Versuch ist, das Gefühl der Nichtigkeit und des Verschuldens zu bewältigen, das mit das Gefühl gibt, zu schrumpfen. In der Tat fürchte ich, dass mich umfallendes Material erschlagen oder ich eingeklemmt werden könnte zwischen den Regalen, weil etwas unvorhersehbar verrutscht. Irgendwo sehe ich schließlich Menschen und ich erkenne endlich einen Trupp von Leuten, unter denen ich auch das runde Gesicht des Feldwebels herausfinde. Ich gehe also auf ihn zu und mache Meldung, indem ich den Leib etwas straffe und die Hand an die graue Feldmütze lege. Ich bin wieder der Woyzek Georg Büchners, der Hesse, der nach Amerika verkauft worden ist, an die Engländer, dieser Untertan, Landeskind aus ‚Kabale und Liebe’ Schillers, eine graue Maus unter grauen Mäusen, ein kleines nebensächliches Quentchen deutscher Nachkriegs-Biomasse.
Die Augen des Feldwebels werden groß und rund, eine Mischung aus Erstaunen und mitleidiger Entrüstung milder Art, wie man sie gegenüber Menschen einnehmen mag, die man nicht ganz ernst zu nehmen sich angewöhnt hat, um seine Nerven zu schonen. Die Truppe, die bisher die Augen auf den Feldwebel gerichtet und mit den Rücken zugewandt hatte, erkennt etwas in diesen Augen und folgt seinem Blick. Auch Helmut Kohl wendet sich zu mir um und ich sehe seinen zwischen Empörung und Entrüstung sowie Verachtung um Indifferenz ringenden Blick. Dann fragt mich der Feldwebel: „Wo kommen Sie denn jetzt her?“, während die anderen beginnen eine kaum verhohlene, aber nicht bösartige Belustigung zu zeigen und meine Irritation zu genießen. Ich versuche offenbar zu erklären, dass ich doch wie vereinbart kurz weggegangen war um etwas noch schnell zu erledigen, aber der Feldwebel, der offenbar keine Information braucht, sondern der Meinung zu sein scheint, dass eher ich eine brauche, unterbricht mich ohne Ungeduld und auch ohne Schärfe und sagt: „Mensch, Sie waren sechs Tage lang weg!“ Damit endet der Traum.

Dreissigster Traum:

Traum am Morgen des Montag, 6. März 2006

Ich befinde mich in der Straßenbahn in einer Großstadt, mitten am Tage, und sitze auf dem gangseitigen Sitz neben einer dich vermummten Gestalt, in der ich eine offenbar obdachlose alte Frau zu erkennen meine. Sie ist sehr viel kleiner als ich und scheint in sich zusammengekrümmt, wie geduckt in ihrer Haltung, nach Art der ‚alten Hexe’ im Märchen von Hänsel und Gretel. Ich kann eigentlich gar nichts rechtes erkennen, denn sie ist in einen alten Mantel aus dickem grauem Wollstoff gehüllt, unter dem sie noch weitere Kleidungsstücke tragen muss, weil sie ganz unförmig aussieht, eher tonnenförmig, trotz ihrer geringen Größe. Ihr Kopf ist in ein mehrfach gewickeltes graues Tuch gehüllt, dessen Enden sich unter dem Mantelkragen verlieren. Bei einem flüchtigen Blick zur Seite – ich will nicht aufdringlich sein, kann ich gerade so erkennen – sie versucht meinem Blick erst gar nicht zu begegnen, so dass sie ihm nicht ausweichen muss – meine ich sehen zu können, dass sie unter dem Tuch noch eine graue Wollmütze trägt, die tief in die Stirn gezogen ist, bis knapp über die Augenbrauen, die ebenfalls verdeckt sind, während das Tuch, das sie darüber gezogen trägt, nach vorn auch über das Gesicht reicht und Mund und Nase verdeckt, so dass eigentlich nur ihre Augen sichtbar sein können.
Es ist nicht so, dass wir ins Gespräch kämen. Ich habe offenbar einfach beschlossen, mich ihrer anzunehmen, und lege meinen Arm um ihre Schultern, eine Handlung, die sie ohne Kommentar oder offensichtliche Reaktion hinnimmt, so dass man auch nicht davon sprechen könnte, dass sie sie akzeptiert. Es scheint aber ein – im Traum ja aus bekannten Gründen, weil nämlich, insofern alle ‚Personen’ mit dem Traumbeobachter und der Traumumgebung eins sind, wie sonst nur im Mythos die Welt eins ist mit dem Menschen, alle ja in Wahrheit miteinander leben, einfach deshalb, weil jeder wirklich die Gedanken und Gefühle jedes anderen kennt und sogar die Blumen und die Felsen eine Sprache sprechen. Die Welt ist eine zu dem Träumenden sprechende Metapher, einfach deshalb, weil sie die Welt des Träumenden ist, die ihm zugleich etwas mitteilt, was er schon weiß, auch wenn er, erwacht, meinen möchte, dass es anders sein möge. Man kann die Welt des Träumenden auch als Teil eines Dialogs zwischen einem in ihr sich darstellenden unsichtbaren Regisseur und dem Zuschauer betrachten.
Aber auch dann gilt dasselbe: Sie stellt dar, was sich beide nur gegenseitig mitteilen können, weil sie es schon wissen. – Einverständnis zwischen ihr und mir zu geben, das eine ausdrückliche Bestätigung oder eine Nachfrage überflüssig macht. Dieses Leben aller Beteiligten hat aber offensichtlich auch noch unangenehme Seiten. Ein paar Bänke vor mir sitzt ein Mann, in dem ich einen jüngeren deutschen Fernsehschauspieler erkenne, mit geölt wirkendem schwarzen Haar und einem hellen Bubengesicht mit einem kantigen Kinn, das recht männlich wirkt, wie Männer! in Parfumwerbungen und Modehauskatalogen. Dieser Mann nun beginnt sich darüber aufzuhalten, was ich da tue, und scheint mich seinerseits ebenfalls recht gut zu kennen, denn er erklärt recht laut und mit erhobener Stimme, die gewissermaßen ‚Skandal’ ruft, ich sei schließlich bereits verheiratet und hätte Kinder, um die ich mich doch eher zu kümmern hätte als mich hier auf diese – offenbar ganz skandalöse Weise aufzuführen. Ich meinerseits finde das nun zwar peinlich, aber es ändert nichts an meinem Tun und Vorhaben, und ich erkläre dem mir jetzt nicht mehr sehr sympathischen, aber trotzdem weiterhin ganz hübsch erscheinenden jungen Mann das auch.
Die Szene ist abrupt beendet. Das vermummte Wesen, das mich stumm begleitet hat, und ich sind in einer recht großen Stadtwohnung angekommen, mit hohen, und großen, vom Tageslicht durch große Fenster lichterfüllten Räumen mit Stuckverzierungen an den Decken um die Lampe und in den Winkeln, Wohnungen, wie man sie als Beispiele neu arrivierter Unternehmerschaft im Kontext von Reklamen für Notebooks und Laptops gelegentlich gesehen zu haben meint, und das ist offenbar meine eigene Wohnung. In einem ansonsten gänzlich leeren Raum, den von wenigstens einem großen Nebenraum durch eine hölzerne, weiß lackierte Flügeltür getrennt ist, führe ich die vermummte Gestalt zu einem großen, aus einem hohen Schaumstoffsockel bestehenden Lager oder Bett. Da ich vermute, dass sie müde sein muss, habe ich offenbar beschlossen, sie erst einmal ausschlafen zu lassen. Ich bedeute ihr, dass sie einige der Kleidungsstücke ablegen soll, die sich nicht anhaben muss, weil das Lager eine große Decke hat, die sie genügend warm halten dürfte, und beginne, ihr dabei zu helfen, die Kleidungsstücke abzulegen.
Es stellt sich heraus, dass sie in unzählige Schichten solcher Kleidungsstücke eingehüllt ist, die sie alle übereinander angezogen über dem Körper trägt. So wird sie langsam noch etwas kleiner, während ich ihr aus einem der Kleidungsstücke nach dem anderen helfe, und immer dünner. Die tonnenförmige kleine gekrümmt wirkende Gestalt der ‚alten Hexe’ verwandelt sich allmählich in die schlanke Gestalt eines Mädchens von kaum mehr als neun oder zehn Jahren. Jetzt kommt mir auch ihr Schweigen erklärlich vor, obwohl mein ‚Irrtum’ mir Rätsel aufzugeben scheint – die sich freilich auflösen, wenn man bedenkt, was ich oben gerade feststellte, dass im Traum alle immer alles voneinander wissen, weil die Welt die des Träumers selbst ist. – Ich ziehe ihr endlich endlos Schichten von Strumpfhosen und dann noch Socken über Socken von den Füßen, etwas, was sie allerdings kaum mehr zu interessieren scheint, denn sie schient der Meinung zu sein, nun genug Kleidungsstücke ausgezogen zu haben, und beginnt sich einfach auf dem Bett zusammenzurollen, während ich noch damit beschäftigt bin, sie soweit zu entkleiden, dass ihre Bewegungsfreiheit nicht behindert ist und sie bis auf die Unterkleidung entkleidet ist. Es scheint sie auch nicht zu interessieren, sich unter die Decke zu legen, sondern sie versucht sich einfach auf eine Seite zu legen und zu schlafen.
Ich kenne diese ganze Prozedur aus der Erfahrung mit meinen Töchtern, wenn sie einfach irgendwo eingeschlafen waren und ich sie zu Bett brachte. Was erstaunlich ist, ist die unerwartete Verwandlung der alten Hexe in ein Mädchen, das sehr liebenswert erscheint. Als ich die endlose Arbeit des Ausziehens von dicken bunten Wollsocken einen Augenblick unterbreche, um die Decke, auf der sie einzuschlafen schon im Begriff ist, unter ihr herauszuziehen, damit ich sie damit bedecken kann, gleitet sie schläfrig auf den Boden und legt sich in kurzer Entfernung von dem Lager auf einige auf dem Boden liegende dicke Decken und Kissen und schläft ein. Das ist nicht im Sinne meines Plans und zu meiner Überraschung ist auch plötzlich ein großer Hund mit glattem Fell wie aus dem Nichts erschienen vorhanden und rollt sich ganz ähnlich und mit kommentarloser Selbstverständlichkeit auf einem dicken ovalen roten Kissen zusammen und schließt die Augen.
Ich kann mir gar nicht erklären, woher die Hund kommt und überlege noch, ob ich das Mädchen nicht doch auf das Lager heben soll, gebe den Gedanken dann aber auf und begnüge mich damit, mich davon zu überzeugen, dass wir nun endlich bei der auf der Haut getragenen letzten Schicht der Unterkleidung angelangt sind. Nachdem ich noch einen Blick auf die schlanke, sehr gefällige Gestalt geworfen habe, die in nichts mehr der tonnenförmigen buckligen Gestalt der ‚alten Hexe’ gleicht, sondern ein reizendes kleines Ding zu sehen gibt, decke ich sie zufrieden mit der von meinem Lager herunter gezogenen Decke zu.
Damit endet der Traum und ich erwache noch mit der empfundenen Verwunderung und Freude über diesen überraschenden Fund.

Assoziationen zu dem Traum:

In den Traum geht eine Begegnung mit einer jungen heroinsüchtigen Frau im vergangenen Jahr an der nahen Kirche ein, die sich dort mit herunter gelassener Oberbekleidung eine Dosis Heroin spritzte als ich vorbeiging, ohne dass sich irgend jemand darum kümmerte. Im Verlauf des Gesprächs, das sich entwickelte, und dauerte bis sie mit ihrer Handlung zu Ende kam und ging nahm ich sie einmal spontan in den Arm als sie mir immer wieder erzählte, dass sie nie jemand in den Arm genommen habe, und die weinte einen Augenblick ohne einen Laut von sich zu geben, bevor wir wieder auseinander gingen. Es ist aber auch der Vorwurf darin enthalten, dass ich das kleine traurige Mädchen, das ich immer auf einem frühen Foto von meiner Mutter erkannt hatte, die auf einem Stuhl stehend in einem oberhalb des Knies endenden Stoffkleides mit Stickereien und Spitzeneinlagen fotografiert worden sein muss um etwa 1915 – 16, also im ersten Krieg bereits, aber noch im Ambiente einer von der Ausstattung her intakt wirkenden bürgerlichen Welt, von mir gestoßen habe, als es mir vertraute, weil sie mich in einem Kinderheim abgegeben hatte inmitten eines anderen Krieges, in dem ich geboren worden bin, und als sie schon eine alte, taube und halbblinde Frau war.
Es tut mir so leid, dass ich diesen Hass, diese Trauer, die sie mir mitgab, derart an ihr ausagierte, dass ich ihn auf sie zurückwandte, obwohl sie so unschuldig war wie ich es vielleicht gar nicht bin. Es tut mir leid, unendlich leid. Ich habe die von ihren Eltern gegen meine Mutter erhobenen Vorwürfe ‚wegen ihres Lebenswandels’, das betraf ihre psychosexuellen menschlichen Gegebenheiten, schließlich deshalb übernommen, weil sie der Grund waren, warum man auch uns, meine Geschwister und mich, verfemt und isoliert hat, nach dem Motto der Gemütlichkeit von Schlächtern: Mitgefangen, mitgehangen. Als – vaterlose – Kinder meiner Mutter, die in ihr Elternhaus unter Kriegsbedingungen zurückgekehrt war, und dort in die alten Abhängigkeiten geriet, vor denen sie ihr Mann, denn sie vergeblich beschwor, dies zu tun, nicht bewahrte, obwohl er wusste, dass er vermutlich den Krieg nicht überleben würde aufgrund seiner ‚Krankheit’ (Verstrahlung und Tuberkulose, als Facharzt für Röntgenologie und Lungenkrankheiten), und aufgrund eines kleinlichen Egoismus, der im Widerspruch stand zu seiner Aufgabe als Vater und Ehemann waren wir dem Terror hilflos ausgeliefert, der das Verhältnis der ‚Erwachsenen’ in diesem Elternhaus meiner Mutter, und vor alle die Todfeindschaft zwischen ihr und ihrem um drei Jahre jüngeren Bruder vergiftete, an dessen Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft meine Mutter verzweifelte. Ihre Versuche, sich erneut zu orientieren und einen Partner zu finden wurden von einer puritanisch eingestellten Umgebung teils sabotiert, teils auf die unflätigste Art und Weise kommentiert und verurteilt, so dass sie schließlich durchweg scheiterten.
Manche Partner, die sich – und auch uns Kindern anboten als Vater – erschienen meiner Mutter nicht akzeptierbar, so dass die wieder verschwanden, und alles lief dann in dem immer seltener werdenden vorübergehenden Erscheinen eines jener zweifelhaften ‚Onkel’ aus, die ich endlich glühend zu Hassen begann und deren Tod ich wünschte, weniger um meine Mutter für mich zu haben – das ist unter diesen Umständen ein Mythos, der bestenfalls sehr viel ältere Schichten des dyadischen Mutter-Kind-Verhältnisses betrifft. Hier liegen die Dinge schon viel komplizierter, obwohl alles natürlich einen gemeinsamen Kontext hat.
Aber es ist eine der inkompetenten Plattheiten von Sozialtechnologen, die mal etwas ‚gelernt’ haben aus den Beständen der Psychoanalyse, die man eben deshalb erlernen kann, weil man für die Zwecke des Kompetenzerwerbs nur noch die Fähigkeit, eine Lektüre behalten zu können, nachzuweisen hat, und dementsprechend sind die Dinge dann, überhaupt sind es DINGE. Da denkt nichts mehr. – als weil sie sich kompromittierte, was einen ungeheuren Hass auf sie auslöste, weil sie uns in ihre gedankenlosen und blödsinnigen Abhängigkeiten, die endlich auf die platte Bedürfnisbefriedigung in sexueller Hinsicht zusammenschrumpften mit hineinriss, während wir langsam zu den Urteilen unserer sozialen Umgebung heranreiften, dass sie sich einer wahllos werdenden sozialen Verwahrlosung überließ und durch das Ausleben einer wahllos werdenden Triebhaftigkeit nicht mehr durch soziale Rücksichten zurückgehalten wurde, die sie lauthals abschüttelte als Merkmale verlogene und erkennbar vor ihren Augen gescheiterte Normen einer gebrochenen kulturellen Tradition, die ihr zudem die Ausbildung, die sie sich gewünscht hatte, aufgrund ihres Geschlechts verweigert hatte, eine Verweigerung, die zudem von ihrer Mutter ausgegangen war, die selbst keinerlei Bildung erfahren hatte entsprechend den Üblichkeiten der Zeit, und ihren Mann, einen promovierten Rechtsanwalt und Notar in drei Reichen, der entsprechend den zeitgenössischen Üblichkeiten im Bürgertum als Altsprachler von seinem eigenen Vater unterwiesen worden war, der als Privatlehrer im neunzehnten Jahrhundert zu Wohlhabenheit gelangt war, indem er die Kinder des Bürgertums Gießens unterrichtete, vor meinen Ohren als ‚der alte Depp’ nannte.
Die Keime des Untergangs liegen hier, in diesen Konstellationen. Sie laufen auf einen durch das Bürgertum an seinen eigenen Nachkommen gegen die anthropologischen Grundlagen von Kultur und menschlichem Leben begangenen Mord hinaus, den Selbstmord einer tragenden gesellschaftlichen Gruppe. Das muss ich noch erläutern, es gibt keine Analyse dieser Zusammenhänge. So richtig das war, so falsch erscheint mir auch jetzt noch, dass sie keinen Gedanken darauf verwendete, welche Folgen dies alles für ihre Kinder haben musste, an deren bloßer Existenz sie im Nachhinein verzweifelte, weil sie ihr als Klotz am Bein, als Hindernisse und als eine Sabotierung der ihr sonst nach dem Tode ihres ihr nun wertlosen und egoistischen und ohne Voraussicht handelnden Mannes möglichen Freiheit erschienen, deren Anblick sie oft nicht ertrug.
Das alles ist Mitursache meines Hasses, der auf den Tag seiner Rache wartete und dann zuschlug. Der Traum indessen umgeht die möglichen Rechtfertigungen, die ‚der Verstand’ dafür liefern mag, und verurteilt es als Vergehen. Zugleich versucht er eine Wiedergutmachung, ein Ungeschehenmachen, eine Tröstung des über seine von ihm selbst unzweideutig als Verbrechen und als Unrecht bewerteten Handlung gegenüber der Mutter, in der doch schon der Junge, der das Bild zum ersten Mal sah, ein liebenswertes und ungemein trauriges Wesen erkannte, das ihm glich und vor allem, das ein wunderschönes Mädchen war, das er spontan zu lieben gezwungen war.
Und dass dies alles ganz klar ist gegen jeden Einwand. Warum wollte ich nicht in der alten Frau, die sich um mich bemühte, diese traurige, liebenswerte und wunderschöne kleine Geliebte wieder erkennen, die mich immer mit ihrer Trauer auch um ihren eigenen früh gestorbenen und geliebten Sohn begleitet hat? Warum war ich so verblendet und dumm, dass ich mich selbst zerstörte in dem Glauben, ich könnte mich an der einen, einer erwachsenen Frau und Mutter unter Berufung auf die Normen, die sie verurteilten nach Belieben rächen, weil mich dafür niemand bestrafen würde, es mir also freistand, mich bzw. die Motive für diese Handlung hinter dieser Bezugnahme zu verbergen, während mich aus der Erinnerung an das mir von meiner Mutter mit Bedacht gezeigte Bild und auch an das Bild, das meinen toten Bruder zeigte, und die Art, wie meine, seine Mutter ihn in einer Pracht von Blumen in ihrer Wohnung aufgebahrt und zwei Tage die Meldung verzögert hatte, die die Ausstellung des Totenscheins voraussetzt ebenso wie die Beerdigung?
Ich weiß heute, dass meine Mutter ihren inneren Zusammenbruch für den Rest ihres Lebens mit sich herumtrug, unbewältigt, undarstellbar und unaussprechbar. Ihr Gleichmut, wenn ich sie nach ihrer Trauer fragte, verbarg ihre tiefe Trauer und Abwesenheit, die sie mir längst zuvor mitgeteilt hatte, vor ihr selbst. Ich hätte gar nicht zu fragen brauchen, ich ‚wusste’ selbst alles, war ich doch zum Zeitpunkt des Todes meines Bruders und der erneuten Schwangerschaft meiner Mutter mit meiner jüngeren Schwester Barbara ein Jahr und einen Monat alt und erlebte meine Mutter mit unzweideutiger Eindringlichkeit, vor der nichts bewahren kann, am wenigsten in diesem Alter. Und dieser Tod stand ja lange bevor. Sie sah ihn kommen und wusste davon schon als sie mit mir schwanger war.
Mir hat die sozial erfolgreiche Tarnung meiner Rachsucht, die keineswegs aus dem Nichts entstanden ist, mit dem Deckmantel der öffentlichen Moral, die sie unbelangbar machte, nicht nur nicht genützt, wie der Regisseur meiner Träume mir in jeder Nacht unnachgiebig und gelassen mitteilt um mich damit in die helle Panik des entdeckten Übeltätern zu versetzen, vor der der Adressat dieser Mitteilungen sich am liebsten ins Jenseits des Lebens, aus anerkannter und ganz und gar offenbarer Scham und Schuld in die Bewusstlosigkeit und den Tod, das Erlöschen des Daseins zurückziehen möchte, um der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen, aber vor allem, um die Gefühle, den Schmerz, die Trauer um die Verfehlung und das, was ich anderen Menschen wie mir selbst angetan habe, was ich DEM MENSCHEN angetan habe, nicht ertragen zu müssen.
Denn sie sind so, dass sie kaum zu ertragen sind. Das ‚Verzweiflung’ zu nennen, ist schon eine irreführende Intellektualisierung, denn es geht dabei um Empfindungen ungeheuerer Intensität, die zugleich unerträglich sind und sich zu einem Schmerz zusammenziehen, der unmittelbar physische Qualitäten hat. Es gibt keinen ‚seelischen Schmerz’, der nicht ein ebensolcher physischer ist. Die Techniken der Folter, die angewandt werden dürfen ohne dass sie jemand dafür hält, oder weil sie zweckmäßiger Weise aus der Definition der Folter ausgenommen und als ‚Streitkultur‘, Diskussion, Belehrung, Lernkontrolle etc. firmieren, sind nicht zufällig zum Ensemble der so genannten modernen ‚Sozialtechniken’ und den Praktiken von Verhaltenstherapeuten und Sozialen Einrichtungen zusammengefasst und insgesamt auf rhetorische und Interpretationstechniken verschoben und bürokratisiert und derart versachlicht: Das spart Blut, Stacheldrahtverhaue und vermeidet, dass die angewandte Gewalt öffentlich sichtbare Spuren an der Existenz oder den Leibern der Gequälten und Terrorisierten hinterlässt, die zum Skandal werden könnten.
Es ist also diese Modernisierung der Techniken des Terrors der Zurichtung von Menschen als Gattungsexemplaren, der den phänomenologischen Unterschied zwischen dem ‚Faschismus’, wie er ‚Im Fernsehen’ vorgeführt und in Schulen gelehrt wird, vom Erscheinungsbild der gegenwärtigen besten aller Welten des Herrn Leibniz und seiner Nachfolgern in Nützlichkeit, Wissenschaft und bürokratischer Herrschaft unterscheidet, nicht etwa der Unterschied von Gewaltanwendung und willkürlicher Menschenschinderei von deren würdevollere Einweisung in eine als existent zu unterstellende Gegenwartskultur. Der moderne Staat IST das unmittelbare Gegenteil jeder solchen, und hat den Beweis dafür schon längst angetreten, er liegt geschichtlich schon zurück, im zwanzigsten Jahrhundert.
Es ist im Wesentlichen die Umleitung der unmittelbar zugänglichen Wahrheit, deren der Mensch durch eine angemessene Selbstvermittlung der ihm eigentümlichen Kräfte der seine Existenz als Gattung und als Individuum ausmachenden, ihm innewohnende, seine Entwicklung steuernde Entelechie fähig ist, über die Umwege der hoch organisierten Rhetorik einer erbarmungslos von Menschen über ihn verhängten, in Bedeutungskomplexen zusammengefassten Gewalt vom Typus der ‚Verwissenschaftlichung’ unter der Herrschaft der absoluten Bürokratie, die keinen Spielraum, den sie sich einräumt aufgrund ihrer Verfügungsmonopols über die Menschen, in die verschiedensten Bahnen abgeleitet und abgelenkt wird um die Struktur des Herrschaftsapparats und die Verwirklichung seiner Zwecke möglich zu machen und möglichst alternativenlos erscheinen zu lassen um ihrer Verewigung willen. Jeder Versuch der Selbstbefeiung des Menschen, so er nur einiges Potential mit sich führt und auch nur eine Spur von Widerstandskraft erweist, wird endlich mit den Mitteln der ‚Traditionalisierung’ und der Überführung in einen Besitz bürokratischer Apparate und die Lizensierung und die durch Interpretation vermittelte Zensur durch die ihn verwaltende Bürokratie ihn ein gegen den Menschen gekehrtes Mittel zur Befestigung und Verstärkung der zu seiner Beherrschung immer höher sich auftürmenden Festungen aus Worten und Bedeutungen umgedeutet und genutzt.
Nicht nur im Traum ist die Welt Metapher. Sie ist überhaupt ein Gewebe von Metaphern. Deshalb ist der immer höher organisierte Terror der Verdrehung aller Bedeutungen in ihr Gegenteil überhaupt erst möglich. Und die Entdeckung der imperialen Herrschaftsapparate ist spätestens seit dem Christentum besteht genau darin, diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen, und zwar mit der Tendenz, das immer unmittelbarer zu tun, also auch die Vermittlergruppen, und damit der Gefahr ihrer selbständigen Aktion und Einflussnahme auf Kosten nicht so sehr der Herrschaft als vielmehr ihrer Uneinheitlichkeit, ihrem Mangel an Absolutheit zuvorzukommen. Im Rahmen der reinen Selbstvermittlung absoluter Herrschaft einer totalitären Bürokratie mit sich selbst um der Reproduktion bzw. der Perfektion der Vermittlungen und der Geschlossenheit des Funktionsprinzips willen kann es dann auch wieder Verschiedenheit geben, Pluralismus eben und auch eine gewisse Widersprüchlichkeit, insofern diese zur Verwirrung beiträgt, indem sie mittels in verschiedenen Winkeln aufgestellten Spiegeln das Universum der Bedeutungen derart diversifiziert, dass dabei der Schein einer Vielfalt resultiert, der die Durchdringung des erzeugten Scheins um ein Vielfaches erschwert.
Die Formalisierung des Begriffs der ‚Kommunikation’, der ohnehin bereits vom Monopolanspruch der Signalübermittlungstechnologien hoffnungslos korrumpiert und eigentlich unbrauchbar gemacht ist zur Erhellung des einmal damit Gemeinten, das wie ein erstarrtes Leben unter dem – so kann es scheinen - ewigen Eis dieser vergletscherten Sprache einer militärischen Herrschaftstechnologie auf die einzig relevante mögliche Klimaveränderung warten mag, die ihm zur erneuerten Blüte verhelfen könnte, reicht nicht annähernd dazu aus, hier auch nur ein Problem erkennbar werden zu lassen auch nur im Umriss, und die Unterscheidung zwischen ‚strategischer Kommunikation’ und einer ‚auf Verständigung’ gehenden Kommunikation versucht nicht nur abzusehen, dass die letztere im Medium eines hoch organisierten, den Ausschluss aus seinem inneren Prinzip schon vorab regulierenden Gewaltakt ausgerechnet in einen aus dem Umkreis der ‚Konkurrenz’, also eines Darwinismus stammenden Begriff der Kompetenz verlegt hat, der belegt, was man sonst noch zu belegen hätte: dass die auf Verständigung gehende Kommunikation die strategische schon ist, und dass es eine andere in diesem Kon Text, der bekanntlich gar keiner ist, sondern ein materielles Gefüge aus Bedeutungen und Metaphern ist, das von einem hoch organisierten Apparat sorgfältig gepflegt und vor jeder ‚unbefugten’ Einflussnahme auf sein Gefüge ‚bewahrt’, in der Tat von Türstehern und akademischen Bestien in seinem Innern bewacht ist, die buchstäblich ‚mit ihrem Kopf dafür haften’, dass die Kontrolle des Monopols auf die Definition dessen, was Realität ist, in den Händen des Apparats bleibt.
Während ich dies aufschreibe mit zunehmender Unruhe breche ich plötzlich in Tränen aus. Ich will das alles ja nun wohl doch aufschreiben, aber es ist so furchtbar, es fällt mir nicht nur schwer, sondern ich habe den sicheren Eindruck dazu eher verurteilt zu sein, wie zu einer Art Sklavenarbeit. Dies hatte ich nicht im Sinn bei meinem Plan, der unklaren Überlegung, Probleme der Kultur zu studieren, etwas Versöhnliches zu finden und dies dann festzuhalten. Stattdessen sehe ich mich in einen inneren Krieg verwickelt, aus dem ich offensichtlich durch keine Überlegung oder den Versuch, jede Überlegung zu vermeiden, oder auf sonst eine Weise entfliehen kann. Ein entsetzliches Engegefühl liegt mir auf der Brust, ich fühle mich an das Arbeitsgerät und an die Durchführung eines Auftrags gebunden, dem ich mich nicht gewachsen fühle und den ich auch so gar nicht übernehmen wollte.
Er wurde mir aber zugeworfen und das war vor mehr als dreißig Jahren schon ohne dass ich das vorausgesehen hätte, so dass mich fast der Schlag traf. Ich fürchte mich vor der Feindschaft des über mir zusammenschlagenden Widerspruchs, den Erklärungen, die sich an den Kopf tippen um mir zu bedeuten, wenigstens, dass ich ‚nicht verständlich’ bin usw., also die milden Formen des Mordes, die an die Stelle des unmittelbaren getreten sind. Bin ich nicht schon ausgeschlossen genug? Immer bin ich der Konfrontation ausgewichen. Beschwöre ich sie nicht erneut auf meinen Kopf herab? Das kann ich niemals irgend Jemandem mitteilen. Und wem sollte ich mich verpflichtet fühlen? Wer eigentlich gab mir den ‚Auftrag’, wieso habe ich überhaupt den Eindruck, es habe mir Jemand einen Auftrag erteilt und wer soll dieser Jemand sein? Wieso habe ich den Eindruck, dass ich eigentlich gezwungen bin, dies alles zu bearbeiten und daraus ein vorzeigbares Ergebnis zu machen, selbst wenn ich nie jemandem jemals vorzeige.
Denn ich habe es doch jemandem vorzuzeigen, bloß keinem anderen als – mir? Aber warum, wozu denn, wo ich hier weinend an meinem Arbeitsgerät sitze und es verwünsche, mir selbst wünsche, gedankenlos wie ein Rind oder ein Hund irgendwo auf einem Kissen zusammengerollt zu liegen und Träumen von weiten Wäldern nachzuhängen, in denen es sich lustig leben und zufrieden sterben ließe, oder, als Mensch, von einem weiten Strand, an dem ich meine restlichen Tage in Frieden und ohne einen einzigen Gedanken, es sei denn an das Glück der Freiheit von Gedanken und Verantwortung zu verbringen. Niemand, kein Mensch, könnte mich dazu zwingen, diesen Beschäftigungen nachzugehen. Ich habe jeden Ehrgeiz verabschiedet um nicht in die Versuchung kommen zu können etwas leisten zu müssen, worüber andere richten und mir mit Belohnung oder Strafe drohen könnten. Ich habe mich gegenüber der Übernahme einer Verpflichtung geweigert um nicht in Konkurrenzen unter diesen Bestien zu geraten, und dies alles ohne dass es mir gelungen wäre, diesen Auftraggeber oder den Auftrag loszuwerden oder vergessen zu können, der mir erteilt worden ist. Ist das nicht ein merkwürdiger Wahn? Kann ich das nicht einfach lassen? Na gut, ich weigere mich nicht länger, wenn es, wie es scheint, leichter ist zu tun, was einem aufgetragen wurde als sich zu weigern es zu tun. Aber dennoch, ich fühle mich zu schwach, es gefällt mir nicht, es sollte ‚etwas Schönes’ sein, das ich dann festhalte, und nicht diese monströsen und ausweglosen Tragödien, die mich Tag und Nacht zerfleischen. Was darf ich tun? Was soll ich wissen? Was muss ich können? Was kann ich erhoffen wenn ich gehorsam bin? Worin besteht die Belohnung, wo es auf das Urteil anderer nicht ankommt? Was soll die Erzeugung eines Kulturprodukts überhaupt? Wenn das alles nur Ausdruck von Konflikten ist, die man therapeutischer Kontrolle zuführen sollte, dann ist die ganze Beschäftigung ohne Bedeutung, ihr mögliches Ergebnis schon Makulatur noch bevor es überhaupt erzeugt ist.
Das gilt allerdings dann auch für die ‚therapeutische Bemühung’, als Beschäftigung betrachtet, insofern sie beansprucht eine kulturell belangvolle Beschäftigung zu sein. Man kann schon hören, wie die Interpretation das gleich abschwächt um ihre Legitimität zu retten: „Also so kann man das (heute) wohl nicht mehr sagen“ usw. Der intellektuelle Absteiger, den die Moderne als Wissenschaftler vorführt, dreht sich am Ende seines Weges um, sieht nach der Höhe und lobt den Talgrund auf den er heruntergekommen ist, mit großen Schritten, kein Wunder, bei dem Gefälle. Dort oben, erklärt er, als wäre er dort gewesen, sei nichts als Wüste und bedeutungslose Trümmer, und die Herde der Rinder hört ihm zustimmend zu, wenn er auf die saftigen Weiden weist, die vor ihnen ausgebreitet liegen, bereit sie zu nähren bis sie reif sind und schwer für seine Schlachthäuser. Denn nichts ist natürlich umsonst zu haben. Der Preis des Huhns für die ihm zuteil werdende Vollpension – bei aller Kritik an der Unterbringung – ist das Frühstücksei und das Schlachthähnchen und das Suppenhuhn – Warum sollte das bei der Herde des Masse des Homo sapiens anders sein?
Und der Preis für den zum Viehhirten sich degradierenden Geist: Er ist zwar dumm geworden und gedankenlos, aber er ist satt und Vorsteher der Rinder! Das wäre dann also die Natur des Glücks, das ich mir gerade noch heiß gewünscht hatte, als wäre es die Wiedereinkehr ins verlorene Paradies und die Versöhnung der Bestiennatur des Menschen mit der seiner Hörner tragenden Opfer. Oh wie ich mich sehne nach der Wärme der Herde, ihrem dumpfen Gebrüll, in dem ich meinen eigenen kleinen Ton wieder erkennen möchte, nach der Wärme der Stallgenossen, nach der zart über meinen Rücken streichelnden Hand des Schlächtergesellen, der prüft, ob ich schon würdig bin zur Zulassung zum Geheimnis der Erlösung, auf die ich mir Hoffnung machen darf, wenn ich nur willig folge für die Dauer meiner Tage. Oh warum bin ich ausgeschlossen von der Zulassung zur Kammer des Geheimnisses? Warum giere ich nicht nach der Belohnung mit der Erwählung zur feierlichen Initiation in das Geheimnis des Endes der Tage, die eine geheimnisvoll unergründliche Verwaltung meinem dumpfen Rinderverstand als deutliches Zeichen meiner endlichen Erwählung sendet?
In der Tat ist das unverzeihlichste Organisierte Verbrechen und die unverzeihlichste Korruption einer so genannten Wissenschaft, das jemals begangen wurde, und das keine geistesgeschichtliche Formation zuvor sich jemals hätte einfallen lassen dürfen, diese ungeheuerliche Erniedrigung der Menschenmassen zu untertierischen Existenzweisen mit den Mitteln der ‚Psychologie’ und der Psychologisierung aller Konflikte der menschlichen Existenz überhaupt, auf dem Reflexionsniveau bürokratischer Hilfsarbeit für die organisierte Medizin, wie das die ‚Sozialarbeit’ tut, deren andressiertes Echo aus Medizin und klinischer Psychologie heute konsequent die Einweisung solcher Spinner wie Sigmund Freud zur Konsequenz haben müsste. Alles ähnelt dem Verhältnis von Christentum und Christus, bis in die Details der Heuchelei der menschenfreundlichen Ursprünge der modernen Psychiatrie, die dann im zwanzigsten Jahrhundert ganz zu sich kam, zusammen mit dem Behaviorismus und der Gruppentherapie und sich davon zwar nie mehr erholt hat, aber was soll’s, das hatte sie ohnehin nie vor und solange es keiner merkt geht es immer nur vorwärts. Wissenschaftsfortschritt, das ist zeigt dahin, wohin der ‚Zeitpfeil’ zeigt.

Einunddreissigster Traum:

Tagtraum am Donnerstag, 9. März 2006

Eine Analyse der Gegenwartsverhältnisse der menschlichen Lebenswelt müsste einen Maßstab zugrunde legen können, ein System von Koordinaten, das nicht selbst lediglich den Materien abgelesen ist, auf die es angewandt zu werden scheint. Zudem müsste vorab geklärt sein, was eigentlich das Materielle an diesen Materien ist oder was das Wesen dieser Materie ist. Menschen. Menschen leben nicht einfach in einer Umgebung, die ‚Materie’ ist. Und wenn doch, dann ist diese Materie von einer eigentümlichen Beschaffenheit. Menschen leben, noch ehe sie in einer Lebenswelt leben, zunächst in einer Welt. Diese Welt erweist sich bei näherem Hinsehen als ‚ihre Welt’. Deren Wesen nun ist es ‚bedeutsam’ zu sein. Ihre Komponenten wie ihr Grund sind Bedeutung und Sinn.
Der Einsatz bereitet mir extreme Unlust. Aufgewacht bin ich mit anderen Überlegungen, deren Betrachtung es notwendig erscheinen ließ, dass man ihnen eine Grundlegung gibt, die sie zu ordnen ermöglicht. Aber als ich jetzt an die Maschine gehe um mich so weit zu disziplinieren, dass sich das in der Ordnung niederschreiben lässt, spüre ich wieder diese extreme Unlust und einen Abscheu dagegen, mich mit Personen (‚Theoretikern’) und Verhältnissen (der Gegenwartsgesellschaft und ihrer politisch-geistigen Verfassung) zu beschäftigen, die sich körperlicher Übelkeit nähert. Tatsächlich lautet die Kurzform, dass ich das zum Kotzen finde und keinen Gedanken wert. Warum also sich damit eigentlich befassen. Ein Eingriff in den karrieristischen Krieg der Bewerber um die Aufmerksamkeit ihrer Gefolgschaften und ihres Publikums lässt es unvermeidlich werden, dass man genau das Erwartete tut, nämlich seine Aufmerksamkeit darauf wendet. Das ist aber bereits eine unangemessene Aufwertung des Betriebes und entspricht seiner Absicht: Im Gespräch bleiben, die Aufmerksamkeit und Affekte auf sich ziehen, fesseln und absorbieren. Denn wie auch immer sie sich davon wieder lösen, sie sind tingiert, kontaminiert mit dem Wovon der Lösung.
Ich werde also zur Rettung meiner Seele vor den Monstren lieber etwas stattdessen tun. Nicht mal ignorieren.
Fragt sich bloß, warum mir der Quark dauernd durch den Kopf geht? Ich habe ihn eben studiert. Aber das tat ich nicht in der Erwartung, von einer rhetorischen Formation gefesselt und gefangen genommen zu werden, die das Land mit ihrem Meltau überzieht. Die Falle, in die ich ging, war überhaupt nur zu stellen, weil ich eine aus einer Familientradition stammende Vorstellung davon hatte, was eine Universität und eine von ihr ermöglichte Bildung sein müsste, eine Vorstellung, die dann auf offener Bühne und in meiner Anwesenheit auf unerträgliche Art und Weise geschändet wurde, indem vor meinen Augen und Ohren überall Gangster und Verbrecher ermächtigt wurden zur systematischen Umerziehung und Auslöschung just dessen, was ich an diese Institution mitbrachte. Die Gehirnwäscher übernahmen vor meinen Augen und in meinem Beisein mit ausdrücklicher Rückendeckung des bürokratischen Apparats die Positionen. Es war nichts zu machen. Auch änderte sich nichts dadurch, dass sie die Fraktionen der Bürgerkriegsparteien, die das Land verwüstet hatten, mit Zustimmung ihrer nunmehrigen neuen Herren nach ihrer Niederlage das Land und in jedem seiner Teile mehr oder weniger anders gewichtet verteilt, die Posten in dem unverändert – mit ein paar kosmetischen Maßnahmen – erhaltenen Machtapparat untereinander vorerst einmal teilten.
Es führte nur dazu, dass die Mentalität des Bürgerkriegs nun auch diese Bildungsinstitutionen ergriff und heimlich, mit Worten, und den Mitteln der akademischen Forschung und Lehre fortgesetzt wurde. Die Adepten dieser Bildung wurden die mehr oder weniger hilflosen Opfer dieser erbarmungslosen und verantwortungslosen Machenschaften. Darunter auch ich. Ich weiß nicht warum mir da eigentlich auffiel. Es gab und gibt etwas, das ich nicht aus den Beständen dieses Apparates und seinem Gegenwartszustand beziehe und bezog. Es ist und war unabhängig von ihm und es in den von ihm verwalteten und nach seinen Bedürfnissen ggf. umgedeuteten Beständen hier und da enthalten. Es blitzt auf, wenn ich es in einem Buch finde, und es ging unter, wenn ich es zur Sprache bringen wollte.
Das fiel schließlich auf. Es war zu prompt und wie aus der Pistole geschossen eine Antwort darauf bereit, und das bemerkenswerteste daran war und ist, dass diese ‚spontanen’ Antworten, die also kein Nachdenken (mehr) erfordern, sondern ganz buchstäblich als ‚Reaktionen’ auf einen ‚Reiz’ auf Abruf bereit stehen, immer dieselben waren und sind, sie sind standardisiert. Zwar erscheinen sie auf verschiedenen Ebenen der sozialen Hierarchie – auch des akademischen Lebens – verschieden gut ausgebaut und artikuliert, aber sie sind sogar Bestandteil der ‚Argumentation’ ganz unakademischer Menschen und mithin Stereotype, die im akademischen Raum lediglich eine bestimmte Färbung und Elaboration annehmen, aber nicht genuin akademischer und damit wissenschaftlicher Art sind, sondern bei genauerem Hinsehen den Fluren und Beratungszimmern von Bürokratien zu entstammen scheinen, wo man sich auf sie als Grundlagen einer bestimmten, aus ihnen hervorgehenden Einstellung gegenüber der ‚Wirklichkeit’, also dem, was man dafür erklärt um es zu verwirklichen, einigt, um sie als leitende Gesichtspunkte des Handelns zu nutzen. Die Formeln sind magische Formeln, sie dienen der Erledigung des Auftauchens von Zweifeln oder der Wiederholung und Bekräftigung des mit dem Siegel des Konsens unter den Trägern des Selbstbewusstseins der bürokratischen Apparate eingespielten Wirklichkeitsbegriffs.
Es ist zum Kotzen. Ich überstehe diesen Tag nicht, wenn ich diese Beschäftigung fortsetze. Lese gerade den Band zwei von Hegels ‚Logik’ und ‚nebenbei’ erneut Shakespeare. Beides ist unendlich befriedigender als die Beschäftigung mit dieser verkommenen Welt niedrigster Bewusstseinsstufen des Daseins dieser Tierart. Es ekelt mich an. Es gibt überhaupt keinen Gegenstand des Nachdenkens her, mit dem sich zu befassen, einen menschlich gesehen in den Dreck zieht, in dem diese Schweine sich suhlen.
Das also war mein Studium der Soziologie, der Philosophie und der Psychoanalyse in diesem Deutschland unter der Knute seiner einstigen Handelskonkurrenten auf dem Weltmarkt. Ich glaube inzwischen manchmal, dass Russland trotz aller seiner eigenen Katastrophen, die es unter dem Eindruck des Aufstandes des Mobs und der Impotenz und Dekadenz seiner adeligen Eliten erlitten hat, heute noch mehr europäische Kultur beherbergen könnte als Westeuropa und Deutschland. Aber ich weiß, dass das ein Wunsch ist. Die Barbarei der Proletarisierung hat alles erfasst.
Nichts ist der säkularen Dekompensation entkommen und der Tiefpunkt ist erst erreicht, wenn die Weltpopulation zu einer einzigen verwaltungstechnisch verschmolzen ist und die Durchdringung und Neuordnung der Denkweisen global einsetzt. Aber das kann einen weiteren Schritt nach unten bedeuten, bevor der ‚gemeinsame Nenner’ erreicht ist, von dem aus sich dann eine erneute Differenzierung denken ließe, wenn nicht die Allgegenwart der organisierten technologisch-verwaltungstechnischen Sprachbesetzung die Überhand behält, die lediglich kleine Ornamente und ein paar Antiquitäten als mitgeschleppte Trophäen an ihrem als entsetzlicher Siegeszug des furchtbarsten aller je auf Erden wandelnden Predatorenmonsters duldet, der als Triumphzug ‚menschlicher’ Freiheit von den im Kopf des Monsters die Hebel bedienenden Kapitänen und Offizieren des Raumschiff Voyager inszeniert wird.
Das wird ein Schauspiel, das den Alltag der grauen Biomasse der versklavten Gattung auf dem Weg zum Schlachthaus mit Trompeten, Fanfaren und Rockmusik begleiten wird. Heil den Führern! Die Vorausahnungen des Johannesevangeliums sind gegen das, was sich da anbahnt ‚Kinderfunk’.

Zweiunddreissigster und Dreiunddreissigster Traum:

Träume am Morgen des Sonntag, 12. März 2006

(Ich erinnere diesen Traum als zwei aufeinander folgende, obwohl ich sie nach dem Erwachen als unmittelbar zusammenhängend erlebe. Ob die Unterteilung in zwei also ein Teil des Traums ist oder der Erinnerung in ihn ist nicht zu entscheiden.)
Ich bin endlich mit meiner Liebe wieder vereint. Wohl waren wir lange, aufgrund eines schlimmen Missverständnisses, lange getrennt. Aber jetzt haben wir uns endlich wiedergefunden, wie es sein muss, und gehen Hand in Hand über blühende Wiesen, durch grünende Felder. Die Hügel schwellen und versprechen eine fruchtbare Ernte, die ganze Natur winkt uns zu, in den Dörfern, durch die wir kommen, blicken die Menschen uns freundlich an und lächeln zustimmend und respektvoll, alle sind bunt gekleidet und wirken wie vergrößerte Blumen, die Farben und die Formen ihrer Trachten und Kleider sind vielfältig, für Frauen und Männer deutlich unterschieden, viele Kinder spielen auf den einfachen Straßen, Automobile gibt es nicht, nur Wagen mit Pferden, es ist ein (Deutsch )Land, das lacht und glücklich ist, nicht von Kriegen verwüstet, nicht von einer verkommenen Menschenmasse bevölkert, in der schon die Heranwachsenden eine Sprache sprechen, die kein Hund oder Schwein in den Mund nähme, wenn es plötzlich der Sprache mächtig würde. Die Farben und die Architektur der ländlichen Wohnstätten spiegelt ebenso wie die der Kleidungen und Kostüme die Farben des Landes, seiner Blumen und Gewächse, seiner Erde und seiner Gesteine, seiner Wiesen, seiner Seen und seines von schneeweißen Wolkenbergen wie von Riesenschafen träge durchzogenen Himmels.
Das Glück, das uns wieder vereint hat, ist verdoppelt durch seine Erneuerung, wie sie sich vielleicht nur unter dem Eindruck der Drohung des auf immer erlittenen Verlusts und die Entbehrungen der Trennung ergeben kann. Diese Welt ist der Spiegel unseres Glücks und so mit uns vereint zu einem einzigen Wesen wie wir es untereinander sind. Wir sind, aber als aus dem Verlust unserer selbst und aus der Reflexion auf diesen Verlust zu diesem Sein Zurückgekehrte. (Hegel hat gegen die ‚Moderne’ Recht, die richtiger die 'Mordende’ heißen sollte. Sie ist die hoch organisierte, als Staat und als Reflexion, gar als ‚Philosophie’ und Wissenschaft kostümierte Mörderin des Menschen. In Wahrheit ist das wenig Differenzierung: Es handelt sich und einen einzigen Apparat und einen einzigen Zweck, die absolute Unterjochung und Versklavung der Herde der Biomasse des Homo sapiens, eines nicht einmal tragischen imbecillen Kretins und elenden Clowns, der sich vom Hofnarren und Hofhund zum Herrn eines Schweinestalls emporgearbeitet hat, den nicht einmal die Schweine würden mitbewohnen wollen, wären sie nicht als Kontrastprogramm in die Szene eingebaut, damit der Homo sapiens sich vom Schwein – seiner Meinung nach positiv – unterscheide.)
Unser Glück ist das dieser Welt. Sie ist nur so glücklich wie wir selbst sind, weil wir es sind. Wir haben, wenn nicht die, dann ihr Glück, als ihr Kostüm und Erscheinungsbild hervorgebracht. Die Materie, an der es erscheint ist nicht nur der Klotz, den wir übermalt haben mit einem bunten Bildchen, so dass er ein Teil abgibt in einem aus diesen Klötzen zusammensetzbaren Bild, das entsprechend den sechs Seiten des Würfels sechs Ansichten zu zeigen vermag, wie jene Kinderspielzeuge, sondern ist durch und durch unsere Schöpfung. So wie wir sind erscheint uns die Schöpfung als Ganze, weil wir sie täglich neu schaffen und sie mit unserem Glück und Unglück ihr eigenes, uns zugekehrtes Erscheinungsbild ändert, aber derart, dass dies dann auch nicht nur unsere, sondern auch ihre Wirklichkeit IST, ihr Sein ausmacht.
Ich habe gerade eben noch etwas zu erledigen und will deshalb noch einmal ‚ein Stück zurückgehen’ um das auszuführen. Es ist nicht klar worum es sich dabei handelt. Wir sind inzwischen weit durch das Land gekommen und schon auf dem Rückweg. Ich muss also zum Endpunkt des Hinweges ‚zurück’. Also lasse ich ihre Hand los während sie weitergeht auf dem Weg nach Hause. Aber wie verändert sich die Welt auf einmal. Alles ist wohl noch so bunt und blühend wie zuvor. Nicht, dass der ANBLICK der Welt sich veränderte. Alles SCHEINT vielmehr wie zuvor. Aber inmitten dieses bunten Gewimmels ist eine entsetzliche Leere eingetreten, die ganz unbemerkt zu bleiben scheint. Die Menschen lächeln, ihr Lächeln ist aber jetzt das Lächeln, das man von Plakatsäulen und aus Warenhauskatalogen kennt. Da ist weder Fröhlichkeit noch jene Unschuld der Motive, die man von Menschen kennt, die mit sich selbst zufrieden sind, sondern das heimliche Lauern von Huren, die darauf warten, verführbare Freier in ihre Netze locken zu können, die Ausstellung von Menschenfleisch zum Zweck der Erregung von Geilheit, der das beabsichtigte ‚schnelle Geschäft’ folgt.
Die Welt hat sich in die bunte Fassade einer riesigen Müllhalde verwandelt, auf der die Gebrauchsgegenstände und die nicht mehr benötigten Verpackungen den Schein derselben Buntheit erzeugen, den Autoausstellungen, Messen, Warenwerbung und die kleinen Huren in ihren Bonbonverpackungen bieten, die über allen Hautfarben kleiner haarloser Tierchen die bunten Verpackungen zur Schau mit der immergleichen Geste zur Schau stellen, die suggerieren soll, dass man sie ihnen herunterreiße, um die von ihnen eigens zu diesem Zweck erzeugte Geilheit zu befriedigen. Hinter dem Anblick lauert eine eisgraue Leere, eine graue Staubwüste, die von diesem vielfarbigen Müll nur überlagert ist, das auf eine eigenartige Weise durch diese Oberfläche hindurch scheint und sie mit einem geradezu sichtbaren Gestank überlagert, wie aus Milliarden von stinkenden kleinen schmierigen weiblichen Geschlechtsorganen, über denen unablässig eine ebensolche Anzahl geiler Möwen kreist, die von dem Gestank angelockt bereit sind sich auf alles noch genießbare zu stürzen, wie Möwen eben den Fischgestank lieben, der ihnen die Befriedigung ihres unstillbaren Appetits verheißt.
In dieser Wüste ist alles wie zuvor und nichts ist wie zuvor. Die gähnende Leere, die Hohlheit der menschlichen Fassaden, die auf einmal wie bezahlte Schauspieler der von ihnen ‚verkörperten Rollen’ wirken. Nichts ist mehr wie es war. Es ist ein unbeschreiblicher Zustand, weil er sich nicht erfragen lässt. Die Leute, die man fragt, belügen sich selbst und den Frager, nicht weil es zu ihrer Rolle gehört, sondern weil sich mit der plötzlichen Verwandlung auch das Bewusstsein, das sie von sich haben, mit verwandelt hat. Es ist zu einem Teil dessen geworden, was die Welt ist, und die ist, was der Fall ist, der Fall, so dass die Hure die Unschuld mimt mit dem besten gewissen, das ihr angesichts der Abwesenheit jedes ihr kontrastierenden Bildes möglich und ‚natürlich’ ist. Die gewöhnlichste Existenz ist die des Verbrechers. Er ist die Form des allgemeinen Bewusstseins so sehr, dass dagegen das ihn mit der Wahrheit seiner Existenz konfrontierende natürliche Bewusstsein des Menschen, eines Kulturwesens, erscheinen muss wie reine Torheit, ja wie sträfliche Dummheit und als Inbegriff der Selbstgefährdung angesichts einer von Raubtieren beherrschten Umgebung.
Ich verzweifele angesichts dieser Einsicht, aber sie setzt sich erst langsam durch. Zunächst suche ich zuversichtlich nach meiner gerade eben für einen Moment von der Hand, die uns vereinte, gelassene Geliebte, indem ich dem Wege erneut nachgehe, auf dem ich zurück gegangen war. Ich war nur einen Moment lang unterwegs gewesen, wie man im Traum eben keine Zeitreisen macht, wie das in den Phantasien der Bombenbauer der Fall ist, die das ‚universe in a nutshell’, das ihr Kopf ist beherrschen und zugleich damit die hohle Nuss all der Köpfe einer von ihrer Eigenpropaganda überschwemmten Menschheit, die Maulaffen feilhält angesichts dieser bestaunenswerten Leistung eines elenden Geisteskrüppels auf einem Lehrstuhl für Naturphilosophie , wie sie nur eine Händler  und Freibeutertruppe hervorbringen kann, die sich seit Äonen auf einer dem Festland vorgelagerten Insel eingenistet hat und den Schiffen auflauert, die dessen Häfen verlassen und bei er Eroberung eines ephemeren Imperiums das lächerlichste Bild abgegeben hat, das die Geschichte in der langen Reihe der Eroberung fremder Länder durch Räuberbanden jemals gesehen hat, indem sie sich zu fein waren, die Töchter des Landes zu Frauen zu nehmen und die Klügsten unter den Eroberten auf ihre Seite zu ziehen und zu ihrem eigenen Rang zu erheben, um ihre hoffnungslos unterlegene Zahl bei Zeiten zu vermehren und sich von der Population nicht zu deutlich zu unterscheiden, und dies alles nachdem ihr kleinkarierte und von Vorurteilen und Ressentiments vergiftete Gier, die nichts anderes wahrzunehmen imstande war und ist als das, was man anderen wegnehmen kann, die schlechter bewaffnet sind als sie selbst, bereits einmal vor den Konsequenzen des endlich unvermeidlichen Aufstands gegen ihre Raff  und Herrschsucht gestanden hatte.
Jetzt erkenne ich immer deutlicher, dass sich die Welt in dem Moment grundlegend zu verwandeln begonnen hatte, als ich die Hand der Geliebten losgelassen hatte. Ich weiß nicht mehr, was es eigentlich war, das mich das tun ließ. Es gab nichts zu erledigen. Ich fand nichts zu tun vor am Endpunkt meines Hinweges, den ich mit der Geliebten an der Hand zuerst erreicht und dann für den Rückweg wieder verlassen hatte. Inzwischen bin ich ein weiteres Mal auf dem Hinweg. Ich habe den Rückweg allein durchmessen ohne sie zu finden und gehe den gesamten Weg erneut. Aber wie furchtbar verändert ist die Welt. Ihr Lächeln ist gleichgültig, professionell, ausschließlich auf das intendierte Geschäft bezogen, die Menschen wirken wie Puppen, wie Automaten, die gehorsam im Vorbeigehen sich in Bewegung setzen um ihre ihnen aufgetragenen Rollen zu inszenieren, ihre Automatismen abzuwickeln entsprechend ihrem ihnen eingegebenen Programm. Es ist eine gigantische Geisterbahn, für deren Besuch mir ein seine Schöpfung als Geschäftsidee präsentierender Promoter eine Freikarte in den Briefkasten gesteckt hat um mich für seine Unternehmung zu interessieren, einen Freizeitpark, den man stundenweise mieten kann, wie alle Huren, einen Sachverhalt, den ich nur aus den mir zugänglichen Schreckensberichten kenne, die einem aus der stinkenden und verpesteten Luft zufliegen, die die Städte so gut umweht wie den letzten Winkel des Landes.
Meinen Gemütskräften geht langsam das Licht aus. Es liegt eine langsam dichter werdende Dämmerung über dem Land, während ich stets verzweifelter den Weg absuche, auf dem wir Hand in Hand zuerst durch eine mit uns in der Einheit des aus der Reflexion zurückgekehrten Seins gewandert waren. Endlich muss ich mir eingestehen und erkennen, dass ich sie verloren habe und nicht wieder finden werde auf diesem Wege. Aber wo sonst. Verzweifelt, mit dem akuten Gefühl eines unwiederbringlichen Verlustes erwache ich aus dem Traum.
Der Traum hat den Schlaf nicht hüten können. Ich denke über den Traum nach, der mir auf diese Weise auch im Wachbewusstsein zur Erinnerung zur Disposition steht und schlafe endlich erneut ein. Als ich später erneut erwache aus einen anderen Traum, erinnere ich mich, dass ich mit Formen und deren topographischen Spiegelungen auf beliebig geformte Oberflächen unterschiedlicher Größe spielte, und nach zusammenpassenden Entsprechungen suchte. So erinnere ich mich daran, dass eine unendliche Gerade sich auf einer gekrümmten Oberfläche, die winzig war gegenüber dem, was sie spiegelte, sich als eine ganz kurze und endliche Linie darstellen ließ, so dass weder die scheinbar disparaten Größenverhältnisse noch die ganz unterschiedlichen Erstreckungen inkommensurabel gewesen wäre, dass ich aber beim Spiel mit diesen Formen, mit dem ich mir über etwas Gewißheit zu verschaffen suche, das dazu beitragen soll, eine Einsicht über die Welt zu gewinnen, die der zuerst geträumte Traum dem Träumer dargestellt hatte, zunehmend ärgerlich und mit dem Gefühl einer Zeitverschwendung, die zu nichts führt, mit den Problemen (der gegenwärtigen Physiko-Theologie, mit der sich die von den Mächten beauftragten Bauer und Hersteller der Theodizee der Wasserstoffbombe nicht genug tun können, indem sie die Welt dafür in Anspruch nehmen, eine unverschämte und kriminelle Frechheit im Gewand der ihr entsprechenden ‚Wissenschaftlichkeit’, sie sich erst im fairen Vergleich mit der als Ideologie einer abgeirrten Nutznießertruppe längst vergangener Herrschaft verfemten scholastischen Theologie oder Platon und dem Platonismus ergeben kann) beschäftigt war, und mehr und mehr zu dem Ergebnis kam, dass das eine inszenierte Ablenkung war, mit der ich beschäftigt wurde wie man Kinder, von deren noch bevorstehender ‚Schulleistung’ im gegenwärtigen Sinne man viel erwartet von dem was diese Schule den ahnungslosen Eltern vorstellt, was sie sich vorzustellen haben als die Schulleistung, die sie von ihren Kindern zu erwarten haben sollen, damit diese diese derart ihnen insinuierten Schulleistungen erbringen um sich als gut verwertbare Sklaven der über sie und ihr innerweltliches bürokratisches Lebensschicksal als Gattungsexemplare verfügenden Verwalter der Biomasse des Homo sapiens zu erweisen im Sinne der üblich gewordenen Bedeutung des Terminus ‚Karriere’, den die mit dieser blind nachgeplapperten Bedeutung sich als blinde Versager erweisenden Lemminge nachbeten wie man das von blind Gläubigen nicht anders erwarten kann, die die Theologie nicht kennen, die die Partitur enthält, nach der ihnen zum Tanz aufgespielt wird, zu dem sie die am Nasenring herumgeführten Bären geben.
Mitten aus dem Gehantiere mit dem Spielzeug für Kinder, die im alsbald mit ihnen veranstalteten ‚Intelligenztest’ brillieren sollen mit früh erreichten Raten, die möglichst die zu klügsten Köpfen ernannten toten Helden der öffentlichen Geschichtsschreibung der Geistesgeschichte oder einen noch lebenden Zeitgenossen erreichen, wenn nicht, wenigstens der alsbald daran sich knüpfenden Erwartung entsprechend, übertreffen sollen, erwache ich ratlos und ärgerlich über diese Art beschäftigt und abgelenkt zu werden von dem, was mir selbst als das einzig Richtige, jedenfalls das Richtigere erscheint, bevor ich die Klötzchen und Stöckchen, die Schemata und Kugeln aus Ärger wegwerfen kann um den Blick zu heben und mich umzusehen, was um mich herum vorgeht, während ich mit den Klötzchen beschäftigt werde.
Erwacht wünsche ich mir, ich wäre tot und erlöst von dem Bewusstsein einer zur Welt erweiterten Katastrophe, aus der es keine Rückkehr zu geben scheint als die in die bewusstlosigkeit eines Seins vor der Geburt.
Ich nehme mir vor, mir von einer Behörde einen Erschießungstermin geben zu lassen. Es kann nicht sein, dass sich in dieser Welt nicht wenigstens eine Instanz finden lassen könnte, die den Mut und die Menschlichkeit der inkriminierten ‚Nazis’, allgemein, des universalen und historisch sonst allgegenwärtigen Gewaltmenschen hat, der die Menschlichkeit aufbringt, sein niedergeworfenes Opfer zu töten, als es in ewiger Gefangenschaft zu halten und ihm die Muße zu geben, die man einem Arbeitstier nicht zumutet, das zum Vergessen seiner Versklavung und Schändung wenigstens mit sei es auch noch so sinnloser Beschäftigung unterhalten wird und derart wenigstens in den Genuss des Rests von Freiheit gelangt, den über dem Tor von Auschwitz dem in die Hölle Dantes Eintretenden die ihm als letzte Hoffnung angesichts der Endgültigkeit seines Ausschlusses angedrohte Zwangsarbeit versprach, indem sie ihm half zu vergessen, wenigstens so lange er wachte, , so dass er nur die wenigen ihm zugestandenen Stunden des Schlafes, den ihm die Weisheit seiner Verwalter in seinem eigenen Interesse ließ, bedroht war von der nun beinahe um ihre Chance gebrachten, im Traum zu ihm sprechenden Wahrheit seiner Existenz.

1 Kommentar:

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    känguruh kostüm

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