Romantische Landschaft mit Menschenopfer

Romantische Landschaft mit Menschenopfer
Weißt Du wieviel Wolken gehen weithin über alle Welt...

Montag, 12. April 2010

Traum und Zeit II. 2.1.

Traumzeit II.

Teil 2. 1.

Ein Versuch der analytischen Betrachtung verschiedener Träume:

Vierunddreissigtster Traum:

Wachtraum am Nachmittag des Freitag, 7. 4. 2006,

aufgezeichnet am Samstag, 8. April 2006

Ich habe gestern ein sehr eigenartiges Erlebnis gehabt. Ich hatte mich entschlossen, nicht meinen aufgrund oft übertriebener Lektürearbeit auftretenden Kopfschmerzen nachzugeben und mich zu einem Mittagsschlaf hinzulegen, sondern stattdessen meine Inlinescates anzuziehen und durch die Stadt – Düsseldorf – zu laufen, um mich durch die motorische Tätigkeit abzulenken und auf diese Weise zu erholen für neue Lesearbeit. Ich lese zur Zeit die Traumdeutung Sigmund Freuds erneut, nachdem ich sie vor nunmehr 22 Jahren zunächst gelesen und mit einem furchtbaren Schrecken aus der hand gelegt hatte, aus Gründen, über die ich mir keine Rechenschaft mehr abzulegen weiß, die ich aber mit Sicherheit in der Lektüre, in ihrem Inhalt situiere. Ich erinnere mich daran, dass ich danach über lange Zeit einen furchtbaren Verfolgungstraum hatte, und dass ich einmal aufschrieb, dass mir aus dem Buch ein furchtbarer, tot geglaubter Verfolger aufgestanden zu sein schien.
Nun lese ich das Buch erneut und bin eher nebenher auf der Suche nach dem Beweis für diesen Zusammenhang, ohne indessen dieselbe panische Furcht noch zu spüren, bis auf einen Rest, der mich an sie und die von ihr ausgehende tödliche Drohung wohl erinnert. Aber mein Hauptmotiv ist eine aufgrund meiner doch erhaltenen Neugier und der Überzeugung, dass die Psychoanalyse ein nützliches und auf eine bestimmte Art und Weise einzigartiges wissenschaftliches Instrument zur Klärung dessen, was der Mensch ist, und was die von ihm hervorgebrachten Verhältnisse auf dieser Erde betrifft, darstellt, also der Wunsch, durch erneute Lektüre einen bewussteren Eindruck zu erhalten, der mir ihre korrektere Anwendung ermöglicht.
Es geht also um die bewusstere Handhabung des wissenschaftlichen Instruments, von dessen Qualitäten ich trotz aller Vorbehalte angesichts des mir begegneten Missbrauchs überzeugt bleibe, sogar gegen meinen Zorn auf diesen Missbrauch, dessen Opfer ich mehrfach wurde. Ich will aber jetzt nicht diesen Vorwurf weiter verfolgen, den ich gegen die mir zugänglichen ‚therapeutischen’ Anwendungen erhebe, die m. E. nach aufgrund einer technokratischen Handhabung durch Karrieristen verbreitet und üblich geworden ist, die sich aufgrund einer sachlich gegenüber den Opfern ihres Karrierismus niemals zu rechtfertigenden Arroganz keine Rechenschaft abzulegen imstande sind darüber, was ihre falsche Selbstsicherheit und ihre Überheblichkeit in der Sache anrichtet, vor dem Hintergrund dessen, was der amoralische und animalische Kampf um Vorteile gegenüber anderen allgemein im unter diesen Umständen sich auflösenden gesellschaftlichen Leben anrichtet, obwohl es angesichts der allgemeinen Folgen, die das hat, von kaum zu überschätzender Bedeutung ist, wie sich unter dem Eindruck der sich verbreitenden menschlichen Perversion der kulturelle Abstieg auf das Niveau einer von der anthropologisch bedingten Instinktschwäche zusätzlich verstärkten Animalität oder sogar Subanimalität vollzieht und auch Formationen des Wissens erfasst hat, die von ihrem Bedeutungsbestand her aufgrund ihrer Eigenart als sprachliche Gebilde der Gefahr ausgesetzt sind, einfach entlang der gewandelten Grundlagen des Lebens entsprechend ohne eine äußerliche Veränderung ihrer sprachlichen inneren und äußeren Form im Gefüge der Sprache einem ‚gewandelten’ Grundverständnis ausgesetzt zu sein, das die Bedeutungen, die dem sprachlichen Gefüge einmal inhärent waren und es trugen, erzeugten sogar, nunmehr entlang einer systematischen Aberration verschoben erscheinen ohne dass dies auffällt, insofern sich ein Konsensus darüber einspielt, was man und wie man die Termini und den Zusammenhang des sprachlichen Gebildes, dem man sich gegenübersieht zu verstehen hat, ein Verstehen, an dessen Rationalisierung unablässig gearbeitet wird und das seinerseits einen nicht nur unverdächtigen Namen, sondern sogar die Auszeichnung einer besonderen Bewusstheit hat, indem es unter dem Titel des Wissenschaftsfortschritts geführt wird, der derart geradezu die Aufgabe hat und wahrnimmt, die Anpassung der historisch überlieferten kulturellen und wissenschaftlichen Bedeutungszusammenhänge an den sich verändernden Untergrund des Zusammenlebens der Biomasse des Homo sapiens organisiert – also auf eine ‚dem Laien’ entzogene Art und Weise innerhalb einer Gruppe von Personen vorzunehmen, die bei näherem Hinsehen sich selbst als ‚Elite’ identifiziert und sich dazu ermächtigt, gedeckt von der Autorität des Staates und eines um ihn herum als Instrument der Massenführung organisierten Halos von anderen Großorganisationen mit totalitärem Charakter, darunter vor allem die Signalprozessierungsindustrien und die Bedeutungs-, eigentlich die ‚Wirklichkeitshersteller’ von der Form der Großorganisationen und Großverwaltungen, die der Biomasse des Homo sapiens die Wirklichkeit vorschreiben, in der er lebt – vorzunehmen. Bei näherem Hinsehen erweisen sich alle die Aktivitäten nicht nur als formal totalitär organisierte organisierte Formen des Handelns, sondern auch als mehr oder weniger allesamt in Staatsnähe, also mehr oder weniger unter polizeilicher Kontrolle stehend, also vor dem unauffällig im Hintergrund aufgebauten Sanktionsdrohungen der staatlichen Gewaltanwendungsdrohung aufgebaute Formen der systematisch geplanten und kalkulierten organisierten Herstellung einer für alle verbindlichen Wirklichkeit und Realität.
Das unauffällig verstaatlichte, inzwischen mittels seiner Hilfsverbände, einem auf den ersten Blick unübersehbar pluralistischen, dann aber doch als struktureller Verbund von bemerkenswerter Einfachheit erkennbarer Gesamtapparat von lediglich scheinbarer, eben organisatorischer Pluralität, bei funktional monolithischer Einfachheit übersehbar werdende System der Erziehung, Selektion und Verteilung der Population auf bestimmte Funktionen, das System, das Zulassung und Lizensierung von Individuen reguliert ebenso wie ihren Ausschluss systematisiert und rechtfertigt, reicht inzwischen bis in die eiserne Kontrolle schon der frühen Kindheit hinein und schickt sich an – nicht zuletzt aufgrund der durch Forschungen klar genug gemachten Bedeutung der frühen Kindheit und der Vorschulzeit, die bereits kaum mehr anders denn als ‚Vorschulerziehung’, also unter dem Gesichtswinkel administrativ zu kontrollierender Maßnahmevollzüge an den nachwachsenden Generationen firmiert, also auch unter dem Blickwinkel, der aus der Sicht zunehmend ‚selbstbewusster’ werdender, aufgrund von bürokratisch ausbaldowerten Studiendesigns der staatlich herangezogenen Großgruppen der Sozialkontrolleure auf die zu kapitalisierende Familie fällt, so dass man nicht sagen kann, der totalitäre Apparat habe aus der systematischen Erforschung der Kindheit nichts gelernt, während man daran zweifeln kann, ob die jeweiligen Forscher diese Wendung der Nutzung ihrer Forschungen gemeint haben könnten – die Familie mittels eines forschungstechnisch legitimierten ‚veränderten Verständnisses ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und rechtlichen Stellung im Staatsgefüge’ aufzubrechen, um die durch die Arbeitsverhältnisse und die Einkommensverhältnisse ebenso wie durch die aus der ‚Gesellschaft’ (faktisch: Der Herrschaft des Verbundes der industriellen, der ‚karitativen’ und politischen bzw. verwaltungstechnischen Großformnationen und der staatlichen Bürokratie über das Leben) in die Familie hinein getragenen Konflikte, die dort dann als Sozialpsychologie der Person(en) erscheint bzw. ‚wissenschaftlich’ identifiziert und behandelt wird, mit der Folge, dass der noch weiter gehende Eingriff des schon längst bereitstehenden lebenslangen begleitenden ‚Experten’ auf diesem Wege erweitert, gerechtfertigt und als natürlich erscheinend am Ende rechtlich verankert wird. Am Ende steht das Ende der Familie als eines anthropologischen Verbandes, und damit mindestens ein wesentlicher Aspekt des Totalitarismus, wie ihn der Platonische Staat angesichts der Verzweiflung des politischen Konservatismus an den von ihm angerichteten Folgen seines eigenen Handelns erzeugen muss in der Konsequenz eines am Ende sich vollendenden Totalitarismus gegenüber dem Leben des Einzelnen, das auch an anthropologischen oder gar biologischen Grundgegebenheiten nicht Halt zu machen imstande ist, indem es diese vielmehr in die Konsequenz der verschiedenen Möglichkeiten der Massentierhaltung überführt, die sich für die Verwertung des Gattungsexemplars interessieren und die Reproduktion dabei am Ende als eine Sache in Betracht ziehen, die man einem so oder so animierten Vorgang der industriellen Produktion von Sachen angleichen und dafür in Dienst nehmen muss, hier, bei Gattungsexemplaren des Homo sapiens mittels der verbreiteten Suggestion, dies mache Spaß und diene der Erfüllung mit persönlichem Lebenssinn.
Dies alles ist mit Sicherheit von einer kaum zu überschätzenden Bedeutung, weil sich Wissenschaft von Gesellschaft, Gemeinschaft, Kultur und Mensch vor diesem Hintergrund kaum mehr als Betätigungen noch verstehen lassen, die sich dem Wohle der Menschheit unterordnen. Faktisch ist vielmehr die vollständige Prostitution der so genannten Kultur  und Geisteswissenschaften an den pluralistisch bereits vollendeten Totalitarismus der Herrschaft eines industriellen Feudalismus, der die Individuen auf ihre individuelle Verwertbarkeit und Nutzbarkeit, als Nutztiere, reduziert und die Politik und den Staat in Funktionen dieser Nutzungskalküle umgewandelt und derart in Dienst genommen hat.
Indessen geht es zunächst um anderes, und das betrifft die Antwort auf die Frage, wie das eigentlich möglich ist. Damit komme ich zum Thema zurück. Das ist die Traumdeutung Freuds, bzw. einige ihr implizite Konsequenzen, die das Verhältnis von Traum und Wachbewusstsein betreffen. Heute lese ich einen Satz: Der Traum…“ist ein vollgültiges psychisches Phänomen,…einzureihen in den Zusammenhang der uns verständlichen Aktionen des Wachens. Eine hoch komplizierte geistige Tätigkeit hat ihn aufgebaut“ (Kapitel III, S. 127) Das steht in einem bestimmten Verhältnis zu dem eingangs (Vorbemerkung) zu findenden Satz: „Der Traum erweist sich bei der psychologischen Prüfung als das erste Glied in der Reihe abnormer psychischer Gebilde…“ und stellt ihn gewissermaßen richtig.
Nun hat der Wachtraum, den ich gestern hatte, als ich mich entschlossen hatte, meine Inlineskates anzuziehen und die Stadt zu erkunden, eben dies eigentlich dokumentiert und mir offensichtlich beweisen wollen, indem er sich inmitten meines wachen Bewusstseins einstellte und ich eine Zeitlang sogar imstande war, zwischen einer – eher ungläubigen – Prüfung des Traumgebildes und seiner inneren Gestalt hin  und her zu wechseln ohne dass die Intensität des einen oder anderen Bewusstseinszustandes dabei zu oder abgenommen hätte, bis die gewöhnliche Realitätsprüfung sich dann dafür entschied, die unmittelbare Gestalt des Bewusstseins, das den Wachtraum nach den üblichen Regeln der Verdichtung, Verschiebung etc. erzeugte, und sich damit als Moment des gesamten Bewusstseins eben mittels der erkennbar genutzten erkenntnistheoretischen Mitteln der Wirklichkeitserzeugung von den dem Wachbewusstsein sonst zur Verfügung stehenden und bevorzugten der Herstellung folgerichtiger und logisch zusammenhängender Ausformungen des Bewusstseinsstroms bzw. des Urteilens abheben und unter die Kontrolle des Wachbewusstseins bringen ließ. Ich bin angesichts der inzwischen wieder – wenn auch nicht vollständig - hergestellten gewöhnlichen Zensurtätigkeit des Wachbewusstseins nur noch imstande vage Erinnerungsreste an den überaus eindrücklichen Wachtraum zu reproduzieren. Am beeindruckendsten daran erscheint mir im Rückblick die vollständige Vereinbarkeit mit dem Wachbewusstsein, denn ich lief während dessen mit den Inlineskates mitten durch den Menschen- und Fahrzeugverkehr einer mir in vielen Teilen immer noch höchst fremden Stadt und hatte auf einer mir nur vage bekannten Strecke in dem Riesengebilde nicht nur auf die mir entgegenkommenden, in derselben oder quer zu meiner Richtung sich bewegenden Menschen, die sich bewegenden Fahrzeuge, sondern auch darauf zu achten, dass ich meinen Weg nicht aus dem Auge verlor. Inmitten dieser kontrollierenden Betätigung und Orientierung also ‚träumte’ ich, d.h. mein Bewusstsein war offensichtlich den ‚erkenntnistheoretischen’ Mechanismen des Traumes unterstellt und es erwies sich, als ich das bemerkte, dass beides zugleich ganz problemlos ineinander griff und sich auf keine Weise gegenseitig behinderte, wie ich jederzeit angenommen haben würde in bester Übereinstimmung mit der Rede vom Traumwandeln, oder den ‚Träumern’, die die ‚Wirklichkeit’ nicht sehen (wollen), oder gar, wenn man auf die oft konstatierten ‚pathologischen’ Veränderungen des Bewusstseins sieht, so wie sie unter den drohenden Anmahnungen der staatlich autorisierten Medizin (deren Betätigung als wissenschaftliche Hilfskraft des Massenmordes ja hinreichend bekannt ist) und Psychiatrie, wie sie unter der Anmahnung einer derartig überwachten ‚Normalität’ des Bewusstseins selbstverständlich sind oder erscheinen.
Nebenbei: Hat Pinel den Irren am Ende die Fesseln abgenommen, weil man sich inzwischen zutraute, sie anders zu kontrollieren? Und ist das durch die Errungenschaften der ‚modernen’ Pharmaka, also der Ermächtigung zu systematischer Vergiftung nicht am Ende potenziert worden? Und was eigentlich soll damit mehr oder weniger offensichtlich erzwungen werden? Führt nicht vielmehr von der richtig [das kann nur heißen: Jenseits ihrer staatlich sanktionierten und lizensierten ‚Weiterentwicklung’ durch die sich auch in ihren Institutionen organisierenden Anpassung an den ‚hochkulturellen’ Herrschaftsapparat, in dem die frühen Formen der Massentierhaltung mit der Fassade individueller Freiheit in einer einzigartigen Form der vollständigen Versklavung der Biomasse des Homo sapiens zusammenfallen] weiter gedachten Psychoanalyse ein Weg zu einem Verständnis der ‚Hochkulturen’, das ihnen keine Entlastung zu bringen vermag angesichts dessen, was sich einer Technik der Ermittlung ihrer Funktion und Wahrheit, Ihres Telos zu erschließen vermag, einer Ermittlung also, die den angeblich für die Diagnose der Moderne typischen ‚Telosschwund’ widerlegt, nur dass dieses Telos sich eben als ein ganz und gar anderes darstellt, als das, worauf bezogen die Diagnose der Postmoderne als solcher erscheinen mag?
Wie auch immer. Das sind ja alles Nebenergebnisse, deren ständiges Dazwischendrängen mich ärgert, so als wollte ich diese lästigen Überlegungen gar nicht niederschreiben, weil mich die darin zu erkennenden allgemeinen und gewissermaßen einer mich nichts angehende Öffentlichkeit betreffenden Nebensachen nicht verpflichten, sondern sich eher eine Art von ‚Soziologe’ dazwischendrängt, den ich nicht leiden kann und den ich auch nicht zur Kenntnis nehmen möchte, also diese Art von Mensch, der zum Fenster hinaus redet und sich um Dinge kümmert, die ihn nichts angehen müssen, und der so tut, als müsse ihn ‚die Menschheit’ oder eine ähnliche Entität kümmern, statt dass er sie zu der Hölle fahren lässt, zu der er sie unterwegs sieht. Worum es geht ist doch ganz individuell, insofern alles Andere eben bloß alles Andere ist, also das, was das einzigartige Individuum sich gegenüber hat und womit es mehr oder weniger zu rechnen hat um seine eigene Orientierung zu bewerkstelligen. Denn was geht eine Intelligenz die ‚Menschheit’ an, der ‚Nächste’, die Politik oder die Gesellschaft?
Das sind doch alles nur Gegenstände, denen man ggf. geschickt auszuweichen hat. Die Welt vom Standpunkt des Inlineskaters. ZEN oder die Kunst des Inlineskating eben: Alles in Betracht ziehen, mit nichts rechnen, was zu eigenen Gunsten ist, nichts übersehen, das überlebenswichtig ist, Zusammenstöße vermeiden und weiterlaufen, nicht stehen bleiben, vorbei gleiten und alles hinter sich lassen, während man alles vor sich hat. Vorbeitanzen an Hindernissen, Vorbeischwingen, immer im Fluss bleiben, gleichermaßen mit dem Strom wie gegen ihn schwimmen, mit dem Wind wie gegen ihn fahrend…
Ich will jetzt zu dem Wachtraum kommen. Offensichtlich versuche ich bei dieser Schreibtätigkeit, die längst schon auf ärgerliche Weise viel länger dauert als ‚ich’ das wollte, und ständig Material produziert, das mir ganz eigenartig vorkommt, neu, bekannt, überraschend, das sich vordrängelt und mich aufhält, während ich unruhig und angespannt auf dem Stuhl sitze und mir wünsche, es möge dies doch endlich zu einem Ende kommen, so dass ich frei bin etwas anderes zu tun, auf irgendeine Weise an diesen Traum heranzukommen und den ihm zugrunde liegenden Gedanken. Denn ich muss sagen, er war mir selbst dann und gerade dann vollkommen unverständlich, als ich ganz klar erkannte, was ich da ganz deutlich vor Augen hatte. Jetzt kann ich die offensichtlichen ‚Absurditäten’ aber nur noch ganz vage rekonstruieren.
Ein Motiv betraf den Unterschied zwischen den beiden Paaren von Inlineskates, die ich besitze, die u. a. den Durchmesser der Rollen betreffen, und sich darauf bezogen. Eigenartig untergemischt, und ohne jeden ersichtlichen logischen Zusammenhang war damit aber der Besitz eines ‚Handy’s’ und die verschiedenen Tarife, die es dafür gibt, mitsamt den dann versprochenen Nutzungsmöglichkeiten. Was sich in beiden Motiven wiederholte, war, ist ein Unterschied zwischen zwei Möglichkeiten. Im einen Fall betrifft das die unterschiedlichen Rollengrößen, im anderen offenbar verschiedene Marken solcher Telefone und ihre verschiedene mögliche Nutzung. Weiter weiß ich nur noch, dass beides zusammen hing, was ganz offensichtlicher Unsinn ist.
Aber der Zusammenhang, der auch auf Unterschiedlichkeiten anderer Art hinwies bzw. damit zusammen hing, in dem Wachtraum ebenso klar und unmittelbar evident wie angesichts der Kontrolle des Wachbewusstseins vollständig unhaltbar und absurd, ist mir jetzt nicht mehr zugänglich, und ich hatte aus guten Gründen nicht die ‚Geistesgegenwart’, dies alles niederzuschreiben als es mir noch ganz klar und auf eine Weise zur Verfügung stand, die zwar ganz klar vor Augen führte, dass es sich um etwas sehr Erstaunliches handelte, auch um gänzlich Unglaubwürdiges, eben weil es sich dem Bewusstsein mit einer ebenso gut bemerklichen Evidenz aufdrängte, die das Absurde daran nur um so greller erscheinen lassen musste.
Jetzt kann ich nur noch eben diese Merkwürdigkeit erinnern, also einen sekundären Eindruck, den die Reflexion erzeugt, die sich angesichts der offensichtlich werdenden Diskrepanz zwischen dem die Kontrolle durchführenden Wachbewusstsein und der hartnäckig gegen dessen Bedenken sich geltend machenden ‚Evidenz’ der doch ebenso offensichtlich logisch nicht sinnvoll erscheinenden Ineinanderschachtelung ganz verschiedener ‚Symboliken’ (Inlineskates und ihre verschiedene Auslegung u. a. in der Gestalt des Schuhs und der Rollengrößen einerseits, und drahtlose Telefongeräte nebst den ihnen zugeordneten Leistungsverträgen andererseits) darüber wundert, wie dieses Zugleich eigentlich möglich sein kann, in dem sich die Evidenz einer Absurdität mit derselben Stärke nebeneinander behaupten können, so dass das beurteilende Bewusstsein sich offensichtlich nicht derart durchsetzen kann, dass es ihm gelingt, die Evidenz, mit der sich die offensichtlich von ihm als solche absurde Logik der Überlagerung und Identifizierung von ganz heterogenen Elementen zur Einheit einer Bedeutung zusammenfügt, die sich dem Bewusstsein auch dann noch aufdrängt, gewissermaßen, indem sie ihre Dringlichkeit noch betont, wenn die Kritik des gewöhnlichen Wachbewusstseins sich davon gewissermaßen mit Empörung distanziert und das derart angesprochenen Ich mitzureißen versucht, das sich indessen nach Art eines Fürsten verhält, der im Märchen von zwei Ratgebern beraten wird, die ihm in je eines seiner Ohren entgegen gesetzte Mitteilungen einflüstern, die ihm gleichermaßen logisch und sinnvoll erscheinen, so dass ihm jetzt die Aufgabe zufällt, aufgrund dieser Beschaffenheit der Beratung sein eigenes Urteil erst noch zu finden, was ja nur möglich ist, wenn er nicht einfach eines seiner Ohren zuhält oder den Ratgeber nicht zu Worte kommen lässt oder bestraft, indem er ihn herabsetzt und ignoriert, um der Mühe enthoben zu sein, sein eigenes Urteil erst noch zu bilden, indem er sich beiden Ratgebern aussetzt nicht nur, sondern den einen in sein linkes, den anderen in sein rechtes Ohr flüstern lässt, also auch seine beiden Gehirnhälften gewissermaßen ebenso sehr gegeneinander in Stellung bringt als er den derart durch die Ratgeber und die Art und Weise wie diese ihren Rat abgeben, verstärkte organische Gegenstellung der beiden Hirnhälften dazu nutzt, dieses Urteil zu bilden.
Das hat jetzt ein überraschendes Ergebnis, das seinerseits so auf Freud zurück verweist wie der Wachtraum auf die erneute Lektüre des oben zitierten Satzes vor verwies, indem er mich darauf im Vorgriff aufmerksam machte, dass ich bereits weiß, was ich in Zukunft erst (erneut) lesen würde, also das Wiedererkennen der Bedeutung des erneut gelesenen Satzes in dem ihn antizipierenden Traum ankündigte, so als wollte der Traum sagen: Du wirst diesen Satz lesen und erkennen, dass ich das bereits weiß, und das bedeutet auch, dass Du es in Wahrheit schon weißt, dass Du ihn lesen wirst, und den Zusammenhang wirst Du erkennen, wenn Du ihn alsbald liest. Aber darin steckt noch ein Weiteres, insofern dieser Fürst, der ja nicht Herr in seinem eigenen Hause ist, auch nicht, wenn es seine Ratgeber sind, ja auf die Stimme der Vernunft hören will, die bekanntlich leise spricht.
So weit ich weiß, sagt Freud aber nicht, dass sie – wenn auch mit leiser Stimme spricht, aber von wenigstens zwei verschiedenen Ratgebern kommt, und in zwei verschiedene Ohren. Andererseits ist die Traumdeutung ja der Versuch den Beleg dafür zu liefern, dass es diese zwei Stimmen geben könnte, die zwei verschiedenen Ratgebern zugerechnet werden müssen, deren innere Einheit indessen Freud zu zeigen versucht. Es sind zwei leise Stimmen, die sich hier zu Wort melden und sich mit gleichem Gewicht behaupten, obwohl ich sehen kann, dass diejenige, die den Ratgeber ‚Wachbewusstsein’ repräsentiert, zu einer gewissen Empörung neigt gegenüber dem sich in ihre Tätigkeit hineindrängenden Ratgeber, der sich des Traums bedient bzw. der ‚Mechanismen’, besser: Der Gestaltungsmöglichkeiten, die der Traum bzw. das, was man, als ihr Resultat, gewöhnlich so zu nennen sich angewöhnt hat, vielleicht auch aus ‚hochkulturellen’ Gründen spezifisch moderner, und eben dann meist ‚wissenschaftlicher’ Art.
Und angesichts der erkennbaren ‚Rivalität’, die hier das Wachbewusstsein als einen eher eifersüchtigen Zensor zeigt, der seinen Rivalen aus dem Felde drängen möchte, indem er auf die Absurdität seiner Produkte hinweist, ist danach zu fragen, ob hier auch andere Verhältnisse und Beziehungen denkbar sind, die diese Art der Rivalität nicht zeigen, ohne dass dabei das jeweilige Recht, der Anspruch auf Geltung dessen, was die beiden Ratgeber jeweils zu sagen haben können, auf eine unangemessene Art und Weise in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn wenn man die Rivalität zum Kriterium machte, müsste das Wachbewusstsein hier als ein autoritärer und empörter Zensor in eigener Sache erscheinen, der damit schon verdächtig wäre, im Unrecht zu sein, weil seine Empörung seine Rivalität verrät, also einen unangemessenen Herrschaftsanspruch. Aber das klärt jetzt nichts weiter, weil der Inhalt und damit natürlich auch die Bedeutung der Mitteilung des Wachtraums mir dadurch nicht wieder greifbarer wird.
Was also tun? Denn im Großen und Ganzen, so viel ‚Material’ dieser Versuch nun zu Tage gefördert hat, habe ich den Eindruck nicht, zu verstehen wie es mit dem ganz unmittelbar erschienenen Wachtraum und seinem Inhalt eigentlich zusammenhängen sollte. Und ich kann mich auch des Eindrucks nicht ganz erwehren, mich belästigt und festgehalten zu fühlen durch die sich mir doch irgendwie aufdrängende Nötigung, den Versuch zu machen, dieses eigenartige Erlebnis einer zufrieden stellenden Klärung zuzuführen. Es wird mich also weiter auf eine unklare Weise beschäftigen, aber was es eigentlich ist, was mich da derart beschäftigt und worauf es hinausläuft, ist mir ganz unklar, und ich weiß nicht, ob es mich nicht ein wenig besorgt machen muss. Inmitten meines Wachbewusstseins hart sich derart eine Art Fremdkörper eingerichtet, der sich von ihm nicht durchdringen lässt, jedenfalls nicht im Moment, und dieser Eindruck ist mir ebenso fremd wie neu. Gleichzeitig ist mir ‚mein’ Traumbewusstsein’ und die Art seiner Komposition und Produktivität natürlich nicht fremd, aber ich habe es mit meinem Wachbewusstsein nicht in dieser Weise interagieren sehen und sein gegen den Protest des Wachbewusstseins plötzlich sich in seiner Mitte geltend machender Anspruch auf Zugehörigkeit zu seiner Normalität, gar als dessen Korrektur, ist tatsächlich neu, vor allem als Moment des Bewusstseins, das darauf reflektiert. Andererseits ist der ihm gelungene Nachweis, dass dieses Auftauchen und dieser Anspruch auf Zurkenntnisgenommenwerden auf diese ganz neue Weise – nämlich in der Art, dass es sich als wesentliches, wenn auch vorerst noch nicht vollständig integriertes, angesichts des verbleibenden empörten Widerspruchs des bisherigen Alleinherrschers noch eingegrenztes, in einer gewissen Quarantäne gehaltenes Fremdes darin einrichten musste – die Alltagstüchtigkeit des Wachbewusstseins nicht ernstlich stört, auch und sogar wenn es angesichts seiner Ungewohntheit eine gewisse überhöhte Aufmerksamkeit auf sich zieht, bereits eine Form der erfolgreichen Behauptung, die den bisherigen Alleinherrscher dazu zwingen konnte, Zugeständnisse zu machen, die einer Duldung gleichkommen und der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Dauer.
Soweit also wären wir dann. Das Weitere muss sich zeigen, denke ich – denkt wer? Wer denkt hier eigentlich. Wie immer das beantwortet werden muss, oder kann, es geht auch um die bedeutungsvermittelte Konstitution der Wirklichkeit als Ganzer, das eigentliche Problem, das hier unterhalb dieser Merkwürdigkeit und der Art, wie sich bestimmte abstrakte Einsichten aus dem Studium von Überlieferungen in die Form(ung) des bewussten Lebens und des Wachbewusstseins umsetzen, das ja dabei gebildet wird, und nicht einfach nur weiterer Kenntnisse anhäuft, offensichtlich operiert und nur in dieser Form dann dem sich schlagartig verändernden Bewusstsein selbst bewusst werden auf mittelbare Art, also an Symptomen, die es an sich selbst unter bestimmten Umständen wahrzunehmen imstande ist, wenn der Vorgang sich nicht so langsam vollzieht, dass er normalisiert werden kann und unbemerkt bleibt, indem er sich der Selbstwahrnehmung entzieht, der sich das ihr zugrunde liegende Leben des Bewusstseins meist als Kontinuum darstellt, weil sich die erfahrungs-  oder kenntnisbedingten Veränderungen eben normalisieren lassen auf dem Hintergrund einer Kontinuitätsillusion, die den Schock einer nicht verarbeitbaren plötzlichen und von Bewusstsein begleiteten Verschiebung der der Urteilsbildung und der Wahrnehmung der Welt gleichermaßen zugrunde liegenden Voraussetzungen der Konstitution beider gewöhnlich verhindert. Trotzdem kann dergleichen geschehen und ich meine jetzt vermuten zu dürfen, dass es dasselbe Erlebnis bzw. dessen Grundlage ist, die mich angesichts der ersten Lektüre der Traumdeutung so maßlos erschrecken ließen, dass ich daran zu verzweifeln drohte. Diesmal scheint der Schock gemildert, erträglich und macht die Lektüre fortsetzbar, und es gibt offensichtlich auch Hinweise darauf, wie dieser Schock ausgelöst worden ist und warum.
Ich vermute vorerst einmal aufgrund jetzt nicht nieder geschriebener Kontextereignisse, dass sich diese schlagartige Verschiebung in den tektonischen Platten des ganzen Gefüges, die das Bewusstsein als Epiphänomen tragen und formen, also das Oberflächenphänomen der Welt und der Selbstwahrnehmung erzeugen, auf die verschiedenste Art und Weise aus komplexen Kontexten ergeben. Ich beschäftige mich seit einer Weile mit den Folgen der Lektüre von Shakespeare, lese Hegels ‚Logik’, die Lektüre von Mario Erdheims Buch über die gesellschaftliche Produktion von Unbewusstheit war beeindruckend und von kaum zu überschätzender Tragweite, und Rebeccas und Rahels Studien beschäftigen mich aus dem Hintergrund unablässig, weil ich meine, ihnen eine Hilfestellung zu schulden nicht nur, sondern sie haben Anspruch darauf. Was sonst ist die Aufgabe eines Vaters, der sich ernst nimmt und sich den Sinn seiner Existenz nicht vorgeben lässt von einer mörderisch gewordenen Politik.
Zugleich ist der Schock der Einsicht in eine sich verbergende Wahrheit der Realität der gesellschaftlichen Wirklichkeit noch recht frisch. Man muss nicht nur neugierig sein können, man muss es auch dann noch sein können, wenn man dann Erfahrungen macht und sich Einsichten auftun, die man mit seinem bloßen Wunsch zu wissen – weil man sich hat sagen lassen, dass das Ergebnis Freude macht und Einsicht und Erkenntnis gut sind, auch als persönliche Erfahrung stets nur einen Gewinn darstellen – nicht antizipieren konnte und die u. U. mit Erwartungen nicht übereinstimmen, von denen man nichts wusste und von denen man erst angesichts der sich ankündigenden, ihnen widersprechenden Einsicht und Erkenntnis erfährt, nämlich als von gegen sie gerichteten Wünschen und Hindernissen, die ihnen, der Einsicht und der Erkenntnis nämlich, nicht entgegenkommen. Wer in der festen Überzeugung erzogen wurde, dass Einsicht und Erkenntnis gut sind, schön, wertvoll, der muss ich unter Umständen in vieler Hinsicht eines Besseren belehren lassen von der Wahrheit und Wirklichkeit von Einsicht und Erkenntnis.
Eines der am betulichsten gehätschelten Vorurteile der Schule betrifft aus gutem Grunde die implizite Behauptung, Erkenntnis und Einsicht, gar in der Form der Wissenschaft, seien allgemein, gesellschaftlich und politisch willkommen und würden bereitwillig belohnt, gar mit dem sozialen Aufstieg, Ehren, Orden und Respekt gegenüber der Person des Wissenden. Der darin versteckte Irrtum ist von der Art, die Wahnsinn ist, aber mit Methode. Denn genau genommen heißt das alles nur, dass die willkommenen Einsichten und Erkenntnis willkommen sind. Und man muss sich das dazu vorzustellende ‚Begrüßungskommittee’ schon etwas genauer ansehen, um zu erkennen, worum es sich handelt, um eine Garde von sehr gefährlichen und mordbereiten Zensoren, die sich gern jederzeit auch des Mobs bedienen um ihnen unangenehme Einsichten und Erkenntnis zu verhindern oder auszuschalten, und dabei ist dann stets nicht nur die Einsicht und die Erkenntnis gemeint, sondern auch und vor allem die Person, die sie trägt und vorträgt. Und dafür gilt: Je ‚demokratischer’ die Verhältnisse, desto offener stützt sich der Ankläger auf den Mob, dem er seine Erhebung zum Täter in diesem Sinne verdankt. Das ist eine Lehre aus der Einsicht in den Kontext von ‚Ich-Analyse und Massenpsychologie’.
Merkwürdig ist doch wieder der Gedanke, dass man aus der Analyse eines Eindrucks, der das Wachbewusstsein belästigt und sich nicht abweisen lässt, u. U. ganz anderes zu Tage fördert als das, was den Eindruck erzeugt bzw. bewusst hält, vermuten lässt. Das ist ja auch der Zusammenhang des ‚nicht recht rekonstruierbaren Wachtraums’ mit dem, was der Versuch, sich seiner Bedeutung zu versichern dann zu Tage fördert, irgendwie ständig gegen den (Un)Willen des Analytikers, der sich dabei aufgehalten und festgenagelt fühlt an einen Stuhl vor einer Maschine, in einer Fronarbeit, von der er nicht recht einsehen will, warum er sich ihr eigentlich unterwerfen soll, wenn er doch nicht muss und er sich niemandem gegenüber in der Schuld dafür fühlen muss, solche Lieferungen zu erzeugen, und sogar wissen kann, dass es genügend Leute gibt, die eher froh wären – wenn auch in keiner Weise dankbar, sondern eher schadenfroh – wenn es dergleichen niemals je geben könnte, und wenn sie sicher sein könnten, dass ihnen die Mühe erspart bleibt, sie zu ‚widerlegen’.
Ist es denkbar, dass das Unbewusstes, indem es zugleich meine Abneigung gegen die Verpflichtungen kennt (zumal angesichts des Zustandes eines kulturelle nicht zurechnungsfähigen verantwortungslosen Mobs, der das Leben und die Politik beherrscht und einen großen Teil der sozialen und kulturellen Institutionen), die das Studium einer Wissenschaft, zumal die von Mensch und Gesellschaft, auferlegt und zu befolgen verlangt, was Disziplin und die Bereitschaft betrifft, sich der langen Mühe der Produktion zu unterziehen, wenn man die dringendsten Aufgaben des Studiums erledigt hat, und ebenso meine Vorliebe für die Untersuchung und die Analyse der Bedeutung des von Traums, mir eben die Köder, die das Ich sonst nicht zu schlucken bereit wäre angesichts der Unlust, die die Ausführung dieser Aufgaben und der Abscheu vor den barbarisierten Adressaten, die kaum anders als unter dem Gesichtspunkt einer von primitiven Trieben ferngesteuerten Biomasse, einer konturlosen Herde von restlos und würdelos Versklavten Tieren oder Subtieren erscheinen, in der Form eigenartiger und nach Untersuchung verlangender ‚Träume’ vorlegt, um mich auf diese Weise zu ködern?
Aber was wäre dann das Ich? Ein von seiner Appetenz betrogener Fisch an der Angel des Unbewussten. Und das Unbewusste der mit einer Hypervernunft begabte Akteur. Und der sollte was wollen? Das das Ich unter seiner ‚Anleitung’ dieser Art ‚Kulturleistungen’ hervorbringe? Kaum zu glauben ist dieses Quid pro Quo. Man müsste dann zugestehen, dass der Mensch ein von seinen unbewussten ‚Kräften’ aus seinem Rücken gesteuertes Wesen ist, das von diesen ihm nicht bewussten Kybernetikern zur Kulturleistung angehalten oder gar listig verführt wird, wenn es sich anders nicht machen lässt. Das würde dann ein Licht auf die Bedeutung des Erziehers im Rahmen der menschlichen Existenz ebenso werfen wie auf die darin von Anfang an angelegte Möglichkeit des Vergessens seiner fundamentalen kulturellen Rolle, die deren zumal technologisch verkürzte Perversion im Dienste von verselbständigten Machtapparaturen erst ermöglicht, ebenso wie die Institutionalisierung dieser Perversion in der Form der so genannten – zumal technologischen Spätform – der Hochkultur. Reicht das jetzt? Ja, mir reicht’s. Zeig’ mir den Adressaten, dann ist alles anders. Ich kann ihn nicht sehen. Doch, meine Töchter, die Wunderbaren.

Fünfunddreissigster Traum:

Traum am frühen Morgen des Sonntag, 9. April 2006, um 4:00 Uhr

Ich liege in einem Bett, das ganz mit weißem Bettzeug bezogen ist. (Tatsächlich ist das Bettzeug meines Bettes vorwiegend rot und gelb-orange.) Ich liege auf dem Rücken, mit auf der Decke gefalteten Händen und einem etwas zu stark auf der Längsrichtung des Körpers nach oben abgeknickten Kopf, wie man das von der Aufbahrung von Toten gelegentlich sieht, die so gebettet sind, damit man ihnen vom unteren Ende des Totenbettes oder des Sarges her ins Gesicht sieht. Ich habe kürzlich ein solches Bild gesehen. Die Aufgebahrte war ein Mädchen von etwa 12 – 15 Jahren, und lag in dieser Haltung, von der rechten Seite des Lagers her gesehen, wenn man ‚rechts’ vom unteren Ende her definiert. Ihre langen schwarzen Haare waren neben ihrem Kopf seitlich entlang des Körpers herunter drapiert und sie hatte einen Jungfernkranz im Haar. Ich würde das Bild dem Jugendstil zuordnen, also dem Kaiserreich in Deutschland. Es war eine Computerdatei, auf die ich stieß als sich nach Bildern suchte, um ein Märchen zu illustrieren, dessen zweiten Teil ich für meine jüngste Tochter Sarah geschrieben und vor ein paar Tagen an sie abgesandt habe. Ich suche es noch.
Ich liege also in der Haltung eines aufgebahrten Toten in einem, meinem Bett. Rechts von mir, aus meiner Sicht gesehen, steht ein Mann neben dem Bett, angelehnt in Hüfthöhe an ein Möbelstück, etwa eine Anrichte oder Kommode. Ich kenne den Mann nicht. Er liest in einer Zeitschrift oder einem Buch, und murmelt sachverständig Kommentare zu dem Gelesenen, denen ich entnehmen kann, dass es sich um einen Adelskalender oder dergleichen handeln muss. Jetzt erinnert er mich dunkel an einen Professor für Soziologie, mit dem ich einmal zu tun hatte. Er stammte aus der seinerzeitigen DDR und beklagte sich darüber, dass man ihn als Überbleibsel der Großgrundbesitzerherrschaft in der Schule behandelt hatte und ich kann mir die Folgen dieser Verfemung deutlich vorstellen. Es ist eigenartig genug, dass ich von ihm tiefer in die Schriften von Karl Marx eingeführt wurde, während wir später in einen Gegensatz zueinander gerieten, der meine Abneigung gegen die Soziologie, in der ich akademisch doch einen Abschluss mit Auszeichnung machte, der mir die wissenschaftliche Befähigung bestätigte, heute im Wesentlichen mit bestimmt hat. Ein anderes Erlebnis mit einem ‚Studienfreund’ macht meine Abneigung u. a. gegen die institutionalisierte Psychoanalyse aus, die sich allerdings auf eine eigenständige Untersuchung der gruppentherapeutischen Praktiken der siebziger Jahre stützt, von denen aus ein Licht auf alle diese ‚GruppenerziehungsProzesse’ fällt, das sie nicht in einem guten Licht erscheinen lässt, sondern eigentlich als Fortsetzung der von den Alliierten in den POW-camps praktizierten Umerziehungsmaßnahmen erkenntlich werden lässt, also als hochgradig ideologisierte Techniken und Maßnahmen zur willkürlichen Umerziehung der Population, und zur Instrumentalisierung der Nachwachsenden im Interesse von wohl berechneten Machtkalkülen politischer Art, unter denen die ‚therapeutischen’ Techniken und die ‚Gruppendynamik’ neben den eher ‚inhaltlich’, also in der Form von Studienfächern organisierten ‚Wissenschaftsförmigkeit’ institutionalisiert wurden, im Gegensatz zu den eher ‚flächendeckend’ eingeführten gruppendynamischen Techniken der ‚Integration’ von kleineren Personenverbänden, an denen diese Techniken ebenso experimentell ‚erprobt’ wie ‚weiter entwickelt’ wurden, und zwar auf eine gänzlich unkontrollierte oder kulturell oder wissenschaftlich verantwortbare Art und Weise, so dass man sagen kann, dass es sich dabei eigentlich um eines der organisierten, freilich pluralistisch organisierten Großverbrechen gesellschaftlicher Art handelt, wie sie nur angesichts der ‚wissenschaftlich angeleiteten’ Handhabung von Gruppen und der Erziehung allgemein denken und praktizieren lassen, wenn man von den Techniken der Inquisition und der Zwangsbekehrung einmal absieht, die das Vorgängermodell für alles dieses darstellen und nur noch durch eines überboten werden: POW-camps und Konzentrationslager, sowie den industriell organisierten Massenmord, unter den auch der Massenmord mit Waffen gerechnet werden muss, denn sie sind allesamt Industrieprodukte. Welchen Sinn hier der Ausdruck ‚Paradigmenwechsel’ hat, ist noch zu zeigen.
Es vollzog sich nämlich in den siebziger Jahren (in Westdeutschland, ein Umstand, der der seither ‚integrierten’ Population der seinerzeitigen DDR vollständig entgangen sein dürfte, vor allem was die politische Bedeutung dieses wissenschaftlichen Paradigmenwechsels betrifft, eine Nebenbemerkung an die Adresse einer politischen Führung, die, aus der Schulung in ‚Physik’ kommend, sich entsprechend dem Selbstbewusstsein der ‚Disziplin’ mit seiner Kenntnis auf der Höhe der Zeit meint hervortun zu können, wenn sie etwas zu laut und ohne eine ernst zu nehmende Kenntnis, und vor allem nun mit einer ganz unschuldig erscheinenden ausdrücklichen politischen Unterlegung der Bedeutung des Terminus, den Thomas S. Kuhn vermutlich ebenso blind in die wissenschaftspolitische Debatte eingeführt haben dürfte, als nützlicher Idiot gewissermaßen, wie er nun von dieser Politik als politischer Terminus genutzt wird, womit er genau genommen nur zu sich selbst kommt, weil er von Beginn an ein politisch wenn nicht gemeinter, dann jedenfalls zur Ausschaltung von politischen Gegnern zuerst im staatlichen und unternehmenseigenen Wissenschaftssystem gewesen ist.) ein fliegender ‚Wechsel der Paradigmen’, wobei von Bedeutung ist, dass dieser Wechsel sich zugleich als Gabelung vollzog, und zwar einmal durch die systematische Verlagerung des Schwergewichts der wissenschaftstheoretischen Debatte auf die Methodologie und Erkenntnistheorie der Naturwissenschaften, vorwiegend der Physik, und durch eine noch radikalere Verschiebung in den Wissenschaften, die sich mit Mensch und Gesellschaft befassen – weder der alte Ausdruck ‚Moral Sciences’ noch der der Gesellschaftswissenschaft ist hier präzise genug angesichts der erkennbaren Versuche der Wissenschaftspolitik, hier in dieses Gefüge selbst Aufspaltungen erfolgreich hinein zu institutionalisieren und die Diversifikation im Dienste billiger (kostengünstiger) und verwaltungstechnisch leicht zu führender ‚Light-Versionen’ in der Form der Sozialarbeit und der Sozialpädagogik, also auf dem Niveau einer ‚Ausbildung’, die sich genau genommen als Form subwissenschaftlicher Konditionierung des Personals etabliert haben, das sich derart einerseits stets weitergehend durch den Staat ermächtigt sieht zum steuernden Eingriff, andererseits keine eigenständige wissenschaftliche Basis hat, es sei denn in der Pädagogik, also in einem Abkömmling des Lehrerberufs, der sich in dem betreffenden Feld als Unterbestimmung des Gegenstandsfeldes und nicht anders konturiert, während andererseits die bevölkerungspolitisch ganz eindeutig ausgerichtete Organmedizin mit ihrem Apparatefetischismus und ihrem auf Apparate und physikalische Technologien sowie die Chemie ausgerichtete wissenschaftliche Grundlage stets weiter weg führt von einem möglichen Verständnis des Zusammenhangs von Medizin, Psychologie und Gesellschaft im Kreuzungspunkt Individuum bzw. Familie oder anderen elementaren Personenverbänden mit Wurzeln in den Grundlagen der anthropologisch-biologischen Existenz der Gattung Homo sapiens, sowie den kulturtheoretisch bedeutsamen Zusammenhängen zwischen diesen anthropologischen Essentials und dem vom Inbegriff von Kultur nicht zu trennenden Konzept des Menschen, im Unterschied zur Tiergattung und den von den thermodynamischen Gesetzen abhängigen Fluktuationen in der jeweiligen Biomasse des Homo sapiens, wie sie sich ergeben mag angesichts der wechselnden Verfügbarkeit von (fossilen, also mittelbar solarer, oder unmittelbar solarer) Energie – einen Wechsel, den man am besten mit einem Terminus bezeichnet, der seinerzeit der Wissenschaft der i. w. S. als ‚Gruppendynamik’ zu bezeichnenden Formationen der Sozialtechnologien entnommen ist, und dem entsprechend als radikaler, politisch motivierter und gewollter Wechsel von so genannten ‚alloplastischen’ zu ‚autoplastischen’ Terminologien bzw. ‚Paradigmen’ des ‚Handling’ von gesellschaftlichen, sozialen und politischen ‚Steuerungsproblemen’ kennzeichnen lässt, einen Wechsel, den man getrost als kalten Staatsstreich betrachten kann und sogar muss, wenn man seine politische Absicht und Konsequenz überhaupt wissenschaftlich erfassen können will. Dergleichen geht weit über alles hinaus, was die Inquisition jemals sich hat leisten können und maskiert sich in der Form einer Legalität, die sich als ungemein schwer angreifbar erweist, auch in dem Maß ihrer Illegalität mit Bezug auf die kodifizierte Form der Herrschaft, die das verbietet weit jenseits dessen, was man lahm und kaum mehr Ernst zu nehmen unter Bezug auf die so genannten Menschenrechte gelegentlich noch artikuliert.
Der Hauptgrund dafür ist, dass sich die Technik vor allem und zunächst des Bewusstseins der Menschen selbst bemächtigt um sich rechtfertigen und unauffällig machen zu können, und dies in einem Maße, dass auch das für die ‚wissenschaftliche’ , also im Sinne der verantwortbaren bewussten Übersicht über den Sinn und die Bedeutung von ‚Veränderung’, Fortschritt’, ‚Modernisierung’, ‚Globalisierung’ wissenschaftlich zu handhabenden Fluktuationen der Strukturmuster und Instrumentarien von Macht und Herrschaft eine wirkliche Erfassung dessen garantiert sein könnte, was da vorgeht. Stattdessen sind die ‚Wissenschaften’ in diesem Bereich zu bloßen ‚Wissensformen’ herunter gekommen, die sich beeilen, der von ihnen konstatierten Veränderung, wenn sie überhaupt konstatiert wird, sogleich in der Form der voreilenden Anpassung ihrer Terminologien an die Erfordernisse politischer Machtausübung derart entgegen zu kommen, dass sie Teil dessen werden, was sie als ihren Gegenstand zu betrachten hätten. Das wird auf die verschiedenste Art und Weise gerechtfertigt, und über allem schwebt der kaum mehr verhehlte Zynismus der wissenschaftlichen Karrieristen, die sich zur Recht über die noch verbliebenen blauäugigen sozialen und psychologischen ‚Moralisten’ lustig machen, die sich innerhalb dieses Systems rücksichtsloser und im Übrigen zunehmend das Bewusstsein des eigenen Tuns – angesichts der radikalen Eliminierung jedes kritischen Potentials im verwaltungstechnischen Apparat der sozialtechnologisch durchpolitisierten Wissenschaften – noch als geduldete nützliche Idioten identifizieren lassen.
Diese ‚Deszendenz’ der Wissenschaft zur ‚Wissensform’ ist inzwischen schon weiter vorangeschritten und hat ihre dritte Dekompensationsstufe erreicht, indem die Wissensform in ‚Wissenschaftsförmigkeit’, also eine rhetorische Propaganda übergeht, die nur noch den Hintergrund für die institutionelle Ermächtigung von nützlichen Exekutoren des herrschenden Trends (zu ‚Rationalisierung’, ‚Qualitätskontrolle’ und ‚Verbesserung’ und ‚Modernisierung’ etc. sind, Termini, die ausnahmslos Vorgänge interner Machtergreifung und Ermächtigung in dem mehr oder weniger staatlichen und pseudoprivaten Gefüge der (wiederum, wie schon einmal auch kirchlichen und ‚karitativen’) Organisationen bezeichnen, die mit dem von der Außenseite der Bedeutungen dieser Termini in keiner Weise gedeckten, mit ihnen nicht einmal kompatiblen, indizierten Sachverhalten nicht das Geringste zu tun haben. Das Maß, in dem hier die von Orwell (und Huxley) ja nicht zufällig im Sprachraum des Englischen zuerst bemerkten Amalgamierungen von ‚Wissenschaft’, Politik und Propaganda zum integralen Gebilde der Sozialtechnologie die soziale Realität zu einem Gesamtkunstwerk umzuformen im Begriff nicht nur sind, ein Vorgang, der vor allem vor dem so genannten Selbstbewusstsein der ebenfalls in einem objektiven Sinn nur so genannten ‚Eliten’ längst erfasst und korrumpiert, d. h. aus seinen eigenen, von keiner Reflexion aus diesem Innenraum mehr zu erreichenden Maße geformt hat, so dass sie im Wesentlichen alle dasselbe plappern, und zwar je klüger sie meinen, dass sie sind, desto mehr Unterschiede nur noch entlang dem Narzissmus der kleinsten Differenzen überhaupt zugelassen sind, sonst gehört man nicht zur Elite, ein Umstand der die Bandbreite des Gefasels zusätzlich einschränkt, fällt deshalb nicht als solches auf, weil Artikulation, die nicht in den Rahmen des immer enger werdenden Spektrums des derart überhaupt noch als ‚intelligibel Erlebbaren’ fällt, mit instinktsichrer zunehmender Aggressivität angegriffen und entschlossen ausgegrenzt und mundtot gemacht werden kann unter Nutzung des gigantischen Plapperapparats, den die herrschende Klasse vor allem auch über ihr eigenes Bewusstsein verhängt hat, um alternativenlos herrschen zu können, und unter formaler Erhaltung ‚des Rechts auf freie Meinungsäußerung’ durch deren wirksame und vom Gesetz gestützte Marginalisierung.
Der Übergang in den Totalitarismus ist derart längst vollzogen ohne dass dies in den über den derart traktierten Beständen in der Drift mitfliessenden Unkraut- und Tangfeldern pseudowissenschaftlicher Terminologien überhaupt noch diagnostizierbar wäre. Das Verhältnis der lebensweltlichen Grundlage des Lebens gerät damit in ein Verhältnis zu deren ‚wissenschaftlicher Begleitung’, wie die Tang- und Algenfelder der Sargassosee zu den unter ihnen liegenden Wassermassen. Ein Bezug zu objektiven Bezugspunkten außerhalb des Bezugssystems wird unmöglich und die so genannten wissenschaftlichen Paradigmen treiben in den Strömungen. Das erinnert an eine Geschichte der Bürger von Schilda, die angesichts des heranrückenden Feindes beschließen, die Glocke ihrer Kirche davor zu bewahren, von diesem Feinde eingeschmolzen und umgegossen zu werden zu Kanonenrohren. Sie verfrachten die Glocke auf ein Boot und versenken sie in einem nahebei gelegenen See. Um die Stelle wieder zu finden, an der sie die Glocke versenkt haben, machen sie eine Kerbe am Bootsrand an der Stelle, an der sie sie über Bord warfen. Das muss man sich ‚flächendeckend’ und ‚nachhaltig’, also auf das gesamte Bezugssystem übersetzt vorstellen. Enter The Theory of Relativity – in ihrer richtigen Interpretation und Anwendung, an dieser Stelle jetzt ganz passend um ihre Leistungsfähigkeit zur Zerredung des Gemeinten auf höchstem Niveau unter Beweis zu stellen, durch Jonglieren mit den relativ zueinander bewegten Bezugssystemen usw.  Man kann sogleich durchlaufen auf das zu erwartende Ergebnis, das alles dies Gesagte als vollständig gegenstandslos erweist.
Es dürfte genügen, an die aus der Diskussion bekannten Überlegungen zur Bedeutung der immer weiter um sich greifenden Bildung von Zusatzhypothesen und Metastasen hinzuweisen, die zur Immunisierung eines politischen oder wissenschaftlichen – wer will das noch unterscheiden? - Paradigmas der Herrschaft – oder sollen wir sagen: Der kulturellen Integration? – dienen und die abundant entstehen, wenn dieses die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Integration der Daten überschritten hat. Was das historisch bedeuten kann zeigt mit großer Eindeutigkeit die politisch erfolgreiche, aber wissenschaftlich ganz eindeutige regressive Durchsetzung des ptolemäischen Weltbildes im Hellenismus, der sich dann zu der noch viel weitergehenden intellektuellen Dekompensation eines immerhin christlich sich noch als kulturelle Einheit lange nach seiner militärischen Dekomposition in der Form der in das zwanzigste Jahrhundert ausmündenden, den ‚säkularen Staat’ und den Nationalismus und Rassismus ausbrütenden Barbarei erweitern konnte, die darin eigentlich erst richtig zu sich selbst gekommen ist, indem sie sich auf ‚wissenschaftliche Grundlagen stellte, die es endlich erlaubten, den ‚Wissenschaftsfortschritt’ mit der sozialen und gesellschaftlichen Regression zur besten aller denkbaren Symbiosen zu synthetisieren.
Um auf den Traum zurückzukommen, in dessen Betrachtung sich nun wiederum auf eine unerklärliche und merkwürdige Weise dieses Material einschiebt: Der an der Kommode lehnende Mann murmelt offenbar auf seine angelegentliche Lektüre bezogene genealogische Daten aus dem Adelskalender vor sich hin. Der besagte Professor hatte auch solche Verbindungen, die ihn als Exponenten der ostpreußischen Grundbesitzerskaste auswiesen und ich hatte einmal Gelegenheit, seine Mutter kennen zu lernen – er stellte sie mir vor bzw. mich ihr - eine alte Frau, die am Stock ging und deren eiskalte Feindseligkeit, die mir aus ihren Augen entgegen sprang, mich erschrecken ließ, weil ich intuitiv eine Feindin des Bürgertums erkannte, dem ich wie immer ohne ein seinerzeitiges klares Bewusstsein der Quellen seines Selbstwertgefühls angehöre (das hat sich inzwischen verändert und ich sehe vor allem die Fatalität meiner ‚Solidarität mit dem Proletariat’, einem geilen und trägen, intellektfeindlichen und entsprechend karrieristischen Mob, über den Karl Marx und Co. ganz offensichtlich romantische Vorurteile hätschelten, auch wohl aus der nachvollziehbaren Verzweiflung an der ihnen offensichtlich unerträglichen Einsamkeit in der bürgerlichen Gesellschaft ihrer Zeit, einer Verzweiflung, die das Problem aufwirft, was zu tun ist, wenn man ihre Illusion nicht mehr zu teilen imstande ist ohne sich jemals zu einer der sich anbietenden Formen des Karrierismus entschließen zu können, einfach weil der Entschluss nicht zur Disposition steht, aus Gründen, die ich noch immer nicht genügend kenne, so dass ich ihnen misstraue, weil sie sich meiner bewussten Beurteilung offensichtlich entziehen, während sie mein Handeln unübersehbar determinieren in einer Weise, die mich gelegentlich zur Verzweiflung brachte, weil sie kaum Alternativen zu bieten scheint und mich ggf. eher zum Tode zu verurteilen bereit scheinen als dass sie mir ein Leben erlauben könnten, das sich von dem haardünnen Grat, auf dem ich balancieren muss, auch nur einen Hauch entfernt.)
Ich höre mir dieses Gemurmel eine Weile an, von meinem Totenbett aus, neben dem er steht, ohne dass ihn das zu betreffen scheint, er ist eben mit seinem schlimmen Schicksal befasst und erwartet dafür Verständnis. Ich rühre mich nicht und verharre in meiner mir offenbar durch den Leichenbestatter vorgeschriebenen oder empfohlenen Haltung, bis ich mich plötzlich dazu entschließe, lauf und vernehmlich einen Vers aus einem mir bekannten romantischen Lied zu zitieren: „An der Saale hellem Strande stehen Burgen stolz und kühn, Ihre Dächer sind zerfallen und der Wind streicht durch die Hallen, Wolken ziehen drüber hin“. Damit ist der Traum zu Ende und ich erwache.
Ich erinnere mich nun daran, dass ich gestern Abend, auf meinen Inlinern laufend, an einem Hauseingang vorbei lief, aus dem ein Mann mit dem Hinterteil zuerst herauszukommen im Begriff war, so dass ich ihn warnte, indem ich leise ‚Vorsicht’ rief, worauf der Mann in ein wütendes Geheul ausbrach, das ich im Vorbeigehen zunächst, angesichts des fetten Hinterns, der zuerst aus dem Eingang kam und keine Augen hatte, während mich das an die Bezeichnung ‚Arschgesicht’ erinnerte, als er mich ärgerte, mit der Bemerkung: ‚Fick’ Dich selbst’ kommentierte, eine Empfehlung, der ich angesichts eines nun natürlich zu erwartenden erneuten Ausbruchs, der jetzt alles Recht schon ganz fest auf seiner Seite glaubte, wie das bei diesem von Größenphantasien Angst beherrschten und einem in präventive Wut gegen den Nächsten umschlagenden habitualisierten Anspruchshaltung dieser Art eben der Fall ist, die sich angesichts ihrer rücksichtslosen Unterwerfung unter die Methoden der sozialen Kontrolle im Arbeitsleben in den Lücken des passageren Verkehrs auf der Straße des Alltags zur Geltung zu bringen versuchen, die Qualifizierung ‚Proletenschwein’ in der Form des Einwortsatzes nachschob.
Was ist nun damit anzufangen. Beim Aufwachen kam es mir so vor, als sei der Abgesang auf die Adelskaste zugleich der auf meine, von der Herrschaft eines auf untertierisches Niveau herunter gekommenen Mobs umgebenen hoffnungslos bürgerlichen Existenz, an der festgehalten zu haben mir die Einweisung in ein 'virtualisiertes' Lager eingebracht hat und die soziale Verachtung der zu politischen Gewalttätern aufgestiegenen Exponenten des (sozialdemokratischen) Proletariats, das seine ganze Dreistigkeit und Unverschämtheit wie auch seine korrupte moralische Verkommenheit nicht zuletzt auf den Kohlekompromiss gegründet hat und dessen gegenwärtige Exponenten am besten repräsentieren, was dabei herauskommt, wenn man sich dazu überreden lässt, diese Mentalität zu unterstützen in der Illusion, die eigene moralische Verantwortlichkeit müsse sich in der der derart Unterstützten fortsetzen.
Derart liege ich also auf dem Totenbett meiner eigenen sozialen und intellektuellen Existenz und halte einem von diesem Proletariat selbst seiner eigenen Erzählung nach als ‚Überbleibsel’ einer von ihm feindselig bekämpften herrschenden Klasse misshandelten Gebildeten vor, dass seine Burgen und Schlösser in Ruinen liegen, während ich selbst auf dem Totenbett liege, auf dem mich der Leichenbestatter dekorativ drapiert hat.
Ich stelle mir damit also selbst eine Art von Attest aus auf meinen eigenen sozialen Zustand. Ich bin sozial so tot wie der Adel, den ich verhöhne, weil er sich darauf zurückzieht, sich mit sich selbst im Modus seiner längst untergegangenen Bedeutung und Vergangenheit zu betrachten und die Gegenwart zu ignorieren, die ihm vielmehr die Tatsache meines Todes, des Bürgertums, mitteilen könnte und damit auch etwas über sich selbst, insofern er Vorgänger in der Herrschaft war. Meine Qualifizierung des Mannes als ‚Arschloch’, dessen Angebot ich verabscheue, indem ich es ablehne, mich mit ihm im selben Dreck zu wälzen oder zu vermischen, abgesehen von der verabscheuten Homosexualität, auf die ich anspiele und die ich nach wie vor als Perversion betrachte, was mit ihrer politischen Behandlung m. E. nichts zu tun hat, und die Verstärkung, die ihn als ‚Proletenschwein’, also eigentlich als unter dem Schwein und dessen immerhin leidlich erhaltener Instinktsteuerung auch unter den Bedingungen der Domestizierung stehendes Untertier qualifiziert, ist dennoch angesichts des Umstandes, dass dieser Typus in der Form der erfolgreichen proletarischen Aufsteigers, zum herrschenden Typus geworden ist, auch wiederum ein Todesurteil über meine eigene Existenz und bestätigt nur, dass ich eigentlich mich selbst mindestens ebenso sehr meine wie den kritisierten Professor der Soziologie, der übrigens lange tot ist, im Gegensatz zu mir.
Mir fällt denn auch die klare und entschlossene Zitierung der Verse aus der Mitte des stummen Rollenspiels eines aufgebahrten Toten auf, der plötzlich zu sprechen beginnt. So hat das denn wohl auch die Bedeutung, dass ich mich tot gestellt habe, und derart zum Beobachter der mich umgebenden Verhältnisse erst werden konnte, die dieser nun plötzlich in geordneten Versen einer Kritik aussetzt, die ihnen ihren längst hinter ihnen liegenden Untergang mitteilt, und eben diese Absicht – einer nunmehr entschlossenen Aufkündigung der ‚Solidarität’ mit dem als gemeinem und untertierischen Mob eingestuften ‚Proletariat’, das einer Kultur nicht fähig ist und sich, gefördert, als gewissenloser und triebhafter, sozial verantwortungsloser Karrierist erweist, einmal abgesehen von der Unfähigkeit sich etwas anderem unterzuordnen als dem derart zur ausgebreiteten Barbarei sich ermächtigenden Lustprinzip und dem rücksichtslosen Egoismus ohne Zukunftsperspektive, der sich darin manifestiert – einen Beitrag zu ihrer nun auch intellektuell bewerkstelligten Vernichtung zu liefern.
Was daran der Wunscherfüllung entspricht, deren Funktion für den Traum ich gerade erneut betrachte, ist mir allerdings noch nicht ganz klar. Das muss ich weiter klären. Freud kann mit überraschender Leichtigkeit stets durch die verwickeltsten Verhältnisse hindurch diese Funktion des Traumes klären und auch mitteilbar verständlich machen. Ich bin deshalb betroffen darüber, dass sich mir diese Einsicht offensichtlich immer noch verschließt, obwohl ich wenigstens bewusst nicht die Absicht habe, ihn widerlegen zu wollen. Das erschiene mir unsinnig, weil es das Verständnis verhindert, mindestens aber das Verständnis dessen, was er und warum er es meint. Aber wer weiß was das Unbewusste dann dazu sagt, das sich dann vielleicht doch sträubt.
Der Zensor scheint mich nicht passieren lassen zu wollen. Ich muss das abwarten. Das Tor wird sich auftun. Nebenbei bringt mich das darauf, dass das Verständnis der Psychoanalyse, so wie Freud das intendierte, nicht das von Habermas so eigenartig hervorgehobene Problem des von ihm so genannten wissenschaftstheoretischen Selbstmissverständnisses betrifft, unter dem man dann verstehen kann, was man will – es ist eine Art von Blankoscheck, den sich der Interpret auf seine eigene Hermeneutik ausstellt – sondern das Problem, worauf Freud eigentlich hinauswollte, also was seine basale Intuition ist, so wie man sie aus seinen Schriften rekonstruieren kann, und wie immer zeitgebunden das war, was die benutzte Metaphorik betrifft. Denn letzten Endes versuchen die wirklich bedeutsamen Theoretiker – und ich rede jetzt ausdrücklich nicht von einer ‚Wissenschaftlergemeinschaft’, sondern von dem je betreffenden Individuum, angesichts dessen die Rede von der angeblichen Wissenschaftlergemeinschaft schon eine Ideologie ist, die organisierte Gruppeninteressen formuliert, legitimiert und verteidigt, und zwar ausdrücklich gegen die produktive Individualität gerichtete Interessen, die mindestens auch den Sinn haben, das Bewusstsein aus der Welt zu schaffen, das es Individuen sind, in denen sich die produktive Energie konzentriert, die die Menschheit auf ihrem Weg begleitet und geführt hat, und das es Individuen sind, die diese Leistungen erbringen, denen es die Biomasse des Homo sapiens zu verdanken hat, dass sie mehr ist oder als mehr erscheint oder mehr sein könnte als bloß dies, eine von den schwankenden Diktaten der thermodynamischen Gesetze erzeugte und abhängige Biomasse. Am Horizont der Silberstreifen der Erscheinung der Eos. Zen, oder die Kunst der Inlinescatewartung.
Montag, 10. April 2006
Am Ende einer längeren Schreibtätigkeit scheint meine Phantasie, also der Lieferant des Materials, das das Bewusstsein verarbeitet, angesichts einer sich verdichtenden Zensur des Wachbewusstseins zu vertrocknen. Das Ergebnis sind dann ‚philosophische Reflexionen’ höchst gebildeter und belesener Art, aber sie scheinen eher das Maß der Entfernung von den Quellen anzugeben als ihnen eine angemessene kulturelle Einkleidung zu geben. Es setzen sich dann auch sekundäre Motive durch, die der analytisch unvoreingenommenen Betrachtung des Materials nicht recht angemessen zu sein scheinen.
Eher sieht es danach aus, dass Momente, die das Objekt der Analyse unbedingt sein und bleiben müssten, in das analytische ‚Ich’ und die Betrachtung hinüberwandern, gewissermaßen als illegale Grenzgänger in Verkleidung auftreten und versuchen sich durchzumogeln um das analytische Bewusstsein zu korrumpieren und zu überwältigen, so dass es dann sich selbst früher oder später blamiert, indem die triebhaften Motive in seiner eigenen Verfassung dann scheinbar unvermittelt hervortreten, so wie Undercoveragenten, Agents provocateurs, die in eine Gemeinschaft eingeschleust worden sind, die den Mächten nicht genehm ist, plötzlich die Maske abstreifen um als Zeugen aufzutreten, die diese Gemeinschaft verbrecherischer Absichten zu überführen oder anzuklagen, bzw. deren Vollendung nachzuweisen, die sie selbst angeregt haben und zu deren Ausführung sie die Pläne mit erarbeitet haben, während sie bei der Ausführung ‚Schmiere gestanden’ haben, natürlich nicht, weil sie selbst Verbrecher sind, sondern um die derart Animierten und Infiltrierten ihrer verbrecherischen Neigungen oder Handlungen überführen zu können vor dem Richterstuhl des Rechts, den in der Analyse dann natürlich die ‚Vernunft’ (nach Kant) vertritt. Das wirft dann naturgemäß die Frage auf, was es mit dieser auf dem Richterstuhl sitzenden Vernunft eigentlich auf sich hat. Ist die Metapher eigentlich haltbar, die den Inbegriff der Macht und der oft genug als Gewalt auftretenden Herrschaft mit der Vernunft (einer in ihrem Eigensinn recht verstandenen Wissenschaft) identifiziert? Und was wäre demgemäß eigentlich die Differenz von ‚Gewalt’ und ‚Herrschaft’? Diese Überlegungen sind von Belang für das Folgende:
Am Morgen träume ich des Längeren, also während mehrerer Stunden – ich sehe zwischendurch tatsächlich immer wieder auf die Uhr und habe derart eine genaue Übersicht über die gesamte Zeitdauer, was an sich schon merkwürdig ist, mir aber zunächst als Merkwürdigkeit nicht auffällt – immer wieder ‚wirres Zeug’, das sich offensichtlich in sprachlicher Form darstellt. Dann verändert sich mein Bewusstseinszustand mehr oder weniger plötzlich und blickt zurück auf einen mehr oder weniger lang sich erstreckenden Zeitabschnitt, während dessen das Traum-Ich offensichtlich damit beschäftigt war, syntaktisch und semantisch, also logisch korrekte Sätze zu bilden. Das scheint derart vor sich zu gehen, dass endlich der ‚Bewusstseinspegel’ angesichts einer andrängenden Flut solcher immer erneuerten Versuche sich derart hebt, dass ich wenigstens so weit erwache, dass mein nun einsetzendes Urteil das zuletzt in großer Klarheit Erfasste entschlossen verwirft, indem es mehr oder weniger deutlich und darauf bezogen feststellt: Es handelt sich um Unsinn, oder: Das ist doch Unsinn, und gelegentlich bleibt dann noch die Zeit, auf die Uhr zu sehen und dann wieder zurückzusinken in den Schlaf bzw. den sogleich wiederum einsetzenden oder vielmehr sich fortsetzenden Traum, der darin besteht, dass – wie das erwachende Ich noch feststellen kann – sich unbeeindruckt weiter damit beschäftigt, seine Versuche fortzusetzen, aus seiner eigenen Verfassung heraus sinnvolle Sätze zu formen und vorzulegen, die das sich beruhigende, die Beachtung dieser Betätigung zunächst wieder aufgebende momentane Wachbewusstsein dann zunächst nicht mehr weiter beachtet, weil es ja gerade zu dem eindeutigen und entschlossenen Ergebnis und URTEIL gelangt ist, dass es sich ersichtlich um UNSINN handelt, was ihm da zur Akzeptanz vorgelegt worden ist bzw. zugemutet werden soll.
Diese Art der Produktivität, die sich übrigens oft mit einem Kopfschmerz paart, der anzudeuten scheint, dass es sich um eine höchst angestrengte, das gesamte System in hoher Aktivität in Anspruch nehmende Tätigkeit handelt, die also als Arbeit ernst genommen zu werden beansprucht, ist mir aus langen Jahren besonders morgendlicher Traumaktivität bekannt und ich erwache oft mit dem unangenehmen Eindruck, dass ich im Schlaf angestrengter arbeite, unter dem Einfluss des Verlustes der Ablenkung und Kontrolle, die das Wachbewusstsein des Tages bereit hält, als während des Tages, wo das Wachbewusstsein auf vielfältige Weise gerade diese Art der unfreiwilligen Überlastung und Inanspruchnahme des nervösen Systems zu verhindern vermag. Ich habe diese mir gut bekannte Erscheinung stets darauf zurückgeführt, dass ich im Schlaf gewissermaßen eine Art von unkontrolliertem Austausch zwischen den Nervenzellen erlebe, das keinen Sinn machen kann, eben weil es eigentlich eher ungeregelte Entladungen und Energieausgleichsvorgänge sein müssten, die sich in der Form u. a. sinnloser Satzbildungen oder Wortbildungen, auch einer kaleidoskopischen Folge oder Komposition von Bild- oder Wortmaterialbruchstücken handeln müsste, die so wenig ein Bild ergeben wie die bunten Steinchen in einem Kaleidoskop, wenn man dieses ein wenig dreht, anderes ergeben als eine durch Spiegelungen zu einer gewissen Regelmäßigkeit gezwungenen anderen Anordnung, aus der sich dann aber so wenig machen lässt wie aus der, aus der sie ‚hervorging’ durch Drehen des Kaleidoskops.
Es ist derart also längst als ausgemacht entschieden, dass sich aus diesen Beobachtungen keinerlei Sinn ergibt noch machen lässt, selbst durch die angestrengteste Deutungsarbeit nicht, und eben dies hat mir mein sich der Sache annehmendes Wachbewusstsein heute morgen wiederum glasklar und entschlossen bestätigen können, indem es mich gewissermaßen an den Punkt brachte, an dem ich eines der sprachlichen Gebilde, die das Traumbewusstsein unablässig herzustellen versuchte, bis es ihm endlich gelang, quasi packte und aus dem unablässig laufenden Produktionsapparat herausnahm, wie man das von der Qualitätskontrolle erwartet, die in der Gestalt einer am Fließband an einer bestimmten Stelle aufgestellten Arbeiterin die vorbeilaufenden, von einer Maschine geformten Produkte darauf hin ansieht, ob sich dabei eines findet, das nicht den definierten, ihr bekannten Anforderungen entspricht, so dass sie es entsprechend ihrer Anweisung vom Band nimmt und aussortiert. Nur dass sich die Sache hier etwas anders vollzieht, indem die Qualitätskontrolle ein als besonders und endlich, nach vielen Versuchen, die nicht das entsprechende Ergebnis brachten, gelungenes Produkt, das der Produktionsapparat als Legitimation seiner Fähigkeit vorführt, dass er imstande ist, etwas der Kontrolle Genügendes tatsächlich zu produzieren, sogleich gewissermaßen an den Haaren vom Band nimmt um es - als erbarmungslos vorgezeigte Missgeburt hochzuhalten und als Nachweis eines anschaulichen Versagens zu verwerfen, nicht ohne einen deutlich bemerklichen Triumph über den jämmerlichen Apparat, der nichts zuwege bringt als solchen Unsinn und dies vor allem in der Form seiner stolz als nun wirklich gelungen vorgewiesenen Produkten, die zudem angesichts der Unablässigkeit der unermüdlichen, am Ende gar auf Kosten des nervösen Substrats und der Gesundheit seines Trägers gehenden Produktivität, die in immer neuen Versuchen den Nachweis zu erbringen scheinen will, dass sie das die Kritik passierende gelungene Produkt herzustellen imstande ist, während diese Kritik sich dann dieses Produkts annimmt und gerade dieses stolz vorgezeigte Ergebnis erbarmungslos als Unsinn verwirft, also als Versagen beurteilt.
Das wäre dann also der Richterstuhl der Vernunft, vor dem sich das träumende Ich befindet, um sich unter größter Anstrengung immer wieder nur sein Todesurteil abzuholen. Damit scheint die Sache geklärt. Das Traum-Ich kann nichts als Blödsinn am Rande des schwersten ihm zu machenden Vorwurfs produzieren, der in der Diagnose der Psychose bestünde. Darauf, das so festzustellen, lässt sich die Kritik des Traum Ich aber gar nicht erst ein, indem sie einfach das Produkt, den Anspruch, den scheinbar das Traum Ich an sein vorgezeigtes Produkt stellt, den syntaktisch und semantisch korrekten, logisch einwandfreien Satz (den wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Satz also) als Grundeinheit alles möglichen Wissens, und damit seine prinzipielle Vernünftigkeit, seine wissenschaftliche Angemessenheit nachzuweisen und das Wachbewusstsein dazu zu veranlassen, das derart Vorgewiesene zu akzeptieren und derart als gelten zu lassen, damit aber auch die Zulassung, sozusagen die Promotion der produktiven Imagination zu ratifizieren.
Nun ist ja zunächst die Frage, ob es in der Tat das Traum Ich ist, das diese Forderung an seine Produktion stellt. Folgt man dem, was Freud über den ‚Mechanismus’, also den produktiven Apparat sagt, der den Traum herstellt, dann ist das ganz falsch. Die Traumproduktivität richtet sich von sich selbst her ja gerade nicht nach den Anforderungen des Wachbewusstseins und lässt sich mit dessen Maßstäben gar nicht verstehen oder erklären, wenn wir einmal annehmen, dass Verstehen und Erklären tatsächlich auf dasselbe hinaus laufen.
Und worin bestünde hier eigentlich das Angebot an das Wachbewusstsein, das sich doch ganz offensichtlich darauf festgelegt hat, alle diese ‚Angebote’ als Unsinn, wenn nicht Schlimmeres zu be- und verurteilen und kurzerhand immer wieder zu verwerfen, so dass sich hier eher ein Verhältnis darzustellen scheint, das sich als feststehend aus der Sicht des Wachbewusstseins erweist, das sich stets dann, wenn es ‚ihm zu arg wird’, entschlossen des gesamten Raums des Bewusstseins bemächtigt und dieses ‚Angebot’ in seine Schranken weist, indem es es als ungeeignet, als Belästigung eigentlich, unwillig verwirft um sich dann, wie ein Kettenhund, der sich über einen am offenen Tor vorüber gehenden Fußgänger aufgeregt hat, der stehen geblieben ist, um ihm zuzureden, sich murrend und mit rollenden Augen wieder hinlegt, nicht ohne den der Verachtung Übergebenen, sich Entfernenden noch mit ‚Argusaugen’ zu verfolgen, bis sich dann angesichts des sich einstellenden Erfolges das Gemüt des Tieres wieder beruhigt und es die Argusaugen schließt, bis zum nächsten Anlass.
Der Fußgänger, der da seines Weges kommt, hat vielleicht gar nicht die Absicht ‚schlafende Hunde zu wecken’, aber er kommt eben an einem von einem Kettenhund bewachten (offenen) Tor vorbei, und das genügt dem Kettenhund. Was immer der Fußgänger will, ist da ganz unerheblich, wenn und weil der Kettenhund es in einer auf ihn und seine – ihm gar nicht genau bekannte – Aufgabe bezieht, auf die er konditioniert wurde, und die besteht eben darin, evtl. am offenen Tor vorbeikommende, gar stehen bleibende, sich ihm zuwendende Fußgänger als abzuweisende Störungen zu behandeln und dies setzt sich gerade auch dann und dann besonders intensiviert fort, wenn der Fußgänger sich durch das offene Tor hindurch bewegt und Anstalten macht, das Haus betreten zu wollen.
Dann steigert sich die Verwerfung und Vertreibung, die der Kettenhund betreibt, zu entschlossenstem Toben und wäre er nicht an der Kette, dann könnte das schlimm ausgehend für den Fußgänger, wenn er sich des Umstandes nicht versichern kann, dass die Länge der Kette ihn dazu in Stand setzt, den Hund zu umgehen oder abzuwarten bis der Herr oder die Herrin des Hauses herauskommt, den Besucher als willkommen erkennt und den sich sogleich schwanzwedelnd fügenden Hund zu beruhigen, der damit seiner ihm nicht als solchen bewussten, und daher unterschiedslos auf alle ‚Bedrohungen’ mit Verwerfung, Vertreibung bzw. Entwertung reagierenden und entsprechend angewandten Betätigungsbereitschaft antwortet und es seinem Herrn, seiner Herrin überlassen muss, ob sie und wie sie ihm sein Verhalten lohnt. Denn diese (Herr oder Herrin) treten dann ja aus dem Haus und je nach Auslegung ihrer eigenen Vernunft loben sie den Hund in jedem Fall, bedeuten ihm aber, dass es nun genug ist, weil er seine Aufgabe, die Aufmerksamkeit im Haus zu erregen und währenddessen das sich ihm nähernde Unbekannte in Schach zu halten, erfüllt habe, oder sie loben oder tadeln den Hund, je nachdem ob sie einen willkommenen oder einen unwillkommenen Besucher erblicken.
dass sich die eine oder andere Reaktion des Herrn, der Herrin ihrerseits auf das Verhalten des Hundes auswirkt, z. B. auf die ‚Sicherheit’, mit der er auf Situationen reagiert, ist von Bedeutung, kann aber hier als anderswo zu verfolgende Nebenstrecke zunächst außer Betracht bleiben.
Wichtiger ist die Frage, mit welchem Recht man das laute Bellen des Wachhundes mit der Richtigkeit dessen identifiziert, was es ganz unspezifisch zu indizieren scheint, während sich offenbar von selbst versteht, dass es so oder so auf einem angemessenen Urteil beruht.
Es ist einerseits offensichtlich so, dass sich angesichts einer bestimmten Produktivität zunächst das Traum Ich ganz ungehindert mit seiner Produktion befassen darf, ohne dabei von einer ihm sich überordnenden Instanz ‚gestört’ oder zu einem Objekt der Beurteilung herabgesetzt zu werden, jedenfalls solange bis, ja bis es ‚den schlafenden Hund weckt’. Das kann aber kaum etwas anderes heißen, als dass die bis dahin schlafende Instanz, das Wachbewusstsein oberhalb einer bestimmten Grenze der Vigilanz, sich plötzlich veranlasst fühlen muss, die ‚Kontrolle zu übernehmen’, um was zu tun? Nun, um sich des nun vorzuzeigenden, des am Ende gar vorgewiesenen Produkts derart zu bemächtigen, dass es, geprüft, stets mit derselben Entschlossenheit als ‚Blödsinn’, Quatsch, Unsinn, sinnlos verworfen wird. Ganz selbstverständlich scheint dabei zunächst zu sein, dass es die Kriterien des bis dahin ‚schlafenden Hundes’ sind, die ganz offensichtlich und ganz selbstverständlich zur Anwendung auf die in seine Wahrnehmung rückende Erscheinung kommen. Und es scheint ebenso ausgemacht, dass das derart gewonnene Ergebnis das Richtige ist, das die erfolgreiche Vertreibung der Störung bewerkstelligt, die es weckt zu derjenigen Ermächtigung, die sich im Urteil und seinen Folgen unwiderleglich macht. Stets ist in diesem Vorgang – Mit dem Problem der Anerkennung des von der ‚Traumdeutung’ geltend gemachten Anspruchs des Traumes darauf, einen dem Verstehen, d.h. nichts anderes als einen der Vernunft zugänglichen Sinn bzw. Bedeutung zu haben, wird hier ständig und ebenso stereotyp wie apodiktisch und unbelehrbar aus der Eigenmächtigkeit der Reaktionsbereitschaft des sich als Inbegriff der Vernunft präsentierenden (um nicht zu sagen: aufspielenden) Wachbewusstseins auf dem Stand des Inbegriffs des ‚gesunden wissenschaftlichen Menschenverstandes’ verfahren in der Weise, dass der plumpe Einwand immer wiederholt wird, die von dem Traum Ich gebildeten Sätze genügten weder der Heideggerschen Apophansis (Vg. seine ‚Logik’, Bände 21 und 26) noch dem Wissenschaftsbegriff des Wiener Kreises (Schlick, Wittgensteins ‚Tractatus’, Frege’s Logischen Untersuchungen, oder Carnap’s sprachtheoretischen Forderungen usw.) oder der Wissenschaftstheorie Poppers (Logik der Forschung) bzw. der analytischen Wissenschaftstheorie noch den Kriterien, die Kant dafür in Anschlag bringt (Kr. d. r. Vernunft). Das hat dann natürlich in den der modernen Astrophysik und ihren u.a. mit der wissenschaftspolitisch kaum zu überschätzenden Bedeutung des ‚Paradigmabegriffs’ zu tun, der in der Konsequenz die Todesdrohung (Die Vertreter des ‚alten Paradigmas’ sterben aus!) enthält, die diese Moderne mit ihrer Modernisierung dann in der Tat an allem vollzogen hat, was ihr auf ihrem Heeresweg im Wege stand, mit Konsequenzen, deren Reichweite gar nicht weit genug gedacht werden kann, wenn man die Gegenwart anhand der von ihr blind hervorgebrachten Folgen all dieser ‚Neuorientierungen’ und als ihr Ergebnis wirklich wissenschaftlich verstehen will, und nicht in dem Sinne, dass, was sich aus diesen Folgen sprachlich und mit Autorität formiert und verbreitet, identisch sei mit dem wissenschaftlichen Begriff dieser Moderne, statt eine seiner vielen Folgen zu sein und sonst nichts. – das Stereotyp eines bestimmten Wissenschafts- und Rationalitätsbegriffs präsent, der seine eigene Blödsinnigkeit, seinen Mangel an Vernunft, seine Verfassung als Usurpator und Putschist, ja als in der Form der Wissenschaft organisierter Gewaltherrscher genügend unter Beweis stellt, anders gesagt, es ist der sich selbst überlassene, längst als Eigentümer und unter dem Schein des ‚legitimen Erben’ in das von der ihn steuernden Vernunft verlassene Haus eingezogene Kettenhund, der sich aufspielt wie er muss angesichts des Umstandes, dass er seinen Herrn abgeschüttelt hat, und wir können uns angesichts des Faktums zunächst nicht sicher fühlen darin zu wissen, wie das wirklich zugegangen sein muss, um diese Ergebnisse zu produzieren, zumal dann nicht, wenn wir uns am ‚Verhalten’ des Kettenhundes orientieren, der im Übrigen mit seinem Einzug in das Haus auch seine Ketten abgeschüttelt hat, und man wird sich hier eine Erinnerung daran nicht versagen können, dass es einmal eine Erwartung gab, dass das einzige Hindernis, das einer Menschwerdung entgegen zu stehen schien, die Ketten sein sollte, in die der derart bloß potentielle Mensch gelegt war, die es also lediglich abzuschütteln gelten konnte, damit die erwartete Verwandlung des verwunschenen Tieres sich vollziehe, die die Transmutation einer teils, angesichts der Besonderheiten der anthropologischen Gegebenheiten untertierisch gewordenen triebhaften Existenzform in eine Menschwerdung gewissermaßen von selbst bewirken müsse.
Es ist erstaunlich, dass mir das so lange entgangen ist, obwohl ich mich, nach einem mir bis heute nicht ganz (?) oder vielleicht doch erklärlichen furchtbaren Schrecken angesichts der Lektüre der ‚Traumdeutung’ und anderer Schriften Freud’s und der darauf folgenden Suche nach Möglichkeiten seiner Widerlegung bzw. der Widerlegung dessen, was diese Schriften besagen, dazu ‚entschlossen’ hatte, es besser und richtiger zu finden, davon auszugehen, dass der Sinn im Prinzip Richtiges besagt und dass ich mir die Aufgabe zu stellen haben würde, herauszufinden, wie sich das bestätigen lässt gegen den Widerstand, den ich gegen diese Überlegung dennoch spürte. Es ist eben ein anderes, sich derart zu etwas zu entschließen, auch um nicht vor der Psychoanalyse als unbelehrbarere Dummkopf dazustehen, und andererseits dennoch bequemen Gebrauch machen zu können von den nur zu reichlich und mit der höchsten Autorität des Wissenschaftlichen, den Ermächtigungen der modernen Erkenntnistheorie, der analytischen Philosophie und gar der ‚Kommunikationstheorie’, den konkurrierenden ‚Ansätzen’ der Psychologie vor allem aus dem Umkreis der Verhaltensforschung und der Lerntheorie, also all diesen bequemen Akkommodationen an die Bedürfnisse der Machtapparate und der ‚Menschenführung’ mich anlehnen zu können, damit ich dem ‚kognitiv’ gesuchten Verständnis (oder der Erklärung, von der ich meine, dass sie doch auf anderes geht als der Sinn des von mir hier gemeinten Terminus ‚Verstehen’) dennoch entgehe.
Was sich mir im Alternieren zwischen dem Traum und dem Wachen seit Jahren beharrlich darbot, war der Unsinn des sich über die ausdrücklichen Erklärungen der Andersartigkeit der Grundlagen des Wachbewusstseins gewaltsam und entschlossen hinwegsetzenden ‚rationalen Urteils’ über die ‚unkorrekten Bildungen des Traums. Das Wachbewusstsein hatte sich erfolgreich und sehr zu meinem Schaden mit der Angst verbündet, die es erst und stets dann auf den Plan rief, wenn die Traumbildungen sich der Zensur entziehen konnten, die ihnen auferlegt worden war, also just dann, wenn sie sich derart geltend machen konnten, dass es dem Traum nicht mehr gelingen konnte, den Schlaf des Träumers zu garantieren. Dann erhob sich der Kettenhund und vertrieb den hartnäckigen Störenfried um sich dann murrend wieder selbst zum Schlaf hinzulegen, nicht ohne ein halb geöffnetes Auge auf die Möglichkeit geworfen zu halten, sich wiederum zur Wahrnehmung seiner Aufgabe erheben zu müssen.
Das als ein solches, als unmittelbare Wahrnehmung der Traumbildung von dem aktiv aufgerufenen Wachbewusstsein genommene Produkt, das sich ja als dieses wiederum durchaus als bereits durch die Zensur umgeformtes erweisen wird, der es gleichwohl nicht gelingt, den sich daraus vordrängenden Gedanken erfolgreich zu kaschieren oder bis zur Unkenntlichkeit zu kostümieren, wird nach dem Muster der Fabel des Apuleius vom Wolf und dem Lamm ungeformt um dann selbst die Rechtfertigung dafür zu liefern, dass es ‚gefressen’, also vernichtet wird.
Das ist nun ganz offensichtlich geworden. Entgegen meiner ‚rationalistischen’ Entscheidung, den Ausführungen Freuds besser einen wenn auch nicht verstandenen Sinn zuzugestehen, hat sich die dem entgegenstehende Angst, ein noch zu untersuchender Widerstand, mit dem besten Autoritäten der Wissenschaft und des nicht nur wissenschaftlichen und Erkenntnisforschritts verbündet, um sich der Unsinnigkeit seiner ‚Behauptungen’ dennoch versichern zu können, für alle Fälle, von denen einige sogleich sichtbar sind, einer davon die erkennbare Angst davor, einer bemerklichen Abweichung bezichtigt werden zu können, die sich nicht verbergen lässt und die in diesem Land, dieser Kultur, die die der Welt geworden ist, bereits mit dem Tode bestraft worden ist oder mit der Vertreibung, und zwar von einer u. a. sich gegen sie zusammenrottende Population und dem von einem organisierten Mob eroberten Staatswesen, dessen historische Kontinuität mit der Gegenwart unzweideutig feststeht, obwohl die Techniken, die an die Stelle des offenen Mordes und der Vertreibung getreten sind, durch andere, ebenso wirksame oder wirksamere, unauffälligere ersetzt worden sind, während die Art des Zusammenwirkens zwischen organisierter Macht, zumal unter den Bedingungen der Auswahl von Führern, die bis zu einem gewissen Grade den Regeln des in ‚Ich-Analyse und Massenpsychologie’ nachgewiesenen Mechanismus folgen, gerade weil und insofern der historische Faschismus auf Massenprozessen beruht, und dem unverändert kulturfeindlichen Mob, der in dieser sein Ressentiment und seinen reaktiven Hass, sein berechtigtes Misstrauen gegenüber den ‚Intellektuellen’, den ‚clercs’ zum Ausdruck bringt, und dem man das mithin kaum verübeln kann, weil er ihre Bereitschaft zu dem Verrat des Aufsteigers an seinen eigenen Unbedenklichkeiten insgeheim zu erkennen vermag, die er an dem von ihm beförderten Personal problemlos als Mentalität von der eigenen Mentalität erkennt.
Der viel tiefer reichende Widerstand dürfte aber in der Bedeutung liegen, die aus den Resultanten der eigenen Erziehung Strukturen hat entstehen lassen, die nichts anderes darstellen als die Grundlagen, auf denen die eigene Person, Individualität und ‚Persönlichkeit’ letzten Endes beruht, Strukturen, Formen, die als wenigstens teilweise unbewusste Voraussetzungen des bewussten ebenso wie des Traum Ich bzw. des Traumlebens zu betrachten und in Anschlag zu bringen sind, und die sich bemerkbar machen als die Angst, ‚den Boden (einer wissenschaftlichen Rationalität, an die man sich unter allen Umständen halten kann) unter den Füßen zu verlieren’ und derart angesichts des Verlustes der sei es auch eingebildeten Sicherheit der Fähigkeit zur Unterscheidung von Wahn und Wirklichkeit in einem Chaos von nicht mehr eindeutig und zweifelsfrei zuzurechnenden Sinnesdaten und äußeren oder inneren Wahrnehmungen zu versinken, die sich entsprechend nicht auf die Zurechnung zu einer als fix unterstellbaren Innen/Außen-Differenz bringen lassen, ein Verlust, der sich entsprechend auf alle anderen ‚Kategorien’ erstrecken müsste, ebenso wie auf die ‚Anschauungsformen’, von der Fragwürdigkeit der grammatischen, syntaktischen, semantischen und logischen Unterscheidungen und Zurechnungsschemata einmal abgesehen.
Es gibt nicht, das hier nicht in Mitleidenschaft gezogen und in seiner Ordnungsleistung nicht fragwürdig sein muss. Es ist also die sich mit der aufkommenden Angst ankündigende Einsicht in den Sinn, die eigentümliche Logik der Traumbildungen, ihrer Durchsetzung gegenüber der als Stereotyp auftretenden ‚Haltung’ des Wachbewusstseins und seiner Zensuren, die nicht zuletzt deren Fragwürdigkeit bewusst macht, die die Heftigkeit der aus der Position des überlegenen Wissenschaftstheoretikers und Logikers heraus sich geltend machende Autorität und den Anspruch des Wachbewusstseins verstehbar werden lässt, ebenso wie die Hinfälligkeit und die Fragwürdigkeit dieser Autorität und der von ihr gestellten Geltungsansprüche, mit denen sie sich zum unumschränkten Herrscher des Bewusstseins und aller seiner ‚Gegebenheiten’ aufzuwerfen versucht, und zwar gegen die endlich unabweisbar werdende Hinfälligkeit dieses Anspruchs. Angesichts des Umstandes, dass dies zugleich das herrschende wissenschaftliche Paradigma unabweislich betrifft, ist die Reichweite der Bedeutung der Analyse bzw. der analytischen Befunde kaum abzuschätzen, jedenfalls nötigt sie zu einer Revision der gegenwärtigen Grundlagen der Sozialwissenschaften und der Kulturwissenschaften, obwohl man wohl sagen kann, dass diese Grundlagen in der Psychoanalyse wohl angelegt, aber nicht zuletzt aufgrund des berufspolitischen Opportunismus der gegenwärtigen Inhaber des mit der Herrschaft abgesprochenen Berufsmonopols in der Psychoanalyse ausgeschlossen sind von dem Zugang zu dem ausgeübten Lizenzberuf, zu dem die Psychoanalyse – besser: Das sie als ihren Privatbesitz monopolisierende derzeitige, ganz zufällig in den Besitz einer im Zuge der kulturellen Katastrophe Europas und seiner Ableger in den Besitz einer herrenlosen Erbschaft gelangten Personals, das sich nach Art der organisierten Banden in ihrem Hause eingerichtet hat, die sich zuvor als Eroberung des Staatsapparats vollzog und nach der militärischen Niederlage erfolgreich konsolidiert werden durfte unter der Aufsicht der Sieger aller Gewaltanwendungen - unter dem Eindruck der ihr aufgezwungenen Kompromisse degeneriert ist, zumal durch ihre Vermengung mit den ihr sich sogleich durch Nachahmung als ‚mehr von demselben’ empfehlenden, dieser Nachahmung angesichts eines Marktes, auf dem eine Nachfrage zur Herstellung ähnlicher Konkurrenzprodukte mit all den Folgen des theoretischen und wissenschaftlichen Dumping, Export /Import-Manipulationen und dergl., Übersetzung auf einen anderen kulturellen Hintergrund und Rückübersetzung aus diesem und einer bereits entstandenen Gemengelage (des Handgemenges der um die Marktanteile miteinander, natürlich zum Vorteil und im Interesse des Kunden ringenden konkurrierenden Personalgruppen in der sozialen Hierarchie) sich fest ‚etabliert’ und vor allem unter Gebrauch der ‚Gewöhnung’ und einer als Vermittlung einer Technologie sich konsolidierenden ‚Lehre’ unter Verzicht auf das Verständnis der wissenschaftlichen Grundlagen, die sich unversehens bestens mit dem Hempel-Oppenheim-Schema kompatibel machen lassen usw. eine Verwirrung zu stiften imstande gewesen ist, von der sich die Psychoanalyse womöglich nicht wieder zu erholen imstande sein kann, ist doch die Anwendung dieser Technik auf die wissenschaftlichen Grundlagen des Lebens der Gegenwart insgesamt derart erfolgreich, dass sich der ‚Wissenschaftsfortschritt’ selbst als Hauptmechanismus zur Aufhebung der Wissenschaft selbst im Bereich von Mensch und Gesellschaft jenseits von Physik und Chemie hat machen können, also indem diese Technik der Aufhebung der wissenschaftlichen Grundlagen des Lebens sich im Herzen des ‚Wissenschaftsbetriebes’ hat einnisten können, als Inbegriff ihrer Politisierung und ihrer Dekompensation zur Sozialtechnologie, anders gesagt, zur politischen und staatlichen Technik der unkontrollierten und nicht mehr kontrollierbaren Ausübung von Herrschaft.
Was sich der Einsicht in die die Wirklichkeit der Grundlagen des seelischen Lebens und der Vernunft entgegenstellte war ihre terroristische Entstellung, deren Opfer sie geworden ist unter dem Eindruck, den die Herrschaft auf die von ihr abhängigen ‚Intellektuellen’ gemacht haben muss, ein Eindruck, der ihre Bereitschaft zur äußersten Anstrengung zu einer von ihnen ratifizierbaren Unterwerfung unter ihre mit dem Begriff des Wissens so wenig wie mit dem der Vernunft oder der Wissenschaft vereinbaren Ansprüche aufs Äußerste angespannt haben dürfte, mit Ergebnissen, die den Begriff und die Wissenschaft als Inbegriffe eines der Feigheit sich verdankenden Kompromisses darstellt, der zu einer Politisierung bzw. Technisierung – was dasselbe ist – bzw. einer Privatisierung von ‚Wissenschaft’ durch die Organisationsmonster, die die Herrschaft über eine bis in die letzten Regungen hinein präventiv versklavten Biomasse des Homo sapiens zu besorgen haben, gegen die Gegenleistung von Vorteilen und Privilegien auf Kosten derer, die diese Vorteile und Privilegien zu finanzieren und zu subventionieren haben, unter Umständen, indem sie mit ihrem Leben dafür bezahlen, Dekompensationen, die sich wiederum als Massenphänomene, sogleich umleiten lassen in die Vorteile, die Privilegien und die Profite derer, die sich damit von Berufs wegen befassen, diese von ihrem eigenen Tun mit zu verantwortenden und erzeugten Folgen finanziell und sozial rücksichtslos auszubeuten, indem sie erneut und wiederum von ihrem sozialen und intellektuellen Kannibalismus parasitär auf Kosten der Herde leben, die sie als ihre Artgenossen und Predatoren, anders gesagt: Als treue Hirten auf ihrem Zug begleiten.
Es war mein Wunsch dazuzugehören, den mir der Traum, der so bereitwillig seine Wahnbildungen dem endlich sich seiner bemächtigenden Urteil der organisierten Vernunft präsentierte und preisgab, aufs bereitwilligste erfüllte. Ich durfte beim Erwachen sagen: Du gehörst dazu, Du hast dieselben Urteils über den Unsinn wie die Herrscher in Wissenschaft und Gesellschaft, Du bist nicht allein, sondern Mitglied einer Wissenschaftlergemeinschaft, die Dich zwar von Deinem Status her nicht akzeptiert, aber das liegt an dem von Dir selbst nachgewiesenen Unsinn, den zu produzieren Du nicht nachläss, während Deine bessere Vernunft Dir doch selbst sagt, dass es Unsinn ist.
Der Traum erfüllt mir also auch den Wunsch, eine wissenschaftliche Erklärung für meinen sozialen Ausschluss, für ein lebenslanges Berufsverbot zu liefern und bestätigt dabei aufs Beste wiederum meine dennoch feststellbare Vernünftigkeit, ja sogar meine Zugehörigkeit, die dem Faktum des Ausschlusses zugleich widerstreitet, aber um den Preis der von dieser Wissenschaft gepflegten Verständnislosigkeit gegenüber dem, was sie durch ihre Selbstdefinition und ihr Selbstverständnis bereits ausschließt, und nicht erst durch die Mechanismen der sozialen Zuteilung von Positionen und ‚Rollen’, die diesem vorgefertigten Muster ja lediglich folgen.
Nun muss sich mich fragen, was das alles mit Vernunft zu tun hat, ist es doch ganz offensichtlich, dass ich hier bemüht bin ganz Unvereinbares dennoch zur Vereinbarkeit zu bringen, nämlich Wissenschaft und Politik, Unbewusstes und bewusstes, soziale Isolation und Ausschluss mit der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, zumal einer Elite, das Berufsverbot mit dem Wunsch nach Anerkennung etc. etc. und dies alles erkennbar von einem Wissenschaftsverständnis aus, das den korrekt gebildeten Satz in dem oben beschriebenen Sinn zum Ausgangspunkt einer Logik macht, die den Anspruch stellt, Widerspruchsfreiheit in Datengefüge bringen zu können und damit deren inneren Zusammenhang sei es zur Darstellung zu bringen, sei es konstruktiv zu organisieren. Denn was wäre ‚Widerspruchsfreiheit’ eigentlich als ‚Forderung’ wert, wenn es einem ‚Gegenstand’ gegenüber ergeht, der auf diese Weise nicht verstanden werden kann, einfach weil seine eigentümliche Beschaffenheit nicht so ist, dass diese Forderung nicht an ihr vorbei greifen müsste, um dann lediglich einer Norm habhaft werden zu können, die sich als leeres oder als unpassendes ‚Gehäuse’ für den Gegenstand erweist, so wenn man Wasser in ein Sieb verpacken wollte oder Licht in Säcken, Strom in Bananenkisten, oder Backsteine in Watte.
Und die daran anschließende Frage muss erneut darauf gehen die Antwort darauf zu finden, von welchem Verständnis von Wissen, Wissenschaft, Vernunft aus sich dies bewerkstelligen lassen soll. Die Antwort darauf zeichnet sich ab. Sie muss in Richtung der Formulierung liegen, die Wissen, Wissenschaft und Vernunft zunächst entlang dem Wortgebrauch als Formen des Selbstbewusstseins von Organisationen auffasst und diese Formen mit dem vergleicht, was die Termini dem Begriff nach bedeuten und ob sich angesichts des Vergleichs beider dann Kongruenz ergibt oder nicht, und ggf. was das bedeutet.
Erstaunlich ist wiederum das auch von Freud bemerkte scheinbare Missverhältnis zwischen der oft lakonischen Kürze eines Traums, der hier nur die Form eines einfaches Satzes vorliegt, der ein Subjekt und ein Prädikat zusammen zwingt, sowie dessen geprüfte Verwerfung betrifft, und dann der Überhang an analytischem Material dazu.
Es gibt aber andere Bereiche, in denen das ähnlich ist, und das führt hier tatsächlich weiter, weil es noch andere übertragbare ‚Analogien’ gibt, die besser als Isomorphien bezeichnet sind, nämlich die formal denselben Kriterien, wie sie im Verhältnis von Traum und Deutung belegt sind, genügenden Verhältnisse zwischen dem Alltagsbewusstsein und der Analyse der Mechanismen, die es konstituieren, anders gesagt, zwischen Erscheinung und Wesen, oder auch Wahrnehmung und Begriff. Das macht eine kaum zu überschätzende Anschlussstelle für die Analysen Freuds aus, die ich als das eigentliche offene Geheimnis seiner Untersuchungen betrachte.
Zunächst ist es notwendig, die Vergleichbarkeit des Traumes mit dem Wachbewusstsein zu untersuchen. Descartes geht jedenfalls davon aus und man wird kaum bestreiten können, dass Freud in dieser neuzeitlichen wissenschaftstheoretischen Tradition steht, wenn auch an einem anderen Punkt in der historischen Reihe der Überlegungen, von denen seine einen Fixpunkt ausmacht. Das heißt natürlich nicht, dass es hier eine unmittelbare Abhängigkeit oder Nachfolge geben müsste oder dass es sinnvoll wäre, Derartiges anzunehmen. Die Art der Begründung eines wissenschaftlichen Paradigmas ist aber nicht so verschieden wie das auf den ersten Blick aussehen mag, auch wenn sich daraus nicht unmittelbar auf die dann abzuleitenden oder sich einstellenden Folgen schließen lässt. Aber die Art, wie von der Untersuchung subjektiver Phänomene auf eine sich daraus ableitende Objektivität nach wissenschaftlichen Kriterien geschlossen werden kann, ist eben doch für die westeuropäische Tradition typisch, von der der Wissenschaftsbegriff unverändert bis in seine modernsten und postmodernen Ausläufer zehrt und ohne die er bodenlos wäre nicht nur, sondern überhaupt nicht.
Wissenschaftlich gesehen ist das Erscheinungsbild, das sich dem Alltagsbewusstsein bietet, so sehr unanalysierte Erscheinung wie der Traum, der sich der Erinnerung an den Traum darbietet. Beide sind ebenso scheinbar selbstverständlich als existierende Erscheinung wie ihre scheinbare Nichterklärungsbedürftigkeit. Eher erscheint – angesichts der ihn konstituierenden bzw. sich in ihm darstellende, vegegenständlichenden Affekte – der Traum einer Erklärung zu bedürfen als das Erscheinungsbild, das sich dem Alltagsbewusstsein als scheinbar objektives Gegenüber ergibt.
Unfassbar erscheint mir zunächst bei erneuter Überlegung, dass ‚ich’ tatsächlich derartige logizististische Argumente den Überlegungen Freuds zur ‚Logik’ des Traums über einen so langen Zeitraum und eigentlich in Kenntnis dieser ‚Logik’ des Traums entgegen gesetzt unterhalten konnte. Ihre Autorität muss mir weit über ihre hier in Anschlag zu bringende Geltungsansprüche hinaus imponiert haben, anders gesagt, sie müssen auch in einen ‚Bedarf’ eingegriffen haben, den sie bedienen konnten. Das muss wenigstens u. a. auch der Wunsch gewesen sein, dass ‚Freud Unrecht hat’. Es war eine Art von Eigensinn, aber er hat seine größte Stütze auch in der Unterstützung aller meiner Universitätslehrer gehabt, die nicht darauf verzichten wollten, mir zu erklären, dass die Psychoanalyse keine Wissenschaft sei. Das gilt vor allem für denjenigen unter ihnen, der am weitesten mit seinem eigenen Wissenschaftsverständnis von der Psychoanalyse entfernt war, Bernulf Kanitscheider, der sich in seinem Buch ‚Philosophie und moderne Physik’ lange vor Hawking und klüger mit den wissenschaftstheoretischen Problemen seines Faches auseinandersetze, ohne dass doch das, was er darin für sein Fachgebiet gewonnen hat, übertragbar sein würde auf die Psychoanalyse und die Sozial- und Humanwissenschaften im Sinne der ‚Moral Sciences’.
Um so bemerkenswerter ist die ungemein aggressive Art, wie er sich unter Inanspruchnahme von Kuhn’s Argumenten, die dieser selbst in der fatalen Form, in der sie in Umlauf kommen konnten in einer bestimmten wissenschaftspolitischen Situation, darüber auslassen konnte, die Psychoanalyse sei keine Wissenschaft, was freilich stimmt, wenn man den Wissenschaftsbegriff, den er mit Kuhn als allgemeingültig vertritt, der tatsächlich allgemein geltende auch ist, also universal ist.
Das ist aber eben nicht erfolgreich zu verteidigen, und man muss den Leuten, die das so vertreten haben vorwerfen, dass sie sich davon haben verführen lassen, in einer bestimmten Lage, als der Machtapparat, der sie begünstigte, ihnen ‚Zucker in den Arsch blies’, wie sich gröbere Naturen drastisch auszudrücken pflegen, dies blind zur inflationären Aufblähung ihres ‚Selbstbewusstseins’ in einer Weise missbraucht zu haben, die so wenig wissenschaftlich wie rational war, und die vielmehr exakt belegt, wie blind und unbewusst sich hier ein heteronomer und wissenschaftsfremder politischer Wille zur Macht durch dieses ‚Selbstbewusstsein’ und seine ‚wissenschaftlichen Grundlagen’ hindurch wie zum Hohn auf ihn durchgesetzt hat, der von ihnen einen Gebrauch machen konnte, der sich eben deshalb derart blind durchsetzen konnte, weil sie sich dazu bringen ließen, diesen Willen zur Macht ihrer eigenen unreflektierten Triebhaftigkeit und ihrem Karrierismus derart zu gesellen, dass sie sich als Hampelmänner des Machtapparats wieder finden mussten, als deren prominentestes Aushängeschild sich endlich Stephen Hawking verwerten ließ, kaum zu seinem Nutzen, wie man annehmen darf, entgegen dem Schein, der ihn als nützlichen Idioten hätschelt oder gehätschelt hat, auf einem Lehrstuhl, dessen Charakter schon Hegel recht gut bezeichnet hat, wenn er darauf hinweist, dass ‚Philosophie’ auf der britischen Insel eigentlich dasselbe bedeutet wie Naturphilosophie auf der Grundlage empirischer Verallgemeinerungen und deren Mathematisierung.
Das beantwortet Stephen Hawking dann am Ende seiner Laufbahn mit der Größenphantasie des zur vermeintlichen Kenntnis der Gedanken Gottes anlässlich der Schöpfung aufgestiegenen Unterinformierten, der sich die Mühe nicht meint machen zu müssen, das zu kennen worüber er urteilt, weil er schon bewiesen zu haben meint, dass er der klügste Mensch auf Erden ist, ein Attribut, das er in der Presse lesen kann, deren Meinungsmaschine ihn als ‚Phänomen’ erst erzeugt hat, wenn er nämlich meint, den Philosophen bliebe angesichts der Einsichten der modernen Nuklear  und Astrophysik nichts mehr zu tun als Sprachkritik zu betreiben und offensichtlich meint, das habe dann wohl nichts mehr zu bedeuten. Als bedeuteten die auch von Hawking genutzten Metaphern nichts für die Einsicht in den Zusammenhang des Unbewussten, der Psyche mit den sei es auch mathematisierten Projektionen, die diese Psyche determinieren, wenn sie sich inflationär und aus einer ihr als das Ganze erscheinenden Partialeinsicht zur Größe eines Universums aufblüht, das sie wiederum meint, in eine Nussschale einpacken zu können. Es ist nur allzu offensichtlich, wie sich hier ein Nichts aufbläht zum Inbegriff des Seins und zur Synthese von beidem.
Es ist evident, dass für den Fall der Möglichkeit der Vergleichbarkeit der Konstitutionsbedingungen des Alltagsbewusstseins mit dem Traum, wofür eben auch die auf den Mythos zurückgehende ethnologische Forschung spricht, auch und unabhängig von einer sich bewusst im Modus des Mythos bewegenden Bewusstseinsverfassung, die sich ja nicht denken lässt, die Möglichkeit, dass der Mythos im Herzen der Wissenschaft fröhlich überlebt, indem er als dieses selbst auftritt, zwischen Mythos, Alltagsbewusstsein und wissenschaftlichem Weltbild Verwandtschaften bestehen, die dem strikt ‚wissenschaftlichen’ Selbstbewusstsein aus Gründen unpassend erscheinen müssen, weil sein Personal auf diese Ausnahme, die es zu sein beansprucht, seine Nähe zur kruden Macht gründet und deren Legitimation braucht, um sich parasitär über die durch dieses Manöver Benachteiligten zu erheben, auf deren Kosten es parasitär lebt, in dem Selbstbewusstsein einer ‚Elite’, deren gemeinsames relevantes Merkmal am ehesten die Widerstandslosigkeit gegenüber, die Stromlinienförmigkeit der Anpassung an die jeweils gegen die Person des sozialen Aufsteigers in spe von der Macht geltend gemachten ‚essentials’, anders gesagt: die Unterwerfungsansprüche ist, so dass sich hier die Gruppe desjenigen sozialen Personals exponiert, deren Gemeinsamkeit in eben dieser Widerstandslosigkeit gegenüber dem auf sie bezogenen Nutzungskalkül beruht, anders gesagt: Es sind die besonders braven Schüler und die derart als ‚gute Lerner’ sich problemlos profilierenden Teile der Population, die sich hier ein Stelldichein geben, also eigentlich diejenige Gruppe, die den tatsächlichen Wissensfortschritt der Gattung noch nie wirklich getragen hat, sondern immer nur in die daran angeschlossenen Nutzungskalküle bereitwillig eingetreten ist, die die Anverwandlung des zusätzlich erschlossenen Wissens in neue, zusätzliche und erweiterte Machtmittel vorangetrieben haben, also stets eigentlich die parasitären Verräter der Menschheit um das Linsengericht ihrer persönlichen Erhebung und Wohlfahrt auf Kosten der von ihnen jeweils mit genutzten oder auch vernichteten Biomasse des Homo sapiens gewesen ist und bleibt, so dass es sich also eher um die Huren des Machtapparats handelt und nicht um das, als was sie geehrt werden – von der Macht – nämlich als Heroen im Dienst der Menschheit. Das sind keine ‚Lichtbringer’ nach dem Herzen Miltons, das sind Speichellecker und Intriganten nach dem Muster Shakespeares, die in die Kostüme beflissener Diener der Demokratie getreten sind, deren heimliche Umwandlung in eine totalitäre Herrschaft sie mit planen und durchführen helfen, die dem Bewusstsein der von ihren Fiktionen des Wirklichen infizierten Menschen entgeht, die von dem hinterhältigen Massentierhaltungskonzept parasitär genutzt werden, so dass sie vom Fleisch der Herde fett werden.
Es ist die Allgegenwart eines intellektuell kaum tiefer zu hängenden sozialpädagogischen ‚Führungskonzepts’, das den gesamten Verwaltungs-  und den bürokratischen Machtapparat durchdrungen hat, das den untrüglichen Hinweis darauf enthält, dass auch ohne Bewusstsein mit einer leidlichen Abrichtung geht, und dass die Fähigkeit zur Reflexion auf den Konstitutionszusammenhang von Bewusstsein und Welt, Wahrnehmung und Begriff (oder Sprache), Ich und Nicht-Ich, Erscheinung und Grund nicht wirklich ankommt, wenn sogar die Führungsgruppen damit auskommen, sich die Welt zu ‚erklären’, indem sie die Kausalität in die Kette der Erscheinungen selbst verlegen und gesellschaftstheoretisch mit einem erkenntnistheoretischen Sensualismus auskommen, der sich bei Bedarf noch auf einen ebenso unhaltbaren Behaviorismus reduzieren lässt, aus dem sich bequem die forensische Enteignung des Individuums deduzieren lässt, das man im Übrigen seinerseits mit einer ausgangslosen Erlebnisterminologie infiltriert hat, aus der es unmöglich herausfinden kann, so dass sich hier eine lebenslange Gefangenschaft aufgrund der Verbreitung erkenntnistheoretisch längst erledigter Primitivismen ergibt, deren flächendeckende Verbreitung als Formen der Massenkonditionierung sich weder mit den Grundlagen einer wissenschaftlich-technischen Zivilisation oder Kultur rechtfertigen geschweige denn erklären lassen, so wenig wie sie mit dieser angeblichen Grundlage des modernen Lebens überhaupt verträglich sind. Ihre Existenz muss sich also anderen als den gern – vor allem von ‚Wissenschaftlern’, also Staatsbediensteten, vorgetragenen Grundlagen der Moderne verdanken und anderen Kompatibilitäten geschuldet sein. Das können angesichts der Folgen, die diese unhaltbaren Konzepte haben, in keiner Weise wissenschaftlich zu rechtfertigende sein, und es können auch keine logisch verständlichen Grundlagen sein, auf die die diese Verbreitung von regressiven Bewusstseinsverfassungen zurückzuführen sind, es können, anders gesagt, nur ‚Bedürfnisse’ eines um die Sicherheit seines jederzeitigen Zugriffs auf die Populationen besorgten Machtapparats sein, der seine Aufgabe darin sieht, die Abhängigkeit und die Desorientierung, die diese erkenntnistheoretischen Konzepte als Grundformen des Massenbewusstseins mit sich führen, als Legitimation und Chance zugleich für die Ausübung von Macht nutzbar zu halten. Es gibt eine massives Interesse des Herrschaftsapparats an den regressiven Bewusstseinsverfassungen der von ihm und vor allem, von seinem sich selbst reproduzierenden Personalbestand ausgeübten Macht und Herrschaft.
Wie hier der Zusammenhang zwischen dem ganz offensichtlichen, schulvermittelten erkenntnistheoretischen Primitivismus (Sensualismus, Erlebnispsychologie, individualisierter Psychologismus, Behaviorismus und seine ‚modernisierten’ Ableger bzw. ‚Weiterentwicklungen) des lebensweltlichen Massenbewusstseins einerseits, und den ungemein hohen Ansprüchen der wissenschaftlichen Logistik zu verstehen ist, die selbst bei ihren herausragenden Vertretern, einer Personalgruppe, die sie in der Lehrerschaft und der Wissenschaft in der Form verschiedener Fachspezialitäten vertritt, während man beobachten kann, dass gerade diese Fachspezialisten, wenn sie es in den ‚Alltag’ verlassen, auf eine Weise absteigen, die sie selbst als beschämend nicht einmal zu erleben imstande sind, wenn sie sich vor aller Augen und Ohren entblöden mit dem Anspruch, auch nur ganz gewöhnliche Menschen zu sein, und dazu gar ein Recht zu haben, das ist noch zu klären.
Es gibt diesen Zusammenhang aber, ebenso wie es eine Erklärung gibt für die frappierenden und gelegentlich unerträglichen und enttäuschenden Diskrepanzen zwischen dem Fachvertreter und dem dann zu Tage tretenden Alltagsmenschen, die sich stets zuungunsten des Enttäuschten rechtfertigen zu können meinen, also mit Rationalisierungen, die in erster Linie als Entlastungsmanöver zu verstehen sind, die sich also den Dispens von der Verpflichtung zur Konsequenz selbst bescheinigen und just dies ebenfalls als wesentliches Moment ihrer Kompetenz einerseits und ihrer Entschuldigung ihrer Inkompetenz andererseits auffassen und meinen, auch dies müsse man widerspruchslos schlucken, mangels Einsichtsfähigkeit in die Eigenart der betreffenden Kompetenz.

Dienstag, 11. April 2006
Es ist noch einiges nachzutragen zu dem Traum, in dem ich die Traumarbeit als unsinnig verurteile. Meine Unzufriedenheit, der Eindruck, dass die Erarbeitung des Verständnisses dieses Traums nicht abgeschlossen war, hielt auch nach der vorläufigen Erschöpfung der zunächst sich anbietenden Einfälle und der Klärung ihrer möglichen Zusammenhänge an. Ich blieb diffus unzufrieden mit dem Ergebnis. Nun hat das weiter gearbeitet, während ich die Lektüre der Traumdeutung – übrigens mindestens die zweite, wobei ich die erste als sehr eindrücklich erinnere – fortsetze, und zwar inzwischen über einen Punkt hinaus, bis zu dem ich – mir übrigens nicht mehr sehr bedeutsam erscheinende Anstreichungen und Unterstreichungen von mir vorfinde, so dass ich Zweifel habe, ob ich das Buch jemals wirklich zu Ende gelesen habe. Ich stoße aber, kaum dass ich weiterlese, auf Stellen im Text, die sich auf den Traum zu beziehen scheinen, indem sie sich lesen wie klärende Kommentare zu dem Traum, die sein richtiges Verstehen anleiten. Ich müsste jetzt suchen, bei welcher Stelle ich gestern diesen Eindruck hatte. Aber es ist eine Stelle anzugeben, auf die ich gerade stoße, schon sehr viel weiter in der Lektüre.
Ich beschäftige mich nämlich während der ganzen Zeit weiter mit dem Verhältnis von Wachbewusstsein und Traum(-gedanken), und komme plötzlich darauf, dass die Art meiner Erinnerung an den Traum und die Umständen, unter denen ich ihn träumte, nicht korrekt sein könnte. Ich ging ja ganz selbstverständlich davon aus, dass ich zunächst geträumt habe, und zwar gewissermaßen den Versuch beobachtet habe, wie ich im Traum oder der Traum seinen Versuch vorführte, korrekte, wissenschaftlich akzeptable Protokollsätze oder Beobachtungssätze im Sinne eines bestimmten wissenschaftstheoretischen Konzepts zu bilden, das man wohl als das Konzept der Naturwissenschaften betrachten kann, insofern die Beispielsätze, die PARADIGMEN eben stets an Beobachtungen, z. B. von Messinstrumenten geformt bzw. orientiert sind. Und dann erinnere ich mich daran, schließlich wenigstens einmal in dem Moment aufgewacht zu sein, in dem der Traum triumphierend eine gelungene Bildung der gewissermaßen auf ihn wartenden Kritik anbot.
Dafür gilt mir als Beweis die vermutlich korrekte Erinnerung an die in meinem Blickfeld liegende Uhr, an der ich – einem Messinstrument – die korrekte Zeit jeweils abgelesen habe, nachdem oder bevor ich, nunmehr also ganz wach und im Besitz meines Urteilsvermögens, wie die Zeitnahme belegt, das Urteil über den angebotenen Satz fälle, der ihn als Unsinn abweist und vernichtet, damit aber die Traumarbeit disqualifiziert, und den Traumgedanken bzw. die Möglichkeit, dass es einen solchen geben könne, eigentlich vom Standpunkt des ‚logischen Positivismus’ bzw. des ‚Wiener Kreises’ ad absurdum geführt habe. Der im Großen und Ganzen als Wiener innere Angelegenheit zu betrachtende Streit wäre damit zugunsten des logischen Positivismus und gegen die Psychoanalyse entschieden, und den Nachweis dazu entnehme ich der Beobachtung, die exakt der Art der Beobachtung gleich ist, die ich mache, indem ich an einem Messinstrument z. B. die Zeit ablese, und dies mehrmals hintereinander.
Denn ich kann wohl sagen, dass ich die Zeit mehrmals abgelesen habe, und dass die verflossene Zeit, während deren ich zwischendurch ja wieder eingeschlafen bin, um dem Traum eine weitere Gelegenheit zu geben, in einer Wiederholung des Experiments die Bewährung des Urteils zu bestätigen oder zu widerlegen, tatsächlich in einem Rahmen gelegen ist, der insgesamt nicht mehr als etwa zweieinhalb Stunden umfasste, so dass ich wenigstens den Zeitpunkt der ersten Ablesung und der letzten angeben kann, aber auch meine, mich an eine ‚Zwischenzeit’ zu erinnern, die diesen Zeitraum in etwa teilte, so dass die Bedingungen eines Experiments im Wesentlichen als eingehalten betrachtet werden können. Während dieser Zeit bin ich meiner Erinnerung entsprechend aber mindestens einmal zu dem vom Urteilsvermögen verteidigten Ergebnis gelangt, dass der von der Traumarbeit als Ergebnis angebotene Satz nichts als einen Unsinn wiedergab. Allerdings kann ich mich an den Satz selbst nicht erinnern, sondern eben nur an das entschlossene, mit dem Index, also auch der ‚Kompetenz’ des Wachbewusstseins versehene Urteil.
Das ist nun an sich schon aufschlussreich genug, und kommt einer Schlaubergerei gleich, die sich auf ihre Autorität verlässt, und derart einfach ihr Urteil mitteilt, aber nicht die Urteilsgrundlage, soweit sie im Beurteilten selbst zu suchen ist und diese präsentieren müsste, damit unabhängig von der bloß autoritativen Behauptung, wie es sich verhält, auch überprüfbar wäre, ob es sich tatsächlich so verhält. Dabei kann ich von dem Umstand, dass ich in diesem Fall die Grundlagen der Urteilsbildung, soweit sie im Subjekt des Urteils zu suchen sind, also im Logischen Positivismus, genau genug kenne, um sagen zu können, dass die Urteilsbildung sich formal mit einiger Sicherheit tatsächlich auf die wissenschaftstheoretisch geltend gemachten Regeln der Urteilsbildung gegründet ist, insofern also kein Verdacht auf das Urteil fällt. Es kann daher, und das ist mir wirklich unterlaufen, um so leichter geschehen, dass gerade angesichts dieser Kenntnis tatsächlich ‚geglaubt’ wird, was sich derart als Urteil überzeugend unter Hinweis auf seine Grundlagen in den Regeln präsentieren kann, so dass sich die nochmalige Überprüfung anhand des Gegenstands, auf den es sich bezieht, zu erübrigen scheint, weil dies ja eigentlich gleich ist.
Dieser Gegenstand, der Traumgedanke bzw. das Produkt der Traumarbeit, das den Traum als produktives Subjekt auftreten lässt nach Art einer Person, und entschlossen ist, deren Zurechnungsfähigkeit zu überprüfen, wird stattdessen durch die Uhr ersetzt, an der abgelesen wird, zum Nachweis, dass das Subjekt des Urteils wach und im Besitz seines Urteilsvermögens war, was die Glocke geschlagen hatte, mit dem ausgesprochen ungünstigen Ergebnis für das Traumsubjekt, das sich vorwerfen lassen muss, sich obendrein dabei beobachtet zu sehen, dass es sich tatsächlich ‚sehr große Mühe gemacht hat’ mit seiner Produktion, indem es nach Art eines Stotterers wenigstens mehrere, wenn nicht sogar eine Vielzahl von Versuchen gemacht hat, einen einzigen vernünftigen Satz hervorzubringen, während ihm die Urteilskraft gewissermaßen mit frei schwebender Aufmerksamkeit zuhörte bis es sich aus eigenem Antrieb dazu aufraffen konnte, eines seiner Produkte als gelungen vorzuweisen, worauf diese sich nun gewissermaßen erhebt, auf die Uhr sieht und nach einem Blick auf das Ergebnis ein vernichtendes Urteil spricht, das die Traumarbeit nicht über die Qualitätskontrolle am Ende des Bandes hinausgelangen lässt, sondern als ‚Arbeiter’ disqualifiziert, ihm die Qualifikation der Fähigkeit der Urteilsbildung abspricht, um sich dann wieder, als habe man ein zu wiederholendes Experiment verabredet, auf die Stufe der freischwebenden Aufmerksamkeit zu begeben, die den erneuten Versuchen des Traums erneut geduldig beiwohnt bis ‚Es’ ein Ergebnis präsentiert, worauf wiederum die Zeit abgelesen wird und das (vernichtende) Urteil gesprochen.
Die darin zunächst als unproblematisch durchgehende Unterstellung, ‚ich’ sei also stets dann wirklich wach gewesen, als dieses Urteil dann abgegeben wurde, ist aber so einfach nicht vorauszusetzen. Tatsächlich fällt mir dann auch heute plötzlich, während ich in der ‚Traumdeutung’ lese – ich befasse mich gerade mit dem Traum, in dem Freud von der Notwendigkeit träumt, seine Kinder auf einen anderen Boden zu bringen, und die zu der entsprechenden Beweglichkeit zu erziehen, im Kontext des Traums, der sich mit GESERES und UNGESERES beschäftigt (S. 443, Abschnitt VI) – ein, dass es doch auch sein könnte, dass ich in der Tat noch schlief, als ich demnach vielmehr träumte, aufgewacht zu sein um das Urteil abzugeben. I
Ich muss hier einfügen, was mich bei diesen Formulierungen als nicht ganz korrekt stört, insofern gelegentlich das Personalpronomen ‚ich’ hier vorkommt, das mir ein Problem zu sein scheint, dass sehr weitreichende Verästelungen schon zeigt, wenn ich einen Blick darauf werfe. Ich scheue mich gewissermaßen genau hinzusehen, weil ich meine, mir müsste bei dem Blick in einen bodenlosen Abgrund zu schwindeln beginnen und ich muss deshalb die Aufmerksamkeit, die das wohl erfordern müsste, auf einen anderen Zeitpunkt verschieben. Denn man wirft nicht einen Blick nebenbei in einen sich plötzlich neben einem auftuenden Abgrund, so als wäre das nichts von Bedeutung, das die Gemütsruhe stören könnte. Denn es ist nur allzu klar, dass das Subjekt des Urteils, das Subjekt der Beurteilung und das den Vorgang, der sich als Beziehung zwischen beiden abspielt, beobachtende Subjekt hier nicht identisch sein können.
Sowohl das produzierende Subjekt, das sein Produkt anbietet, als auch das nun zum Urteil angesichts des Angebots kommende Subjekt sind ja ihrerseits beobachtete Objekte, wie auch die Beziehung zwischen ihnen wie von Außen, also von einem Dritten, einem nicht mit ihnen identischen Beobachter begutachtet wird, der nun seinerseits ein Rechtsproblem begutachtet, nämlich das Problem, ob und inwieweit denn nun das beobachtete, und seiner selbst als ‚Das Wachbewusstsein’ sichere Subjekt des Urteils über das Produkt der Traumarbeit und diese selbst, tatsächlich auch richtig gebildet ist, und zwar doch offenbar in einem Sinne, der über die bloße Regelgerechtheit im Sinne des Wissenschaftsbegriffs des Logischen Positivismus hinaus geht. Also ist doch zu fragen, ob diese ‚Vorstellung’ des urteilenden Subjekts hier tatsächlich das Wachbewusstsein war, dessen Autorität es in Anspruch nimmt, so als sei damit alles geklärt, und bezeichnender Weise ohne das Produkt vorweisen zu können.
Denn das wäre dann ja auch Sache des Wachbewusstseins, und nennt sich in diesem Fall ‚Erinnerung’. Res ist aber bezeichnend, dass gerade diese nicht vorgewiesen werden kann, also doch auch geradeso gut auf Unterschlagung geurteilt werden kann und zwar zuungunsten des ‚Wachbewusstseins’, das sich, um die Unterschlagung zu kaschieren, ersatzweise mit Autorität ausstattet, und sich mit dem schliesslichen Ablesen der Uhr gegen Einwände und Kritik panzert, aber so, dass man erst gar nicht auf den Gedanken kommt, man könne hier etwas kritisieren. Während ich noch beschäftigt bin mit den sich nun auftuenden unabsehbaren Problemen, die sich in einer unendlichen Reflexion der Gegensätze zwischen Wachen und Träumen zu verlieren drohen, kommt mir der Text der ‚Traumdeutung’ nun plötzlich ganz ausdrücklich zur Hilfe, indem der Abschnitt folgt: „Alles, was sich als scheinbare Betätigung der Urteilsfunktion in den Träumen vorfindet, ist nicht etwa als Denkleistung der Traumarbeit aufzufassen, sondern gehört dem Material der Traumgedanken an und ist von dorther als fertiges Gebilde an den manifesten Trauminhalt gelangt“, sowie das folgende, das Freud selbst als ‚Überbietung’ dieser Überlegung kennzeichnet: „Ich kann meinen Satz zunächst noch überbieten. Auch von den Urteilen, die man nach dem Erwachen über den erinnerten Traum fällt, den Empfindungen, die die Reproduktion dieses Traums in uns hervorruft, gehört ein guter Teil dem latenten Trauminhalt an und ist in die Deutung des Traumes einzufügen.“ (447 f).
Dazu muss man sich die Überlegung ergänzen, dass die Seele kaum etwas anders ist als die Komplexion der Geschichte sozialer Kommunikationen und deren Folgen, als Übersetzung sozialer Strukturen in die, die man die 'seelischen' nennt. Ihre Hypostasierung zu Entitäten sui generis ist dann Sache einer 'Wissenschaft', die sich 'Psychologie' nennt und zunehmend veraltet. Nur ihre Funktion als Hilfsinstrument der Sicherung von Gewaltverhältnissen hält ihre 'Plausibilität' aufrecht, von den Billigversionen der 'Sozialpädagogik' auf dem intellektuellen Niveau von Angelernten Intelligenzen einmal abgesehen.
Ich führe das hier so aus, weil ich zunächst darauf hinweisen will, dass der Traum gewissermaßen vorwegzunehmen scheint, was an Problemlösungen erst noch im weiteren Verlauf der Lektüre angeboten wird, indem das Traumsubjekt das dazu passende Problem vorwegnehmend herstellt und auf diese Weise eigentlich sagen will: ‚Du hast diesen Text schon einmal gelesen und weißt, oder jedenfalls ‚ich’ weiß, was als nächstes folgen wird’, während ich, der Leser, mich ständig frage, ‚ob ich hier schon einmal war’, d.h. ob ich den Text bereits ‚kenne’. Und es ist dies, was mir der Traum bestätigt, während der Leser seit der ersten Lektüre der Meinung ist, den Text gar nicht zu Ende gelesen zu haben, und außerdem nicht wirklich verstanden zu haben, was Psychoanalyse eigentlich, besonders im Hinblick auf die an ihr geübte ‚wissenschaftliche Kritik’ sei, also sie persönlich jedenfalls nicht verstanden zu haben. Nun ist die Erinnerung an eine Lektüre auch etwas anderes als verstanden zu haben, was sie besagt.
Aber auch hier ist der Traum bemerkenswert, indem er mir gegen den Eindruck, den mein Wachbewusstsein mir gegenüber vertritt, als Kritik meines Unverständnisses, meiner wissenschaftlichen Inkompetenz, vielmehr mitzuteilen scheint, dass ich sehr wohl verstanden hätte, was da gemeint ist, das aber offensichtlich mit bestimmten Mitteln abzuweisen versuche, die nun gewissermaßen ein Bündnis zwischen dem Traum-Ich und dem kritischen Bewusstsein ad absurdum führen, indem sie erstens zeigen, dass das sich mir als Inbegriff meines Urteilsvermögens anbietende Wachbewusstsein mit seiner Schulweisheit des Logischen Positivismus nicht nur in Bezug auf den Gegenstand und vor allem in Bezug darauf irrt, dass es sich gar nicht um einen handelt, den man nach Art einer Uhr abzulesen hätte, und damit ist alles im Grundsatz geklärt, sondern dass es sich auch um einen Betrüger handelt, der versucht mich an der Nase herumzuführen, indem er durch Autorität, also durch eine Hypnose oder eines ihrer Äquivalente substituiert, was er anders als durch eine mit ihr einhergehende Unterschlagung gar nicht ernsthaft erfolgreich suggerieren könnte, oder jedenfalls mit ausgesprochen schlechteren Chancen auf einen Erfolg.
Man muss nun sehen, was daraus weiter folgt. Vorab ist einiges gesagt in Bezug auf den Zweifel, und seine wissenschaftliche Bedeutung für die Psychoanalyse, und zwar dann, wenn dieser offenbar nicht mehr so sehr am Beginn alles Wissens in der Form der Wissenschaft steht, sondern in der Form einer Autorität, die dieses Wissen möglicher Weise zu verhindern und zu verunmöglichen sucht, so dass sich die Verhältnisse hier verkehrt haben könnten und der Zweifel eine ganz andere Funktion und entsprechend eine andere Erklärung verlangen könnte als er noch bei Descartes in Anspruch nehmen konnte. Jedenfalls ist die Bildung von Wissen offensichtlich komplexer unter komplexeren Umständen und es bedarf einer genaueren Untersuchung der sich hier andeutenden Zusammenhänge, deren Erforschung Freud offensichtlich erst begann, ohne dass man sagen könnte, dass alle als ‚psychoanalytisch’ sich ausweisende Forschung und Wissenschaft seither sich stets in der Verlängerung dieses Pfades befunden hätte, der hier ein Stück Weges markiert wurde.
Ich sehe inzwischen, dass ich mich auf ein unabsehbares Abenteuer einzulassen begonnen habe, dessen Zielpunkt und Ausgang ich erst zu erkennen imstande sein werde, wenn ich ihn erreicht habe, und dies ohne wissen zu können, wo ich heraus komme und ob ich einen solchen Zielpunkt auch wirklich erreiche. Denn ich könnte doch auf dem Wege bleiben, irgendwo unterwegs, also sterben, sogar ohne das ‚gelobte Land’ auch nur gesehen zu haben. So wie es die Frage gibt, hier, ob es eine Heimkehr überhaupt geben kann, wo ich doch gar nicht genau wissen kann, wovon ich ausging, so kann es auch die Frage geben, ob es überhaupt ein lohnendes Ziel geben kann, das in einem sinnvollen Wissen ausläuft, mit dem man zufrieden sein kann, und sei es nur für die eigene Existenz.
Die weitere Untersuchung ist jedenfalls ohne genaue Kenntnis einer schon fertigen Landkarte zu machen und kennt auch die Topographischen Gegebenheiten des Geländes nicht, in dem sie sich bewegt, insofern sie dieses alles am Ende erst selbst schafft, so wie eine Bahnstrecke sich vor dem Zug auslegt, der das Material herbeischafft, sie zu legen, während die Arbeiter und Ingenieure damit zu tun haben, sich mit den sich jeweils auftuenden aktuellen und u. U. ganz unvorhergesehenen Problemstellungen auseinander zu setzen, die sich als Hindernisse und Bedingungen vor der Absicht der Bahnbauer zur Gegebenheit einer Erscheinung formen, mit der man sich dann erst auseinander setzen kann, wenn sie auftaucht. Das stellt andere Probleme als die, die man in den Metaphern der Archäologie vor sich sieht und in der Erforschung des Mythos als einem Produkt der kulturellen Vergangenheit, das als bedeutsame Reminiszenz in die Gegenwart hineinragt und Aufschluss bringt über das, was man im Rücken hat.
Der Schwerpunkt könnte sich auf das verlagern, was den Forscher mit seiner Allgegenwart umgibt, das Medium des Lebens ist, das niemand bemerkt, so wie Fische im Wasser oder so wie die Luft, die wir atmen. Darin fasst sich am Ende alles, unter Einschluss der so genannten Vergangenheit zusammen zur Gegenwärtigkeit, insofern alle ‚Gegenwärtigkeit’ nichts ist als mehr oder weniger ‚Vergangenheit’, so dass die gewöhnliche Unterscheidung, die den Gegensatz absolut setzt, einer Selbsttäuschung des Alltagsbewusstseins ist, das das tatsächliche zu klärende Rätsel, der wirkliche Gegenstand aller soziologischen, psychoanalytischen und kulturphilosophischen Untersuchung ist, ein Allerrealstes und Allgegenwärtiges, in das die Allgegenwart der ‚Vergangenheit’ hineinreicht, aus dessen Momenten es komponiert ist, und das aus dem Stand des Scheins der Lösung, die es zu sein vorgibt, so dass das niemandem mehr einfällt, auch nicht, dass es eine Lösung ist, in den eines Problems versetzt werden muss, damit es überhaupt in den Blick einer analytischen Betrachtung gerückt werden kann, die es als Gegenstand wahrnimmt und seine Kontur erfassen kann.
Ich muss noch einmal auf die Traumarbeit zurückkommen: Da auch das im Traum gefällte Urteil, das hier übrigens nicht die Form eines Satzes hat, etwa im Sinne Kants, sondern bei genauem Hinsehen einfach eine summarische Verwerfung ist, die man dann als eine ebensolche Ablehnung, also als Affekt erinnert, auch u. U. mit dem Zusatz: Da war ich aufgewacht und habe das Produkt der Traumarbeit als ungenügende Bildung erkannt, die keine Beachtung verdient, schon gar nicht als korrekt gebildete Satzform, weil es sich vielmehr um Wortsalat gehandelt hat, von der Art, wie das gelegentlich zu lesen ist, wenn Autoren etwa über ihre Träume reden und davon berichten, dass sie – ich habe dergleichen tatsächlich als einmal, mit Sicherheit vor mehr als dreißig Jahren gelesen – davon geträumt haben eine Epoche machende wissenschaftliche Entdeckung gemacht zu haben und beim Erwachen dann nur noch etwas erinnern, wie etwa: ‚Die Wurzel der halben Armlänge des doppelten Gemüses reicht bis an den Bordstein’, da also auch das dergestalt bewusst werdende ‚Urteil’, ein Affekt der Ablehnung, dem Traumgedanken zugehört, ist der Traum, der oben berichtet wurde, so zu verstehen, dass er einerseits besagt: Du wirst in Deiner Lektüre bald auf Stellen stoßen, die Dir einreden wollen, dass der Traum eine Aussage ‚formulieren’ kann, aber das ist Unsinn.
Was Du verstehen musst ist also nicht Freud’s Traumdeutung, sondern dass sie falsche Behauptungen aufstellt. Der Traum versucht also den Beweis zu erbringen und die Empfehlung auszusprechen bzw. das Urteil nahe zu legen, das einerseits besagt: Du hast wohl verstanden, was Du da gelesen hast und weißt es auch noch, wie Du bald sehen wirst, aber es zu verstehen heißt, es als falsch abzulehnen, und dafür erbringe ich hier den Beweis. Die Frage ist jetzt indessen noch, welche Instanzen der Person hier eigentlich interagieren.
Denn es war ja schon die Frage aufgetaucht, was hier eigentlich zu verstehen ist, wenn das Personalpronomen der ersten Person im Singular eingesetzt wird. Der Traum dürfte einen Hinweis enthalten, der das deutlicher machen kann, insofern sich hier ein plapperndes, der Sprache nicht mächtiges Kind und ein mit wissenschaftstheoretischer Hochrüstung bewaffneter ‚Erwachsener’ gegenüber zu stehen scheinen, wobei der Wissenschaftstheoretiker das Kind als blödsinnig abfertigt. Freud spricht in einem der Träume mit seiner Identifikation mit dem Paralytiker.
Es gibt eine dieser Anekdoten, mit denen gewisse Autoren Witz beweisen wollen. Eine davon ist in einem der Bücher Blumenbergs berichtet, und stammt von einem gewissen Jerzy Leck – der Nachname ist mit Sicherheit nicht korrekt wiedergegeben, und ich ahne, in welcher Richtung er verzerrt ist, nämlich so etwa wie ‚leck’ mich…’, im Sinne des berühmten Zitats des Götz von Berlichingen, die wiederum auch eine sexuelle Anspielung enthält. Wer A sagt, muss auch B sagen, also, wenn man sich einmal entschließen kann, anzunehmen was man da lesen kann, dann hat das Folgen, die den gesamten Prozess der Einsicht in das Ganze betreffen und gewissermaßen frei Grenzen überschreiten, die sich sonst automatisch als Haltepunkte des Denkens oder als Wendemarken anboten, an denen er brav Halt zu machen dressiert worden ist bzw. an denen er schweigend umkehrt, obwohl nicht einmal ein ausdrücklich aufgestelltes Verbotsschild besagt: Betreten verboten oder ‚No trespassing’, bzw. ‚authorized personell only’, ‚no exit’, ‚no entrance’ usw. - oder so ähnlich. Sie lautet. „Ich habe heute Nacht von (Sigmund?) Freud geträumt. Was bedeutet das?“ In dieser Anekdote ist das Verhältnis, das hier beschrieben ist, verhüllt angedeutet, denn natürlich mokiert sie sich über den gläubigen Adepten der Psychoanalyse und führt ihm ihre Überlegenheit vor, in dem sie ihn in Verlegenheit bringt. Das höhnische ‚Höhö’, das man hinterher hallen hört, ist kaum eine bloße Illusion.
Es ist der affektive Kern der Aussage und verwirft die Traumdeutung mit derselben Angriffslust wie der ‚Logische Positivist’, in dem ich übrigens jetzt doch den Professor Kanitscheider wieder erkenne, der im Zentrum für Philosophie und Grundlagen der Wissenschaft ein Furcht erregender Gesprächspartner für mich war, indem er mir unter Berufung auf Thomas S. Kuhn meinen alsbaldigen Tod durch Aussterben voraussagte, indem ich mich als Vertreter eines alten Wissenschaftsparadigmas erkennen musste. Ich gab denn auch bald die Absicht auf Professor werden zu wollen, angesichts der weiteren Verzögerungen, die das mit sich bringen musste, zumal angesichts der allgemeinen wissenschaftspolitischen Situation an den Hochschulen und in den Kultusministerien der siebziger Jahre, und stattdessen lieber meine Fortpflanzung betrieb, erfolgreich, wie ich sagen kann, denn ich habe vier Töchter, von denen zwei nunmehr im Studium sind.
Der Traum, der diese Situation beschreibt, nur dass ich nun vom Totenbett aus dem Professor seine zerfallenen Burgen zeige, und den ‚Dachschaden’, den sie haben, während an Stelle wohlgebildeter Sentenzen der Wind durch die Hallen weht, kehrt das um und zeigt, dass ich mich nunmehr sicher fühle darin, den Herren – der Professor Kanitscheider ist unkenntlich vertreten durch den Professor Krüger (beider Name beginnt mit K., und der Vorname des letzteren ist identisch mit dem meines toten älteren Bruders, der im Alter von fünf Jahren an Leukämie starb) – ihrerseits den Tod anzukündigen. Die mir nunmehr doch erkennbare Häme den Herren gegenüber, von denen einer, der Professor Krüger lange schon tot ist (er litt an der basedowschen Krankheit, und ich erinnere mich daran, dass ich seine stets etwas herausstehenden Augen vor mit habe, die an ein Kaninchen erinnerten, ebenso wie dass in der Lektüre der Traumdeutung ein Traum vorkam, in dem der Name Basedow oder die basedowsche Krankheit eine Rolle spielte (das ist noch einmal nachzusehen). Der Traum fällt mit dem Zeitpunkt zusammen, an dem ich jetzt die Lektüre bis an diese Stelle wiederholt hatte.
Aber ich bemerke, dass hier nun auf einmal Fluten von Material zu fließen beginnen, als sei ein Damm gebrochen, und mir fällt der Satz ein: Diesen Kampf kann man nur ebenso seinem wie gegen seinen ‚Verstand’ gewinnen, wobei mir der Ausdruck ‚Verstand’ sofort zu eng vorkommt. Ich muss das unterbrechen, weil ich meine Tochter Rebecca in Köln treffen will. Aber zum ersten Mal in meinem Leben – wirklich – erfüllt mich auf einmal eine ungemein wohltuende Zuversicht. Auf Holz klopfen!

Sechsunddreissigster Traum:

Traum am Ostermontag, Montag, 17. April 2006

Ich fahre (im Traum) zur See. (Ich bin nie zur See gefahren und habe das auch nie in Erwägung gezogen.) Wenigstens aber befinde ich mich auf einer kleinen Insel, die von einem ausgesprochen felsigen, aber flach in die See verlaufenden Ufer umgeben ist. Das ist hinderlich, insofern ein Ruderboot Schwierigkeiten haben kann, zwischen den großen, rund geschliffenen Felsen hindurch zu steuern, die weit hinaus in die See den Zugang erschweren. Von Vorteil ist es indessen, weil kein großes Schiff ein kleines Boot bis zum Ufer verfolgen kann, wenn es denn darauf ankommt. Und es kommt gerade darauf an. Ich kann, offenbar bereits im flachen Wasser oder am Ufer, sehen, wie ein mit mehreren Personen bemanntes, sehr flaches und breites Ruderboot versucht, vor einer großen Fregatte, einem Segelschiff älterer, spanischer oder aus der Zeit der spanischen Seeherrschaft stammender Bauart zu fliehen und dabei angesichts der Hast der Ruderer, die in Panik sind, und auch wegen der ungenügenden Sicht, abwechselnd links und rechts in einer schmalen, gekrümmten Fahrrinne auf die Felsen laufen und dadurch in ihrer Flucht sehr behindert werden. Immerhin gelingt es diesem Boot, der Fregatte zu entkommen, die bereits dicht vor den Felsen kreuzt, während ein zweites Boot, das in ähnlicher Weise behindert ist, gerade am Eingang der Fahrrinne auftaucht und in Gefahr gerät von dem Segler gerammt zu werden. Ich verfolge das Schauspiel vom Ufer aus und kann nur für die Fliehenden hoffen. Offenbar habe ich ihre Partei entweder ergriffen angesichts des Anblicks oder es sind ‚meine Leute’. Ich erkenne also in dem Großsegler meinen Feind.
Tatsächlich gelingt es diesem, das zweite Boot zu stellen, und eine Truppe von drei oder vier Mann mit Degen springt von Bord der Fregatte auf das recht geräumige Boot, auf dem sich eine Art von Plattform befindet, beinahe wie eine Bühne, und die Besatzung des Bootes, ebenfalls vier Personen, tritt wohl oder übel zum Kampf Mann gegen Mann mit den Verfolgern an. Sie werden sämtlich niedergestoßen. Die Verfolger triumphieren, und schmähen die inzwischen, aber zu spät, um zu Hilfe kommen zu können, vom Ufer oder dem ersten Boot herangekommenen Unterstützer, die nun ihrerseits zum Kampf gegen die von dem Großsegler gesprungenen Fechter antreten. Dieses Mal ist es gerade umgekehrt und die Verfolger werden niedergestoßen. Ich befinde mich unter den nunmehr vorwärts dringenden Verteidigern der Insel, und es ergibt sich ganz zwanglos, dass sich der Raum, der zunächst auf die ‚Bühne’ auf dem Boot beschränkt schien sich nach rückwärts öffnet in wenigstens einen weiteren Raum, wo wir, die nunmehr siegreich vordringende Gruppe der Verteidiger der Insel, zwei alte Männer, fast schon Greise, die beide ganz krumm und fast ohne Haare auf dem Kopf sind, während einer mir sogar kaum mehr Zähne im Mund zu haben scheint, in einem reich möblierten, ganz aus Holz gestalteten Raum nach Art einer Kapitänskajüte antreffen, die sich gerade mit Waagen und Geldbeträgen, vorwiegend offensichtlich Münzen, die sie wiegen um ihren Wert zu vergleichen und festzustellen, befassen und offensichtlich mit einer Art Buchführung über ihren Handelsgeschäften befasst sind. Wir identifizieren sie als die für den Angriff und die Verfolgung verantwortlichen Personen, aber sie bestreiten das heftig und weisen zum Fenster hinaus, wo sich die Fregatte befinden soll, die auch sie verfolgt und sie offenbar um Hab und Gut bringen die Absicht hatte.
Wir sollen in ihnen also Leidensgenossen erkennen. Das erscheint uns zwar nicht ganz glaubwürdig, aber da es keine Gründe gibt, das Gegenteil anzunehmen, senken wir die Waffen, die wir gerade gegen sie gerichtet hatten, in der Absicht, sie für den Tod der Kameraden zur Rechenschaft zu ziehen. Um mich von ihrer Darstellung zu überzeugen, sehe ich aus dem Fenster. Dort ist aber von dem Segler nichts mehr zu sehen. Vielmehr sehe ich auf ein reiches Land mit Mittelgebirgscharakter, den typischen Wellenformen von lange erodierten, von Graslandschaft, Feldern und Wald überzogenen Hügeln, die vielmehr ein Meer auf dem Land darstellen.
Unmittelbar unter dem Fenster beginnend sehe ich eine städtische Szene und einen Markt. Wir befinden uns offensichtlich in einem am Rande des Marktplatzes stehenden mehrstöckigen Haus. Gegenüber, jenseits des Platzes, der nicht sehr groß wirkt, sehe ich umrisshaft wesentlich niedrigere Häuser, deren Dächer ich aus leicht überhöhter Perspektive zu sehen meine. Viele Menschen eilen hin und her und gehen ihren Besorgungen bzw. ihren Geschäften nach. Anlässe für Feindseligkeiten sind nicht zu erkennen. Es ist ein gewöhnlicher geschäftiger Lebensalltag ohne die Zeichen, die der Krieg oder Bürgerkrieg in diesen sonst hineinträgt. Mit dem Blick aus dem Fenster, zu dem ich mich leicht bücken muss, bzw. meiner erneuten Zurückwendung in den hinter mir liegenden Raum, endet der Traum.
In dem Traum gibt es keine hinreichenden Hinweise auf die Identität der Beteiligten. Ist die Fregatte ein Freibeuterschiff im Dienst der englischen (Sir Walter Raleigh, den die Königin hinrichten ließ, Francis Drake) oder spanischen Krone oder ganz ohne eine derartige staatliche Macht im Rücken, oder vertritt sie vielmehr das Recht des Staates, der seine Kaufleute zu schützen versucht vor den Freibeutern, die somit meine eigene ‚Partei’ ausmachen müsste? Oder streiten sich hier zwei Mächte oder einfach verschiedene Piratengruppen um eine Beute? Recht und Unrecht scheinen keine Rolle zu spielen. Was gilt ist offenbar das Recht dessen, der sich durchsetzt im Kampf auf Leben und Tod. Das habe ich gerade sehen und erleben müssen, als ich die verfolgten Kameraden sterben sah vor meinen Augen, wo es nur noch darum ging, den Gegner zu bestehen oder zu fallen.
Es hat sich ergeben, dass wir und diesmal behauptet haben, um den Preis der gefallenen Kameraden. Die Beute, das Vermögen der alten Männer, scheint mich nicht zu interessieren. Ich nehme es eher als Element der schön ausgestatteten Kajüte war, deren Machart ganz in dunklem Hartholz, mit schwerem Balkenwerk und dem dunklen, hölzernen Einbaumobiliar mir gefällt wie ein altes, nachgedunkeltes Ölgemälde, auf dem ich zwei niederländische Handelsherren erkenne, von denen einer der alte Rembrandt sein könnte. Es geht also offensichtlich kaum um eine Bereicherung, sondern um ästhetisches, interesseloses Wohlgefallen, denn auf einem Gemälde sind auch die reichlichst vorhandenen Goldstücke nur Elemente eines Ensembles von Licht und Schatten, Glanzlichter, deren Funktion als Bildelement ihren materiellen Wert zwar zu bestätigen scheint, aber als rein imaginären auf den eines leuchtenden oder blinkenden Scheins reduziert bzw. zu einem solchen sublimiert.
Derart kommt mir auch der gerade ausgeführte Kampf als ein Schauspiel vor, jedenfalls von dem Moment ab, als sich das Boot zur Bühne mit Zuschauerraum wandelte, von dem aus ich sah, wie meine Kameraden niedergestoßen wurden, was wiederum gar nichts von einem bloßen Schauspiel hatte, sondern offensichtlich tödlicher Ernst war, der aber nach Art einer Inszenierung gestaltet wurde, also mit einer offensichtlich ästhetisierenden Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen bzw. gegenüber dem Leben, das ich erstaunlich fand, denn ich fand mich ja mitten unter den Handelnden, zum Äußersten entschlossen. Das merkwürdige Changieren zwischen Schauspiel und folgenschwerer wirklicher Handlung in Lebenssituationen, mit ihrer Gleichgültigkeit gegenüber der Möglichkeit des Todes ist denn auch der vorherrschend nachwirkende Eindruck aus dem Traum. Der Träumer überlebt ja immer, wie der Zuschauer eines Schauspiels, oder auch der Akteur, der gerade auf der Bühne auf Leben und Tod gekämpft hat, anschließend nach Hause geht.
Der Tod ist eben kein mögliches Ereignis des Lebens. Auf die Erklärung der sonstigen Elemente des Traums verzichte ich hier. Er hat reichlich rezentes Material verarbeitet, das die vergangenen vorösterlichen Tage bereitgestellt haben. Auf jeden Fall bin ich für diesmal der Sieger, wenn auch mit Verlusten. Die Verluste betreffen vier meiner Kameraden, die übrigens tatsächlich nicht männlich sind, wie man vermuten mochte, sondern weiblich. Ihr Mangel an Kampferfahrung wurde ihnen zum Verhängnis. So kamen sie zu Tode. Die anschließende Aktion betraf eigentlich weniger ein Antrieb zur Rache als der entschlossene Wunsch zu überleben auf Kosten des Gegners, jenseits der Frage nach Legitimität oder Recht. Denn darum konnte es unter diesen Umständen nicht (mehr) gehen. So kamen weitere vier Personen zu Schaden bzw. zu Tode.
Die alten Männer wirkten wie die Abbildung eines lange vergangenen Lebens, und das färbte auf den Alltag des Marktfleckens und die Landschaft ab, eine Landschaft ohne Spuren modernen Straßenverkehrs und ohne eine von Technik und Technologien verstellte Industrien, nicht ganz dörflich, aber auch nicht großstädtisch, oder hansestädtisch, wenn man so will. Wir befanden uns ja unversehens im Binnenland, und das Meer wandelte sich in eine wellige Hügel  und Gras  bzw. Ackerbaulandschaft, unter deren die Gegensätze ausgleichenden Decke die Reste längst erloschener Vulkane rotteten wie in lange verschollenen Hügelgräbern die Gebeine einstiger Könige ihren ewigen Schlaf schlafen mochten, jenseits aller Kämpfe, Niederlagen und Siege, auf die nichts mehr ankommt, besser: Auf die es niemals je wirklich ankommt oder ankam, denn sie sind nichts und bedeuten nichts, während das Leben ist wie das Gold, das inmitten der dunklen Töne der Lebenshöhle aufblitzt in einem Moment, in dem der Hereinstürmende durch die Türöffnung hinein tritt und einen Strahl der Sonne mitbringt, den die Oberfläche des unangreifbaren Metalls reflektiert und gebrochen auf die Netzhaut des hereintretenden Betrachters zurücklenkt.
Der erkennt in den verfolgten Verfolgern sein eigenes Schicksal und tritt ans Fenster, um sich von der Wahrheit zu überzeugen, die sie ihm stumm mitteilen, indem sie auf den draußen vor sich gehenden Markt deuten, den Lebensalltag von Menschen, die dazu verurteilt sind so zu leben, wie er es ihnen vorschreibt, Sklaven, deren Freiheit darin besteht, zu tun, was ihnen befohlen ist, so lange sie leben. Die ‚Beute’ ist pures Produkt der Reflexion, Literatur und Kunst. Sie ist Reichtum, der aus der Betrachtung, den Blick aus dem Fenster auf den Markt die Truhen überfließend füllt, wenn der Kampf bestanden und überlebt ist, überlebt in dem Sinne, dass er sich als überflüssig geworden erübrigt hat. Er ist immer eine Täuschung und Selbsttäuschung, aber es mag dieser bedürfen, damit sich der Reichtum (der Lebenserfahrung) der Betrachtung ergibt, auch im Sinne von ‚surrender’. Anders ist ‚Besitz’ gar nicht im Ernst zu denken. ‚Besitz’ ist niemals ein möglicher materieller Gegenstand.
Er ist in jedem Fall rein imaginär. Wer versucht durch die Reflexion hindurch zu greifen nach dem Gegenstand, von dem das Reflektierte in das Auge des Betrachters fällt, erliegt einer Täuschung, indem er/sie meint, es sei der Gegenstand, den es anzueignen gelte, und nicht die Bedeutung der Reflexion, die er lediglich vermittelt, indem er das Reflektierte vermittelt. Indem der Betrachter sich an das vermeintlich unmittelbare, das Medium hält, die Zufälle einer Oberflächenbeschaffenheit der Materie, entgeht ihm nicht nur der Mechanismus der Erzeugung des ‚Realen’ durch das Licht, also der Umstand, dass es sich bei dem, was er wahrnimmt, um ein rein Imaginäres handelt, sondern es entgeht ihm auch die einzig mögliche Art, wie man sich in den Besitz dessen bringen kann, was real ist, indem man seine Konstitutionsbedingungen und seine Position darin zu seinem bewussten Leben erhebt, zum Inbegriff seiner eigenen Existenz und darin ihre wirkliche Bedeutung erkennt.
Der Blödsinn des Geredes von ‚virtueller Realität’, den alle diese Börsenjobber und diese betriebswirtschaftlichen Rechner hätscheln, die damit nichts meinen als die von ihnen für den Inbegriff des Realen gehaltenen und so gut erzeugten wie sie erzeugenden Profitphantasien, hält sich an einen ebenso primitiven Begriff des Realen wie es die Dinge sind, mit denen sie sich umgeben, die den tatsächlichen Zustand ihrer Bewusstseinsverfassung blanker Unkenntnis reflektieren, die sie in diesen Besitz investieren, um ihm eine objektive Existenzform zu verleihen, die sie vor dem Zusammenbruch bewahrt, wie eine Art von Außenskelett, im Wesentlichen also eine Art von Rüstung und Panzerung, die ein molluskenartiges Gebilde verschalen muss, das sonst auseinander liefe wie Wasser, wenn das Gefäß ein Loch am Boden hat, von dem es seine jeweilige Form verliehen erhält, um sich im Bodenlosen zu verlieren. Man muss schon zur Metapher des Frosts greifen, um die Eigenständigkeit der nichtsdestoweniger zufälligen Form festhalten zu können, bis es taut, was freilich ein kosmischer Zufall ist und eher weniger die Regel als die Ausnahme. Umso erstaunlicher ist die Wirklichkeit des sich aus sich selbst wie aus dem Nichts der Reflexion formende Leben des Geistes, der durch diese hindurch seiner selbst inne wird und sich sagt: Siehe, das bin ich, und zugleich: Sieh doch, das bist Du!

Siebenunddreissigster Traum:

Traum in der Nacht zum Freitag, 21. April 2006

In der Nacht bin ich erwacht und habe diesen Traum differenzierter vor Augen. Jedenfalls sagt das jetzt meine Erinnerung daran.
Ich befinde mich in einer Umgebung, aus der heraus ich mich auf eine Dunkelheit zu bewege, die mich schließlich vollständig umfängt. Ich befinde mich dabei im Innern eines Fluggeräts, das wie ein Nurflügler gebaut ist und enorme Belastungen erträgt, große Geschwindigkeiten erreicht, und dies alles ganz mühelos und wie automatisch. Ich muss nichts tun, das Gerät steuert sich selbst und legt auch seine Flugbahn selbst fest, also auch sein Ziel. Während ich mich auf die große Dunkelheit zufliegen sehe, habe ich Herzklopfen, eine Mischung aus jeder Spannung, die ich sonst empfinde, wenn ich mit einer spannenden Sache beschäftigt bin, deren Ausgang nicht ganz feststeht, und der Erwartung einer Veränderung, die auch hier ein Resultat haben kann, das sich nicht vollständig voraussagen lässt.
Ich fliege also mit meinem Fluggerät, das eher so etwas ist wie eine Ausdehnung und Erweiterung meiner selbst, in diese Dunkelheit hinein und schließlich komme ich aus ihr auch wieder heraus, irgendwo an einem ganz anderen Ort. Die Menschen oder Lebewesen, die ich dort antreffe, kenn ich nicht. Sie sind mir aber offensichtlich nicht unvertraut, ebenso wie ich ihnen und wir gehen übergangslos zu einer Art von Erfahrungsaustausch über. Dabei befinden wir uns offensichtlich in einer Art Labor.
Mein Fluggerät ist verschwunden, oder hat sich in meine sonst gewohnte Gestalt aufgelöst. Ich habe aber offensichtlich den Wunsch, und meine Partner das ebenso offensichtliche Interesse, das Fluggerät und seine Leistungsfähigkeit irgendwie verstehbar zu machen. Ich will ja auch erklären, woher ich komme, denn meine Partner wollen auch das offensichtlich wissen, da ich bei ihnen auf eine für sie nicht verstehbare Art und Weise aus dem Nichts aufgetaucht bin, und sie nicht wissen woher ich komme und wie ich an den Ort gelangt bin, an dem sie sich befinden. Das Ganze wirkt ein wenig wie eine Science Fiction-Episode, in der ich ein ‚schwarzes Loch’ durchquert habe mit einem speziellen Gerät oder Verfahren, wobei nicht klar ist, ob es sich hier eigentlich um einen in zeit-räumlichen Verhältnissen sich abspielenden Vorgang gehandelt hat oder um einen Vorgang, der sich ganz ohne Rücksicht auf dergleichen, also nicht in einer körperlich-materiell zu denkenden Welt abgespielt haben soll, und das unterscheidet den Traum wiederum von einer Science Fiction-Episode, bei der die Annahmen ja stets so sind, dass auch imaginäre Vorgänge – und das sind alle die Episoden – sich in räumlich-zeitlichen Verhältnissen abspielen, der Schauplatz also ‚der Weltraum, unendliche Weiten, die nie eines Menschen Fuß zuvor betreten hat usw.’ sich in raumzeitlichen Metaphern abspielen und auf Bühnen versetzt werden, die sich dieser Metaphoriken reichlich bedienen um einen Wirklichkeitseindruck zu erzielen, der ansonsten bei genauem Hinsehen ganz triviale Vorgänge, wie sie jeder aus dem Alltag der Gegenwart kennt, als das Besondere schlechthin erscheinen lassen wollen. Es ist also eine Methode, der Trivialität einer Familienserie, oder der Darstellung des Lebensalltags auf einem Schiff, etwa auf einem Flugzeugträger, durch ‚Verfremdung’ zu entkommen.
Das ist hier in diesem Traum etwas anders. Zunächst bin ich allein. Dann ist das ‚Fluggerät’ eigentlich nur eine Extension meines Körpers, wie ein weiter Kapuzenmantel ohne Ärmel, den man entfalten kann, so dass er, wenn man läuft, um einen herum mit-‚fliegt’. Die Schwärze taucht einfach vor mir auf, dann umgibt sie mich, dann vergeht sie und ich erkenne wieder eine Umgebung, in der andere Personen sind und ich befinde mich in einer anderen Situation, die wesentliche Merkmale allgemeiner Art mit der gemeinsam hat, die ich jenseits der Schwärze hinter mir ließ, aber alle die Worte, die hier benutzt werden, sowohl die, die einen zeitlichen Ablauf angeben wie die, die eine räumliche Veränderung betreffen, sind nicht genau, insofern sich alles einfach auf den Begriff der ‚Veränderung’ eines einzigen Zustands bezieht, und innerhalb dieses Zustands. Auch zuvor waren da Personen in einer umgebenden Wirklichkeit usw. Erst die eigenartige Unterbrechung durch die Schwärze macht, setzt eigentlich den Unterschied. Der ist dann aber auch disjunktiv. Das Eine schließt das Andere aus. Die Schwärze stellt das dar. Sie scheidet die Bereiche, ist aber offensichtlich nicht undurchdringlich, wie das Ergebnis zeigt, jedenfalls nicht für mich.
Allerdings erscheint diese Disjunktion nicht als zeitliche, also nicht als irreversibel. Ich scheine damit beschäftigt, den daran interessierten Partnern erklären zu wollen, wie man aus dem einen Ort/Zustand in den anderen gelangt, wenigstens aber, wie ich aus dem einen in den anderen gelangt bin, und meine Gesprächspartner scheint das deshalb zu interessieren, weil sie ihrerseits in Erwägung zu ziehen scheinen, eine ähnliche Unternehmung zu planen und daher Genaueres über die Durchführung wissen wollen. Nun habe ich nicht eigentlich etwas durchgeführt, sondern das geschah so. Trotzdem scheine ich etwas darüber zu wissen, wie dergleichen vorgeht, wenigstens was das Technische betrifft. Und das will ich offensichtlich demonstrieren.
Dazu benutze ich nun ein kleines Modell des Fluggeräts, das ich irgendwie aus der Tasche, eigentlich aus meinem Körper ziehe anstelle des nicht verfügbaren großen Geräts, mittels dessen ich diesen Flug bewerkstelligt habe. Es ist etwa so groß wie eine Handfläche und sieht recht niedlich aus. Es scheint einem Käfer mit ausgebreiteten Flügeln zu gleichen, ist aber aus einem mir unbekannten, überhaupt einem unbekannten Metall, und auch seine Funktionsgesetze sind mir offensichtlich unbekannt. Ich kann es aber handhaben und zeigen, wie es funktioniert.
Als ich es in die Hand nehme, entfaltet es sich von selbst und beginnt zu schweben und sich im Flug zu bewegen. Es bleibt dabei wie mit einer dünnen Leine mit mir verbunden, so dass ich es steuern kann, jedenfalls gehorcht es aber meinen Vorstellungen darüber, was es ausführen soll für die Zwecke der Demonstration. Die Zuschauer scheinen auch zufrieden damit zu sein, und es geht nun noch darum, ob sie, als etwaige Insassen des aus dem Modell nachzubauenden Fluggeräts eine/n solche/n ‚Reise’ oder Vorgang auch unbeschadet überstehen würden. Um das zu testen muss ich eine zusätzliche Demonstration vornehmen. Irgendwoher nehme ich eine Art von Staustrahlrohr in einem handlichen Format, und als ich es in Gang setze, ist es ganz von einer Wolke aus leuchtendem Gas umgeben, in die ich meine Hand und den Arm eintauchen kann, während ich es in der anderen Hand halte. Dabei verspüre ich weder Wärme noch Kälte, also keine sensorische Veränderung, und nachdem ich mehrmals den Strahl an der ganzen Länge meines rechten Arms entlang geführt habe, und den Arm in das leuchtende Gas gehalten habe, ist an diesem keine Veränderung zu bemerken.
Nun versucht einer der in dem Labor Anwesenden dieses Experiment ebenfalls, aber ich habe nun den ungenauen Eindruck, dass dabei das Fleisch an dem Arm gewissermaßen verdorrt, so dass etwas zurückbleibt wie der vertrocknete Arm einer Mumie. Das hatte ich nicht vorausgesehen und es tut mir sehr leid, auch fühle ich mich schuldig daran, dass die Person sich beschädigt hat, indem sie ohne Bedenken das Experiment an sich wiederholt hat, das ich gerade an mir ohne Schaden vorgeführt hatte, und daran, dass ich das nicht vorausgesehen habe. Offensichtlich sind diese ‚Menschen’ nicht ganz so zusammengesetzt wie ich und das leuchtende Gas beschädigt sie, indem es sie verdorren lässt. Sie werden also unter diesen Umständen eine in der ‚umgekehrten Richtung’ durchgeführte ‚Reise’ mit dem Gerät nicht machen könne, aufgrund der besonderen Eigenschaften des Geräts ebenso wie aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften. Das Gerät scheint mit meinem Körper kompatibel zu sein, aber nicht mir ihren Körpern.
Während ich das noch bedenke, kann ich sehen, wie die Person, die es gerade an sich ausprobiert hat, das Gerät abstellt oder zurückgibt, und der Arm sich in eine Art von Metallskelett umgewandelt hat, mit dem die Person nun ebenso gut zurechtzukommen scheint wie zuvor mit dem Arm ‚aus Fleisch und Blut’. Das beschwichtigt mein gewissen etwas, aber ich finde es sieht nicht so gut aus wie zuvor. Das stört die Person, die den Versuch an sich gemacht hat, aber offensichtlich nicht so wie mich. Sie scheint mit der ungestörten Funktionalität des Armes zufrieden gestellt und gibt nicht zu erkennen, dass bzw. ob sie unzufrieden ist mit dem Ergebnis des Selbstversuchs. Ich kann andererseits auch nicht erkennen, dass sie bzw. eher, ob sie nun zufrieden ist mit dem Ergebnis, da ich eher dazu neige, den Versuch als gescheitert zu betrachten, so dass zu überlegen sein müsste, was nun zu tun ist, für den Fall, dass meine Partner weiter beabsichtigen, den dem meinen entgegen gesetzten Versuch doch noch durchzuführen, wenn auch unter modifizierten Bedingungen.
Damit wache ich auf.

Achtunddreissigster Traum:

Traum am Morgen des Mittwoch, 17. Mai 2006

Nach einer unklaren Reihe von wirren Bildern, die mir im Halbschlaf durch den Kopf wandern, klärt sich auf einmal die Szene zu einem langen, schmalen Tal, das ich aus einem verwickelt aufgebauten Haus mit vielen verschachtelten Innenräumen und Halbebenen heraus von einer der Längsseiten am eher unteren Ende her überblicke. Dabei kann ich unmittelbar auf den gegenüber liegenden Hang sehen, und dabei etwas über dessen oberen Rand hinweg auf das zunächst in einer Bodenwelle abfallende, dann langsam in den Hintergrund hinein wellig ansteigende, mit Nadelwald bestandene Hinterland hineinsehen. Am Grund des Tals sind entlang seiner Längsachse eine Reihe von idyllisch angelegten Teichen zu erkennen, die wir offenbar bewirtschaften, Forellenzucht oder etwas dergleichen. Weiter nach rechts hin erstreckt sich dann noch mit Wiese bedecktes Tal, durch das sich der kleine Bach schlängelt, dessen Stauung am oberen Ende und an Zwischenstufen die Teiche anzulegen erlaubt. Etwas links gegenüber ist eine hohe Felsenformation zu erkennen, die das Tal offenbar auch auf ‚unserer’ Seite hin gegen sein oberes Ende hin abschließt, und die der Bach in langer Arbeit offenbar durchbrochen haben muss, um schließlich den langen, schmalen Einschnitt zu erzeugen, der sich zu dem Tal geformt hat.
Diese Form, eher schon ein natürlicher Kanal, aber recht tief, an die siebzig Meter, es könnten auch hundert sein, lässt vermuten, dass die Formation als Ganze sich durch ansonsten durch Verwitterungseinfluss und herangetragene Erde verdeckten Fels verbirgt, der bis auf die Pforte am oberen Ende unter Bewachsung liegt. Neben mir sieht Sarah aus dem großen Fenster, oder wir stehen auf einer geräumigen Veranda oberhalb des Talgrundes, so dass wir alles übersehen können. Hinter mir ist eine offenbar große Familie tätig, es gibt mehrere erwachsene junge und auch ältere Frauen, ich ‚sehe’ oder besser weiß sonst im Augenblick keinen Mann zu nennen. Im Hintergrund des gegenüber liegenden Talkamms beginnt sich Aktivität zu entwickeln. Ein Arbeitstrupp mit ‚schwerem Gerät’, Transportfahrzeugen irgendeiner Art, der militärisch wirkt angesichts der Anstriche der Fahrzeuge und der Bekleidung der Männer, versucht ein offenbar stecken gebliebenes, festgefahrenes Fahrzeug in Gang zu bringen, das derart unglücklich auf eine Bodenwelle gelenkt wurde, dass die Räder nicht mehr richtig zu greifen imstande sind, weil das Fahrzeug fast in ganzer Länge aufsetzt auf der Bodenwelle.
Man hört die Männer sich durch laute Zurufe verständigen, während sie sich unmittelbar an den Rädern zu schaffen machen, und der Fahrzeugführer versucht, das Fahrzeug mittels Motor und Kupplung immer wieder erneut anzufahren. Die Männer sind dabei durchaus in einer nicht unbedenklichen Situation, da sie sich ständig an den Rädern zu schaffen machen, sie säubern und direkt anschieben, während der Fahrer, mit dem sie sich durch Rufe verständigen, das Fahrzeug in Bewegung zu setzen versucht. Zudem beginnt aus dem entfernten Hintergrund auf einmal Artilleriebeschuss, der in die Bodenwelle direkt hinter dem Kamm des gegenüberliegenden oberen Talrands geht und heftige Explosionsblitze, Explosionslärm erzeugt und umher spritzendes Erdreich in die Luft wirft, während die Männer mit der gefährlichen Arbeit beschäftigt sind. Intuitiv, wie das im Traum so ist, weiß ich, dass das Engländer sind, die da arbeiten, und zwar britisches Militär, und dass der Beschuss den Zweck hat, eine Hilfe zu leisten bei dem Versuch, das festgefahrene Fahrzeug wieder ‚flott’ zu bekommen.
Das scheint mir indessen ‚eine schöne Hilfe’, die die Leute zusätzlich in Gefahr bringt. Aber darüber hinaus hat der Beschuss noch ganz andere Folgen. Unter dem Druck der immer dichter folgenden Einschläge schwerer Artilleriegeschosse auf eine langen Linie parallel zu dem festgefahrenen Fahrzeug beginnt der obere Hangrand langsam auszuweichen in der einzigen offen stehenden Richtung auf das Tal hin und tatsächlich beginnt der Hang sich zu bewegen, am oberen Rand, so dass das Fahrzeug, an dessen verschmutzten Rädern unermüdlich gearbeitet wird, so dass immer wieder einer der Männer hinspringt, um das Rad zu drehen oder von verschmiertem Schlamm oder Erde zu säubern, während die Geschosse dicht vor dem Fahrzeug in die jenseits von ihm befindliche Bodenwelle einschlagen, langsam abzurutschen beginnt mitsamt dem gesamten oberen Kamm des Hangs, bis sich endlich ein Teil des Kamms, weit länger als das Fahrzeug selbst, das aus einer Zugmaschine und einem Auflieger oder einem Tieflader für den Schwertransport anderer Fahrzeuge, Panzer oder Arbeitsmaschinen etwa, zu bestehen scheint, als Ganzes löst und oberhalb der darunter liegenden Teiche komplett abrutscht um etwa ein Drittel der gesamten Talhöhe. Während ich Sarah, damit sie besser sehen kann, auf eine Kommode hebe, können wir sehen, wie Bäume und Erde, Felsen und Fahrzeug in einer nahezu geschlossenen Formation, sich teils umkehrend (bis auf das Fahrzeug) den Hang hinunterrutschen. Dann kommt alles erneut zu Stehen und der Beschuss hört auf. Das Desaster ist komplett. Die gegenüber liegende Hangseite hat sich vollständig verwandelt oberhalb der Teiche.
Teils haben sich überhängende Massen gebildet, die keineswegs stabil gelagert zu sein scheinen, so dass sie in die Teiche abzurutschen drohen, etwa wenn ein längerer Regen kommt. Nach dem Taleingang hin ist der Felsen teils abgebrochen, und dabei kommt zum Vorschein, dass darin ein Gebäude verborgen gewesen sein muss, das man von Außen nicht sehen konnte, denn man sieht nun wie bei Häusern, die mitten im Abbruch sind, auf einmal wie in die Innenräume hinein, und zudem kommt ein verstörter (man sieht das daran, dass seine Haare wirr um den Kopf stehen) Mann aus einem der nun plötzlich offenen und halbierten Räume, deren Öffnungen ich von der Seite her einsehe, da sie der Längsachse des Tals zugewandt sind, herauseilen und sich über die durcheinander liegenden Trümmer der Bewachsung und des Gerölls und aufgerissenen Erdreichs hinweg in den Talgrund flüchten und sich entfernen. Während ich mir den Schaden betrachte, den die ‚Engländern’ angerichtet haben, spreche ich mit Sarah und versuche ihr zu erklären, was ich damit meine, dass das Barbaren sind, zumal angesichts ihrer hehren ‚kulturellen’ Ansprüche. Immerhin scheint niemand persönlich zu Schaden gekommen, auch nicht von den Leuten, die mit dem Fahrzeug beschäftigt waren und nun untätig herumstehen und sich ihrerseits, sich den Kopf kratzend, das neue Bild ansehen.
Ich wende mich ab und gehe eine enge Treppe hinauf, an deren oberen Ende ich ein großes Tablett bemerke, das auf einer Anrichte steht, und auf dem unterschiedlich große, quaderförmige Goldbrocken liegen, alle so groß, dass man sie mit einer Hand erfassen und aufnehmen kann. Von oben her kommt mir eilig ein junger Mann entgegen, der grußlos an mir vorbei gehastet ist. Ich kenne ihn nicht und habe angesichts seiner Eile den vagen Verdacht, er könnte sich an dem Gold ‚bedient’ haben, wovon ich mich anhand der lückenhaften Anordnung der Stücke auf dem Tablett zu überzeugen versuche. Ich mache daher kehrt und folge dem jungen Mann um ihn einzuholen und ‚am Kragen zu packen’. Als ich ihn festhalte ist er zunächst ganz klein, aber er wird jetzt, als ich ihn zum Stehen gebracht habe, schnell größer und ist endlich größer als ich selbst und ich beginne mich zu fragen, was geschehen könnte, wenn er sich entschlösse mich anzugreifen.
Das tut er aber nicht. Mir fällt sein grobes, rundes Gesicht auf und sein blonder Bartflaum. Es stellt sich heraus, dass es der Freund (m)einer Tochter ist, der oben im Haus auf der Suche nach ihr war. Ich führe ihn mit mir zurück an einen großen rechteckigen Tisch, an dem rund herum verschiedene Personen sitzen, die ich bereits erwähnt habe, unter denen ich jetzt auch die/meine Tochter zu erkennen meine, und zwar an den dunklen geflochtenen Zöpfen, wie ich sie von Kinderbildern meiner älteren Schwester Eva her kenne, aus einer Zeit, in der meine Mutter offenbar noch meinen konnte, dass wir einmal eine Familie sein würden, also aus der Zeit des Krieges, in dessen Verlauf wir alle geboren wurden, als Geschwister (bis auf meinen Halbbruder). Ich bin damit zufrieden, bzw. betrachte meine Aufgabe als erledigt, als ich die Tochter erkenne und gehe etwas ratlos und mit einem eigenartigen Gefühl der Leere aus dem Raum, mit dem noch frischen Eindruck der gerade erlebten Zerstörung unseres ‚stillen Tals’ im Gedächtnis.
Dazu der Einfall des romantischen Liedes, das mich sein meiner Kindheit begleitet und eine Zeile hat: „Dich, mein stilles Tal, grüß’ ich tausendmal…“, und das beginnt mit der Zeile: „In einem Wiesengrunde, da steht mein Heimathaus, da sah ich manche Stunde ins Tal hinaus…
Dieses ‚stille Tal’ ist für mich zeitlebens der Inbegriff meines Verständnisses von Liebe zu einer Frau, der Erwartung gewesen, die sich für mich mit dem Wort ‚Familie’ verbindet, und hat mich immer begleitet. Es ist der Grund, auf dem sich die Figur des Irrsinns abzeichnet, zu der meine Biographie vor diesem Grund und angesichts der Lebensumstände werden musste, einfach weil sich das Erscheinungsbild eines ungefragt in den Untergang einer Kulturwelt und der mit ihr verbundenen Erwartungen vor diesem kulturellen Hintergrund als Inbegriff des Wahnsinns unvermeidlich darstellen muss. Das ‚Tal’ repräsentiert zugleich die Liebe zu der erwarteten Mutter meiner Kinder wie auch die Kulturumgebung als Ganze, in die das Leben der Familie eingebettet sein sollte. Ich bin nicht imstande, diese Vorstellung auch nur ein Jota zu ‚relativieren’.
Da ist mit kultureller Umschulung kaum etwas auszurichten. Diese fest eingewurzelte Haltung, die das ist, wozu ich mit Überzeugung ‚Ich’ sagen kann, ist möglicher Weise ‚gelernt’, aber sie ist nicht ‚verlernbar’. In dieser Hinsicht ist die ‚Lerntheorie’ eine Form des ‚Wissenschaft’ gewordenen Terrors, der den über die Menschen ohnehin verhängten lediglich verdoppelt in der Form der ihn ausdrücklich rechtfertigenden ‚Theorie’, die das Prinzip der Herrschaft durch permanente Revolution verwissenschaftlicht und normalisiert, im Namen der von ihr tunlichst nicht erwähnten Machtapparate, von denen sie finanziert wird.
Die so genannten ‚Modernisierung’ ist nichts als die unausgesetzte Fortsetzung eines erbarmungslos gegen die Populationen geführten Krieges, der unablässig alles zerstört, was den Menschen das Leben als solches erst wert erscheinen macht, dass es gelebt werden sollte. Meine Sehnsucht, die Sehnsucht, die mein Leben wie eine zähe Fiber durchzieht, ist nichts als die unablässige Erinnerung, mit der sich die die enttäuschte Erwartung angesichts der universal gewordenen Barbarei und der organisierten Gewalt zur Geltung bringt, als Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben, dem kein zweitbestes relativierend entgegen gehalten werden kann, geschweige denn ein angeblich um so viel besseres, wie es Produkte zu kaufen gibt, mit denen der puritanische Geist, dem die Vorstellung entstammt, gar nichts anfangen kann. Vorgestellt ist dieses Leben als etwas abgesondert, in einem alten Haus mit knarrenden Stufen, in dem Generationen gewohnt haben, und glücklich gewesen sind, so, dass sie es wert fanden, Nachkommen zu haben, mit bescheidenen Mitteln und ohne Ansprüche auf Technik und Kommunikation, dafür aber mit eindeutigen Sonntagen, an denen der Mensch ganz unzweideutig dem Nutztier übergeordnet sich selbst als solchen auch zu erleben und zu verstehen vermochte, währen die Wochen mit Arbeit ausgefüllt sind, die dazu ausreicht, das Leben zu ernähren und zu erhalten, in einem Glück, das kaum etwas braucht als den Respekt und die Achtung der Mitmenschen, Freunde, die man lange kennt und mit denen man aufgewachsen ist, und eine vertraute Lebensumgebung, deren Zeichen und Bedeutungen alle nur eines sagen: Dies ist schon lange so, es dauert und es wird immer so sein. Stattdessen also: Kein stilles Tal mehr, denn wo immer sich noch eines fände, es wäre sogleich dem Einbruch der Gewalt ausgeliefert, diesem unablässigen Nagen der Gier der Ratten, die sich in großen Massen auf alles stürzen, was sich irgendwie ihrem unersättlichen Zerstörungstrieb darbietet, und was gibt es, das sich diesen nicht auszuliefern gehabt hätte. Die Welt, die eine KULTUR duldete, ist nicht mehr existent. Das Angebot, das sich an die Stelle geschoben hat, ist unbrauchbar, sinnlos, und obendrein destruktiv, nicht nur gegen die Person, ihren Körper, und ihren Geist, ihre seelische und intellektuelle Verfassung, sondern es raubt dem Leben, der Existenz nicht nur des Individuums, sondern sogar der Gattung seinen/ihren Sinn.
Wo das (abnehmende) Einkommen, das sich aus Arbeit erzielen lässt, zu nichts verwendet werden kann als – abgesehen von den zum blanken Über-Leben notwendigen Lebensmitteln – zum Erwerb von Dingen oder Kenntnissen oder Fähigkeiten, die zu haben oder von denen zu wissen oder die zu ‚können’, für das Leben, das Lebensglück ohne jede Bedeutung sind, ohne dass sich sonst eine Möglichkeit fände, auch nur den vorübergehenden Eindruck aufrecht zu erhalten, dass Leben, existieren, da-sein einen ‚Sinn’ macht, von dem man sagen könnte: ‚Dafür lohnt sich die Mühe, die es macht, am Leben zu bleiben, oder sich fortzupflanzen - mit der bedachten Absicht, Nachkommen zu haben, weil es eine Welt gibt, die ihnen zu übergeben keine unerträgliche Zumutung an sie ist, wo sie nichts erwartet als die von ihnen erwartete tägliche Auslieferung und Selbstdemütigung an die Nutzungskalküle, entlang derer sie buchstäblich stündlich taxiert werden, zu einem Gegenwert in Geld, der in keinem Verhältnis steht zur Einmaligkeit ihrer Existenz und der Bedeutung, die das angesichts des Kosmos hat - was unendlich weit hinausgeht über den Sinn des bloßen Überlebens als nutzbare und genutzte Kreatur’, angesichts eines Lebens in der Leere der Isolation und des Scheins von ‚Kommunikation’, die im Wortsinne nur ist, wo das gemeinsame Aufgewachsensein in einem nicht in der Reflexion aufgelösten kulturellen Lebensboden vorausgesetzt werden kann, weil sie unter allen anderen Umständen übergeht entweder in den Schein von ‚Verständigung’ anstelle des Schon-Verständigtseins, das die Kommunikation (innerhalb einer gemeinsamen Mauer wohnen und aufgewachsen sein) oder in strategische Interaktion, da verliert das bloße Existieren, das sich in einer ansonsten von Menschen unbewohnten und mit diesen Existenzbedingungen nicht gesegneten Welt durchaus leben – und sterben – ließe, und sogar der Tod den Sinn. Das menschliche Bewusstsein, die Konstitution dieses Tieres, die diese Welt geschaffen haben, sind damit als eine Aberration, als in der Natur angelegte Perversion des Prinzips Leben erkennbar, die in der Existenz des Menschen zu sich selbst gelangt ist um das Leben als solches ad absurdum zu führen.

Neununddreissigster Traum:

Traum Freitag nach Fronleichnam, 16. Juni 2006

Ich werde unter merkwürdigen Umständen in ein kreatives Team aufgenommen, und soll sofort mehrere Aufgaben lösen, darunter den Bau einer Schachtel, von der ich ein Modell von der Größe eines Schuhkartons auf der Hand halte. Ich erkundige mich umständlich nach dem Material und wo ich es bekommen kann, habe dabei das unangenehme Gefühl, zu viele Fragen zu stellen und die Leute vielleicht aufzuhalten. Vorangegangen war eine Autofahrt in einem sehr eleganten und wohl auch teuren Fahrzeug der Luxusklasse, das Joachim Krüger gehört, einem Soziologen, mit dem ich einmal in Giessen zusammengearbeitet habe. Er war zunächst Assistent von Prof. Pross und dann Professor an der Hochschule für Erziehungswissenschaften. Der Wagen war ein Cabriolet und erschien mir zu angeberisch, war aber schnell. Während der Fahrt treffen wir einen seiner Freunde, den wir zu überholen im Begriff sind. Zuerst ist es eine Art Rennen auf der engen Straße. Es entwickelt sich bei rasender Fahrt auf einer engen Straße nebeneinander eine Unterhaltung, an der ich als Zuhörer teilnehme. Der Freund erscheint mir – wie auch Krüger selbst – als versnobt. Beim Aussteigen am Ankunftsort – ein Theater? – will ich dem Freund die Hand geben, aber der ignoriert sie. Das ist kränkend. Wir befinden uns aber in einem Gebäude, es ist wie nach einem Kino  oder Theaterbesuch. Alles drängt zwischen Säulen auf einer breiten Marmortreppe abwärts zum Ausgang. Als ich aufwache und an die Kiste denke, fällt mir spontan ein: Mein Sarg.
Ich hatte immer vor, ihn mir selbst zu zimmern. Tatsächlich ist das Kistchen von einer Art Seidenpapier umkleidet, das sich sonst oft in Särgen findet und eine Art Bettzeug simuliert. Dann fällt mir Freuds Symbolik des Traums ein und dass er Kästchen und dergleichen mit dem weiblichen Leib oder Genitale (?) identifiziert hat in einer festen Symbolik, die ich einmal einen Psychoanalytiker kritisieren hörte Rückkehr zur antiken Traumdeutung. Im Traum schließe ich mich der Kritik an, oder ist es anders, und ich sehe in dem weiblichen Genitale meinen Sarg oder Tod, so dass beides stimmt, die Symbolik Freuds und die Kritik daran, die sich hier dann in einer Überdeterminierung eher ergänzen und wechselseitig interpretieren. Tod und Geburt, Freud und die Kritik an ihm durch Fachkollegen miteinander versöhnen?
Dann findet eine erste Besprechung mit dem Team statt, in dem ich nun Mitglied bin. Ich habe wie gesagt, den Eindruck, vielleicht schon zu viele Fragen zu stellen. Ich frage nach vielen Details für die Herstellung der Kiste, Schachtel, dem verwendeten Kleber und wo ich ihn bekommen kann. Außerdem soll ich einen Bericht schreiben und noch eine weitere Aufgabe erfüllen, an die ich mich aber jetzt nicht (mehr) erinnere. Es steht alles auf einem Notizzettel, den ich in der Hand halte. Ich habe ein angespanntes Gefühl mich bewähren zu müssen ohne die Leute, mit denen ich jetzt zusammenarbeite oder die zu lösende Aufgabe wirklich zu kennen.
Ich erinnere mich an Joachim Krüger, bei dem ich promovieren sollte, nachdem man mich statt mit einer Promotion mit einem wertlosen ‚Magister Artium’ abgespeist hatte, der für mich nicht den Wert des Papiers hatte, auf dem die Urkunde ausgedruckt war, die ich später an die Universität zurückgab. Ich war mehrmals bei ihm zu Hause. Er hatte zwei kleine Töchter, die mit mir merkwürdige Spiele spielten, die einen eindeutigen sexuellen Unterton hatten, der mich erbleichen ließ. Er führte mir einmal eine Fernsehsendung vor, in der er ein Interview gab, von dem ich nichts verstand. Das machte mir deutlich, wie fremd er mir in Wahrheit war. Außerdem kam ich mir dumm vor. Ich hatte offenbar nichts begriffen.
Ich begegnete in der Wohnung seiner alten Mutter, die gebeugt war, ganz in schwarz, ungemein hart und feindselig wirkte und vor der ich Angst hatte, weil sie so eiskalt in meine Augen blickte. Ich habe ihm den Ausgang meines Studiums, für den ich ihn mitverantwortlich machte nie verziehen. Ich weiß gar nicht, was er in dem Traum soll. Und von der Soziologie halte ich so gut wie nichts mehr. Der ganze Mist hat mich nur irregeführt und taugt nichts, es sei denn zur Beherrschung, aber nicht zum Verstehen von Menschen. Heute meine ich, dass ich die Soziologie nicht verstand, obwohl ich mich darum bemühte, weil das, was unter diesem Titel gelehrt wurde – was dann immer mehr an Namen hing und an Veröffentlichungen von bekannten Verlagen – nichts damit zu tun hatte, was ich ‚intuitiv’ darunter verstand oder verstanden wissen wollte. Es sollte das ein Wissen sein, in dem sich das Individuum nicht nur wieder zu erkennen vermochte, sondern auch seine ‚Situation’. Der Kram, der unter dem Firmennamen läuft ist aber m. E. dazu gar nicht geeignet und auch nicht gedacht. Es ist ähnlich wie bei der Psychologie: Sie dient nicht der Verstärkung des Urteilsvermögens des Einzelnen – zumal in einer ‚Demokratie – sondern zu seiner Unterjochung und Ausbeutung, teils unter dem Titel des Beistands und der Hilfe. Es sind das moderne Theologieersatzbildungen mit Priesterschaften, die dem Machtapparat angehören und ihm zuliefern, immer mehr nach dem üblichen Muster: just in time. Stromlinienförmige, schnittige Roadster, in denen die Macht herumkutschiert (wird). Was habe ich darin zu suchen, und in den Straßenrennen, die mich abstoßen?
Rezentes: Ich hole mir in einem Laden indische Filme. Gestern traf ich den Besitzer. Ich misstraue ihm, weiß nicht warum, es liegt kein Grund vor. Dem jungen Mann, den er beschäftigt, und der die Filmabteilung macht, habe ich gesagt ich sei ‚Soziologe’, was wie ich meine ein Fehler war. In Wahrheit weiß ich nicht, was das ist, einmal abgesehen davon, dass ich Bücher gelesen habe, die von ‚Soziologen’ geschrieben wurden. Da ist aber oft kaum ein Zusammenhang im Denken und meist sieht jeder alles unter einem anderen Blickwinkel. Es gibt genau genommen das Wissenschaftsfach gar nicht, sondern nur – von Regierungen ernannte – Soziologen. Und um die Unübersichtlichkeit auch hier zur Realität zu machen, hat man das dann weiter unterteilt. Es gibt z. B. auch ‚Sozialwissenschaftler’, und ich halte von denen noch weniger als von den Soziologen. Und was ist ein Philosoph? Oder ein Politologe? I get lost Wrong questions of no importance.
Ich fühle mich unbehaglich, in der falschen Richtung unterwegs bei dieser Niederschrift, keine Lust mehr, keine Lust mehr am Leben, Gleichgültigkeit, Vergeblichkeitsgefühl? Wie lebe ich eigentlich meine Tage? Ich lebe halt so dahin und warte, auf den Tod. Ich habe genug und der Rückblick ist ein Blick auf ein sinnloses Unterfangen. Es wäre besser gewesen, ich hätte nie existiert.
So ist das Problem der Auflösung der Existenz noch zu bewältigen. Die Asche meines verbrannten Leichnams würde wohl in den die ‚kleine Kiste’ passen. Der Leib der Mutter war ein Sarg, der Sarg, in dem der potentielle Vater lebte bis zu seinem gewaltsamen Tod. Durga lässt grüßen.

Vierzigster Traum:

Traum am Dienstag, 8 . August 2006
(Goldengelchens Geburtstag)

Ich bin mit Anne und den Kindern unterwegs. Wir befinden uns in Friedberg, auf der von der Burg aus durch den Ort führenden Hauptstrasse, der Kaiserstrasse, die auch einmal Adolf Hitler-Straße geheißen hat. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Die Straße liegt im Verhältnis zu den umliegenden Häusern wesentlich tiefer als sonst. Sie ist Gegenstand einer groß angelegten archäologischen Untersuchung. Entlang der Häuser ist ein schmaler Gehweg geblieben, von dem aus man auf das tief liegende Straßenbett sehen kann, das mehrere Meter tief unter dem sonstigen Straßenniveau liegend ausgegraben worden ist. Man kann den alten Kopfsteinpflasterstraßenbelag erkennen, der nicht überall erhalten ist, außerdem vergitterte Schächte, durch die man Einblick hat in tiefer liegende Räume unterhalb der Strassendecke. Man kann Fensterdurchbrüche in Mauern erkennen und Durchgänge.
Über die Straße fließt ein seichter, aber klarer Wasserstrom, aus der Richtung der Burg herkommend, etwa dreißig Zentimeter hoch und glasklar. Die Straße ist jetzt offenbar ein Flussbett, und zwar das der Usa, die durch Bad Nauheim fließt und sonst unterhalb der Burg auf der von der Richtung, in der Bad Nauheim liegt, abgewandten Talseite. Alle sehen auf das fließende Wasser und ich erwarte interessante und spannende Aufschlüsse von dem Anblick. Er versetzt mich in eine aufgeregte Erwartung. Aber Anne und die Kinder sind offenbar nicht, wenigstens nicht ganz dieser Ansicht. Sie wenden sich zum Gehen – in Richtung Burg – und wenden mir den Rücken zu. Ich bleibe ein wenig zurück, folge aber langsam. Die Straße scheint mitsamt ihren Häusern am Rand in einer Art von gewölbtem Tunnel zu verlaufen. Von oben her tauchen unvermittelt fliegende Wesen auf, die zunächst wie riesige Fledermäuse aussehen, mit braunem Fell und nahezu schwarzen Flügelhäuten, die seitlich von den Füßen bis zu den Fingerspitzen der kleinen Finger außen verlaufen. Sie können damit recht leicht und präzise fliegen. Anne und die Kinder sind ein wenig abgeschreckt, dann aber indifferent gegenüber den Wesen, und während wir weiter gehen flattern sie nun um mich herum. Es sind zwei. Eines kommt auf mich zugeflogen und krallt sich an meinen Kleidern fest.
Jetzt erkenne ich, nachdem ich zunächst sehr erschrocken bin, dass es sich um ein weibliches Kind, ein Mädchen handelt, und bis auf das Fell, bei dem es sich doch eher um Kleidung handelt, und die durchaus angewachsenen Flughäute ähnelt es doch einfach einem Mädchen von etwa zehn bis zwölf Jahren. Aber es ist ein mit Flughäuten ausgestattetes fremdartiges Wesen, jedoch freundlich und ich finde es plötzlich durchaus liebenswert. Das kümmert aber sonst niemanden. Ich unterhalte mich mit dem Mädchen ein wenig, streichele es auch entlang seiner Arme und befühle die Flughaut. Dabei sprechen wir auch miteinander. Es sind keine ‚wesentlichen’ Themen, aber es ist ein freundlicher Austausch.
Dann wechselt die Szene. Ich muss zu jemandes Befreiung beitragen, und dazu einen unübersichtlichen, verwinkelten, aus Bretterzaun aufgeführten Verschlag auf einer Weide betreten, um den Ort zu erreichen, an dem die betreffende weibliche Person sich befinden muss. Als ich um eine unübersichtliche Ecke biege, erkenne ich, dass sich mir eine Art Löwe nähert, und ich bin nicht mehr in der Lage mich zurückzuziehen oder auf den Bretterzaun zu gelangen.
Also versuche ich ob es mir gelingt, den Löwen daran zu hindern mich anzugreifen, aber das erweist sich als gegenstandslos, denn er hat es offenbar gar nicht vor. Ich meine übrigens, es ist ein Löwin, aber sie hat eine etwas eigenartige Körperform. Sie ist aber freundlich und verschmust, legt sich behaglich auf den Rücken und spielt mit mir. Ich atme auf, als ich feststelle, dass ich sie nicht zu fürchten brauche, denke aber an meine Aufgabe und ziehe mich langsam zurück in der Richtung, aus der ich kam. Als ich wieder außer Sicht des Tieres bin, versuche ich den Bretterzaun zu übersteigen, aber als ich oben angelangt bin, bricht ein Teil eines Brettes heraus. Zugleich nähert sich ein wiederum halbtierisches weibliches Wesen von der anderen Seite und kann nun den Zaun auch übersteigen, und ich meine erleichtert aufatmen zu können, denn es muss die Person sein, die ich befreien oder retten sollte/wollte, aber wiederum geschieht etwas Unvorhergesehenes unglückliches – die junge Frau stürzt über den Zaun und verletzt sich? – und nun sehe ich mich unversehens einer ganzen Gruppe von nunmehr männlichen Halbtieren gegenüber – Fell? Tiergesichter? Pfoten? – die nun beginnen ernsthaft und mit guten Argumenten mit mir zu schimpfen, mir meine Fehler vorrechnen und meine offenbar verfehlten Eingriffsversuche in die Situation.
Ich bewege mich dabei weiter durch das Gängegewirr aus auf einer Weide aufgestellten Bretterzäunen, durch das offenbar schon Legionen von Huftieren hindurch getrieben worden sind, etwa bei jährlichen Tierauftrieben. Man kann das an dem abgeriebenen Zustand der Bretterzäune ebenso erkennen wie aus den teils unregelmäßig ausgetretenen, von unzähligen Hufen ausgetretenen Böden der Gänge, die tiefe Rinnen gebildet haben, an deren Ränder die Zäune teils wesentlich höher stehen. Ich lasse mich angesichts der auf mich unverändert einredenden Halbtiergestalten auf dem Boden nieder und werde nun vor einem Fernsehgerät oder einer Filmleinwand placiert, und mit wird ein Film vorgeführt, der von einem bekannten ‚Filmemacher’ gedreht worden ist und auch mir – ganz ohne Rücksicht darauf – recht bedeutsam erscheint. Ich meine, es müsste Woody Allen gewesen sein, aber ich schätze ihn gar nicht so sehr, wenn ich ‚bei Bewusstsein’ bin. Deshalb wundert es mich. Nachdem ich den Film gesehen habe finde ich ihn sehr sehenswert und frage die Tiermenschen ob ich eine Kopie – auf DVD oder so – davon bekommen könnte, um ihn mir noch einmal ansehen zu können.
Dabei haben sich Ort und Szene inzwischen wesentlich gewandelt. Die Tiermenschen sind jetzt auf einmal in Hosen mit Bügelfalten und weiße Hemden – teils mit Krawatte, nach Art von Businesspersonell in Filmen mit Businesspersonell – gekleidet und entsprechend frisch geduschte und frisierte Menschen, was ihre Seriosität unterstreicht ebenso wie den Grad, in dem sie ernst zu nehmen sind. Ich selbst befinde mich plötzlich auf allen Vieren, also auf Hände und Knie gestützt, und in einer Haltung, die mich an eine bestimmte Geburtshaltung erinnert, in der man kürzlich eine bekannte Popsängerin mittels einer Bronzestatue abgebildet hat, gelegentlich einer Ausstellung, deren Thema ich nicht mehr erinnere. Ich weiß nun noch, dass sich die Aussteller verteidigten gegen den Vorwurf, den man ihnen machte, und dass mir nicht klar war, dass dies eine Mögliche Haltung für eine Entbindung sein könnte.
Während dessen reden die mich umstehenden Männer in ihrer Bürokleidung weiter auf mich ein und ihre Argumente erscheinen mir nun verständlich und plausibel. In diesem Moment erwache ich offenbar und zwar mit einem Gefühl eines ‚Heureka!’ im Kopf, als sei da ein Ausrufezeichen angesichts einer Evidenz. Als ich überlege, formt sich der Anfang eines Satzes: ‚Also ist das…’, aber ich kann ihn nun nicht so einfach beenden wie ich meinte. Stattdessen sehe ich vor mir eine Art von dreidimensionalem Koordinatenkreuz, in dessen Raum sich ein wolkenartiges Gebilde von verstreuten Punkten schwach abzeichnet. Und ich stelle mir vor, dass sich das Koordinatenkreuz im Nullpunkt frei drehen lässt, während die Wolke ihre Konfiguration nicht verändert, also die relativen Verhältnisse zwischen den Punkten, aus denen sie gebildet ist, sich nicht verändern.
Außerdem habe ich die Vorstellung, die Punktewolke könnte, in einer Art von reversiblen – wieso eigentlich reversibel? – Ablauf auf den Nullpunkt zusammenschrumpfen, damit also die Punktabstände in einer Art von zeitlichem (umgekehrten?) Verlauf verhältnismäßig in mathematisch bestimmbarer Weise abnehmen, bis alle Punkte in dem einen Punkt versammelt sind, den der Nullpunkt des Koordinatenkreuzes bezeichnet, so dass alle Koordinaten aller Punkte nunmehr mit dem Nullpunkt des Koordinatensystems zusammenfallen, während dieses sich frei in allen Richtungen dreht um diesen Punkt. Zugleich erscheinen mir die Vorzeichen der Achsen als Werte, also negativ und positiv, böse und gut, Glück und Unglück, also verschieden mit moralischen oder ethischen oder sozialen oder Kriterien der Macht usw. besetzbar, so dass sich derart ein Bild ergibt, dessen Dynamik darin besteht, dass alle möglichen Orte in diesem Universum u. U. auf einen Punkt, also eine Identität zurückgehen, bzw., wenn nicht den relativen Abstand gegeneinander, was ja auch ‚geht’, dann die Wertigkeit wechseln können. Das müsste dann den Sinn des Satzes ausmachen, den ich beim Aufwachen meinte problemlos formulieren zu können, bis die Untersuchung der ihn begleitenden Vorstellung ergab, dass der ‚Satz’ sich jedenfalls über die Grenzen eines grammatischen Gebildes hinaus erstrecken würde, das sich zwischen zwei ‚full stops’ einschließen lässt, oder jedenfalls nur mit Schwierigkeiten. Eher wäre das Zugrundeliegende verwandt, was man in der Mathematik als Satz bzw. Lehrsatz (unter Einschluss der Darstellung dessen, was damit gemeint ist) bezeichnet wird.

Das ist der Traum. Heute ist Leah’s Geburtstag.

Einundvierzigster Traum:

Traum am Donnerstag, 10. August 2006

Für den folgenden Traum sind folgende Randbedingungen wohl mit von Bedeutung:
1.Ich muss zusätzliche Finanzierungsmittel für meine Existenz über den 22. 9. 2006 hinaus beantragen, weil meine Rente so niedrig ausfällt. Ich habe seit Wochen die Anträge hier liegen, bin aber nicht imstande, das Amt auszusuchen, weil ich Angst habe vor der erniedrigenden Behandlung.
2.Ich lese Literaturen, die mir Angst machen, weil sie die Nachtseiten der Zivilisation, Kultur, Gesellschaft und der Existenz betreffen: Freud Werke, Devereux, Diverse Bücher über Ethnopsychoanalyse und Ethnopsychiatrie, Parin/Morgenthaler, Fürchte Deinen Nächsten wie Dich selbst, und: Die Weißen denken zu viel, dann Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, Die Archäologie des Wissens, Überwachen und Strafen, Wahnsinn und Gesellschaft, alles, um es milde zu sagen, ungemein radikale Lektüren, die Abgründe unter der Oberfläche des Denkens solcher Soziologen wie Jürgen Habermas öffnen, von dem Sozialarbeitergewäsche zu schweigen, das nachplappert, was man in den Gefängniswärterberufen eben so von der Realität hält, in der die Population gefangen sitzt in den ‚westlichen Demokratien’. In das Ganze einzuordnen ist die erneute Lektüre von Adornos Transzendentaltheorie des Unbewussten, Hogrebes; Kant und das Problem einer transzendentalen Semantik, entsprechend also zu überlegen, inwieweit Kant hier noch in Frage kommt, insofern Foucault ja beansprucht anders anzusetzen, und Habermas als ernst zu nehmender Rezeptor der Psychoanalyse ja wohl kaum in Frage kommt, sondern eher als Patient, wenn man ihn aus der Sicht von Derridas, Foucaults und Lacans Hermeneutik betrachtet. And the winner is: Gadamer.
3.Der Krieg zwischen der arabischen Welt einerseits, und der israelisch us amerikanisch-britischen Koalition, der die Umrisse der Kräfte schlagartig erneut sichtbar werden lässt, denen der Kontinent insgesamt und vor allem, das betrifft mich eben, Deutschland zum Opfer gefallen ist, eine Koalition, die die Welt kolonisiert hat, unter zunehmender Beteiligung des politischen Zionismus, der schließlich als Speerspitze des Imperiums der Angelsachsen militärisch und intellektuell sowie materiell (finanziell) triumphiert.
4.Meine Geschichtskenntnis über die Umstände der ‚Besiedelung Amerikas’: Die US amerikanische, also die moderne Demokratie steht auf dem Humusboden eines Genozids an den Amerikanern (Indianer), anders gesagt: Die Altäre und Tempel der modernen Demokratien sind auf den Leichbergen und den Trümmerhaufen einer erschlagenen Kultur aufgebaut worden. Die arabisch-muslimische Welt, das sind die ‚Indianer’ des ausgehenden 20. Jh. Und des beginnenden 21.
5.Meine intellektuelle Erziehung und Ausbildung sowie die Voraussetzungen, auf denen sie aufsetzt, sind in keiner Weise mehr als Enkulturation, und ebenso wenig als Bildung oder Ausbildung zu bezeichnen, sondern als ein Konglomerat in sich völlig widersprüchlicher, den Bruchlinien der Bürgerkriegsfraktionen und Bürgerkriegsüberzeugungen sowie den schnell wechselnden Nutzungskonzepten folgende Gehirnwäschen gewesen, die die Politik, vermittelt über ihre Kulturhoheit über alle Menschen verhängt, sogar über die, aus denen sie ihr Personal rekrutiert.
6.Eine Beurteilung dessen, was ‚Wahnsinn’ jenseits des starren Blicks der ärztlichen und psychologischen Basilisken sowie ihres personellen Halos und ihrer institutionellen Einrichtungen ist, verlangt auch eine völlig neue Beurteilung dessen, was unter den Titeln der entsprechenden Wissenschaften akademisch und im Buchhandel gehandelt und gehätschelt oder promoviert und habilitiert wird. Diese Maler und bildenden Künstler sind Teil des Bildes, das sie malen, der Szenarien, die sie projizieren, der Bühnen, auf denen sie ihre Stücke aufführen lassen – von den Nervösen Systemen derer, die von ihren ‚Ideen’ befallen sind wie von einer Gedankenpest, nicht zu reden von denen, die auf den überall verstreuten stinkenden Müllhaufen nebenan die Fetzen und Versatzstücke ihres Lebenssinns aufsammeln um damit hausieren zu gehen. Das heißt aber: Der Autor dieser Gebilde ist noch ganz unbekannt, wenn es ihn überhaupt gibt. In jedem Fall ist hier ein anderer Blickwinkel notwendig, und die Gesamtheit dieser Erscheinungen ist von einem anderen Punkt aus zu betrachten.
0.Leah hat mir anlässlich eines Telefongesprächs an ihrem Geburtstag mitgeteilt, dass die Mutter von Annegret (der Mutter aller meiner lebenden Kinder) im Krankenhaus war für zwei Wochen und am Tage nach dem Geburtstag zurückkommen wird nach Hause, aber nunmehr nicht mehr wird gehen können und an einen Rollstuhl gefesselt bleiben wird, sich auch nicht mehr selbst an- und auskleiden kann. Der sich langsam nähernde Tod, der nun die letzte (oder vorletzte, denn ich habe keine Nachricht vom Tode meiner Mutter, was aber nichts heißen will, traue ich meinen Geschwistern doch zu, dass sie mir das aus verschiedenen Gründen nicht mitteilen) Repräsentantin unserer Elterngeneration früher oder später wegnehmen wird, macht mich unendlich traurig. Ich bin nicht damit einverstanden, und es gibt nichts, das mich über die Unvermeidlichkeit des Todes zu trösten vermag. Alles, was man tun kann, wird zu Unsinn angesichts des Todes, sogar und vor allem die Fortpflanzung. Wir sollten das beenden, aber wer will schon den Anfang machen. Ich habe nicht das Recht gefühlt, für meine Nachkommen zu entscheiden, dass sie NICHT geboren werden können.
Denn man kann zwar keinen fragen ob er geboren werden will, und ich hätte die Frage verneinend beantwortet, aber einmal geboren war ich nicht sicher, ob ich diese Antwort von meinen ungeborenen Kindern erhalten würde. Eher im Gegenteil. Kann das ein insgeheim aggressives Motiv bergen: Warum soll ich allein meine Existenz beweinen, zusammen mit meinen mehr oder weniger glücklichen Ahnen. Sollen meine Nachkommen doch auch in den Genuss dieses Privilegs kommen. Der Fortpflanzungstrieb allerdings ist doch stets eine positive, von Hoffnung und Erwartung getragene Vorabantwort auf die Frage der Entscheidung über die Fortsetzung des Lebens in der genealogischen Reihe, in der man als Glied figuriert und fungiert. Es kommt eine Menge zusammen und konvergiert in diesem Traum.

Der Traum:
Ich habe mich zu irgendeiner an sich ganz säkularen, sogar sozialdemokratischen Angelegenheit irgendwie unpassend geäußert ohne die Folgen zu ahnen, die das haben würde und sehe mich nun zum Tode verurteilt. Es war wohl eine abweichende Auffassung oder vielleicht habe ich mich auch lustig gemacht über Ansichten, an denen die Identität der Umgebung hing, in der ich mich befand, jedenfalls sehe ich mich nicht einfach ausgegrenzt, sondern zum Tode verurteilt. Das Urteil soll am nächsten Tag vollstreckt werden, und in der Zwischenzeit finden irgendwelche mir unverständlichen, aber in jedem Fall religiöse Riten und Festlichkeiten statt, an denen ich teilnehmen darf, eingereiht in eine Reihe mit vielen anderen. Wir sitzen im Freien, während zugleich die ganze Umgebung ist wie das Innere einer großen Kathedrale.
Der Boden ist mit großen grauen Steinplatten belegt, wir alle sitzen in einer langen Reihe, die wie eine gotische Kirchenbank aus Stein gehauen ist, mit Rückenlehnen, die über die Kopfhöhe hinaus reicht, wie man das in vielen alten Kirchen sehen kann, wo die Sitze für die bevorzugten Bürger ganz weit vorn von dieser Machart sind. Ich habe dabei ein Halseisen um den Hals, aber neben mir sitzt eine Art von Betreuer, an den ich mich wenden kann, der zugleich so etwas wie eine moralische Instanz und Begleitung verkörpert, und ich kann mich jederzeit an ihn wenden, wenn ich möchte, dass mir das Halseisen abgenommen wird, so dass ich aus der Reihe treten (tanzen?) kann. Ich nehme das dann auch in Anspruch und es geschieht diskussionslos was ich verlange.
Dennoch bin ich mir dessen bewusst, und dieses Bewusstsein von der Tatsache scheint das ganze Feld meiner Umgebung einzunehmen, es ist Teil seiner Konstitution gewissermaßen, deren andere Elemente in der ‚religiös-kirchlichen’ Gestaltung der gesamten Umgebung zu erkennen sind, also an jedem Detail der Architektur, dass ich zum Tode am nächsten Tag verurteilt bin. Der Gedanke bedrückt mich sehr und ich verspüre einerseits eine Neigung dagegen zu rebellieren, kann aber auch nichts Ungerechtes daran finden, denn ich bin ja dafür bestraft worden, dass ich mich über eine offenbar geheiligte Angelegenheit auf unangemessene Weise lustig gemacht habe, wenn auch nicht in der Weise, dass mir das bewusst gewesen wäre.
Aber ich habe keinen Anlass zur Beschwerde, und deshalb verdichtet sich mein Unbehagen auch nicht zu einem Handlungsimpuls, sondern lässt mich eher in einer Resignation angesichts des Unvermeidlichen versinken. Ich treibe also, von meinem Halseisen losgemacht und damit frei ‚aus der Reihe zu tanzen’ für einen Tag bis zu meiner Hinrichtung, in dem Festgeschehen mit und finde mich dann auch bald ganz von meinem Betreuer entfernt im Innern einer riesigen Kirche – wie z. B. das Münster in Strassburg, das ich einmal beging, und das eine gute Erinnerung hinterließ mit seinem roten Sandstein und dem schräg einfallenden Sonnenlicht durch eines der Fenster, oder auch der eher graue Dom in Köln, der ja nicht weit ist von hier, bloß dass er stets angefüllt ist mit Menschen, während das Münster in Strassburg zu dem Zeitpunkt, als ich es beging, so gut wie leer war. – die sehr bevölkert ist von betriebsam hin- und hergehenden Menschen, alles ist eher in einem Grau gehalten, die Balustraden und die Böden und Wände in erreichbarer Höhe sind glänzend und speckig, das Ganze macht einen friedlichen Eindruck, während ich es aus der Höhe einer Balustrade betrachte, also die Menschen in der typischen Verkürzung der Draufsicht sehe, die sie alle sehr verkürzt und eher gleiten lässt, sie wirken wie merkwürdige, von Oben kugelige Tiere, die am Grunde eines Gewässers durcheinander treiben, wie Tintenfische oder Quallen, aber das Schauspiel hat nichts Unangenehmes, es treibt wie das Geschehen in einem Aquarium an meinem Blick vorbei: Mal sehe ich hin, mal ‚wendet sich der Blick nach Innen’, und ich sehe eher schemenhafte Bewegungen in verschiedenen Richtungen durcheinander gehen. Flüchtig überlege ich, wie es wäre, wenn mein Leben jetzt, in diesem Moment endete, etwa, indem ich mich über den Rand der Balustrade in die Tiefe stürzte, aber das wirkt absurd angesichts des Bewusstseins meines morgigen verordneten Todes, für den ich nicht selbst zu sorgen brauche.
Ich wache auf mit dem Bewusstsein, dass es diese Angst ist, zum Tode verurteilt zu werden durch das Amt, die mich daran hindert, es aufzusuchen. Dabei betrifft der Gedanke an den Tod eher eine seelische Beschädigung als die einer physischen Verletzung. Ich kann mich ja völlig frei bewegen, während ich zum Tode verurteilt bin, und es bedarf zur Absicherung des Vollzugs auch keiner Fesselung. Überwachung und Bestrafung betreffen eben gar nicht mehr den Zugriff auf den Körper, sie zielen auf die Seele. Man sollte sie abschaffen.
Das wird auch noch, ist schon in Arbeit. Die Seele verschwindet mit dem Konzept, auf dem sie aufruht: Dem Menschen. Was hat der Philosoph Odo Marquard sich dabei gedacht, als er sich zugunsten der Anthropologie von der Geschichtsphilosophie und dann auch, versuchsweise, von der Geschichte verabschiedet hat? Antwort: Nichts, er hat einfach zum Verwaltungsbeamten umgeschult. Der Mensch in seiner letzten Inkarnation ist der Verwaltungsbeamte, allgemein der Sachbearbeiter. Nach dem Abschied von diesem kommt die politische Massentierhaltung der Biomasse der Tiergattung Homo sapiens, einer Primatenart, die sich entlang von Nutzenkalkülen halten und bewirtschaften lässt wie andere domestizierte, und vor allem Schlacht- und Arbeitstiere auch. Versklavung unter der Maske einer Demokratie wäre dagegen bereits ein zu anspruchsvolles hochkulturelles Konzept, nicht dem Stand der Sache angemessen. Das Ende des Menschen und der Geschichte ist mit dem Übergang zur globalen Politik der Nutzung der Biomasse des Homo sapiens eingeläutet. Schade, dass Marx und Freud diesen Ausgang auf einem dritten Weg nicht mehr erleben durften. ‚Seele’, ‚Gesellschaft’, ‚Individuum’ usw. das sind alles metaphysische Schimären, Gespenster, die die Sprache zwischen das Nichts und den Organismus der Tiergattung ‚homo’ projiziert.
Ich habe mich nach nahezu dreißig Jahren ‚Epochè’ in Bezug auf mein sozialwissenschaftliches Urteil und angesichts einer zwar nie erfüllten, aber dennoch persistenten Sehnsucht, einer Hochkultur zuzugehören – was dann auch die Bevorzugung von entsprechenden Lektüren nach sich zieht, an denen man ‚die Seele nährt’ – und trotz meines Abscheus gegenüber jeder Handlung, die die soziale Ordnung und die ordentlichen sozialen Prozesse, vor allem aber auch die soziale Kommunikation stört, nun dazu entschließen können, nicht ohne eine erneute Lektüre der einschlägigen Literaturen, dass diejenigen, die mehr und mehr entschlossen scheinen und das auch unter Beweis stellen, diese Weltordnung der Pax Americana zu zerstören und in den Zusammenbruch zu treiben, wenigstens ebenso sehr ‚im Recht’ sind wie diejenigen, die versuchen, sie mit allen Mitteln zu erhalten und dabei meinen, sie ‚kämpften’ für eine in ihrem Sinne mögliche Welt ‚ohne Gewalt’.
Ich stelle mich selbst hiermit auf einer Position auf, die sich keiner Ordnung verpflichtet fühlt. Ich bin nie ein Liebling dieser geltenden Ordnung gewesen. Im Gegenteil, keiner hat mich mitspielen lassen in diesem infantilen Spiel um die Souveränität über den Sandkasten. Alles, was ich erleben durfte, waren ‚neighborhood bullies’, die nur solange ‚gewaltfrei’ und ‚friedlich’ waren, wie man ihren abgesteckten claims nicht so nahe kam, dass ihre Hofhundinstinkte erwachten und sie begannen die Zähne zu blecken.
Die aus hinreichendem Abstand friedlichen Köter verwandelten sich in psychotische und psychopathische Bestien sobald man den von ihnen für richtig gehaltenen Sicherheitsabstand unterschritt, sogar ganz unabsichtlich, weil keine mit Kreide auf den Boden gezeichnete Grenzlinie auf dem Boden sichtbar war. Das aber ist die Art aller Gewalt in struktureller Form und das Benehmen aller Hofhunde. Ich verdanke ihnen nichts. Sie mögen also zur Hölle fahren oder auch nicht. Ich werde ihnen nicht nachweinen, ganz gleich, was ihnen folgt, und selbst dann, wenn es dasselbe in Grün ist. Nichts hat meine Unterstützung, auch keine Sympathie, das mich nicht unmittelbar partizipieren lässt auf einem minimalen Niveau, und wenn ich dafür eine Demütigung hinnehmen muss, die überschreitet, was ich an Vorteilen davon habe, dass ich mich demütigen lasse, oder auch denn, wenn sich der Austausch auch nur im Gleichgewicht hält, ist das schon zu wenig um mich dazu zu bewegen, Verhältnisse zu unterstützen, die mir bloß einen Ausgleich zwischen Sklaverei und Demütigung einerseits und Gratifikation andererseits bieten, und nicht darauf verzichten können mich zu schänden, wenn ich an etwas partizipieren dürfen soll.
Alles ist einer Weltordnung der reinen Selbstgerechtigkeit einer rücksichtslosen Politik der Massentierhaltung und der Bewirtschaftungskalküle gegenüber dem in ein Schlachtvieh umgewandelten Menschen vorzuziehen. Und der Aufstand, der entschlossene Kampf, nicht die Erhaltung eines unsäglich verkrüppelten, am Rande des Vegetierens dahinsiechenden ‚Lebens’ ist das entscheidende bei dieser Entscheidung.
Es ist nicht einzusehen, warum man sich dazu entschließen sollte, diese ewigen und arroganten Siegertypen vom Rande der von ihnen beanspruchten Rennstrecken her zu bewundern, sie dabei zu beobachten, wie sie Millionen scheffeln und ‚ihren Fans’ zuwinken, die sie zu den größenwahnsinnigen Millionären machen, die sie sind, etwa indem sie ein Auto fahren oder ein Unternehmen leiten. Laß’ die Interessenvertreter öffentlich ihre Interessen vertreten und sie flächendeckend so vertreten, dass niemand sonst – wenigstens nicht ungeprügelt – zu Wort kommt. Es kommt nicht darauf an, in den Medien präsent zu sein und dabei Kohle zu machen mit dem Geschwätz, sondern darauf zu handeln, um den Typen, die ihren Mund mit ihrem Arsch vertauscht haben, und derart Scheiße quasseln, wenn es bloß bezahlt und mit Privilegien belohnt wird, und die sich großartig fühlen, wenn sie konsumieren können, so als gäbe es etwas zu konsumieren jenseits der Grundbedürfnisse des Lebens, die so gut wie nichts ausmachen, sondern darauf ihnen mit Handlungen zu antworten. Who cares for life, if you have profound experience, that you are neither respected nor that anybody cares for your life or that you exist at all?

Abschiedszeichen.
Mündlich.

Wie schön blüht uns der Mayen,
Der Sommer fährt dahin,
Mir ist ein schön Jungfräuelein
Gefallen in meinen Sinn.
Bey ihr ja wär mir wohl,
Wann ich nur an sie denke,
Mein Herz ist freudenvoll.
Wenn ich des Nachts lieg schlafen,
Mein Feinslieb kommt mir für,
Wenn ich alsdann erwache,
Bey mir ich niemand spür;
Bringt meinem Herzen Pein,
Wollt Gott, ich sollt ihr dienen,
Wie möcht mir bas gesein.
Bey ihr da wär ich gerne,
Bey ihr da wär mirs wohl;
Sie ist mein Morgensterne
Strahlt mir ins Herz so voll.
Sie hat ein rothen Mund,
Sollt ich sie darauf küssen,
Mein Herz würd mir gesund.
Ich werf mit Rosenblättern
In Liebchens Fenster ein:
Ey schlafe oder wache,
Ich möchte bey dir seyn!
Das Fensterlein steht auf
Wie bey dem Vogelsteller,
Ich wag mich nicht hinauf.
Wollt Gott, ich fänd im Garten
Drey Rosen auf einem Zweig,
Ich wollte auf sie warten,
Ein Zeichen wär's mir gleich;
Das Morgenroth ist weit,
Es streut schon seine Rosen,
Adie meine schöne Maid.
Aus: Des Knaben Wunderhorn (Achim v. Arnim, Clemens Brentano (Hgg.)
Phantasie am Morgen des Sonntag, 13. August 2006

Ich liege halbwach noch im Bett. Mir gehen dann gewöhnlich in oft ungemein schneller Folge teils auch durchaus quälende Gedanken bzw. eher Assoziationen ganz unwillkürlicher Art durch den Sinn, Bilder, Situationen, Handlungen, deren Konsequenzen mich im Nachhinein quälen, und zwar auch und zum Teil deshalb, weil mir der Kontext, in dem sie mir heute erscheinen, vor dem Hintergrund einer gewachsenen Lebenserfahrung und Übersicht über Handlungszusammenhänge nicht verfügbar war (Es wäre falsch zu sagen, es sei mir ‚unbewusst’ gewesen. Ich konnte davon gar nichts wissen, jedenfalls soweit hier ein verfügbares Wissen Niemandem, nicht nur mir nicht, vorliegen konnte.), aber auch vor dem Hintergrund eines gewachsenen Bewusstseins dessen, was ich bin, habe sein wollen und damals faktisch war, ohne ein angemessen gereiftes Urteilsvermögen, ohne die Fähigkeit zu einer Übersicht über all das, was ich hätte tun müssen (wenn ich gekonnt hätte, was zum Teil ganz jenseits meiner Wahl stand, teils aber auch von als Erziehern verantwortlichen Menschen verhindert wurde, die mich lenkten, ohne zu wissen was sie taten und zu verantworten haben würden, während sie heute einfach tot sind, in ihren Gräbern verschwunden ohne die geringste Ahnung von dem zu haben, was sie zu verantworten hätten) um wirklich werden zu können, was mir unklar vorschwebte und mit den von den organisierten Gewalten verordneten Lebenswegen gar nicht mehr kompatibel war, ohne dass man das freilich ausgesprochen hätte, es wurde hinter der Maske des Geredes von einem ‚Fortschritt’ verborgen, die nichts anderes ist als die Maske der organisierten Gewalt, die die Menschen rücksichtslos bewirtschaftet und versklavt, und jeden zur Tode verurteilt, der sich nicht in das vorgegebene Schema einzupassen vermag. Prokustes ist der Heilige in diesem Kalender der Gewalt.
Oft verfolge ich die langen assoziativen Ketten, die die eigenartigsten Sprünge machen und dabei alle vorstellbaren Möglichkeiten der Anknüpfung nutzen, die oft zu den auf den ersten Blick absurdesten Sprüngen und Brechungen, Übergängen und Brückenbildungen führen. Aber gelegentlich löscht ein Ergebnis dieser unwillkürlichen Tätigkeit, die nur dann als ‚Suche’ betrachtet werden kann, wenn man die in den Vorgang hinein konstruierte ‚Intention’ nicht als ein bewusstes Motiv im Sinne einer Bewusstseinspsychologie auffasst, die immer zu viel will und zu wenig ‚erklären’ kann, angesichts des Eindrucks, den es hinterlässt, seine Vorgeschichte aus. Das ist ja nicht nur in diesem Fall so, sondern betrifft sogar alle so genannten Wissenschaften, soweit sie sich sei es eingestanden oder nicht auf eine Geschichte oder eine Ableitung irgend einer Art stützen müssen, und wo ist das eigentlich nicht der Fall? Deshalb weiß ich auch im Moment nicht mehr wie ich endlich bei dem Ergebnis anlangte.
Von Bedeutung war, dass es mich plötzlich aufstehen ließ, es setzte mich in Bewegung. Oft warte ich vergeblich und lange auf ein solches bewegendes Motiv und verharre in einer unaufhebbaren Handlungslähmung, wie zwischen Wachen und Traum, während mein Sinn auf der Suche ist nach – sich selbst. Die Rede vom ‚Gehirn’ oder ‚Nervensystem’ verdeckt das. Was immer die Physiologie herausfindet, unserem Bewusstsein inhäriert keine Spur von einem Gehirn oder ‚Nervensystem’. Alle Erklärungen, die sich auf diese externe Größe stützen, können nicht erklären, wie sie zu ihren Erklärungen kommen und sie werden das auch vermutlich in Zukunft nur mit Tricks und Umgehungsstrategien können, also indem einfach die Biomasse des Homo sapiens auf einen bestimmten Wissenschaftsglauben konditioniert wird.
Im Moment sieht es so aus, als trage der derzeit aus den Küchen und Laboren der Alchimisten auf die Speisekarte für das Vieh gesetzte Mythos den Namen der ‚cognitive science’, aber die Wissenschaftspolitik der akademischen Massentierhaltung hängt ihr Mäntelchen ja nach dem Wind, der in den Hallen des Imperiums mal aus dieser mal aus jener Richtung weht und mit Vorliebe Englisch oder besser Amerikanisch spricht, weil Wissenschaft, Sprache und Amerikanisch eigentlich dasselbe sind, wie man das ja auch nicht anders erwarten kann: Die Herrschende Wissenschaft, das herrschende Paradigma ist immer der Paradigma der Herrschenden, und die sitzen am Potomac und betreiben Gedankenlesen bei einem stuporösen Patienten, einem beinahe aphasischen Golem, einem praktisch bildbaren Idioten, dessen gelegentliche Gesten ein Rabbi interpretiert und übersetzt wie die das unverständliche Gestammel der Phytia einst übersetzt wurde von den Tempeldienern des Delphischen Orakels.
Was mich aus dem Bett und auf die Beine bringt, knüpft an eine Äußerlichkeit an, an die ins Zimmer fallende Sonne. Es ist ein sonniger, nicht nur ein Sonntag. ‚Plötzlich’ – In Wahrheit ist das eine ungemein lange Vermittlungskette von Assoziationen, die zugleich direkt aus dem Traum in das Wachbewusstsein führen über die Brücke eines Halbschlafs, der die Entwicklung dieser Ketten beobachtbar macht, weil ich gewissermaßen zugleich träume und wache, also die Assoziationskette von vorwiegend bildlichen Vorstellungen von komplexen Situationen, die alle auf eine mir zunächst nicht unmittelbar durchsichtige Weise mit einem in ihnen zur Darstellung Kommenden zusammen hängen dürften – fällt mir also ein ebensolcher Tag ein, an dem ich vor ungemein langer Zeit, es dürften mehr als 45 Jahre her sein, auf der Straße in Frankfurt am Main unterwegs war, ein Straßenname fällt mir ein: Kettenhofweg Nr. x, ich stehe an der belebten Straße und warte auf eine Straßenbahn, ich gehe, nachdem ich eine Lehre als Schreiner absolviert habe, ohne echtes Interesse, meine Mutter hat mich nach meinem ‚Schulversagen’ in dieser Lehre untergebracht, ich bin all dem ohne jedes Verständnis ausgeliefert gewesen und brav mitgelaufen, aber ohne etwas zu verstehen, dort auf eine Schule für Krankenhauspersonal, ‚Schwesternhelferinnen’, es sind außer mir kaum Männer in dieser Schule, ich versuche dort ein Äquivalent für die ‚Mittlere Reife’ zu erwerben.
Da ist ein Lehrer, er veranlasst uns ihm Rahmen des Unterrichts, uns mit dem ‚Leben des Galilei’ von Berthold Brecht zu befassen. Die Lektüre prägt sich mir nur wie in blendenden Fetzen, Einbrüchen in mein Bewusstsein ein, löst Staunen und Ungläubigkeit aus, über die Energie des Widerspruchs gegen alles, was sich über meinem Bewusstsein als Inbegriff des Hinzunehmenden etabliert hält. Heute wird mir klar, dass ich mir in Augenblicken der vollständigen Besetzung und Eroberung meines Bewusstseins inne werde, eines sich in blitzartigen Durchbrüchen an bestimmten Materialien und ihrer Betrachtung konfigurierenden Urteilsvermögens, und dass der gesamte weitere Bildungsvorgang, dem ich ausgesetzt bin, während ich meine, sein Subjekt zu sein, im Begriff Herr meiner selbst und einer Welt nicht nur zu werden, sondern, weil das allgemein zugesichert ist, wie ich überall hören kann und wie mir versichert wird, auch werden zu dürfen, indem ich ausdrücklich aufgefordert bin, mich als Herrn meiner Welt, der Welt fühlen zu dürfen, als mit bestimmendes Subjekt ihrer Existenz, nichts anderes zum Gegenstand hat als den Versuch, durch ein Material, das immer energischer zu verhindern versucht und sich immer bewusster und vorsätzlicher um dieses Ziel herum organisiert, die erfolgreiche Genese der gelungenen Entstehung exakt dieses Vermögens zu unterbinden und in die Irre zu führen.
Ich bin erstaunt, dem Glücksgefühl erneut zu begegnen, das mich in diesem Moment auf der sonnenbeleuchteten, mit Kopfsteinpflaster bedeckten Straße erfüllt hat angesichts dessen, was dieser schon ‚alte’ Lehrer offensichtlich in mir hat auslösen können, das mit dem Bewusstsein zusammen trifft, dass es mir gelungen war, aus der scheinbaren Endgültigkeit einer festgefahrenen Lebensaussicht entkommen zu sein aufgrund eigener Initiative, der Hinnahme von Nachteilen – ich hielt mich mit schlecht bezahlten Jobs über Wasser, als Aushilfsverkäufer im Kaufhaus HANSA, dann später als Rockmusiker – und ich bin ungemein erfreut darüber, auf einmal mit dieser Erinnerung ‚aufstehen zu können’, weil die mich ganz buchstäblich, wie etwas lange Erwartetes ‚hoch’ und ‚auf die Beine’ bringt, mich in Aktion versetzt, obwohl ich sofort von einem eigenartigen Schmerz erfasst werde, als mir bewusst wird, dass dieser alte, ungemein geduldige Mann, der mich ganz offensichtlich gern hatte und etwa für mich tun wollte, und auch wirklich tat, schon sehr lange tot sein muss. Ich begriff noch nicht, dass er lebt, und zwar in mir. Ich trauerte auf einmal nicht nur um ihn, sondern auch darum, dass ich diese Freundlichkeit gar nicht begriff, ganz einfach, weil ich nicht wissen konnte, was er an mir wahrzunehmen imstande sein musste. Er musste hinter meiner vorsichtigen Indifferenz, hinter der ich eine ganz schwache, aber verständnislose vage Neugier auszumachen imstande bin, etwas liebenswertes gefunden haben, das er zum Leben zu erwecken versuchte, so wie man vorsichtig einen winzigen Funken anbläst, damit das Werg Feuer fängt, mit dem man dann ein Herd- oder Lagerfeuer beleben kann.
Ich war traurig darüber, dass ich einen Wunsch, den er hatte, nicht zu erfüllen imstande war. Es ging darum, für ein ungewöhnliches Schraubgewinde, das an einem angebracht war, das als Halterung für ein Treppengeländer an einer Wand diente, ein passendes einzuschraubendes Teil zu finden. Ich habe den Gegenstand noch vor Augen und ich besaß ihn lange, denn ich gab ihn nicht zurück, was mir anhaltende Schuldgefühle hinterließ, denn er gehörte mir nicht und er wurde gebraucht.
Ich suchte den alten, weißhaarigen Lehrer, der sich schon etwas unbeholfen und langsam bewegte, einmal in seiner Wohnung auf, im Kettenhofweg, aber mit einem Unbehagen, dass mir aus dem Gefühl einer Nähe erwuchs, das ich als vaterloser Sohn, der zudem der Gewalttätigkeit des Bruders der Mutter ausgeliefert war und immer nur diese notorischen und etwas schmierigen, Ekel erregenden ‚Onkels’ auftauchen und verschwinden sah, mit denen seine Mutter sich auf eine eigenartige Weise abgab, wobei sie sich auf merkwürdige Weise verwandelte, eine Weise, die Ekel und Abscheu erregte und im Gegensatz zu ihrem sonstigen Verhalten stand. Es war ihre sexuelle Erregung, die mich abstieß, ebenso wie die unecht wirkenden Auftritte dieser ‚Onkel’ mir gegenüber, die ganz offensichtlich gar nicht uns, den Kindern, galten, sondern dem sexuellen Interesse an dem Körper der Mutter. Ich hatte einen heimlichen Hass auf diese Menschen entwickelt, der auch auf meine Mutter übergreifen musste, die ich sich derart ekelhaft verhalten sah. Später hatte ich einen ‚Freund’, aus Friedberg, der dann auch im Kettenhofweg wohnte. Ich konnte zunehmend weniger mit ihm anfangen und der Kontakt riss dann in den siebziger Jahren, als ich mich auf eine Weise verwandelt fand, die zu nichts und zu niemandem mehr passte, der mir aus der Zeit der sechziger Jahre oder davor noch hätte bekannt sein können.
Da war jede Kontinuität gerissen. Meine Mutter und Geschwister waren mir auf eine Weise fremd geworden, die auf alles übergriff – oder besser: Sie alle waren Teil dieser unüberbrückbaren Entfremdung geworden, die wohl eine Folge meiner wissenschaftlichen Bildung war, während mir ein Professor der Philosophie zugleich erklärte, dass das ‚Konzept der Entfremdung’ von Marx wohl auch eher zu den modernen Mythen zu rechnen sei, von denen man sich, als von der Geschichtsphilosophie zu verabschieden habe. Derart wurde ich sogar davon abgeschnitten, die Folgen dieser ‚Bildung’ verstehen zu können und tauchte in einer unbeschreiblichen Einsamkeit und Abgeschnittenheit unter, deren gewollte Insitutionalisierung als ‚Bildung’ des Soziologen einer meiner ‚Studienkollegen’, der sich besonders in der rücksichtslosen Ausübung wilder therapeutisch und psychoanalytisch bewaffneter Aktivitäten gegenüber seinem gesamten personellen Umfeld hervortat mit Folgen, die er nicht zu verantworten imstande ist, wenn er jemals imstande ist, sie als Folgen seiner eigenen Handlungen zu erkennen, zu einer Habilitationsschrift verarbeitete, die von der Universität Giessen auch angenommen wurde. Sie stellt das Bekenntnis zu einer bis dahin nicht bekannten und mit der Veröffentlichung als legitim ratifizierten Form des organisierten, und zwar ausdrücklich als ‚Bildung’ und Ausbildung ratifizierten und habilitierten Verbrechens dar, das mörderische Konsequenzen nicht nur hatte, sondern als eine Form der vorsätzlich betriebenen Gehirnwäsche auch noch die öffentliche Anerkennung einer Verbeamtung als Professor für Soziologie fand, während die Opfer dieser verantwortungslosen Experimente eines gewissenlosen schizoiden Schurken sprachlos, um den Ausdruck gebracht, der ja nur in der Form einer Sprache denkbar gewesen wäre, die das Verbrechen als ‚Bildung’ und als wünschbaren und verantwortlich gehandhabten ‚Lernprozess’ deklarierte und exekutierte, also seinen Sinn und seine Wirkung als Wohltat und nicht als Verbrechen hätte darstellen müssen.
Die daraus entstehende Verwirrung, ihr Maß, ihre Maßlosigkeit, sind nicht sprachlich darstellbar. Sie katapultieren ihr Objekt ins Nichts jenseits der Sprache. Sie töten es ganz buchstäblich und die Unwahrscheinlichkeit auch nur der Denkbarkeit einer Wiederkehr aus diesem Jenseits ist das eigentliche Wunder. Es ist eine Rückkehr aus dem Jenseits, die auch die Frage beantwortet, und zwar positiv, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, aber mehr noch belegt, dass es eine mögliche, wenn auch unwahrscheinliche Rückkehr aus dem Tod ins Leben gibt, wenn man nur zugesteht, dass die rein biologische Existenz nichts besagt über die Möglichkeit des seelischen Mordes als einer Form des organisierten und als Erziehung und Bildung institutionalisierten Verbrechens, dessen eiserne Rechtfertigung sich in einem ungemein tief gestaffelten System von neben  über  und beigeordneten Erklärungen und institutionalisierten Formen der ‚Interpretation’ und damit in einem beinahe undurchdringlichen Dickicht von institutionalisierten Formen der Entmachtung und Marginalisierung der vorsätzlich oder beiher im Prozess ihrer Zurichtung zu Nutztieren Traumatisierten verlieren, das sich mit einem enormen Aufwand von professionalisierter Anstrengung gegen die Möglichkeit absichert, dass ein erfolgreicher Widerspruch, eine Darstellung dessen, was es tatsächlich mit einem Teil der Menschen anstellt, deren ‚Voraussetzungen’ aus welchem Grund auch immer irgendwie nicht auf die institutionalisierten ‚Erfordernisse’ passen und mit diesen keine reibungslose Verzahnung ermöglichen.
Es ist hier nicht über die wissenschaftlichen Strategien der Verrechnung, der Einordnung der sprachlich enteigneten ‚Gesten’ des Widerspruchs, des Nichteinverständnisses, des Nichtbegreifenkönnens, der Hilflosigkeit, der Unterwerfung zu reden. Denn ich war dabei, eine Phantasie zu rekapitulieren, die mich auf die Beine brachte, zurück in ein Leben, das im Dickicht der gewaltsamen und vorsätzlichen, mit öffentlichem Konsens ermächtigten organisierten Marginalisierung untergegangen und ausgeschlossen war. In dieser Phantasie erkannte ich die Polarität zwischen dem jungen Mann, der glücklich war über die Aussicht einer in einen Lebensalltag eingebundenen Zukunft, die es ihm ermöglichen sollte, unter anderen Menschen, seinesgleichen, nicht über die erhoben und nicht unter das Niveau eines Tieres herabgedrückt, zu leben, in einem ganz alltäglichen Glück, das im Warten auf die Straßenbahn an einem sonnigen Wochentag, gegen Mittag, nach der Schule also und vor dem Job, im Gefüge der Stadtarchitektur Frankfurts und angesichts des vertrauten und vertrauenserweckenden Kopfsteinpflasters der sich in einem weiten Bogen in Richtung auf ‚die Zeil’ hin mittels einer großzügigen, weiten Biegung dem erwartungsvollen Blick auf die Zukunft entziehenden Straße seine Erfüllung schon gefunden zu haben schien - Da freilich war die Entwicklung von Kultur, Bildung und sozialer Verfassung Deutschlands nicht einmal im Ansatz zu erkennen - und dem alten Mann, der ich nunmehr bin, der auf diesen jungen Mann hinab sieht durch das Gefüge der Zeit und ihn erkennt, ihn zu erreichen versucht und erkennt, dass der kurze Weg über die Gleichzeitigkeit, den Augenblick gemeinsamer physischer Präsenz an einem raum zeitlichen Ort, der beide zu umschließen scheint in einer problemlos erscheinenden Gegenwärtigkeit des Bewusstseins dieser gemeinsamen Gegenwart, ein Schein ist. Es bedarf der Fähigkeit zu warten, und dann der Fähigkeit, die Früchte der Reifung nicht deshalb abzuweisen, weil zu viel Zeit vergangen ist und nun auf enttäuschende Weise anstelle des Einvernehmens der Tod des einsamen Individuums bevorsteht, das sich mit der Beschränktheit der Fähigkeit zu verstehen, mit der Erledigung des Misstrauens und der Vorbehalte - die ja ihre Berechtigung über jedes mögliche Maß des sich durch die da noch bevorstehende Erfahrung mit der Verantwortlichkeit der ‚Lehrer’ rechtfertigenden Urmißtrauens bewiesen haben - der Jugendlichkeit, der schieren Unkenntnis also, zugleich um genau das gebracht sieht, was dem nunmehrigen Verstehen des ‚alten Mannes’, das sich an die Stelle der Unkenntnis hat setzen können, einen Sinn gäbe.
Denn nun ist ja die Unterhaltung, auf deren Möglichkeit unter Gleichen dieser vergeblich warten musste, die der junge, angesprochene Mann ihm also verweigern musste, ohne eigentlich wissen zu können, worum es ging, die Unterhaltung zwischen dem jungen und dem alten Mann, dem Sohn und dem Vater, die sich im Gefüge der notdürftig kaschierten Trümmer einer zerstörten Kultur trafen, nicht mehr möglich, oder doch?
Natürlich ist sie möglich! Sie findet statt, unter den Bedingungen allerdings eines veränderten Alters des jungen Mannes, des Sohnes. Ich habe einen hoffnungsvoll in die Zukunft sehenden Sohn, der sich allein in einer Großstadt zu behaupten vermag, wenn auch unter bescheidenen Umständen. Dieser Sohn bin ich mir selbst und ich bin sein Vater, dieser alte Mann und Lehrer, der mir damals ohne dass ich es verdient gehabt hätte, zeigte, dass er mich in sein Herz geschlossen hatte, ohne dass ich es zu begreifen vermochte.
Denn was war ich denn schon, wenn nicht ein misstrauischer, etwas kleptomanisch veranlagter junger Mann ohne Bildung und nennenswerte Leistungsnachweise, der eher Prügel und Schelte verdient hatte als eine Belohnung. Ich war an diesem Tag wie an einigen anderen glücklich, weil dieser alte Lehrer es für wert hielt mich zu beachten und mich zu respektieren. Aber ich vermochte mit dem Angebot nicht umzugehen. Ich behielt den Gegenstand, eine runde Platte von etwa zehn Millimeter Dicke und einem Durchmesser von etwa neunzig Millimeter, auf der ein aus demselben Metall (einer Messinglegierung?) bestehender runder Bolzen von etwa zwanzig Millimeter Durchmesser und etwa achtzig Millimeter Länge nahtlos orthogonal aufsetzte, der an seinem freien Ende eine Bohrung von ca. zehn ´Millimeter Durchmesser aufwies, die ein ungewöhnliches Gewinde hatte, für den ein passender Schraubenbolzen fehlte, an dem man das Geländer hätte befestigen können, auf eine Weise, die mir nicht (mehr?) klar ist. Das alles ist jetzt ganz gegenstandslos. Mit Sicherheit steht nicht einmal das Gebäude mehr, in dem der Lehrer wohnte, und nichts an der ganzen Gegend wird mehr an den damaligen Zustand einer bescheidenen Wohngegend mit kleinen Häusern erinnern, die tief versteckt hinter niedrigen Holzzäunen in mit Obstbäumen bestandenen Gärten gebaut waren. Und mich überwältigt ein unsäglicher Schmerz bei dem Gedanken, diesen Mann nicht aufsuchen zu können um ihm zu sagen, dass es vielleicht seine ganz unbegreifliche Freundlichkeit war, die mich am Leben hielt selbst als ich meinen musste, dass meine Suche vergeblich, mein Leben zerstört und meine Existenz nicht nur unerträglich, sondern auch unsinnig war, nach allen denkbar anlegbaren Kriterien. Und dass ich so stumpf und misstrauisch war, so ‚blöde’, um es auf traditionelle Weise zu sagen, zu blöde, um auch nur angemessen dankbar zu sein für das Unschätzbare, das er für mich nicht einmal durch Vorsatz oder Berufsethos verpflichtet für mich einfach dadurch tat, dass er mich respektierte und über das Maß hinaus ernst nahm, das ich mit Sicherheit damals verdiente.
Wie kann ich das jemals wieder gut machen? Ich eignete mir den Gegenstand an, den er mir anvertraute und ich habe ihn nicht wieder besucht, auch mein Versprechen nicht eingelöst, die Reparatur vorzunehmen, die er mir anvertraut hatte. Er muss enttäuscht gewesen sein von mir. Ich kann mich daran erinnern, dass er meine Furcht anlässlich meines Besuchs bei ihm instinktiv verstand und auch mein Ausweichen. Aber es hatte ihm etwas daran gelegen, das ich heute verstehe, und es machte ihn traurig, dass ich nicht verstand, was er wollte, über diesen Anlass hinaus. Der sohnlose Vater (als den ich ihn im Nachhinein erinnere) und der vaterlose Sohn standen sich verlegen und mit bloßen Händen gegenüber, unfähig, sich angemessen füreinander darzustellen und wahrzunehmen. Wie ist das schade, so furchtbar schade und wozu ist man verurteilt als Mensch mit diesem Organismus? Es wird nie ein Verstehen zwischen den Generationen geben, oder kann es anders sein. Ist mein jetzt auf einmal aufgehendes Verstehen eben die Art, wie es möglich ist?
Ich weiß nicht. Etwas lässt mich unbefriedigt und verzweifelt, traurig zurück angesichts dieser Verfehlung, die ich ja nun nur als ausschließlich meine eigene zu verstehen imstande bin. Denn ich bin ja nun beides zugleich, dieser vaterlose Sohn und dieser sohnlose Vater. Und nun verstehe ich beide und auch ihr Verhältnis zueinander. Aber ich bin damit allein. Vielleicht muss das so sein. Denn das, was einen ‚auf die Beine bringt’, kann man nicht von Außen erhalten, es muss aus einem selbst kommen. Sonst ist es nur eine Belästigung.
Es ist vermutlich diese Identität der kargen Lebensumstände dieser beiden Personen, des jungen Mannes auf der sonnigen Kopfsteinpflasterstraße in Frankfurt im Jahr 1962 oder 1963, und des alten Mannes, der ich heute bin (bei bester Beweglichkeit, ich habe erst gelernt, mit Rollerscates zu laufen und kann das gut), die diese Erinnerung wecken und zugleich das Alte (meine damalige Jugend) und das Neue (mein heutiges Alter) auf eine paradoxe, von Trauer und Freude zugleich Durchzogene zu einer Synthese zu bringen vermögen, in der aufs Ganze gesehen trotz der unvermeidlichen Trauer über den Verlust (eines Freundes, um den ich nun eigentlich erst trauere, weil er es verdient angesichts der Bedeutung, die er in meinem Leben wirklich hat, ohne dass es mir klar war bisher) die Freude über den Gewinn vorherrscht, der darin besteht, dass der damals auf eine so unverhoffte und unverdiente Weise bevorzugte junge und etwas blöde Mann nun auf einmal in die Identität dieses alten Lehrers eintreten kann, der sich dem langen Spätnachmittag seines Lebens im Garten seines kleinen Hauses gegenüber sieht und sich angesichts seiner bevorstehenden Pensionierung einer letzten Möglichkeit gegenüber sieht, sich dem jungen Mann in der Erinnerung zuzuwenden, der er selbst einmal war und auf diesem Wege etwas weiter zu geben, einen Staffelstab, dessen Zauberkraft sich erst erweisen wird, wenn er lange in einer ramponierten Kiste in einem Nebengemach der Erinnerung kaum beachtet herum lag, bis er, nie weggeworfen, plötzlich erkannt wird als das, was er bedeutet.
Der alte Mann möge mir den ‚Diebstahl’ verzeihen. Es war die einzige Art, wie ich mir aneignen konnte, was er mir anbot, und ich habe es getreulich aufgehoben – ich bin fast sicher, dass der Gegenstand sich in einer meiner Kisten auf dem Dachboden in Werlte noch findet, und ich werde ihn suchen gehen – bis ich seinen rätselhaften Sinn eines sonnigen Sonntagsmorgens und angesichts meiner bevorstehenden Pensionierung zu erkennen vermochte. Kommt Zeit, kommt Rat.
Es scheint doch Reifungsvorgänge zu geben, die sich nicht durch ‚Lernen’ oder ‚Ausbildung’ oder ‚Kenntnisse’ geschweige denn durch ‚Ermächtigung’ ersetzen lassen. Da wäre die Verwendung ‚organischer Metaphern’ also nicht bloß metaphorisch, jedenfalls aber sachlich angemessen.

Samstag, 9. September 2006
Der Tag ist wie der gestrige so strahlend, ein bezaubernder Spätsommertag, er lädt zur Lebensbejahung ein, alles an ihm ist begeistert für das Leben, und sagt, dass es nie enden wird, dass es gar nicht enden kann, weil es und wenn es sich bloß bejaht. Und wieder bringt mich das plötzlich zu haltlosem Weinen, es macht mich so unglücklich über all das Furchtbare, das geschehen ist, und das sich ganz offenbar nicht begraben lassen will. Aber Deine Mama haben wir nicht von ihrem Unglück erlösen können und wir haben uns nicht von dem unseren befreien können. Dabei stünde es jederzeit zu unserer Verfügung, es zu tun, wir müssten es bloß wollen, aber wir müssten es beide, alle wollen, damit es endlich vergeht. Warum sind hier alle derart unversöhnliche Feinde. Ich kann mich nicht trösten, es will nicht vergehen, und wenn sich die Tage aneinanderreihen und ich meine zu bemerken, dass der Schmerz verblasst, seltener in Erinnerung kommt, dann ist er plötzlich, aus anderen Quellen gespeist, wieder ganz gegenwärtig und stellt sich nun in der Form der Furcht vor dem Verrat, der Gleichgültigkeit und des Leichtsinns besinnungsloser Vergesslichkeit vor Augen, als Vorwurf der Verantwortungslosigkeit und eines rücksichtslosen Egoismus, der nur an sich und seine Vergnügen denkt und sich derart alles ‚aus dem Kopf schlägt’, was dazu nicht passt, und sich obendrein dreist auf das allgemein Übliche beruft und darauf, dass das Leben eben so ist und ‚sein Recht fordert’, so als sei das Andenken an die Menschen, die man geliebt hat oder die man versuchte zu lieben, auch wenn sie es nicht zulassen wollten, oder nicht zugaben, dass sie auch liebten, nicht ein elementarer Teil des Lebens, wenn nicht überhaupt der Index von Lebendigkeit, Gegenwärtigkeit im Leben selbst und in seiner Mitte, seinem Herzen, dem Kern seines Sinnes. Den Narren soll ich mich anschließen, die ihr Gehirn an den Nächstbesten versteigern lernen vom Vorschulkindergarten an, den Gedächtnislosen, die ihr Leben als eine unzusammenhängende Serie von Momentaufnahmen aufzufassen gelernt haben, indem sie ihre Auffassungen von der menschlichen Existenz und damit auch von sich selbst der Lektüre von Computerzeitschriften und dem Internet entnehmen, ohne zu bemerken, dass sie der Psychopathologie irrer Technikergehirne und deren terminologischem Imperialismus und ihren größenwahnsinnigen Enteignungsstrategien gegenüber der Alltagssprache unterworfen werden, dessen selbstbewusste Dummheit sie einfach nachplappern, weil alle es sich gegenseitig unablässig vorplappern. In diesem automatisierten Geplapper ist niemand mehr dazu imstande auch nur eine andere Person wirklich zu erkennen, als Individuum, seine Einzigartigkeit und Einmaligkeit. Vielmehr schmilzt der Jargon alle zu standardisierten Exemplaren eines industriellen Massenprodukts ein, die eine Qualitätskontrolle in verschiedene Kategorien einteilt, lizensiert, mit Prüfplaketten versieht und auf den Markt schickt, wo sie nach ihrem Marktwert taxiert werden entsprechend den Schwankungen von Angebot und Nachfrage, wie Schweinefleisch oder ein beliebiger Rohstoff.
Die ‚sozialen’ Institutionen machen dies alles willenlos mit und übernehmen, in dem Glauben, damit ‚die Menschen’ (wieder) zu erreichen, ‚indem man sie dort abholt wo sie sind’, am Ende die Ideologien, oder besser, das Geplapper und die Terminologien dessen, wogegen sie angeblich als ‚Kompensationen’ dienen wollen, mit dem Ergebnis, dass alle Kommunikation in einem nur noch in immer neu formulierten, eigentlich nur in Form eines antizipierenden Reflexes auf einen imaginierten Standard, oder als Replik auf einen aktuellen ‚Stimulus’ untergeht, in der Aufhebung aller Information in der Informiertheit und in ihrer stereotypen Abundanz, die in einfache Redundanz übergeht, dem die sich überlegen gebende ‚Reflexion’ entspricht, die jede erwartbare Reaktion anlässlich ihrer Stereotypie mit dem Reflex beantwortet: Das kenn’ ich schon, das war schon immer so, und jede Abweichung sanktioniert als Störung, oder jeden identifizierbaren Fixpunkt präventiv eliminiert mit der daher geplapperten Stereotypie: Was ist (schon) Wahrheit?

Liebe Annegret, Sonntag, 3. September 2006

Ich bin wieder zurück in D. und einen Moment lang war es mir, als habe ich nur einen schweren Angsttraum gehabt. Das Eintauchen in die mir hier gewohnte Umgebung hat dazu beigetragen.
An meine Schwiegermutter:
Warum bist Du weggegangen? Warum durfte ich nicht an Deinem letzten Geburtstagsfest dabei sein? Warum habt ihr mich ausgesperrt wie einen Paria? Was habe ich Euch getan? Warum bist Du nicht da geblieben? Ich bin so unglücklich über Deinen Tod? Ich wollte, Du würdest immer da sein, gegenüber von uns, wenn schon nicht bei uns, und ich wünschte, Du würdest für immer gegenüber von uns wohnen. Es war so wichtig, dass Du da warst. Zu wissen, dass Du auch da bist, wenn man morgens aufstand, und zu sehen, dass Du da warst, in Deinem Garten, das war so wichtig. Es war ein Teil des Lebens von uns allen. Immer habe ich mir gewünscht, dass Du zu uns kommst, Dich an unserem Leben beteiligst, uns das Gefühl gibst, dass Du uns mit Wohlwollen betrachtest und unsere Art, die Dinge zu tun und zu versuchen uns zu erhalten auch in Deinem Namen gutheißt verstehst, was und bewegt und daran teilnimmst. Warum warst Du nie mit mir einverstanden. Ich habe Dir Holz vor Deine Tür gelegt, damit Du Deinen Kamin versorgen konntest, an dem Dir so viel lag. Ich hätte gern mehr für Dich getan, hätte gern gesehen, dass Du Dich mehr an unserem gemeinsamen Leben beteiligst, mehr bei uns bist.
Immer gingen alle Gespräche die Kreuz und die quer in die Irre. Es gab kein Durchkommen. Nirgendwo gab es diese Lichtung, auf die man wartet, um sich einmal gemeinsam setzen zu können um auszuruhen. Alles aneinander missverstanden wir.
Ich kann diese Unerlösbarkeit, die in Deiner Familie grassiert nicht mehr ertragen. Es bringt mich um. Ich bin so unglücklich. Ich würde mich am liebsten in Luft auflösen. Verschwinden, für immer, auch aus meiner eigenen Erinnerung.
Rechtzeitig wurde der furchtbare Virus des Hasses auf meine Tochter Rebecca übertragen, damit es so weiter gehen kann wie bisher. Und man muss es bewundern, wie resistent er ist gegen den Tod, wie immun er ist und mit welcher Leichtigkeit er überspringt von einem besinnungslosen Träger auf den anderen. Gerade hat er sich offenbar dazu entschließen können, den Rest der noch bestehenden freundlichen Verhältnisse zu zerstören, der noch nicht von seiner nagenden, alle Konzentration zerstörenden Wut befallen war. Er ist der wahre Herrscher in dieser Familie von Verfluchten und Verdammten, meine Töchter sind Prinzessinnen seiner Dynastie geworden, und er wird alles zerstören, was noch vorhanden ist an Zuneigung, alles, ohne auch nur das Geringste übrig zu lassen. Die Pest hat uns befallen, wir sind verloren. Und immer wenn jemand stirbt, wechselt der Virus einfach den Wirt.
Ich gebe auf. Ich will keinen von Euch mehr wieder sehen so lange ich lebe, wenn dieser Virus nicht jetzt erledigt wird ein für allemal. Und der Fluch, den er bedeutet, wird Euch vernichten. Ich kann nichts mehr daran ändern. Ich möchte nicht an dieser Infektion sterben müssen, es ist zu schmerzhaft.
Ich halte nicht mehr aus, was ihr mit mir macht und ich kann es nicht mehr ertragen.
Wenn Ihr Euch nicht entschließen könnt mich zu lieben, ohne Zweideutigkeiten, dann bin ich nicht mehr mit von der Partie. Ich scheide dann aus. Sucht Euch andere Opfer. Und wenn Euch nichts einfällt, dann seid ihr entweder einfach dumm oder dreist. Ich will jetzt einfach Frieden, so oder so. Was gehen mich denn Menschen noch an, die mich nie wirklich wollten und nie mit mir einverstanden waren? Ich bin schon so lange nicht mehr bei Euch zu Hause, ich bin längst hier zu Hause, was gehen mich noch Menschen an, die nie mit mir einverstanden waren? Warum soll ich mich noch beteiligt fühlen an dem Schicksal von Menschen, die mich nie mochten, und die mir sogar meine Kinder entfremden, fahrlässig, hinterhältig oder vorsätzlich, wer soll sich da auskennen? Und wer will das entscheiden?
Als ich wieder in meinem Zimmer saß, sagte eine Stimme zu mir, laut und vernehmlich: „Maria G. ist gestorben“. Ein furchtbarer Schmerz durchzuckte mich, dehnte sich ins Ungemessene, erfüllte und durchdrang mich vollständig und ich meinte zu vergehen, da es keine Flucht vor dieser Stimme gab, und vor der unabänderlichen Wahrheit dessen, was sie gesagt hatte.
Ich wurde unsagbar traurig und wusste nicht was ich tun könnte oder wohin ich mich wenden sollte. Ich brach in Tränen aus und weinte bitterlich. Ich war nicht imstande einen klaren Gedanken zu fassen oder mich zu beruhigen. Manchmal brach einfach alles plötzlich ab. Dann war ich wie ernüchtert und verstand nicht mehr recht, was mich gerade noch so krampfhaft weinen machte. Denn überwältigte mich eine neue Welle des heranrasenden Schmerzes. Ich fürchtete mich davor, mich in mein Bett zu legen und mich zum Schlaf nieder zu legen. Ich meinte, der Tod müsste mich holen oder ein wildes Tier würde mich im Schlaf zerreißen. Ich wusste nicht aus noch ein. Ich weinte erneut, ich schrie vor Schmerz.
Ich gebe immer anderen Leuten gute Ratschläge. Was bin ich doch für ein Idiot. Immer lasse ich mich von Situationen dazu verleiten, etwas zu tun, was ich dann für ganz unsinnig halte, wenn ich es im Nachhinein bedenke. Ich brächte Trost und rede dann plattes Zeugs daher, Geplapper, gebildetes dazu, ein Blödsinn, ein Blödsinn, nichts als Blödsinn, ach was bin ich für ein Idiot, ein Idiot, ein Idiot….nichts als ein blöder Clown, der die Schminke nicht vom Gesicht bekommt und deshalb immer eine lächerliche Grimasse zu schneiden scheint, die seine Umwelt dann für sein wahres Gesicht hält, für bare Münze nimmt. Nichts, was wir tun hat Sinn, alle diese Veranstaltungen sind nichts als Luftbewegungen, ohne Bedeutung, Bestand oder Zusammenhang.
Ich bin so unglücklich, ich bin so unglücklich, so furchtbar unglücklich und traurig. Ich bin so traurig, so traurig,…so traurig.

Liebe Rahel, liebe Leah, Donnerstag, 7. September 2006

1. Vorbemerkung:
I
ch schreibe einen textgleichen Brief an euch beide. Irgendwie hat sich das so ergeben. Zuerst formte sich das als Brief an Dich, Leah, weil ich zunächst aus der Bearbeitung der Filmaufnahmen unsere Beschäftigung mit der Gitarre vor Augen hatte, aber dann setzten sich mehr und mehr auch Gedanken durch, die sich auch aus dem, was ich von Dir mitnehmen konnte, Rahel ergaben und sich auch auf die Vorstellungen bezogen, die Du mir vermittelt hast im Verlauf unserer Gespräche bei meinem Aufenthalt in W. während der Tage, als Eure Großmutter im Sterben lag, nach einem langen Leben, seit 1920 ist beinahe eine Ewigkeit vergangen und sie hätte ja auch meine Mutter sein können, ihrem Alter entsprechend. Ich gestehe, dass ich wenig Rücksicht nehme auf didaktische oder vermeintliche Probleme der ‚Verständlichkeit’, indem ich alles einfach so aufschreibe in möglichst einem Zug, was mir durch den Kopf geht, im Vertrauen darauf, dass das, was jetzt eventuell wenig zugänglich wirken mag, sich später erschließt.
Ich wünschte mir, dass meine Großeltern mir solche Briefe hinterlassen hätten, die ich jetzt noch einmal lesen könnte. Sie sind Anfang der sechziger Jahre gestorben, im Jahr 1961, und besonders meine Großmutter hat gelegentlich Andeutungen gemacht darüber, wie wenig sie einverstanden gewesen ist mit der von ihr offenbar als anstößig erlebten Lebensführung meiner Mutter. Damals habe ich mich in einer Mischung aus Trotz und Angst stets spontan zur blinden Verteidigung meiner Mutter entschlossen. Das brachte meine Großmutter dann jedes Mal auf und sie erklärte mir, ich sei noch nicht alt genug, um das alles zu verstehen. Sie hätte mich ernster nehmen können. Ich wusste längst, dass ich allein war und war insoweit jedenfalls erwachsen. Ich erwartete ja auch nichts von ihr. Aber die Anstößigkeiten gingen ihr nicht über die Lippen, weil das ihrer Meinung nach nichts für Kinder war.
Alles andere war aber für Kinder, jede Brutalität, jede Vernachlässigung, jede Entwürdigung, jede Misshandlung und jede Missachtung auch der Pflichten von Großeltern oder Eltern. Alles, was diese kollektiven Mörderbanden sonst für richtig hielten, war in Ordnung, nur die kleinen Verstöße gegen die Benimmregeln nahmen sie – an Kindern – ungemein ernst. Da begegnete ich zuerst dem Absoluten, aber nicht als Inbegriff der philosophischen Idee, sondern als der Legitimation des Terrors. Ich hatte niemanden, an den ich mich sonst hätte halten können, auch nicht meine Großeltern, die sich schließlich dazu entschlossen, meine jüngere Schwester Barbara zu sich zu nehmen, weil meine Mutter ständig abwesend war, aber eben nicht mich. Ich blieb als ‚Schlüsselkind’, wie man das dann nannte, einfach in der leeren Wohnung zurück und war mir selbst überlassen, ohne jede weitere Anleitung. Entsprechend vertrieb ich mir die Zeit. Das Schlimmste (außer das, was man über Straßenkinder ohne Eltern und Wohnung oder Verwandte liest) war also mein ganz gewöhnlicher alltäglicher Existenzmodus. Die Verlassenheit waren zusammen mit der Einsamkeit und der Verwahrlosung meine einzigen verlässlichen Partner, von denen mehr oder weniger sicher war, dass sie mir auf jeden Fall treu bleiben würden. Schriftlich haben sie sich nie geäußert und dann starb meine Großmutter plötzlich und unerwartet. Zuvor hatte sie mich stets auf später, wenn Du groß bist, vertröstet. Ich habe also nie erfahren, was ich dann erfahren sollte, konnte es mir dann aber ungefähr zusammenreimen und auch, dass sie vermutlich gegen meine Mutter recht hatte, zumal als ich den Zusammenhang zu begreifen begann, im Rahmen meines Studiums, der sich ergab zwischen der Lebensführung meiner Mutter und den Folgen, die das jedenfalls auch für mich hatte. Aber ich begann dann auch den Zusammenhang zu verstehen, den dies alles wiederum mit der Lebensführung meiner Großeltern und mit den Ereignissen bildete, die das Leben in der Kultur, in der ich aufzuwachsen verflucht war, zerrüttet hatten und, wie sich dann herausstellen sollte, weiter zerrüttet haben und weiter zerrütten werden, unter dem Namen auch des Fortschritts, der Aufklärung, der Revolution, der Befreiung, der Veränderung, der Evolution und endlich der Reform, die letzte Keule vorerst, die mich und meinen Lebenszusammenhang getroffen und zerstört haben.
Das ist eine lange Geschichte, die ich hier nicht zu Ende erzählen kann, aber ich kann etwas tun, was meine Großeltern deshalb nicht wirklich taten, weil sie mehr zu verbergen hatten als sie sich zu sagen getrauen konnten, auch weil sie wohl immer auf der Hut sein mussten, sich nicht zu verplappern. Das Schweigen hat sie am Ende denunziert als hinterhältige Betrüger. Das muss man aber richtig sehen: Mein Großvater war promovierter Jurist und Rechtsanwalt und Notar und freier Praxis zunächst im Kaiserreich, dann in der Weimarer Republik, dann im Dritten Reich, dann in der BRD.
Es genügt ein flüchtiger Blick um zu erkennen, dass mit den wechselnden politischen Verhältnissen jedes Mal auch ein anderes historisches und soziologisches, dann auch das dazu jeweils passende psychologische Erklärungsschema oder wissenschaftliche Paradigma eingeführt wurde, von den Rechtsverhältnissen und den politischen Zensuren ganz zu schweigen, und wenn man das weiß, dann weiß man auch, dass es aus grundsätzlichen Erwägungen heraus undenkbar ist, dass ein Mensch, der zudem mit dem Bildungsbegriff der Zeit vor dem Kaiserreich seit 1848 aufgewachsen ist und in dessen Kontext erzogen wurde, imstande sein könnte, durch diesen schnellen Wechsel nicht nur der materiellen Lebensverhältnisse der sich entwickelnden Industriegesellschaft, sondern auch durch den Wechsel der jeweils zu Politik und Gesellschaft passend mit ausgetauschten Erklärungsparadigmen der Welt hindurch als mit sich selbst identisches und als dieses einer einheitlich identifizierbaren Welt gegenüber stehendes Individuum die Aufgabe der Darstellung der Einheit seiner selbst und seiner Welt erfolgreich lösen könnte.
Das ist inzwischen nicht besser, sondern aufs Grässlichste schlimmer geworden und die Menschen sind dem Opportunismus einer veröffentlichten Meinung und des von ihr ausgeübten Terrors erbarmungslos ausgeliefert und müssen sich alle Augenblicke einem rein opportunistischen Austausch der jeweils herrschenden Erklärung der Welt und der sozialen Verhältnisse überlassen, der ihnen unablässig die möglichen Fixpunkte entzieht und wegnimmt, von denen aus sie die Koordinaten ihrer Positionierung wenn auch vorläufig vornehmen könnten. Die Probleme der Relativitätstheorie, die sich aus deren Wahl der prinzipiell gegeneinander bewegt vorgestellten Bezugssysteme ergeben, sind von großartiger Primitivität gegenüber denen, denen sich Individuen gegenüber sehen, und deshalb sind diese Vorstellungen der Physik ja auch grundsätzlich sozialwissenschaftlich unbrauchbar. Da wäre es rationaler, die Bibel zu Rate zu ziehen, und auch faktisch aufschlussreicher in Bezug auf die darin enthaltenen Feststellungen über die condicio humana, die von überraschender Modernität sein können.
Da diese ganzen verantwortungslosen und im Grund kriminellen Machenschaften, an denen sich auch die durchweg zu Gegenständen in der Verfügung der sie bezahlenden Politik (der Kultusminister) verkommenen Sozialwissenschaften aktiv und voll freudiger Pflichterfüllungsbereitschaft (gegenüber der Verwaltungsbürokratie, nicht gegenüber dem, was Wissenschaft der Sache nach ist und bleibt, unabhängig von der Aneignung des Namens durch eine globale Bürokratie) auch den durchaus intendierten Sinn haben, die Kontinuität der Kommunikation in der Generationenkette zu zerreißen und stattdessen den Zwang zur Umleitung der nachwachsenden Generationen über die organisierten Lernprozesse zu setzen, mit denen die die Willkür, die sich hinter den Ausbildungszwecken und hinter dem Vorwand der Überprüfbarkeit und der Garantie der Qualifikation verbirgt, die Zwangsklienten überzieht, um die für ihre Zwecke restlos in einen kalkulierten Gegensatz zueinander zu bringen, der ihre Verfügbarkeit und ihre Nutzbarkeit erst garantieren kann, ist es meine Sache, gegen diese Machenschaften ein paar Vorkehrungen zu treffen, indem ich auf der Höhe dieser Strategien meinerseits mir selbst überlege, wie ich als verantwortlicher Erwachsener diesen Kalkulationen etwas entgegen setze, das sie neutralisiert oder jedenfalls ein Licht auf sie werfen kann, das nicht selbst der Erleuchtung eines Bürokratengehirns oder eines akademischen Unteroffiziers entstammt, sondern meiner Verfügung und dem autonomen Gebrauch meiner eigenen Urteile entlang einer Kenntnis der Grundlagen dieses Urteils, das sich um seine Genehmigung durch Schwachsinnige nicht zu bemühen hat.
Da würde das Mündel Vormund sein wollen. Deshalb also tue ich, was meine Großeltern nicht taten, weil sie wohl gewusst haben mögen, dass sie dem gereiften Urteil des zur Lektüre und deren Analyse fähigen Verstandes des Adressaten vielleicht nicht Stand halten mochten. Trotzdem tut es mir leid. Auch angesichts ihrer Fehlurteile hätte ich doch u. U. viel genauer gewusst, wer sie waren und woher sie kamen. Auch an Annegrets Eltern habe ich diese verzweifelte Geheimhaltung beobachten können, die sie unfähig gemacht hat dazu, ihre Kinder dazu anzuleiten, die Urteilsfähigkeit und das materiale Vermögen dazu zu erlangen. Damit haben sie aber ihrerseits nur fortgesetzt, was schon ihre Eltern mit ihren Kindern getrieben haben, gerade heraus gesagt, im wörtlichen Sinne Kindesmissbrauch, denn Kinder haben nicht ihren Eltern aus Unkenntnis untertan und abhängig von ihnen zu bleiben, zumal in einer sich derart schnell ändernden Welt, in der streng genommen immer noch die Gewohnheit vorherrscht, Kindern mit den Methoden von vorgestern in dem Wissen von gestern heute derart zu ‚unterrichten’, dass sie morgen, wenn die für diese Machenschaften Verantwortlichen längst in ihren Gräbern liegen, die Folgen dieses Tuns abbüßen müssen, auf ihre eigenen Kosten und ohne dass die Verbrecher, die das zu verantworten hätten, dafür zur Rechenschaft gezogen werden könnten, denn sie sind tot. Sie waren dann aber die Eltern, die sich derart gegen ihre eigenen Nachkommen, ja gegen den Sinn dessen gekehrt haben, der darin investiert sein sollte, dass sie eine Familie gegründet und sich fortgepflanzt haben. Und es gibt wohl kaum etwas Dümmeres als diese gegen ihren eigenen Sinn gekehrten Formen der Realisierung dessen, was ihn vernichtet. Dieser Brief, wie andere auch, die ich schreibe, ist also auch unter dem Gesichtspunkt der Zeit und eures späteren, entwickelteren intellektuellen Vermögens geschrieben, und im Hinblick darauf, dass er den Willen und die Absicht, dem dann ergehenden Urteil von Euch standzuhalten. Sollte das alles ganz falsch sein, dass wisst ihr später wenigstens genauer als ich das von meinen Vorfahren weiß, in welcher wirklichen intellektuellen und seelischen Verfassung sie waren, wenn man sie vom Standpunkt eines lebenserfahrenen Erwachsenen betrachten kann, eine Betrachtung, der sie sich entzogen, etwas, das ich nicht für weise zu halten vermag, wenn Weisheit nicht diese Technik des Rückzugs in eine nicht aufzubrechende Wortkargheit sein soll, also eigentlich eine Form betrügerischer und kalkulierter Hinterlist, die sich in der Maske des alternden Leibes versteckt und unangreifbar zu machen versucht, weil man eine alte Person eben nicht herumschubst.
Ich erinnere mich noch an mein Entsetzen über mich selbst, als ich die Massenmörder leibhaftig sah, auf die man mich zuvor mental gehetzt hatte, und dass es zu der Zeit als ich ihrer ansichtig wurde, hilflose Greise waren, denen ich instinktiv eher zur Seite springen wollte, und die anzugreifen ich mich niemals hätte entschließen könnten.
Dies aber sind Formulierungen auf der Höhe einer intellektuellen und seelischen Potenz, voller Energie und Herausforderung für einen jungen Verstand. Insofern sind sie würdige Gegner, auch wenn ‚ich’ gar nicht mehr in diesem oder irgendeinem Zustand bin, weil in einem Zustand sein leben heißt, während sie frisch sind und voll mit der Kraft, die mir jetzt endlich vollständig zur Verfügung zu stehen beginnt und mit der ich noch eine ganze Weile operationsfähig bleiben werde auf dem Schlachtfeld, auf dem wir gemeinsam siegen wollten sollten, im Interesse der Generationenkette, in der wir stehen, jeder aus seiner Linie kommend mit einer anderen verschmelzend und sie derart ‚doppelt gewendelt’ fortsetzend. In diesem Sinne lasst uns uns einreihen in diesen majestätischen und langen, wenn nicht ewigen Tanz und darin unsere Aufgabe erfüllen. Ich stelle mir jedenfalls vor, dass die Lektüre dieser Briefe auch später noch zu Euch spricht und etwas besagt, auch wenn das nur noch ein Anlass sein sollte zu entschlossenem Widerspruch oder zur Konturierung des klaren Umrisses einer als gerechtfertigt empfundenen Abweichung oder Richtungsänderung. Man muss sich in diesem Kontext dann noch einmal um die Bedingungen der Integrierbarkeit kümmern, mathematisch betrachtet und daraus dann mögliche Folgen und Grenzen ableiten und betrachten.
2. Heute Nacht habe ich lange den Vollmond betrachtet. Dabei habe ich an Oma gedacht und daran, dass sie ihn nun nie mehr wird sehen können. Immer wieder fällt sie mir ganz plötzlich ein, besonders wenn ich mich nicht mehr ganz fest auf etwas konzentriere. Mir fällt auf, dass ich den ganzen Sommer über wie besessen gelesen habe, bis zur Erschöpfung. Bei Tage war ich oft unerklärlich müde und nachts konnte ich nicht schlafen. Ich konnte kaum etwas essen und hatte ständig trotzdem Durchfall. Obwohl ihr euch den ganzen Sommer über nicht gemeldet habt und ich auch zu Omas sechsundachtzigsten Geburtstag gar nicht eingeladen worden war, war mir doch wohl irgendwie klar aus dem Wenigen, das ich wusste, dass sie zunehmend schneller schwächer wurde. Ich habe ein ganz fest in meiner Vorstellung eingebranntes Bild vor Augen, das sie zeigt, wie sie morgens am Arm von Annegret und auf ihren Stock gestützt in die Küche kam, wo ich mir, an dem Eisentisch stehend, gerade einen Kaffee machte. Sie war wie immer schön gekämmt und gut gekleidet, und stand mit einer Hand nachdrücklich auf den Stock gestützt ganz gerade, nicht ein bisschen gebeugt und sah mich ein wenig ängstlich, als fürchtete sie sich vor meinem Urteil, aber ganz gerade an. Ich wollte nicht, dass sie in meinem Blick die Angst erkennt, die ich um sie hatte, weil mir klar wurde, dass ihre Zeit jetzt erkennbar begrenzt war. Trotzdem war ich da noch zuversichtlich, dass sie das Jahresende noch mit uns erleben würde. Wie schade, dass das nun nicht so ist. Ständig gehen mir die Weihnachtslieder durch den Kopf, die sie mit ihrer brüchiger werdenden Stimme mit uns mitsang, und ich kann mich erinnern, dass es mir während der letzten Weihnachtsfeier auf einmal leicht fiel, unseren etwas unsicheren Gesang mit etwas mehr Entschlossenheit zugunsten der Lieder, die mir auf einmal wieder viel besser gefielen, auf der Gitarre zu begleiten.
Aus einmal verstehe ich, was ihre Biographie mit diesen Liedern verbunden hat und auch mich erinnern sie an so viel Unbefangenheit und Vertrauen, wie ich es dann zunehmend nicht mehr aufbrachte, je länger ich in die Verwicklungen meines eigenen Lebens geriet. Es ist so schade, dass sie in gewisser Weise auch zu leiden hatte unter dieser mir abhanden gekommenen Unfähigkeit, das Vertrauen in die Kultur der Erwachsenenwelt aufrecht zu erhalten, das ich in meiner Kinderzeit immerhin noch nicht ganz verloren hatte oder wieder zu finden gemeint hatte im schwachen Glanz dieser Lieder. Insofern ist es schon richtig, dass die einen anderen, besseren Schwiegersohn verdient gehabt hätte, als ich es unter diesen entsetzlichen Umständen je hätte sein können, wenn es überhaupt eine Ehe gegeben hätte in der Generation ihrer weiblichen Kinder.
Denn Faktum ist ja, dass dergleichen gar nicht existiert. Aber wäre es nicht Annegrets Sache gewesen mich über diese Wünsche aufzuklären, damit ich eine Gelegenheit gehabt hätte zugunsten besser geeigneter Kandidaten zurück zu treten. Es macht mich sehr unglücklich zu wissen und damit zu hinterbleiben, dass sie auch meinetwegen unglücklich sein musste und dass ich mit dafür verantwortlich bin, dass sie diesen langen Rückzug antrat aus unserem gemeinsamen Leben, so dass ihr womöglich auch keine richtige Großmutter an ihr gehabt habt. Ich weiß nicht mehr als dass ich das alles betrauere und beweine, als ihr Unglück, als meines, und auch als Eueres. Es tut mir so leid, wirklich, und es ist so schade, dass das alles so ausgehen musste. Und jetzt sind wir allein und müssen zurechtkommen. Ich kann mich nicht dazu entschließen zu sagen: „So ist das eben“, und dazu mit dem Kopf zu nicken. Ich bin todunglücklich darüber, auch für die arme alte Frau, die doch auch einmal eine junge schöne Frau war und sicher liebenswerte Seiten hatte, jedenfalls aber voller enttäuschter Hoffnungen war und deshalb auch misstrauisch und bitter.
Dabei erkenne ich je älter ich selbst werde jetzt umso besser, hinter welchen Masken sich besonders die älteren Menschen verbergen, ihre Angst vor der Einsamkeit des Alters, die ich an ihr so deutlich empfand. Sie war wie ein unerlöstes Schneewittchen, gefangen in einem alternden Körper und vergittert mit den Masken der verborgenen Enttäuschungen, hinter denen ihre noch erhaltene Lebendigkeit ihr dennoch unablässig die weiterlebenden Sehnsüchte auf einer Bühne aufführten, die sie nicht zu betreten vermochte, indem sie sie zur Sprache brachte. Ihre Selbstzensur verbot ihr das wohl. So verletzend das alles für mich war, es ist doch auch gut verständlich und ich kann es ihr nicht einmal übel nehmen. Ich war aber auch ebenso enttäuscht und unfähig, meine Gelassenheit aufrecht zu erhalten. So trennte uns eine stets noch wachsende Distanz und am Ende war ich nicht einmal mehr imstande, sie noch anzusprechen, aus Furcht davor, dass sie mich kränken würde, während sie sich – nach Auskunft Annegrets – davor fürchtete mit mir zusammenzustoßen. Als sie einmal laut weinend und mit sich selbst hadernd und ihre Furcht vor dem Betrogen  und Verlassenwerden laut herausweinend im Gastraum umherging, auf ihren Stock gestützt, ging ich nach ihr sehen, aber als sie mich sah, brachte sie nur etwas heraus, dem ich entnehmen konnte, dass sei meinte ich wollte mich über sie lustig machen oder ich betrachtete dies alles mit dem bösen Blick, und so meinte ich nichts anderes tun zu können als ‚das Problem’ an Anne weiterzugeben, aber es hinterließ doch ein Gefühl einer versäumten Möglichkeit. Auch in ihren letzten Lebenstagen traute ich mir nicht zu, sie auf eigene Faust einmal aufzusuchen, bis zu dem Vorabend ihres Todes, aber auch das brachte mir wieder nichts ein als einen Verweis von Annegret für ein offenbar falsches und eigenmächtiges, jedenfalls unerwünschtes Verhalten. Im Dickicht dieser durcheinander gehenden reflexartigen und ineinander verschränkten Zwangshandlungen gab es nie ein Durchkommen, jedenfalls für mich nicht.
Ich bin in diesem System nicht als eigenständige Person vorgesehen und alles, was ich von mir aus für angemessen und natürlich halte, also für zwanglos machbar, kann darin nur als Störung verzeichnet werden. Es war eine furchtbare Gefangenschaft und auch aus ihr auf diese Distanz entkommen zu sein macht mich nicht froh, denn es ist gleichbedeutend mit dem Eingeständnis des endgültigen Scheiterns des einzigen Projekts meines Lebens, an dem ich wirklich ein vitales Interesse nahm und an dem der Sinn meiner Existenz festgemacht war. Derart betrachte ich die Trümmer dieses Sinnes also nun nur scheinbar aus der Ferne. In Wahrheit betrachte ich dabei immer – mich selbst, an dem Ort, an dem ich mich befinde. Und von dem kann ich nicht abreisen. Er fährt einfach immer mit. Dies alles beginnt sich erst zu formen und es wird in den nächsten Tagen wohl noch mehr dazu kommen, das ich Euch mitteilen kann.
3. Ich habe zunächst Sarah eine DVD geschickt, auf der alles zu sehen ist, was wir zusammen aufgenommen haben. Ich habe etwas Musik ‚darunter gelegt’. Vielleicht kann es ein Hinweis sein darauf, wie ich mich gefühlt habe während meines jüngsten Aufenthalts bei euch.
Über den Tod Deiner Großmutter habe ich mich noch nicht trösten können. Tatsächlich muss ich manchmal ganz plötzlich und ohne es vorherzusehen weinen und beklage dann ihren Tod. Es schmerzt mich wirklich sehr. Ich wundere mich selbst ein wenig darüber, denn natürlich steht mir vor Augen, dass sie eigentlich nie wirklich mit mir einverstanden gewesen ist, aber obwohl sie das genau genommen Annegret hätte übel nehmen müssen und nicht mir – ich konnte schließlich nicht wissen, dass ‚Nicht Hiesige’ bei ihr keine Chance auf Anerkennung finden würden – musste mich das treffen und es hat mich auch solange ich mit Annegret zusammen bin sehr geschmerzt, und es hört auch nicht auf zu schmerzen, dass ich ihren Ansprüchen oder Wünschen nicht genügen konnte. Anne hat mich auch nicht – wie es ihre Pflicht gewesen wäre – darüber angemessen informiert, wie ich von ihren Eltern aufgenommen werden würde, und es ist ja oft davon geredet worden, woran das liegen kann, woher diese Unempfindlichkeit für diese Nuancen kommt, die so wichtig sind für das Verstehen von Sprache und die Möglichkeit jeder Verständigung, und es ist offensichtlich, dass ein Einvernehmen über die Gegebenheiten so wenig in Aussicht steht wie eines über deren Voraussetzungen und Grundlagen. Das hat aber andere Ursachen als lediglich ein Unterschied in der ‚sprachlichen Gewandtheit’ zwischen Deiner Mama und mir. Die ‚sprachliche Gewandtheit’ ist nämlich vom Begriff des Wissens nicht zu trennen und unterstellt sowohl eine falsche Sprachtheorie, die die Sprache gewissermaßen aus Einträgen im Duden bestehen lässt, die man bloß lernen muss, damit sie einem dann bei passender Gelegenheit einfallen, damit man die Oberhand behält in einer Auseinandersetzung. Das unterstellt also, dass Sprache und Wissen gar nicht zusammenhängen, und dass sich das Erlernen von Vokabeln – wie bei einer Fremdsprache, wo man das notwendig zunächst so machen muss – ganz ohne Rücksicht auf das Wissen behandeln lässt, das in die Sprachverwendung eingeht, so dass sich z. B. mit der Veränderung dessen, was man weiß, die Sprachverwendung gar nicht ändert.
Derartige implizite Theorien sind falsch und eine Irreführung, deren Kosten denen aufgebürdet werden, denen das als letzte Auskunft über ihr eigenes Verhältnis zu Sprache und Wissen beigebracht wird, und die das brav lernen, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt als denen, die sie derart belehren zu vertrauen. Die Chancen, dass das dann später einmal korrigiert werden kann, sind dann oft nicht gut.
Ich jedenfalls sehe unsere Verhältnisse, die Du ja auch inzwischen aus eigener Anschauung wenigstens aus dem Miterleben kennst – das ja zum Verstehen einen gewissen Abstand hat, der erst durch eine intellektuelle Anstrengung überbrückt werden muss, die für überflüssig zu halten eine Täuschung ist, die ihrerseits Gründe hat, die man benennen kann, und von denen der harmloseste die Unkenntnis ist, was ja wiederum auf die ‚Ansichten’ zurückführt, die jemand sich über die Natur der Sprache zurecht gelegt hat – unter dem Gesichtspunkt meiner unveränderten Erwartung, glücklich verheiratet zu sein, und nicht mit dem unsäglichen Elend illegaler und im Kern destruktiver Familienverhältnisse konfrontiert zu sein, die sozialen Mustern entsprechen, die untermenschlich und die in verschiedener Hinsicht sogar untertierisch sind, weil nicht einmal ein Instinkt sie noch ausreichend kontrolliert, an dessen Stelle ja das so genannte Bewusstsein getreten ist, so wie es sich eben darstellt, wenn die Instinkte nicht mehr begrenzend eintreten können, weil sie dieser Tiergattung fehlen, der wir angehören, so dass an ihre Stelle eben die Kultur tritt oder die Verwahrlosung. Da kann man sich denn gleich wieder fragen, warum mir nun diese Vokabeln einfallen und nicht einfach andere, wo doch meine Sprachgewandtheit das ermöglichen müsste, an dieser Stelle einfach auch etwas anderes zu sagen.
Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, dass diese Sachverhalte sich nur mit Beziehung auf den Begriff des Wissens klären lassen und nicht mit den kaum erträglichen Vereinfachungen einer ‚Sprachtheorie’, die sich unmittelbar aus einer unkontrollierten Triebhaftigkeit ableiten lässt, und keine ernstzunehmende Rechtfertigung findet oberhalb einer Nutzung des Sprechens für deren jeweils situativen Derivate. Es kann kein Zweifel daran sein, dass diese Sprachverwendung unter jeder denkbaren kulturellen Form steht, und buchstäblich nichts mit ihr zu tun hat. Da das im Weiteren unvermeidlich eine Rolle spielen wird, ist es von Bedeutung, das zunächst zu verstehen und vor allem im Auge zu behalten, damit wir nicht auf dem Niveau der Wahllosigkeiten hängen blieben, die sich anschicken, sich akademische Repräsentanzen zu erobern, und dabei unterstützt werden von organisierten Interessen, die die Effekte der aus der Desorientierung resultierenden Vorteile zu nutzen, damit also durch die Flucht nach Oben im sozialen Gefüge auf eine gewisse Weise ‚Unsichtbarkeit’ durch Selbstverständlichkeit oder durch ihre Nobilitierung zu Wissensformen anstreben, so dass man sich am Ende sogar dazu ausbilden lassen kann, auf diesem Niveau zu existieren. Freilich wird man von der Gefährlichkeit dieser Verkennungen in der Gestalt der ‚Wissensähnlichkeit’ nur dann eine angemessene Vorstellung erhalten, wenn man sich über sie erhebt und sich nicht täuschen lässt.
Das mag nun treffen, wen oder was es will, es ist unbedingt notwendig es zu dokumentieren, damit es ggf. noch einmal durchgearbeitet werden kann, und wenigstens ich mich nicht eines Versäumnisses schuldig mache, das unverzeihlich ist, wenn man sich als Mensch betrachtet, und nicht einfach als so daher vegetierendes Gattungsexemplar der Tiergattung Homo sapiens, ein Allesfresser und eine Raubtierart, die im Begriff ist, die Welt zu zerstören, in der Menschen noch leben könnten.
Ich sagte, dass ich unsere Verhältnisse und ihre Folgen unbeirrbar unter dem Gesichtspunkt eines kulturell definierten Anspruchs sehe, glücklich verheiratet zu sein, anders gesagt, in Verhältnissen zu leben, in der beide Erwachsenen ‚Menschen’ sind, etwas, womit man nicht geboren wird, sondern wozu man werden kann, wenn man die Erziehung glücklich überstanden und in seinem Sinne, also im menschlichen Sinne hinter sich hat, als Voraussetzung seiner Gegenwart. Ich habe das als Mensch verdient, und niemand redet mir das aus. Und wer dazu beiträgt das zu vereiteln beteiligt sich zum Mindesten an einem Verbrechen, das an mir ebenso begangen wird, wie man eines begeht, wenn man Kindesmissbrauch betreibt.
Der spielt sich ja gewöhnlich in denselben Verhältnissen hinter verschlossenen Türen ab und es gibt immer eine Verschwörung des Schweigens oder aber eine Zusammenrottung in einem eigens zur Leugnung aufgebauten Lügengebäude gegen die missbrauchte Person, die den Angriff auf ihre Identität und Integrität fortsetzt und rechtfertigt. Aber zur Realisierung menschenwürdiger Verhältnisse unter Menschen benötigt man aber zunächst wenigstens einen Partner, der das ebenfalls ist. Was immer das Zusammenleben mit einem anderen Tier unter einem Dach attraktiv machen mag, es ist dem Zusammenleben von zwei Menschen als Voraussetzung dafür, dass sie weitere Menschen hervorbringen in keiner Weise zu vergleichen.
Es handelt sich tatsächlich um einen grundsätzlichen Unterschied, eigentlich um den Gegensatz des Richtigen und des menschlich Unmöglichen. Und es gibt hier keinen möglichen Kompromiss, obwohl es Zwischenformen geben mag, in denen aufgrund von unbewussten kulturellen Erbschaften noch mehr oder weniger bedeutsame (Rest )Bestände kultureller Formen (Traditionen) existieren mögen, die eine lebende Generation tragen. An ihnen ist aber seit mehr als zweihundert Jahren auffällig, dass sie allesamt an dem Nachteil ihrer reflexionslosen, einem Urteil nicht verfügbaren Existenzform und darüber hinaus an der durch die Verhältnisse, die in den so genannten Industriegesellschaften mit privater Eigentumsform an den Produktionsmitteln herrschen, bewirkten systematischen Erosion, um nicht zu sagen: vorsätzlichen Zerstörung leiden. Das trifft dann natürlich auch die Generationen, die in den Ruinen einer tradierten Kultur aufwachsen, und ein mehr oder weniger unbewusstes Verhältnis zu den ritualisierten Resten dieser Bestände in ihrem Verhalten zelebrieren oder einfach beibehalten aufgrund ihrer Erziehung, die diese Bestände in dem jeweiligen Zustand, also auch dem ihrer jeweiligen Zerstörung und Fragmentierung weitergibt ohne sich um eine ausdrückliche Bestimmung des wirklichen Verhältnisses zu kümmern, in dem sie zu den faktischen Anforderungen stehen, die die Gestaltung der Lebensumgebung durch die jeweils herrschenden Mächte den mehr oder weniger vereinzelten und immer weitergehend isolierten Individuen aufzwingt.
Natürlich ist Deine Großmama nicht imstande gewesen, diese Zusammenhänge auch nur ahnungsweise zu erkennen. Alles was sie wahrnehmen konnte, teilte ihr zwar mit, dass die Welt, in die sie geboren wurde und aufgewachsen ist, vor ihren Augen verschwand, so dass am Ende ihres Lebens nicht einmal ihr Elternhaus mehr stand, und an dessen Stelle eine kahle Fläche sich ausbreitete, an der ihre Erinnerungen keinen Halt mehr finden konnten, so dass sie bei dem Gedanken daran vermutlich mehr als einmal hemmungslos in Tränen ausgebrochen sein muss ohne ganz zu begreifen warum und worüber sie weinen musste, und was die wirklichen Quellen ihres Unglücks jenseits der Furcht vor der Einsamkeit des bloßen Alterns eigentlich waren, aber sie konnte den Zusammenhang nicht verstehen, in dem dies alles mit dem Erscheinungsbild steht, das ihr ihre Kinder und deren Partner bieten mussten, so wenig wie sie auf die Idee gekommen wäre, ihre eigenen, ihr mitgegebenen Urteilsschemata, in die sie die ihr begegnenden Personen, Individuen automatisch und ohne dass diese Schemata ihr als solche bewusst gewesen wären oder hätten werden können einzuordnen gezwungen war, auf ihren Ursprung oder ihre Angemessenheit an die veränderten Lebensverhältnisse hätte prüfen können, eine Prüfung, die ihr die Möglichkeit vor Augen hätte führen können, sie auf ihre Angemessenheit an die in immer mehr sich beschleunigende Veränderungsgeschwindigkeiten übergegangenen Lebensverhältnisse hin zu betrachten und ggf. derart zu berichtigen, dass sich daraus eine andere Haltung hätte ergeben können, die ihr Urteil (anstelle ihrer Reflexe) über die Personen ihrer Umgebung beeinflusst haben würde, und auf dieser Grundlage auch in vieler Hinsicht ganz andere Chancen der Verständigung zwischen den Generationen ermöglicht haben würden.
Ich kann, gerade weil ich dies alles so genau erkennen kann, und nur deshalb auch ‚sprachlich gewandt’ überhaupt darstellen (Du musst Dir ja nur die Frage stellen, die übrigens immer gut ist, bei allem, was man zu hören oder zu lesen bekommt oder was Dir selbst einfällt, wenn Du versuchst nachzudenken: Wie ist dieser Satz, diese Formulierung möglich, also: Auf welchen Voraussetzungen beruht sie, um eine Leitvorstellung davon zu erhalten, wie ein Gedanke von Gerede zu unterscheiden ist.) kann, eben auch verstehen, weshalb Deine Großmama und ich sich unmöglich verständigen konnten und weshalb sie meine Art, die Lebensumstände zu betrachten, einmal abgesehen von dieser oder jener Neigung zur Wahl zeitgenössischer Sprachformeln zur Bezeichnung dessen, was ich betrachte, entweder als Unfug, überflüssiges Gerede – das man dann ‚gutmütig’ als ‚Sprachgewandtheit’ bezeichnen kann, also in gewisser Weise so, dass man eine gewisse Vorsicht walten lässt bei der Marginalisierung des Sinnes, und der Neutralisierung der Aufforderungen oder der Verpflichtung der Bedeutungen, mit denen man zu tun bekommt – oder als Gefahr betrachten musste, und zwar stets gerade dann, wenn es die unbewusst übernommenen und nur als starre, unbefragbare, ja nicht einmal bewusst zu machende ‚Traditionen’ derart berührte, dass sie ihrerseits zur Disposition hätten gestellt werden müssen im Rahmen einer Aufforderung zu einem sowohl kulturell als auch anthropologisch angemessenen Handeln im Interesse der erfolgreichen Verlängerung der genealogischen Linie, in der alle Lebenden eine einzigartige und einmalige und eindeutig festgelegte Stelle haben (so wie die Zahl 126345 z. B., insofern sie eben als ganze Zahl nur einen Nachfolger und einen Vorgänger hat. Wenn ich oder Du also dieser Zahl in der genealogischen Linie entsprechen, sind wir so weit eindeutig bestimmt, wie die betreffende Zahl das leistet, ohne dass damit schon alles bestimmt sein muss.) und ebenso einen unzweideutigen und allgemeinen Auftrag, von dem jede Abweichung – etwa durch ‚infantiles Agieren’ ihrerseits eindeutig festgestellt werden kann. Nur kann man sich mit dem Individuum, das sich derart ‚verhält’ natürlich nicht darüber ‚verständigen’, denn es liegt in der Natur dieses Agierens, dass es jede Konfrontation mit seiner Aufgabe mit Vorwänden unterläuft und dort, wo die Grundlagen und Voraussetzungen seines in diesem Fall zu Recht so genannten ‚Verhaltens’ (denn das ist ja kein Tun oder Handeln, sondern ‚Agieren’, also ein psychopathologisches Phänomen, und nicht etwa eine Äußerungsform einer menschlichen Vernunft, zu der die betreffende Person es eben nicht gebracht hat.
Denn, um daran zu erinnern: Kein Gattungsexemplar des Homo sapiens wird als Mensch geboren, sondern hat bestenfalls eine mehr oder weniger große, u. U, auch abgelehnte Chance, eine bloße Möglichkeit ein Mensch zu werden, ein Ziel, an dem er mitwirken muss und mitwirken wollen muss, das sich also auch verfehlen lässt, um den Preis einer Verkrüppelung oder eben die Resultate der ‚Verfehlung’. Und natürlich kämpft dann dieses Resultat verbissen mit Methoden um seine gegen seinen wirklichen Zustand durchgesetzte Anerkennung als ‚Mensch’ mit unveräußerlichen Menschenrechten gar, die dann vor allem eines zum Ziel haben: Die Leistung und die Anstrengung zu umgehen und zu ersparen, die vorauszusetzen ist damit diese ‚Anerkennung’ überhaupt erfolgen kann und vor allem für den als Mensch Anerkannten einen Sinn macht, der sich auf seinen tatsächlichen Zustand als Mensch bezieht und nichts anderes ist als die Anerkennung eines vorauszusetzenden, das nicht mit dem Akt der Anerkennung selbst entsteht, sondern schon als abgeschlossene Gegebenheit vorliegen muss, damit anerkannt werden kann, was Faktum schon ist, wenn Anerkennung erfolgen können soll und einen Sinn macht.)
Der Kurzschluss, der mit einem Gewaltakt von Anderen zu erzwingen versuchen will was er zugleich als eigene Bemühung vorsätzlich zu verweigern entschlossen sich zeigt, ist ein Kurzschluss des Bewusstseins, das sich im Symptom der gewaltsamen Leugnung der Differenz zwischen dem Faktum des defizitären Zustands, und zugleich als Versuch der gewaltsamen Unterwerfung des Urteils dieser Anderen unter diesen Zustand äußert, der Anerkennung für etwas verlangt, das sich angesichts des Faktischen und seiner Art sich gegenüber Anderen zu äußern als gewalttätige Zumutung der Zustimmung gegen das Faktische, also als eben das zu erkennen gibt, das vor dem Urteil nicht standhält, das Anerkennung nur unter der Voraussetzung des Gegebenseins dessen, was das Urteil zum Inhalt hat gewähren kann, das die Anerkennung ausspricht indem es dem Begehren nach Anerkennung zustimmt, sich also als eben das äußert, das eine Anerkennung nicht beanspruchen kann, weil es nicht ist, was die Anerkennung voraussetzt. Der Überschuss des Wollens über das Gegebene ist hier also das, was sich zur Psychopathologie der Person zusammenzieht und sich entsprechend als Verhalten äußert. Zu diesem gehört die ebenso obstinate wie realitätsferne Verleugnung der Grundlagen, die ein Urteil über diesen Zustand zu vereindeutigen vermögen. In der sich daraus ergebenden Mentalität finden sich bereits alle Elemente dessen, was sich der kriminellen Aberration, dem Betrug, der arglistigen Täuschung, dem Vorsatz der Hintergehung, der taktischen Nutzung Anderer als Mittel zum Zweck usw. geneigt zeigt. Und natürlich ist diese Mentalität angesichts der Art ihrer Begrenzung durch sich selbst einerseits mit dem Wahn des Blicks auf eine (begrenzte oder grenzenlose) Welt vermeintlich einfachster Wahrnehmung als schlicht gegebene in sich geschlossene und zusammenhängende Erscheinung ebenso identisch wie mit der sich daraus, aus der ebenso falschen wie unerkennbaren ‚Verallgemeinerung’ eines defizitären Bewusstseinszustandes wie ich das Oben betrachtet habe, scheinbar von selbst ergebenden und verstehenden Unmöglichkeit, sich grundsätzlich andere ‚Mentalitäten’ überhaupt auch nur vorzustellen und derart in Betracht zu ziehen, oder sogar eine in einem Urteil (einem Resultat einer geordneten und nachweisbar nachvollziehbaren Handlung oder Sequenz von Handlungen) auslaufenden Betrachtung die Genese und die strukturellen Grundlagen möglicher Mentalitäten als solchen überhaupt vorzustellen, geschweige denn durchzuführen.
Im Allgemeinen ist – vielleicht nicht nur in diesem Land und dieser – zerstörten – Zivilisation, die den Titel der Kultur kaum mehr beanspruchen kann und daher die Differenz zwischen beiden, Zivilisation und Kultur längst auf der ‚theoretischen Ebene’ zu liquidieren versucht, eine durchsichtige Operation, die den oben bereits genannten Ursprung hat und ihn in die Form desjenigen Aufwandes umformt, die der Ersparnisaufwand bedeutet, der die Entwicklung einer bloßen animalischen Biomasse zum individuierten Menschen erspart, die ‚Bemühung’ zu bemerken, den regressiven Formen der Existenz der Gattungsexemplare einen kulturellen Status zu erobern. Es handelt sich deshalb nicht weniger um bloße gewaltsame Usurpation. Das Modell für derartige Eroberungen und Invasionen ist historisch je nach Perspektive in einer Anzahl von sprichwörtlichen Modellen jedem verfügbar, ist aber immer dann abhanden, wenn es gilt, die je eigene regressive Bemühung als gewaltsame Barbarei zu erkennen bevor man sie dann schon begangen hat.
Die ‚Demokratie’ der Nordamerikaner, das politische Heiligtum dieser Welt, mit dem alles gerechtfertigt werden kann, beruht auf einem Genozid an den Amerikanern, die man als ‚Indianer’ bezeichnet schon als Landesfremde, die da gar nicht hingehören diskriminiert hat, bevor man sie ausgerottet hat um sich an ihre Stelle zu setzen. Die Entschuldigung dafür drei Generationen später ist ein Witz und kann nicht leisten, was sie soll: Das geschehene Unrecht gut zu machen, zumal dann, wenn dieser Akt sich zwanglos mit der Übertragung der religiös motivierten – christlichen, protestantischen puritanischen – Selbstgerechtigkeit, also mit der Übertragung des ungemilderten und unreflektiert nicht nur beibehaltenen, sondern durch ein aberwitzig angeschwollenes destruktives Potential der Gewaltanwendung verstärkten und ‚globalisierten’ Impulses auf grundsätzlich die ganze Welt unter Einschluss des Universums, das den Kommandostrukturen eines US-Aircraftcarriers unterworfen schon vorgestellt ist ganz ohne Rücksicht auf die energetischen Grundlagen und Voraussetzungen der Durchführung dieser Aktion des imaginierten ‚Aufbruchs ins All’, auf das sich die dort zu entdeckenden ‚Zivilisationen’ und vor allem die ‚intelligenten Lebensformen’ heute schon vorwegnehmend sich freuend vorgestellt werden, auf den Tag, an dem die Amerikaner kommen. Das darin erkennbare Modell ist von identischer Struktur, ganz gleich, ob sich eine x-beliebige Person mit dem Sozialcharakter das denkt, der solcher Imagination ohne Zweifel zugrunde liegen muss, damit das überhaupt derart ‚gedacht’ nicht nur werden kann, sondern sich obendrein mit dem Etikett versehen kann, es handele sich dabei um einen Gedanken, also um Gedachtes, oder ob ein ganzes, mehr oder weniger umfangreiches Kollektiv, also eine mehr oder weniger ‚schwere’ Biomasse mit der Infektion dieses zu seiner allgemeinen Disposition passenden Virus infiziert wird und entsprechend sein Alltagsleben mit solchen Hintergrundimaginationen organisiert und sich dabei mittels der Fiktion, es handele sich dabei um eine Fiktion, von der Verantwortung entlastet, mit der Menschen angesichts des Umstandes konfrontiert sein würden, dass die in dieser Fiktion figurierende Welt faktisch auf die ihnen erreichbaren ‚Lebensformen’ eingeschränkt ist, an denen dann allerdings faktisch und ganz unschuldig ausagiert wird, was sich triebhafte zentralnervöse Systeme, Primaten  und Raubtiergehirne eben so ‚denken’, wenn sie etwas im Prinzip essbares gewahren.
Einmal angenommen, man fände sich auf wunderbare Weise mit der Ankunft auf einem Planeten befasst, auf dem grundsätzliche alle Lebensformen, wenigstens aber ein Variationsreichtum solcher Formen wie auf der Erde vorkäme, mit dem Unterschied, dass ausnahmslos allen Lebensformen dieselbe ‚Intelligenz’ zugestanden werden müsste, wie es diejenige ist, die der Homo sapiens als die seine zu identifizieren gewohnt ist – vielleicht aufgrund einer konsequenten Anwendung der darwinistischen Evolutionstheorie, die ja genau genommen besagt, dass Überleben und Erfolg dasselbe sind, so dass genau genommen auch Intelligenz und Überleben dann dasselbe sind, wenn Intelligenz und Erfolg dasselbe sind, und das ist ja der Grundgedanke der mehr oder weniger offensichtlichen Identifikation auch der humanen Sozialwelt und ihrer Hierarchien mit den darwinistischen Grundgedanken der biologischen Evolutionstheorie, die in der Form des Pragmatismus die faktisch herrschende Handlungstheorie ist, und zwar ohne Rücksicht auf die Frage, ob die richtig ist oder falsch. Die Frage stellt sich vielmehr so gar nicht (mehr). - Wenn also die ‚Menschheit’ (alias Ulf Merbold, Neil Armstrong usw.) auf einem solchen Planeten anlangte, dann müsste ihre ersten beiden Fragen an die Lebewesen dieses Planeten sein:
Wovon lebt ihr (Was esst ihr)?
Seid ihr essbar?
Die dritte könnte vielleicht sein: „Seid ihr sterblich“, ein Euphemismus für: „Können wir Euch töten?“
Damit sind alle entscheidenden Fragen über die Grundlagen der ‚Eroberung des Universums’ durch ‚die Menschheit’ abschließend beantwortet. Jede Form dieser Art von Ausbreitung kann sich nur als Fortsetzung und Erweiterung bzw. als bescheidener Neueinsatz bereits aus der Geschichte ganz und gar irdischer Formen der Gewaltanwendung, der Unterjochung und der rücksichtslosen Nutzung des Nutzbaren, ob nun Tier, Pflanze, Mensch bis zu seiner Erschöpfung oder Erlöschen abspielen.
Ich will also keinen Zweifel lassen an der Ausbreitung der hier zugrunde liegenden Einstellungen. Denn diese empirische Ausbreitung ist stets noch die naive Rechtfertigung im Kleinen, im Persönlichen, im sozialen Nahbereich gewesen für die Bedenkenlosigkeit, das im Prinzip Kriminelle und Mörderische an so genanntem ‚menschlichen Verhalten’. Und eben unter Hinweis auf seine faktische Ausbreitung versucht es sich als menschliches Geltung zu verschaffen. Der Irrtum besteht darin, dass das Faktische bloß deshalb, weil es dies ist, das Faktische nicht auch schon Geltung beanspruchen kann als etwas anderes als das was es ist: Und es ist eben nicht menschlich, sondern rein animalisch, das triebhafte Verhalten einer reinen Bestie, eines Fleisch fressenden Raubtiers, besser noch: Eines Allesfressers, der unablässig auf der Suche ist nach Beute. Nur am Rande ist von Bedeutung, dass ‚Intelligenz’ in dem Sinne, in dem ‚Intelligenztests’ die Bedeutung festlegen, keine notwendige und vielleicht nicht einmal eine günstige Bedingung der Möglichkeit des Überlebens sein muss, zumal dann, wenn man angesichts dessen, was wir derzeit über das Universum zu wissen meinen, davon ausgehen muss, dass sich Erfolg dann nur in der mehr oder weniger großen Länge der in jedem Fall endlichen Zeitdauer der Existenz einer Lebensform messen lassen würde. Nur muss man das dann auch rückübertragen auf andere Gegebenheiten des Lebens: Nicht dieses oder jenes Land, Zivilisation oder Kollektiv hat dann diesen oder jenen Krieg gewonnen, sondern alle die, die tot sind an seinem Ende haben ihn verloren, und alle, die ihn überlebt haben, haben ihn gewonnen, und von denen, die dann noch am längsten weiterleben, gemessen in Lebensjahren, sind die die endgültigen Sieger, die am ältesten werden. Aber warum, so muss man fragen, wird hier jede Abspaltung, jene logische Absurdität und jede noch so blödsinnige Inkonsequenz geduldet und erscheint sogar so selbstverständlich, dass eine logisch durchgängige Gleichbehandlung von das Leben betreffenden Sachverhalten ihrerseits als schräg, kabarettistisch verzerrt oder gar als absurd zu erscheinen vermag.
Die Antwort dafür liegt auf der Hand. Den von falschen Vorstellungen infiltrierten Objekten der lerntheoretisch ‚fundierten’ Lernzieldidaktik wird auf diese Weise mittels ‚wissenschaftsförmiger Spezialisierung und Segmentierung der Wissenssparten’ systematisch das Urteil verunmöglicht, während es formal – aufgrund der kulturellen Tradition der Garantien der europäischen Moderne und aufgrund der zur Ideologie erstarrten formalen Zugeständnisse – garantiert bleibt, also scheinbar unangetastet bleibt, während es faktisch mittels der Umwandlung des Denkens bzw. seiner Resultate in durch ‚Fachleute’ kodifiziertes ‚Wissen’, in Technologie, Bestände, die Lehrbüchern entnommen, in ‚Lernprozessen vermittelt’ und abgeprüft sowie anhand dieser ‚Prüfung’ zertifiziert, und mit öffentlichen Lizenzen versehen zu Kompetenzen umgedeutet bzw. in Berechtigungen umgewandelt werden, derart eingegrenzt wird, dass schließlich schon der Versuch, sich durch eine über die jeweils mit der Lizensierung mit gesetzte Beschränkung hinausgehend der Homogeneität des Wissens insgesamt zu versichern, als entweder unsinnige (Philosophie) oder unzulässige (Kompetenzüberschreitung) Abweichung erscheinen muss.
Erkennbar wird in dieser Art der Umstellung des lizensierten Individuums und der Vereitelung des Urteils aufgrund eines durchgängig strukturierten und mittels Denken – im Gegensatz zu Assoziation von bestimmten Regeln mit bestimmten Gegebenheiten, oder der Applikation usw. – organisierten, von einem über dem Gesamtbestand operierenden Urteil zusammenhängend repräsentierten Wissen die faktische Militarisierung des in Technologie umgewandelten Wissens, dem die Biomasse des Homo sapiens – jeder an ‚seinem’ Platz – unterworfen wird. Die Militarisierung der Wissensgesellschaft ist ihre Verkehrung ins Gegenteil. Durch dieses Manöver wird nicht die zu Ende geführte radikale und in dieser Form historisch unüberbotene Unterwerfung der Biomasse des Homo sapiens unter die Imperative der organisierten Gewalt vereitelt, sondern der Mensch als lebendes Wesen und am Ende als Realität, wenn nicht als Möglichkeit. Denn selbst deren alteuropäisch erhaltene Virtualität ist eine Bedrohung für diesen Totalitarismus, ganz einfach deshalb, weil es ihn prinzipiell erkennbar hält. Das aber zwingt zu einer Form der Organisierung des Wissens der angeblichen Wissensgesellschaft, die sich nur abschließen kann gegen die Bedrohung durch die Reflexion, die die virtuelle Fortexistenz, die weiter existierende Möglichkeit des Menschen offen hält, zu einer Organisationsform des Wissens und der Wissensgesellschaft, die sich selbst negiert dadurch, dass sie das Wissen um die Möglichkeit des Menschen aus dem Wissen erfolgreich eliminiert. Das ist die längst in das Stadium angestrengter Realisierung übergegangene globale Bemühung vor allem der politischen und technologischen sowie der staatlichen und der wirtschaftlichen ‚Verwaltungs-Eliten’ der modernen im Kern durchgängig nach dem Modell des Militärischen ausgerichteten Großorganisationen – selbst und gerade der christlichen Kirchen, die einen strukturellen Absolutismus geradezu kultivieren – und der Kerngedanke, um den alle ‚negativen Utopien’ des zwanzigsten Jahrhunderts mit einer korrekten Voraussage geordnet sind. Im Bereich der Sozial  und Humanwissenschaften ist aber ein durch den Organisationsmodus der Verwaltung kontaminierter Wissenschaftsbegriff eine contradictio in adiecto, eine Chimäre, die alles Wissenschaftliche an diesen Veranstaltungen zugunsten der Verfügung, zugunsten von Nutzungskalkülen vereitelt. Wissenschaft ist das nur noch in der Form, in der diese mit verbundenen Augen und gebrochenem Speer im Triumphzug einer totalitären Bürokratie mitgeführt wird, entsprechend der bekannten Allegorie der Synagoge im zur Staatsreligion dekompensierten ‚siegreichen’ Christentum mit seiner Verkehrung eines Zimmermannssohns aus Galiläa zu einem von der Erde in den Himmel verschobenen Gottkönig, der von dort aus den ‚Imperator caelo et mundi’ gibt, um in seiner nächsten Deszendenz als Leviathan wieder in die Form des globalen säkularen ‚modernen’ Staates zu inkarnieren.
Diese Perversion der Wiederkehr des Messias ist längst Faktum, besser: Die Wiederkehr des Messias auf diesem typischen Umweg in die Form seiner extremsten denkmöglichen Perversion ist längst säkulare Realität. Und ihr Ende nicht abzusehen, es sei denn, das es in der Konsequenz dieser Realisierung selbst beschlossen ist. Da wäre dann die noch abzuwartende Zeitspanne bis zu dessen Offenbarung zu bedenken.
Es ist das Wenigste zu sagen, dass Deine Großmama zu diesen Überlegungen nicht imstande war, und ich muss wohl nur der Klarheit halber hinzufügen, dass ihr das nicht vorzuwerfen ist, am wenigsten von mir, der ich sie vor mir hatte. Und das vorzuführen ist sinnvoll, weil Du daran prüfen kannst, welche Voraussetzungen Du selbst hast, die Dich befähigen diese Überlegungen nachzuvollziehen, und anhand dessen selbst zu überlegen, welche Voraussetzungen es wohl braucht, damit man diese Überlegungen formulieren kann. Es ergibt sich wohl von selbst und ganz selbstverständlich, dass einerseits dies alles natürlich aus Vokabeln zu einigermaßen korrekten Sätzen zusammengesetzt erscheinen kann, aber was diese Vokabeln faktisch zu diesen Sätzen und ihrer Folge ordnet und vor allem: erzeugt, hervorbringt, liegt in einem Bereich, der nur als Schöpfung korrekt verstanden ist. Denn hier wird eine Wirklichkeit weniger erzeugt, als vielmehr zugleich erzeugt und dargestellt in der Form der Sprache.
Es ist wohl kaum ein langer Weg mehr unter diesen Umständen, die Unhaltbarkeit einer Sprachtheorie einzusehen, die sich auf die Form der größeren oder geringeren ‚Sprachgewandtheit’ bringen lässt, und dabei das Verhältnis von ‚Wissen’, Denken im genauen Sinn des Wortes, der nicht einfach meint, was einem jeweils zu etwas einfällt, und auch nicht meint, dass man korrekt entsprechend einem benoteten ‚Lernprozess’ aufs Kommando oder auf Anlass assoziiert, was einem dazu dann gefälligst einzufallen hat, damit man eine gute Note kriegt, also eine Anerkennung durch eine vorgeordnete Autorität, sei das nun ein angestellter Lehrer oder eine Anzahl von Umstehenden, die sich nur zu leicht für den Inbegriff der geltenden Kultur zu halten gewohnt sind, also das Verhältnis von ‚Wissen’ und Denken und Sprache ganz und gar im Unklaren, oder auch ganz und gar unbedacht lässt, so als sei es gar nicht notwendig oder ‚sinnvoll’ über einen solchen Zusammenhang nachzudenken (also wiederum nicht: sich dazu halt etwas einfallen zu lassen oder eine ‚Meinung’ zu haben, zusammen mit dem ‚Recht’ darauf.)
Das entscheidende Problem tritt ein, wenn das, was derart sich nicht selbst zu erkennen vermag, dennoch oder gerade deswegen Ansprüche stellt und geltend macht oder durchzusetzen versucht, auch wenn dabei alles zugrunde geht, Ansprüche also durchzusetzen versucht, die mehr oder weniger weit über das hinausgehen, was der Sache nach durch eine derartige Verfassung in Anspruch genommen werden dürfte. Da es sich nicht selbst zu begrenzen vermag, kann es die Inkongruenz nicht erkennen, und eine ihm zu Hilfe kommende äußere Reflexion erscheint ihm angesichts des Umstandes, dass seine reflexive Blindheit ja von dem festgehaltenen Anspruch nicht zu trennen ist, weil sie systematisch zusammenhängen und der ‚Anspruch’ das Primäre ist, das sich die ‚Überlegung’, das bewusste Motiv bzw. die ‚Ansicht’, die es davon selbst hat, nach seinem triebhaften Bedürfnis rücksichtslos und ohne Rücksicht auf eine gedankliche Logik unterwirft, als eine Zumutung einer Einschränkung, die auszuräumen jedes Mittel recht ist, so dass es natürlich auch die Zumutung einer konsistenten Gedankenführung oder jede Art von konsequenter Ordnung aus Prinzip außer Kraft setzen muss, weil jedes Zugeständnis in dieser Hinsicht gleichbedeutend damit ist, dass, wer A gesagt hat, auch B sagen muss, sich, anders gesagt, aufgrund einer akzeptierten Prämisse bzw. Voraussetzung, auch dazu bequemen müsste, die dann daraus folgenden Konsequenzen zu akzeptieren und damit eine Einschränkung, die nicht mehr alles möglich sein lässt und bestimmte Möglichkeiten und Folgen sogar definitiv ausschließt.
Ich will vorerst offen lassen, was alles ein aus einer solchen Haltung fließendes Verhalten gegenüber anderen Menschen bedeutet. Zunächst ist es aber gleichbedeutend mit der Unmöglichkeit eines Konsens, eines Einverständnisses über irgendetwas. Denn es ist unvermeidlich, dass sich daraus weit reichende Folgen ergeben, und ebenso der Ausschluss von Möglichkeiten, die Einschränkung von Willkür. Man muss nun aber wissen, dass jede solche Einschränkung erst die Voraussetzungen dafür schafft, dass sich überhaupt einvernehmliche und lang  oder auch nur auf ein Projekt begrenzte Pläne machen lassen, die gemeinsames Handeln betreffen. Es kann darüber hinaus ebenso wenig Zweifel daran geben, dass Einstellungen, die auf solchen Grundhaltungen beruhen, bereits im Kern die Neigung zu Verwahrlosung und zu kriminellem Verhalten mit sich führen, und sie haben in jedem Fall Folgen für Andere, die in den Einflussbereich dieser Haltungen geraten ohne das zunächst so erkennen zu können wie es ist, weil ja erst der Bruch eines gegebenen Versprechens, die Versäumnis der Einhaltung einer Vereinbarung auf das Problem führen, wie das zu verstehen ist, und eine Einsicht bieten, wie der dafür Verantwortliche sich dazu verhält, wie er sein Verhalten ‚erklärt’ und rechtfertigt, und welche Schlüsse sich aus diesem Einsatz der ‚Interpretation’ dann ergeben. Denn zunächst können wiederum diese ‚Erklärungen’ und ‚Interpretationen’ des zunächst vermeintlich Problemlosen, das gar keine ‚Interpretation’ zu brauchen, ja gar keiner Interpretation zugänglich zu sein schien, harmlos wirken, das vermeintlich problematische wiederum unproblematisch machen, bis sich angesichts scheinbar neuer, anderer ‚Missverständnisse’ ähnlicher Art endlich unabweisbarer und konturierter darstellt, dass sich eine Reihe von Einvernehmlichkeit, Missverständnis, Erklärung und Normalisierung usw. derart ergibt, dass endlich Widersprüche auftreten, die die Reihe der ‚Erklärungen’ und ‚Interpretationen’ als in sich inkonsistent erweisen, so dass an einem bestimmten Punkt endlich entweder die Auslieferung des Urteilsvermögens und der Person des derart Traktierten an die zwischen scheinbarem Einvernehmen und Missverständnis sowie dessen Erklärung hin und her sich manöverierende andere Person erzwungen wird, oder die derart traktierte Person ihr Urteilsvermögen dazu einzusetzen versucht, Klarheit in diese Verwirrung zu bringen und Rechenschaft verlangt, die Kriterien genügt, die man im genauen Sinn an Erklärungen anlegen kann, wenn sich die Verwirrungen und Unklarheiten im Verhalten einer Person häufen. D
iese Kriterien wird man nicht aus den ‚Erklärungen’ und ‚Interpretationen’ einer sich unklar verhaltenden Person beziehen, die auffällige Probleme hat, ihr Verhalten und ihre Erklärungen je für sich und in Bezug aufeinander in der Zeitreihe miteinander in Übereinstimmung zu bringen, weil sie nicht in eine zu bringen sind (also nicht, weil sie es mangels ‚sprachlicher Gewandtheit’ und weil sie Besseres zu tun hat und Wichtigeres, nicht zuwege bringt) aus Gründen, die in ihrem inneren Gefüge zu suchen sind, sondern im Zweifel an den allgemein und wohl nicht ganz zufällig in den zur Verfügung stehenden Methoden der Wissensgewinnung und –klärung, die auch sonst zur Verfügung stehen.
Man kann u. U. nicht erwarten, dass diese vermeintlich selbstverständliche Inanspruchnahme allgemein auch sonst als verbindlich geltender Methoden der Wissensgewinnung und -klärung auch als legitim und selbstverständlich akzeptiert werden. Und ohne Zweifel gibt es eine gewisse Bandbreite der Problematisierbarkeit selbst solcher, voneinander auch vielleicht verschiedener Methoden. Aber auch das hat Grenzen, die im Allgemeinen wesentlich enger sind als die Debatten über die strittigen Materien, und vor allem erfordert es die Kenntnis und die Disziplin, die notwendig sind, wenn man sich im Bereich der Diskussion der Grundlagen des Wissens und des Denkens bewegt. Die Diskussion von strittigen Materien, anders gesagt, setzt nicht voraus, was auf der Ebene der Diskussion von Grundlagen einer Diskussion notwendig vorausgesetzt werden muss. Es lässt sich über Wissen und Denken nicht nachdenken oder eine bereits gehandhabte Anwendung einer Kenntnis und des Denkens.
Wo das dann auch wieder erkennbar vereitelt, abgewertet oder bagatellisiert werden soll, stößt man unweigerlich auf ein Symptom und muss sich entschließen dazu, es als solches zu behandeln und dem Gesprächspartner u. U. auch zu erklären, dass er als gleichberechtigter Partner in einem reziprok gestalteten Verhältnis nicht mehr oder vorerst nicht in Frage kommt und dass diese Depotenzierung eine Selbstdepotenzierung ist, die nicht derjenige zu verantworten hat, der sich dazu entschließt, das dann auch festzustellen und zu kommunizieren, also mitzuteilen. Nur wird er damit rechnen müssen, dass diese Mitteilung nicht akzeptiert wird, denn sie wäre ja gleichbedeutend mit einer Änderung der Einstellung des Gesprächspartners, der seine Größenvorstellungen, seine aggressive Herrschsucht oder seine pathologische Bindungsfurcht (das sind alles u. U. Aspekte eines als Einheit aufzufassenden Syndroms, das sich zur Psychopathologie dieser Person konfiguriert hat, nicht wegen, sondern bestenfalls angesichts einer Anforderung, der sie nicht gewachsen ist) weder zu erkennen noch abzustellen imstande ist, sondern jede Kommunikation auf den ihm nicht verfügbaren Hintergrund des Syndroms abbildet, an dem ggf. nicht er leidet, sondern andere leiden lässt, auch das eine ihm/ihr u. U. unverfügbare Technik der (sadistischen) Projektion und Verschiebung auf den Anderen mit den Mitteln pathogener und pathologischer Kommunikation, und entsprechend ist zu erwarten, dass die Wahrnehmung des Partners angesichts der als unakzeptierbare Zumutung ‚erlebten’ Aufforderungen, das eigene Verhalten unter Perspektiven einzuordnen, die es auf eine Weise einzuschränken drohen, die das seelische Gleichgewicht der agierenden Person bedrohen, sonst müsste sie sich nicht so verhalten, normalisiert wird in einer Weise, die diesen Partner in einer einfachen Wahrnehmung wieder derart konturieren wird, dass sich aus dieser vermeintlichen Wahrnehmung, die einer vorgängigen, aber nicht zugänglichen Reduktion auf ein Schema entspricht, dessen Umriss dem nicht verfügbaren Begehren und Bedürfnis der funktionalen Nutzung des Partners als Komplement der Wahrung des Gleichgewichts der Psychopathologie der Person folgt und sich in diesem abbildet. Damit ist der materiale Kern der malignen Prognose hinreichend konturiert, der derartige Beziehungen beherrscht, entweder indem der zum Objekt einer malignen Manipulation mit irrationalen Mitteln degradierte Partner aus der Beziehung austritt, oder indem er sich der Psychopathologie der manipulativen Persönlichkeit des Partners unterordnet, der ihn auf diese Weise beherrscht, weil er sich nur in er erfolgreichen Manipulation eines unterworfenen, entwerteten und beherrschbaren Objekts im Gleichgewicht zu halten vermag, auf Kosten eines Partner, der komplementäre psychopathologische Eigenschaften in das Verhältnis einbringt, und zum Wenigsten masochistische ‚Bedürfnisse’ haben muss, die in der Beziehung eine gewisse Befriedigung erhalten.
Die Beziehung selbst wird aber intern, zumal als eine zwischen zwei Erwachsenen, die sich aufeinander angewiesen glauben, instabil und mit einem Überhang von Konflikten überlastet bleiben und vor allem ein unerträgliches Klima, das Klima der sado-masochistischen Beziehung aufweisen, in dem der allgemein vorherrschende Realitätsverlust, also die Unmöglichkeit, eine Existenz nach dem Realitätsprinzip überhaupt intern zu organisieren und aufrecht zu erhalten, dominieren und die heranwachsenden Nachkommen zu deren schweren Nachteil belasten und ihre Intelligenzentwicklung ebenso behindern wird wie ihre sozialen Fähigkeiten, von Kompetenzen nicht zu reden, und mit der Wahrscheinlichkeit ‚tragischer Ausgänge’, die den Sinn des Daseins sowohl der Eltern  wie auch der Nachkommengeneration u. U. auf tödliche Weise konterkarieren, wo die Triebschicksale sich nicht damit begnügen, die Nachkommen endlich auf die Formen kulturell und intellektuell marginaler Existenzen herunter zu drücken, deren Lebenssinn, wie auch immer sonst, sich in Kategorien kultureller bedeutsamer Art nicht mehr darstellen lässt. Es mag indessen sein, dass auch diese Umstände individueller Art in der Statistik von Massenschicksalen untergehen und damit normalisiert werden zu können scheinen, so dass sie unauffällig sind, weil das so viele Existenzen betrifft, nach der verfügbaren Information und Erfahrung in jeder bisher lebenden Generation. Derart behält dann auf jeden Fall diejenige Bewusstseinsform recht, die es von vornherein mit der bloß triebhaften Existenz und dem ihr zuzurechnenden, von ihr abhängigen, also eigentlich menschlich unzurechnungsfähigen Bewusstsein hält, mit dem sie identifiziert ist als dem Medium, in dem ihr ihre Welt als die einzige, die ihm möglich erscheint halt so erscheint wie sie ist, und die Übereinstimmung mit der verbreiteten Verfassung einer Biomasse, die die überwältigende Mehrheit in jeder Epoche darstellt, ist das auch gerechtfertigt. Zugleich damit die Verfügung über das derart Verfasste.
Es ist nun zu fragen, was zu tun ist, wenn man mit einer Erbschaft oder mit sozialen Verhältnissen konfrontiert ist, die den Dauerkontakt mit diesen Formen unvermeidbar machen und wenn überhaupt, eine Handhabung der sich daraus ergebenden Probleme und Phänomene notwendig machen, einfach deshalb, weil sich diese Handhabung als Zwang erweist, der sich ohnehin nicht vermeiden lässt. Ich halte das zweite der genannten Probleme für das leichter lösbare. Es genügt zunächst die auf die jeweiligen Umstände bezogene Minimierung der Kontakte mit den kontaminierten Kommunikationen, und die Vermeidung einer affektiven Bindung an ihre infizierten Träger. Man kann die entsprechenden Pathologien in gewissen Grenzen als viröse Infektionen eines Bewusstseins auffassen, insofern affektive Bindungen bzw. Dauerkontakte mit den entsprechenden Formen auf dem Wege der Kommunikation eben auch infektiöse, also epidemische Wirkungen haben, die sich vermeiden lassen. Impfungen gibt es leider nicht, so wenig wie eine andere Prophylaxe als die Distanz und die Vermeidung des Kontakts. In jedem Fall besteht eine immer akute Gefahr der Entstehung einer ‚seelischen bzw. intellektuellen Repräsentanz’ komplementär zu der Psychopathologie der Person oder der Kommunikation. Man muss sich überhaupt damit befassen und Erwartungen ausbilden, Reaktionsfähigkeiten einüben, um mit dem erfahrungsgemäß zu Erwartenden umzugehen usw.
Allgemein ist das bekannt in dem aus guten Gründen gegebenen Rat an den professionellen Therapeuten, den man diesem freilich nicht zu geben braucht, wenn er tatsächlich professionell handelt, dass der private Kontakt oder gar ein normaler sozialer Umgang oder gar eine auf ‚Zuneigung’ beruhende ‚Beziehung’, zu schweigen von einer gemeinsamen, auch die evtl. Nachkommenschaft betreffenden Lebensplanung mit einem Klienten bzw. Patienten nicht zu verantworten ist und praktisch gleichbedeutend ist mit der Umwandlung des professionellen Therapeuten in einen behandlungsbedürftigen oder auch  würdigen Fall. Aber das gilt tatsächlich weit über diese vermeintlich professionelle Spezialität hinaus. Die dafür längst bekannte Formulierung ist formuliert u. a. in der Spruchweisheit: „Sage mir, mit wem Du umgehst, und ich sage Dir, wer Du bist.“ Die Kontamination mit der Sozialpathologie einer Umgebung ist nur ein Spezialfall der Kontamination mit der Psychopathologie einer Person, mit der man eine Art von Beziehung unterhält, die Verwicklungen in deren allgemeine Verfassung mit sich bringen muss, einfach weil die eigene Lebensführung mit der der anderen verflochten ist, und das Maß der Verwicklung entspricht dann dem Maß der Verflechtung.
Ein Problem bleibt die wie immer begründete – sei es auch vorläufig hinzunehmende und zeitlich begrenzte – Unmöglichkeit der Distanzierung, aufgrund welcher Lebensumstände auch immer. Der derzeit aktuelle Fall des entführten und gefangen gehaltenen Mädchens, das Jahre seiner Pubertät und seiner Adoleszenz in einer scheinbar hoffnungslosen Gefangenschaft zubrachte, aus der es endlich entkam, ist nur ein Extremfall, der zudem gegenüber der Gefangenschaft vieler Kinder in der Obhut von unverantwortlichen und verantwortungsunfähigen ‚Eltern’ zubringen, unter der Knute von Erwachsenen, die ihnen im Interesse ihrer blinden Selbsterhaltung ihre Ansichten oder die derer, die über sie verfügen unbekümmert um die Folgen aufzwingen, ist u. U. weit fataler und folgenreicher, insofern diese Kinder lernen, diesen Erwachsenen auf eine Weise zu gehorchen, die ihnen nicht erlaubt, was diesem Mädchen möglich war, eben weil sie wusste, dass der Mann, der sie entführt hatte und gefangen hielt, ihr Entführer war. Sie ist davor bewahrt worden, diese Person blind zu lieben, ihr bedenkenlos zu vertrauen oder sich ihr resigniert zu unterwerfen, immer in Aussicht auf einen Ausgang aus dem Gefängnis, der ihr – neben ihrem möglichen Tod – stets vor Augen stand. Diese Distanz ist Kindern, die unter ‚gewöhnlichen Umständen’ das Unmögliche und Unzumutbare leben lernen als sei es das Selbstverständliche und alternativenlos Richtige oder wenigstens eine Selbstverständlichkeit unter anderen, versagt. Damit ist gekennzeichnet, was hier als das bedeutsamere Problem herausgestellt wurde, die Distanzierung von einer unvermeidlichen und als solchen in die eigene Existenz, seelische und intellektuelle Verfassung sowie das Weltbild eingewanderten Erbschaft, mit der man mehr oder weniger blind bereits längst zu leben gelernt hat, bevor sie evtl. als mögliches Problem oder als eine Form der Behinderung in den Blick tritt, was bereits eine intellektuelle und seelische Anstrengung voraussetzt, sie als solche in den Blick zu fassen, um sie einer eigens auf sie gerichteten Betrachtung unterziehen zu können.
Damit ist aber ein ganz allgemeines Problem gekennzeichnet, das jede Generation neu zu bewältigen hat, das Problem des geordneten Übergangs von der naiven Lebenseinstellung des Kindes zu einem mit einer ausgebildeten und aktiven Urteilskraft versehenen Erwachsenen, der zugleich über Materien einen Überblick hat, über denen dieses Urteilsvermögen erfolgreich zu operieren vermag, was auch von dem Umfang und der Qualität der verfügbaren Materien abhängt, über denen es formal operiert. Man kann das auch anders ausdrücken. Es ist ein besonderes Problem eigentümlicher Formen der Wissenschaftlichkeit, die die Scheinselbstverständlichkeiten des zunächst lediglich eingeübten, erlernten und gelebten Alltagslebens in die Formen des reflektierten Urteils zu überführen versucht und diese Leistung auch wirklich nachweisbar erbringt. Das setzt immer die aktive und bewusste, bewusst gemachte Auseinandersetzung mit diesem immer schon zunächst gelebten Leben und dem Alltag sowie der lebensweltlichen Existenz voraus, impliziert also stets Bewusstmachung eines zunächst Unbewussten, das zugleich ‚die Welt’ und deren Ordnung (von der die Unordnung nur ein struktureller Aspekt ist, also in struktureller Hinsicht nur ein Maß darstellt) einerseits, und seinen Gegenpol, das, was sich als ‚Ich’ oder Selbst diesem Pol gegenüberstehend identifiziert umfasst in einer begriffenen Einheit.
Der Erwerb eines Verständnisses dieser Einheit, ihrer Struktur und internen Relationen, ihrer Ordnung ist nichts anderes als das, was man lediglich formal mit Rücksicht auf die Absicht von Organisationen, die sich mit der Herstellung von Qualifikationen institutionell befassen, als Kompetenz aufzufassen sich angewöhnt hat, indem man den äußeren Aspekt der Lizensierung voranstellt, von dem aus sich die Vermutung rechtfertigen lässt, dass sich der Inhaber einer solchen institutionellen Lizenz auch tatsächlich auf der Höhe der oben im Blick auf den Inhalt dessen, worum es gehen muss, ganz gleich was man sich jeweils formal unter einer Qualifikation vorstellt, je nach der gerade betonten Auslegung des politischen Studiendesigns.
Mit der genaueren Bestimmung des so zunächst eingeführten inhaltlichen, materialen, strukturellen Problems ist zunächst fortzufahren. Das ist Gegenstand der folgenden Lektion.
4. Es sollte bemerkt werden, dass das hier nun skizzierte Konzept nichts und niemanden von der Prüfung seiner Positionierung in dem durch Reflexion angeeigneten geordneten Ganzen dispensiert. Die Aufgabe der reflektierten Aneignung der Welt und des Selbst kennt keine Ausnahmen oder tabuierte Positionen. Wo der Anspruch darauf auftritt und sich gegen den Sinn und die Methode der Aneignung durchzusetzen versucht, ist das informativ, mehr nicht, aber die Information ist u. U. hochbedeutsam. Information ist überraschende Erfahrung. Überraschend zu sein ist aber etwas Kontextabhängiges. In einem allgemeinen Chaos ist alles überraschend und nichts. Die überraschende Erfahrung hängt derart von einem bereits definierten Kontext ab, in dem ein endliches Zeichensystem ein endliches Repetoire von Zeichen definiert, aus denen sich Bedeutsamkeiten bilden lassen oder die zu Bedeutsamkeiten zusammentreten können, Konfigurationen von größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit bilden. Ganz sicher bin ich hier nicht, weil mir der plötzlich auftretende Übergang in ein bereits konfiguriertes Zeichensystem selbst als Überraschung erscheint, und damit zunächst ein Problem aufgibt. Vielleicht ist das im Weiteren noch zu klären. Ich hoffe es ergibt sich, sonst muss das eigens untersucht werden.
Es ist zunächst ein unabgeleitetes Postulat, wenn ich sage, dass die Welt aus dem Gefühl, dem Affekt entsteht. Ich weiß wohl, was Stephen Hawking und seine Kollegen darüber denken, die ja meinen, dass wir in den Überresten der Explosionswolke einer gigantischen nuklearen oder transnuklearen Bombe leben. Von der terminologischen Besetzung her ist das alles von der Qualität eines Mythos. Und angesichts des Szenarios des Schreckens, das um diese aus der Erfahrung der Physiker in der Arbeit an der Nuklearphysik stammenden Vorstellungen gänzlich anthropomorpher Art aufgebaut worden ist, eines Schreckens, den seine potentiellen Opfer, nämlich alle Menschen angesichts seiner gerechtfertigten und ungerechtfertigten Universalisierung (hier einmal ganz wörtlich zu nehmen) empfinden – mit Ausnahme vielleicht von einigen Exemplaren der Gattung der Politiker und Militärs der todesverachtenden Sorte, die stets besonders und vor allem den Tod der anderen verachten, die sie im Visier haben - sind die Metaphern, die wie Schreckgespenster aus den scheinbar ganz und gar mathematischen Formeln sich aufkräuseln wie die Explosionswolke der dann abgeworfenen Bomben, tatsächlich auch Ausgeburten eines in die Formeln hinein projizierten säkularen Gefühls, einer Empfindung, deren Sinn über die rein erkenntnistheoretischen Konnotationen des Terminus hinausgeht und anhand der Ausprägung der Terminologien auf den in sie investierten Affekt zurück verweist, aus dem sie hervorgegangen sind. Aber das Gemeinte ist ganz unabhängig von den an anderer Stelle zu würdigenden Zusammenhängen zwischen der Physik und den Metaphern, der Mathematik und der Sprache, und schließlich zwischen Mensch und Welt, Selbst und dem Anderen. Die Welt des Menschen entsteht aus dem Affekt. Sie ist um ihn zentriert, verteilt und organisiert ihn, strukturiert ihn investiert ihn in die Vielfalt ihrer Erscheinungswirklichkeit, die durch ihn zusammengehalten wird. Der Zusammenhang ist affektiver Art.

Die schlechte Liebste.
Mündlich.

Jetzunder geht mir mein Trauern an,
Die Zeit ist leider kommen,
Die mir vor'm Jahr die Liebste war,
Ist schlecht mir vorgekommen.
Mein Herz ist von lauter Eisen und Stahl,
Dazu von Edelsteinen.
Ach wenn doch das mein Schatzliebchen erführ,
Es würde trauren und weinen.
Es trauert mit mir die Sonne, der Mond,
Dazu die hellen Sterne,
Die haben den lebenden, schwebenden
Lustgarten an dem Himmel.
Mein Garten von lauter Lust war erbaut,
Auf einem schwarzen Sumpfe,
Und wo ich lebend und schwebend vertraut,
Da ist ein Irrlicht versunken.
Wollt Gott, dass früh ich gestorben wär,
In meinen jungen Jahren,
So wäre mir all mein Lebetag,
Kein größre Freud wiederfahren.
Es ist nicht hier ein kühler Brunn,
Der mir mein Herz thät laben,
Ein kühler Brunn zu aller Stund,
Er fliest aus meinem Herzen.
Aus: Des Knaben Wunderhorn (Achim v. Arnim, Clemens Brentano (Hgg.)

Liebe Annegret,

Freitag, 8. September 2006

Ich kann nur vermuten wie es Dir jetzt geht, da ich offensichtlich nur wenig Einblick in Deine Seele erhalten habe während der vergangenen Jahre seit 1980. Aber mir fällt doch auch ein, dass ich nicht zuletzt deshalb weil es mir oft ein Rätsel ist, was Du als angemessen empfinden könntest und was nicht, auf Deine Mitteilung am Morgen des Todestages Deiner Mutter eigentlich gar nicht reagieren konnte.
Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Du nicht traurig bist über ihren Tod. Der Verlust eines Elternteils ist schließlich ein singuläres Ereignis – und nicht bloß ein singuläres Erlebnis – im Leben, im Dasein eines Menschen und es gibt keines, außer vielleicht der Tod eines Kindes, der als biographisches Datum bedeutsamer sein könnte. Eurer aller erstaunliche Gelassenheit und Einordnung in den formalen Ablauf der sozialen Ereigniskette, die sich an den Tod eines Menschen in Deiner Kultur anschließt, hat auch auf mich ihre ordnende und disziplinierende Wirkung nicht verfehlt. Ich sah auch keinen Anlass mich dagegen aufzulehnen oder nicht einverstanden zu sein damit. Vielmehr empfand ich das mir auferlegte soziale Gefüge, das einen Tod bei euch umgibt, als eine Art Stütze.
Aber jetzt, wo ich mit mir alleine bin bemerke ich doch ganz wesentlich Anderes und erlebe plötzliche Anfälle von Trauer, die in einem merkwürdigen Gegensatz stehen zu meinen Erinnerungen an das Verhältnis, das Deine Mutter und ich wenigstens auf der Oberfläche des Austauschs oft unterhielten und das sich doch der Tendenz nach stets als eher antagonistisch darstellte. Ich bin einfach todtraurig darüber, dass sie schließlich doch gestorben ist, und hatte mir das so nicht vorgestellt. Ich habe sie ja eigentlich zum letzten Mal bei meinem vorherigen Besuch vor den Sommerferien von Leah und Sarah gesehen. Ich erinnere mich daran, wie Du mit ihr in die Küche gekommen bist und sie rechts von Dir auf ihren Stock gestützt hereinkam, gut gekleidet und frisiert wie immer, und sehr gerade aufgerichtet einen Augenblick stehen blieb, so dass ich sie sehen konnte. Niemand sprach ein Wort während ich sie mit einer gewissen Bangigkeit ansah und ich wandte den Blick dann auch ab, damit sie nicht in meine Augen sehen konnte, aber ich glaube, dass sie auch meine Sorge um ihren Zustand bemerkte, denn einen Augenblick lang sahen wir doch im Auge des Anderen die Ankündigung des Unvermeidlichen und Unakzeptierbaren.
Dann ging alles seinen Gang und ihr seid, meine ich, in den Garten gegangen, während ich mich vergeblich mit dem Gedanken daran auseinander zu setzen versuchte, wie ich sie ansprechen könnte, einer Überlegung, die seit dem Streit anlässlich der Weihnachtsfeier 2005 keine Lösung mehr zu haben schien. Deine Berichte, die besagten, dass Deine Mutter sich ihrerseits vor einem ‚Zusammenstoß’ mit mir fürchtete, haben meine Zurückhaltung eher noch verstärkt, und alle anderen Erfahrungen aus den zurück liegenden Jahren gingen ja auch eher in eine Richtung, die diese diffus sich einnistenden Befürchtungen eher nähren als dass sie ihnen den Boden entzogen hätten.
Um so überraschender finde ich selbst die gar nicht beherrschbaren und ganz unwillkürlich erscheinende Trauer, die mich jetzt in Abständen wie aus dem Nichts immer wieder überfällt, weit intensiver als anlässlich des Todes Deines Vaters, dessen zu frühen Tod, im Verhältnis zu meinem Eintritt in Deine Familie mich ratlos gemacht hat, und so etwas wie die Wiederholung des zu frühen Todes meines eigenen Vaters war, ein Umstand, der mich auch mit Zorn erfüllte über das erneute Verlassenwerden, so als verließen Leute, an deren Urteil einem liegt, eilig den Raum sobald man ihn betritt oder kehrten einem demonstrativ den Rücken zu. Merkwürdig ist auch, dass ich zugleich den Tod meiner eigenen Großmutter zu erleben scheine. Als sie starb, war ich nicht offensichtlich traurig. Ich empfand eher eine gewisse verhaltene Befriedigung, so als sei sie auf gerechte Weise für eine an mir begangene Ungerechtigkeit bestraft worden. Zu dieser Empfindung gab und gibt es auch nach meinem heutigen Urteil genügend Anlass. Aber hinter diesem Vordergrundmotiv verschwand die Trauer, die ich als Mensch hätte empfinden müssen beim Tod eines Verwandten in der direkten genealogischen Linie, und der Vorfahren zumal.
Denn das ist in jedem Fall singulär und deshalb ein wesentlicher biographischer Einschnitt, dessen Bedeutung für das eigene Leben nicht zu bewusst zu erfahren gleichbedeutend ist mit einem Realitätsverlust in Bezug auf die Position, die man gerade im eigenen Lebensgang tatsächlich hat. Wo nichts ein unbewusst sich fortspinnendes Leben zum Aufmerken veranlassen kann, müsste wenigstens der Tod eines unmittelbaren Vorfahren, den man aus dem täglichen Zusammenleben der Generationen kennt, mit dem man täglich umgeht, darauf aufmerksam machen, dass man sich jenseits einer bestimmten Demarkationslinie des eigenen Lebensverlaufs befindet. Natürlich gerät das alles durcheinander, wenn diese Grenzmarken zu früh in der eigenen Existenz auftreten, so dass sie mit dem natürlichen Lebensverlauf nicht übereinstimmen. Dann kann es wohl und muss wohl geschehen, dass die zu frühe Zumutung des Erlebnisses des Todes eines Vorfahren, sei es aus der Eltern  oder der Großelterngeneration eine Reaktion auslöst, die die Bedeutung dieses Ereignisses nicht zum bewussten Erleben zulässt und aus dem seelischen Leben exkommuniziert.
Im Übrigen trug der sogleich, nach einem Moment der Atemlosigkeit sogleich wieder einsetzende Gang der Dinge in meiner Familie dazu bei, dass die Bedeutung dieses Ereignisses auch nicht durch den ein halbes Jahr später sich ereignenden Tod meines Großvaters klarer werden konnte, zumal meine Großmutter ein Testament gemacht hatte, das einen Erbstreit in das Verhältnis zwischen meiner Mutter und ihren Kindern hineintrug, weil sie in der genealogischen Linie übergangen worden war und die Unverfrorenheit hatte, gegen ihre Kindern nun zu Prozessieren, eine Reaktion, an der meine Großmutter, ihre Mutter sie wohl meinte mit Rücksicht auf die soziale Konvention hindern zu können, aber das geriet eben zu einer der Demonstrationen, die meine Mutter dann parat hatte, um zu zeigen, was sie von sozialen Konventionen hielt, wenn sie den Eindruck hatte, man umstelle sie damit um sie im Sinne der Pläne anderer zu disziplinieren: Sie ging offensiv über Tisch und Bänke.
Dort habe ich das wohl gelernt, es war ja auch nicht die einzige derartige Demonstration, und zu anderen dieser Art habe ich ein zwiespältiges Verhältnis, wie es ja überhaupt ein Problem bleibt, auch und gerade wenn man sich bewusst und vorsätzlich dazu entschließt, Konventionen, deren guten Sinn man kennt, zu verletzen um sich zu behaupten. Dennoch ist es u. U. besser als der sich alternativ dazu anbietende Selbstmord, der die Verletzung einer sozialen Konvention gegen das eigene Selbst wendet, was zunächst sinnlos erschienen muss. Wenn man doch schon Konventionen verletzt, dann wenigstens im Dienst der Selbsterhaltung und nicht im Dienst von Interessen anderer, die einen gerne abschaffen wollen, aber selbst den Mut zur unmittelbaren Tat nicht haben und deshalb Umwege wählen, um, ihre Ziele im Rahmen der Konvention dennoch durchzusetzen, indem sie anderen die Empfehlung zum Selbstmord suggerieren, eine Technik, die analysierbar ist und durchaus auf einen soziologischen Begriff gebracht werden kann, ebenso wie auf einen psychoanalytischen. Die Fluktuationen, in denen dieses Motiv bzw. dieser Impuls hin und her geschoben wird, sind der Beobachtung so zugänglich wie andere vermeintlich persönlichkeitsbezogene Effekte. Darüber hinaus ist der Effekt dieser Verteilung nicht an ein bestimmtes Erscheinungsbild gebunden und kann in ganz unterschiedlicher Art zutage treten. Das Geheimnis der Transsubstantiation hat nicht nur theologische Bedeutung. Eher ist es umgekehrt: Die theologische Bedeutung ist nur eine der denkbaren sozialen.
Das ist aber hier Nebensache. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du nicht traurig bist. Denn die Trauer betrifft ja nicht nur den Toten, mit dem jetzt keine Verständigung mehr möglich ist, ein Faktum, das jetzt viel strenger und endgültiger gilt als wenn man sich einer Situation gegenüber sieht, in der Verständigung jeweils im Moment und auch in der Vergangenheit misslingt bzw. misslungen ist, während doch jeder Gesprächsversuch unvermeidlich einzig dann Sinn macht, wenn man sogar kontrafaktisch davon ausgeht, dass sie in der noch offenen Zukunft, beim nächsten Mal also gelingen könnte. Diese Aussicht, die selbst dann unvermeidlich leitend bleibt, wenn man belehrt ist über ihre antizipierbare Unwahrscheinlichkeit, ist mit dem Tod endgültig abgeschnitten, und mit ihr natürlich auch die gegen alle Wahrscheinlichkeit in jedes Gespräch oder seine Vorwegnahme eingehende positive Erwartung. Selbst endgültige und besiegelte Trennungen können sich der Bedeutung des Todes in dieser Hinsicht nur annähern. Es ist das Wissen um die Tatsache des Todes, die zur Bilanzierung zwingt.
Ich weiß nun nicht, wie Du das erlebst und artikulieren würdest. Aber davon unabhängig habe ich einen Eindruck davon was geschieht: Der Tote geht als seelische Repräsentanz, technisch gesprochen in die eigene Seele über. Er wird ein Teil von ihr. Das ist dann sogleich auf eigenartige Weise kompliziert, denn mit diesem Übergang geht auch die Art und Weise, in der der/die Tote im Gespräch, solange es dauerte, eine Repräsentanz des eigenen Selbst, wie immer man das für falsch, verzerrt gehalten haben mag, mit in den Bestand der eigenen seelischen Repräsentanzen über. Man findet sich also mindestens doppelt, einmal so wie man sich selbst sieht, und dann so, wie man meint, dass einen der/die Tote gesehen haben muss, ein ‚Bild’, eine Imago, das/die man aus der eigenen Erinnerung an die als bedeutsam eingestuften Äußerungen des/der Toten bezieht, das also auch eigentlich eine Reflexion ist, eine Selektion des vermeintlich Signifikanten aus der eigenen Wirklichkeit darstellt, die einem nun als Moment dessen erscheint, wie die Tote als Person in der eigenen Erinnerung hinterbleibt, als endgültiges, wenn auch in verschiedenen Beleuchtungen je anders erscheinendes lebendiges Bild.
Der Umstand, dass man selbst gespalten, verdoppelt erscheint, einmal gewissermaßen als Einschluss in ein inneres Objekt, das die Erinnerung nicht einfach konserviert, sondern das sich im Verlauf der Zeit, die qualitativ die eigene Biographie bestimmt, auch verschiebt, und dann als Selbstobjekt, das damit in einem von der Geschichte der Kommunikation mit dem Anderen gezeichneten Sinn konturiert ist, und der mehr oder weniger deutlich empfundene Widerspruch, der sich auftun kann zwischen diesen beiden Imagines, erzwingt nun einen inneren Dialog der verschiedenen Imagines, in den dann natürlich auch das umfassende, aber auch lebendige Bild der Person als Ganzer, die dieses dem eigenen Selbstbild mehr oder weniger entsprechende Bild als Teil ihrer selbst mit kommuniziert hat, mit eingeflochten wird, so dass der innere Dialog schließlich das Ganze dieses komplexen Gefüges zu bearbeiten beginnt und mehr oder weniger signifikante Verschiebungen, einen Ausgleich anstrebt oder stabile Verhältnisse herzustellen bestrebt ist, die durchaus verschiedene Facetten zeigen können, so wie sich Ordnungen verschiedener, aber prinzipiell ähnlicher Art ergeben, wenn man ein Kaleidoskop dreht: Eine Ordnung kann dann jeweils unvermittelt in eine andere Anordnung umkippen, ohne dass es einen wirklichen, fließenden Übergang zwischen ihnen zu geben scheint. Zwar zeigt die ‚Zeitlupe’ auch hier einen Prozessualen Übergang, aber der verschwindet gewöhnlich aus der Wahrnehmung, weil er nicht die Zwischenzuständen als nicht-signifikant ausgeblendet werden. Dennoch kann man wissen, dass ein Übergang existiert, weil alle Zustände in dem geschlossenen System miteinander durch eine Geschichte zusammenhängen, also einen ‚dynamischen’ Zusammenhang bilden, so wie die verschiedenen synchronischen Zustandsbilder einer Sprache durch ihre sich durch sie hindurchziehende Geschichte hindurchziehen, bis, sagen wir, eines schönen Tages aus dem Latein in Spanien das Spanische, aus dem in Gallien das Französische auftaucht usw. Das System bleibt also auch für die Aufnahme ganz neuer Elemente offen, und dadurch geht es über die Metapher des Kaleidoskops hinaus. Das aber nur am Rande, um wenigstens die Fallen einer misplaced concreteness (‚concrete’ heißt im Englischen auch ‚Beton’) auszuschließen, denen ich mich bewusst gegenüber sehe, indem ich das formuliere. Es mag andere geben, die ich jetzt übersehe. Falls sie Dir einfallen sollten bitte ich um Nachsicht im Namen dessen, was ich sagen wollte.
Ich bedauere es, wenn mir nicht literarisch ansprechendere Beschreibungen einfallen, aber die Literatur ist auch deswegen oft ungenau, weil sie Stilelemente älterer Art zu konservieren versucht, die ihrerseits Implikationen enthalten, die aus Traditionen und Wirklichkeitsvorstellungen stammen, die sich als nicht mehr haltbar erweisen haben und die daher ungeeignet sind zum Ausdruck eines Wirklichkeitsverständnisses, wie man es im zeitgenössischen Wissen findet, ohne dass sich ein Weg ergibt, es zu umgehen oder zu ignorieren. Das ist dann die Grenze des Geltungsanspruchs des jeweils vergangenen Stils, damit aber auch des literarischen Wirklichkeitsbegriffs und des oft missverständlich so genannten Menschenbildes.
Es ist möglich, dass ich versuche, den sonst unkontrollierbar durchbrechenden Anfall von Trauer in der Sprache so zu verteilen wie Du das tust im Ritual Deines Alltages. Ethnologisch gesehen gibt es da jedenfalls Entsprechungen und Substituierbarkeit, und dabei ist keineswegs festgelegt, was nun entsprechend einem Ursache/Wirkungs Schema den Vorrang beanspruchen könnte. Die Antwort darauf ist (in der Mythen- und Ritualforschung) die, dass ein Ursache/Wirkungs Schema hier nicht zur Anwendung kommen kann, das eine solche ‚Unterstellung’ einer Unterschiebung entsprechen würde, die den Zusammenhang zwischen Ritual (Handeln, Darstellung in Aktion) und Mythos (sprachlicher Darstellung) verzerrt, also zu falschen Folgevorstellungen führen muss. Das lenkt meine Aufmerksamkeit erneut auf die Bedeutung des Alltags als Form, und bringt mich auf den Gedanken, dass das unauffällig Alltägliche das eigentliche und immer wieder von der Soziologie und dergleichen immer wieder verfehlte geheimnisvolle ‚Objekt’ ist, und vielleicht ist das deshalb so, weil es gar kein Objekt ist, sondern ein unendlich komplexer Fluss, dessen Kompaktheit ein Schein ist, der sich bei genauerem Hinsehen in ein Bündel von vielfach ineinander übergehenden und dann sich wieder trennenden bzw. erneut als Entitäten konstituierenden ‚strings’ ist, so dass die kleinste Einheit dieses Gebildes eine Art von Faden ist mit Eigenschaften, die über die Tragfähigkeit der Metapher weit hinausgehen, weil sie sich nicht einfach überkreuzen und mit einander verflechten um sich dann wieder voneinander zu trennen, sondern weil sie ineinander über  und wieder auseinander hervorgehen, so dass der wichtigste Index der Zeitindex ist, und die ‚Identität’ der Entität, die ein solcher ‚Faden’ dann wäre, sich aus einem Konstruktionsprinzip ergibt, das ich erst noch untersuchen muss. Und dieser Faden hätte dann zwei Erscheinungsformen, je nachdem wie man ihn betrachtet, nämlich die sprachliche und die Handlungsseite, bzw. den ganz buchstäblich zu nehmenden sprachlichen und den Handlungs-Aspekt, so wie die Materie der Physiker einen Wellen- und einen Teilchen Aspekt hat. Die Quellen der Sprache und es Handelns wären dann dieselbe, sie hätten also eher eine ihnen beiden gemeinsame ‚Ursache’, und damit läge das was hier ‚Ursache’ heißt, nicht in derselben Ebene wie Sprache und Handeln, und stünden damit auch nicht selbst in einem so oder so gedachten Ursache/Wirkungs-Verhältnis.
Wozu soll das nun gut sein? Nun, zunächst ist es so, dass ich bisher ‚intuitiv’ und dennoch, wenn das gerade Gesagte stimmt, dennoch unrichtig, Sprache und Handeln eher im Modus einer Hierarchie in einem Zwei Stufen Modell schematisiert habe, und wenn das so ist bzw. war, und das auch noch unrichtig, mindestens missverständlich ist, dann ist diese ‚Intuition’ jedenfalls auch eine Quelle u. U. schwerwiegender Missverständnisse, soweit das eine auf diese ‚Intuition’ gegründete Urteilsbildung betrifft. Denn ein etwa implizite vorausgesetzter Vorrang der Sprache als Träger für die Leistungen der Alltäglichkeit vor der Handlung – ein typischer Irrtum von ‚Intellektuellen’, von in einer bestimmten Bildungstradition erzogenen Menschen vielleicht – muss dann zu verzerrten Schlüssen führen. Das ist dann ein Anlass über ‚Schuld’ anders nachzudenken als im bloßen Modus einer beabsichtigten Verletzung von Regeln menschlichen Umgangs, insofern man hier dann kulturell typische, mehr oder weniger hoch organisierte und verbindliche, als wesentliche Kulturelemente verstandene ‚Lernprozesse’ und von der Kultur dem Individuum auferlegte blinde Verbindlichkeiten als Quasisubjekte entdeckt, wo man meint, persönliche Verantwortung auferlegen zu können ohne sich zu fragen, weil das gar nicht vorgesehen ist, dass hier eine Frage überhaupt auftauchen kann, ob das den Gegebenheiten auch wirklich entspricht. Und wo man eine Persönlichkeit vermutet, hat man es mit einem Agens zu tun, das sich als Kultur selbst auf seiner Oberfläche ausweist, damit wiederum seine Verbindlichkeit, während es sich gerade durch den Umstand, dass es dem Bewusstsein entzogen ist, aber unablässig in die Kommunikation und Interaktion eingeht nicht nur, sondern diese sogar strukturiert und determiniert, so dass die sich ergebenden Ketten ihre je ihnen eigenen und die ihnen gemeinsamen Wendepunkte und Peripetien eigentlich nach Art von streng determinierten und so gesehen auch voraussehbaren Resultanten haben (z. B. als Katastrophen der Kommunikation oder als u. U., also je nach aktueller Systemumgebung berührunslose Parallelen oder problemlose Verflechtung und Entflechtung, Überkreuzung, Verschmelzung und Gabelung usw.) während das damit befasste individuelle Bewusstsein sich vergeblich mit der ‚Rationalisierung’, also dem Problem der Intelligibilität, der Verständlichmachung dessen befasst, worein es mehr oder weniger verwickelt erscheint (wie z. B. dann etwa ein Richter oder ein Anwalt oder ein Angeklagter bzw. ein Opfer in einem rationalisierten Szenario so angeordnet werden, dass ihr Verhältnis zueinander präzise bestimmt werden zu können scheint, so dass z. B. jedenfalls der Richter und der Anwalt, ob er nun Ankläger oder Verteidiger ist, auf keinen Fall mit dem Täter auch nur auf die entfernteste Weise ‚identifiziert’ oder in ein Verhältnis gebracht werden könnte, das ihm eine Mitverantwortung für die Tat anlasten könnte, deretwegen der Angeklagte vor Gericht steht, ohne dass damit schon feststünde, dass er ihretwegen verurteilt würde, was wiederum nicht unbedingt gleichbedeutend damit sein muss, dass er sie auch verübt hätte.). Man kann sehen, dass selbst in diesem schon stark auf bestimmte Absichten hin strukturierten Schema des ‚Prozesses’ als einem Schauspiel oder Drama die Verhältnisse noch recht komplex sind. Das ist aber nichts gegen ein System, in dem sämtliche ‚Rollen’ letztlich in einer ihnen gemeinsamen Wurzel konvergieren und der gesamte Prozess nur vorstellbar ist, wenn man ihn als aus dieser Wurzel hervorgehend von vornherein betrachtet. Man kann das auch theologisch ausdrücken: Was wenn Gott mit dem Akt der Schöpfung auch für alle Folgen dieser Handlung verantwortlich zu machen wäre? Anders gesagt: Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn das Weltmodell, das sich aus einer Wurzel kommend in die Aspekte der Handlung und der Sprache und so in einen Prozess übergeht, in dem die miteinander auf alle denkbar möglichen Arten und Weisen miteinander interagierenden, ineinander übergehenden und auseinander hervorgehenden ‚strings’ in einem geschlossenen Universum Prozessieren, dem gegenüber es keine zugängliche Transzendenz gibt, keinen vorstellbaren und logisch verständlich zu machenden ‚äußeren Einfluss’?
Der Ausschluss einer solchen Größe ergibt sich aber zwingend deshalb, weil sie auf eine Hierarchie endlos ineinander geschachtelter Prozesse und MetaProzesse führen müsste, und endlich auf eine Reihe von Möglichkeiten, die diese Problematik ins Unübersichtliche komplizieren (Denn warum sollten nur die unmittelbar übergeordneten Prozesse auf die jeweils direkt unterhalb von ihnen in einem eigenen Hyperstring zusammenhängenden einwirken können?) so dass sie auf keine Weise logisch oder theoretisch sinnvoll und rational darstellbar wäre. Dabei kann man getrost zunächst außer Acht lassen, dass die Welt als Hyperprozess von ‚strings’ sich nach dem gedachten Modell davon nicht unbedingt richten muss. Das ist ja als Kontingenz der Antizipation bekannt. Es kann immer auch anders kommen und das verweist auf den Hiatus zwischen Welt als Wirklichkeit und Welt im gedachten Nachvollzug oder der Antizipation. Es verweist aber nicht auf den Vorrang der Handlung gegenüber dem Denken.
Ich kann nicht behaupten, im Voraus schon gewusst zu haben worauf das führen würde. Vielmehr habe ich mich in dem Geflecht dieser Gedankengänge einfach dem Gang der Dinge überlassen, bin also jeweils den Gabelungen gefolgt, die sich auftaten und bin dabei durch eine Menge mir flüchtig auch bewusst werdender Lektüreeinflüsse hindurchgewandert bis ich auf einmal auf das Ergebnis stoße, eine Art Lichtung, meiner Empfindung nach, oder eine Art Knotenpunkt. Wenn man das Ergebnis nämlich benennen will, dann besteht es darin, dass die Trauer zunächst die Seele dessen um den man trauert in die eigene hinüber nimmt und ihr dort einen Platz einräumt. Technisch gesagt: Die Projektions  und Übertragungsfläche, die der/die Lebende jederzeit scheinbar jenseits der Grenzen der eigenen Welt darstellte, wird plötzlich ‚entleert’, verschwindet, und damit verschwindet der damit verbundene Schein, es habe sich dabei um eine Entität außerhalb der eigenen Welt gehandelt, der sich mit einer gewissen Legitimität an dem Umstand festmachen lässt, dass die die Realität eigener Art darstellende Repräsentanz einer ‚lebenden Person’ mit dem Index ‚kontingenter Antizipationen’ versehen war: Es mochte immer auch anders ausgehen als man antizipierte, und dies auch unter Einberechnung des Wiederholungszwangs und derartiger ‚Größen’. Und indem dieser Index entfällt, wird die Imago, die Repräsentanz der Person zu einem rein immanenten Phänomen, das den Index des Todes, des Übergangs der vorherigen Identität der als äußeres Faktum, als äußerer Prozess vorgestellten Repräsentanz in eine rein immanente an sich trägt, als sozusagen allgemeines Vorzeichen, das den Charakter und die Eigenart der Art der Realität zusammen mit dem Index des Zeitpunkts des Übergangs aus der einen – transzendenten – in die immanente Form hat, dessen Merkmal eben erlebt wird als ‚Tod’ der Person, auf die sich die Repräsentanz als ihr Signifikat nach wie vor bezieht. Was sich verändert hat ist also der Signifikant.
Damit entfällt aber die Möglichkeit, die die Eigenart der ‚Projektion’ ausmacht: Man kann nun nicht mehr sagen: „Warum hat sie mich nicht verstanden, warum hat sie mich nicht lieben können, warum war sie nicht mit mir einverstanden?“, sondern ich muss nun zu mir selbst sagen: „Warum habe ich mich – auf dem Umweg über die Kommunikation mit ihr – nicht verstehen können, warum habe ich mich nicht lieben können, warum war ich nicht mit mir einverstanden?“, und ebenso gilt dies alles für das Aktiv: „Warum konnte ich sie nicht lieben während ich es doch wollte?“ geht über in – und hier wird es wirklich furchtbar: „Warum konnte ich sie nicht lieben und habe mich deshalb selbst gehasst?“ usw., also alles Sachverhalte, die nunmehr der Möglichkeit der Projektion und des Objekts beraubt sind, bzw. der Möglichkeit der Projektion, soweit sie abhängig gewesen ist von dem Index, der die Person, Deine Mutter als Person in einer ‚äußeren Realität’ meinte ansiedeln zu können – eine Projektion, deren ‚Recht’ und Anspruch’ sich aus bestimmten Aspekten des ‚Realitätsprinzips’ ergibt, insofern es den Organismus mittels des Selbsterhaltungsimpulses in einer bestimmten Art und Weise disponiert, was die Reaktionsbereitschaften betrifft, und eines der Ergebnisse dieser Disponierung ist eben die Schematisierung, die den Unterschied zwischen ‚äußeren’ und ‚inneren’ Objekten zum Resultat haben muss, damit der Organismus von der Umgebung und anderen Organismen einerseits, und bloße Vorstellungen bzw. Erinnerungen von der aktuellen Wahrnehmung der ‚Außenwelt’ unterschieden werden können – während ihre Repräsentanz qua Repräsentanz eo ipso Teil der Weltimmanenz seit je war, nur mit dem Index, ein ‚äußerer string’ zu sein, mit dem Vorhalt kontingenter Antizipation.
Mit dem Übergang in die reine Immanenz wird alles vermeintlich Fremde und Entgegenstehende Teil des eigenen Selbst und damit wird die Abspaltung des Anderen wo nicht aufgehoben, so jedenfalls unmöglich deshalb, weil es zu einer falschen Ordnung und damit zu einer Persönlichkeitsdeformation führt. Die Trauer betrifft den Umstand, dass man zugleich mit der Einsicht in den Zusammenhang erkennen muss, warum man um die Verkennung der Wirklichkeit zuvor unter dem Diktat des Realitätsprinzips nicht herumkam, und zugleich den Umstand, dass der derart entstandene ‚string’, der die scheinbar fremde Person, ein enges und nahes Mitglied der Familie zumal, der man lebensgeschichtlich angehört, weil jedes Lebensstadium – außer in der öffentlich gepflegten Irreführung durch die Unterhaltungsindustrie – einmalig und bestimmt ist als Abschnitt in dem gesamten LebensProzess unter den Bedingungen seiner äußerst begrenzten Endlichkeit, so dass die ‚äußeren Veranstaltungen’, wie räumliche Trennung, Scheidung etc. hier gar keine signifikanten Veränderungen herbeiführen können, sondern nur u. U. fatale oder als Entlastung erlebte Folgen von Projektionsvorgängen in bestimmte, mehr oder weniger nach dem Lustprinzip sich organisierende Konstellationen in dem Abschnitt des raumzeitlichen Kontinuums darstellen, die im Rahmen eines Daseins unter dem Diktat der organischen Existenzbedingungen immerhin möglich sind. Auch diese Konstellationen haben das Schicksal aller anderen als ‚äußere strings’ unter dem Gesichtspunkt der kontingenten Antizipation schematisierten Prozesse.
Trauer, das ist also genau der Vorgang, der die mögliche Einsicht in diese Zusammenhänge eröffnet. Der Ausgang steht damit nicht fest, denn die Einsicht, deren Möglichkeit sich hier eröffnet kann auch verweigert werden, man kann ihr ausweichen. Außerdem habe ich das was mir zugänglich ist nicht anders beschreiben können als unter dem mir zugänglichen Gesichtswinkel, also als Person, die ganz anders situiert ist in dem Gefüge als Du es bist. Denn alles das wird enorm kompliziert, wenn es sich dabei um die Mutter handelt und zwar um die Mutter einer Frau, die eben von dieser Mutter geboren und begleitet wurde während sie heranwuchs, die als Mutter also die Frau war, als sie ihre Tochter zur Welt brachte, die diese Tochter nunmehr selbst noch ist, indem sie in die in ihrem entsprechenden Lebensabschnitt gemäß den allgemein geltenden Reifungs-  und Wachstumsvorgängen in ihre Reichweite tretende Aufgabe in der Generationenkette hineinwuchs und sich darin so oder so situierte. Auch hier sind ja verschiedene Einstellungen zu dem so oder so Gegebenen möglich und sie sind ja auch in den verschiedenen Töchtern dieser Mutter auf verschiedene Weise repräsentiert.
Ich werde nicht versuchen, diese Komplexionen zu beschreiben. Es liegt ja auch keine Sprache dafür vor, und das, was dafür vorliegt ist angesichts seiner technologischen Primitivität als menschenverachtende Vereinfachung einzustufen, also nicht anwendbar. Sein Zustand entspricht der Geringschätzung von Menschen – als billige Nutztiere in einer Profitwirtschaft – gegenüber der Hochschätzung der aufs Ganze der menschlichen Existenz über die Bedeutung eines Ensembles von bloßen Hilfsmitteln meist überaus zweideutiger Art nicht hinaus gelangenden Technik und Technologie. Wer wollte schließlich im Ernst behaupten, es sei ein wesentlicher Fortschritt, wenn ein Familienmitglied statt in einem der üblichen Kriege, Hungersnöte oder Epidemien oder Krankheiten anderer Art umkommt, oder dass es ein Fortschritt sei, wenn ein Familienmitglied nicht in einem Postkutschen , sondern in einem Autounfall umkommt?
Ich könnte jetzt noch weiter auf die Umstände verweisen: Nicht, dass die sozialen Verhältnisse ungünstig wären, sondern dass die durcheinander gerieten, während sich die zuständigen Wissensformen in unerträglichen Vereinfachungen verloren, die fatal werden mussten für die, die sich in diesen Verkennungen, weil sie sie brav gelernt hatten, einzurichten versuchten. Nicht, dass alles durcheinander geraten ist, sondern dass das Wissen darüber erst gar nicht den Weg zu sich selber fand und findet.
Schon, dass wir uns überhaupt begegneten, ist Teil und Resultante einer furchtbaren Tragödie, die sich auf je andere Art und Weise in meiner und in Deiner Individualität zu dem Zeitpunkt als sich die beiden Linien zum ersten Mal überschnitten schon im Übermaß auf je ihre Weise vollendet waren, abgeschlossene Prozesse, deren Resultat Du und ich waren, und diese beiden Resultate verbanden sich zu einem neuen Anfang – einem erneuten und ganz unvermeidlichen Schicksalsdrama. Die literarischen Vorlagen sind allgegenwärtig und bekannt, wo man das Bewusstsein noch dafür bewahrt hat, dass wir den Anspruch darauf hatten zur Menschwerdung zugelassen zu werden, in einer von Mördern und Rasenden bevölkerten Erwachsenenwelt, in der es buchstäblich niemanden gab und geben konnte, der nicht in jeder denkbaren Hinsicht verrückt sein musste. Das wäre das Einfachste und Verständlichste gewesen, was man uns hätte sagen müssen, wenn es noch einen zu Ehrlichkeit und vor allem zu einer vernünftigen Selbst  und Realitätseinschätzung Fähigen Menschen gegeben hätte oder hätte geben können. Wie soll ein einfacher Mensch von der Art Deiner Mutter jemals dazu fähig geworden sein, sich selbst und ihre Kinder, die Zwänge in die sie unvermeidlich gerieten auch nur vorauszusehen, geschweige denn dann ohne Verzweiflung an sich selbst zu beurteilen, und damit zu einer gerechten Beurteilung ihrer selbst und ihrer Nachkommen gelangen? Wer sollte sie denn dazu befähigt haben. Hätte Dein Vater die Geschichte noch erlebt, die Deine Mutter mit uns noch erleben (soll man sagen: durfte oder) musste, überhaupt ertragen? Meine Großeltern waren längst komplett irre geworden an der Welt, als sie starben. Mein Großvater wurde erzogen mit dem Bildungsbegriff des neunzehnten Jahrhunderts, in der Kaste des Privatlehrertums, aus dem auch Wilhelm Hauff, Jean Paul, Friedrich Hölderlin und Georg Wilhelm Friedrich Hegel stammen, und in Hessen erzogen, in Giessen, nahe Butzbach, aus dem Georg Büchner stammt, als mit Vorstellungen zugleich allgemeiner und lokaler Art (als Hesse), und die schon gekappt war um sein Ziel, die politische Herrschaft des Bürgertums, also um die Dimension einer Hoffnung auf eine demokratische Selbstverwaltung der bürgerlichen Gesellschaft, und nicht der kaiserlichen Bürokratie ärmer waren. Er wurde, als humanistisch Gebildeter, Angehöriger des Brotberufs des Juristen, kaiserlicher Notar und Rechtsanwalt, dann in der Weimarer Republik, dann im Dritten Reich, dann in der BRD. Jedes Mal wechselten nicht nur die politischen Verhältnisse ins immer Grässlichere (von der Kleinstaaterei zur Preußischen Oberherrschaft, mit dem Zwischenspiel Napoleons, an dem nachträglich alle zerschlagenen Hoffnungen nostalgisch sich anhefteten, zu dessen Untergang, zu einem elenden Zerrbild einer Demokratie, zu einem totalitären System und seinen Erben, die nur um die Krallen besser waren, die sie verbergen konnten weil ihre Besieger sie nun hatten, und neben dem zerbombten und kulturell zerstörten Land hatten sie die Trümmer ihrer Zukunft in der Gestalt des Schicksals ihrer Kinder unabweisbar vor Augen. Es ist kein Wunder, wenn ich die Lektüre von Schiller’s ‚Kabale und Liebe’ ebenso gelangweilt weglegte wie die ‚Minna von Barnhelm’ oder auch die Probleme von Goethe’s Faust in der Schule eher nebensächlich fand. Aber die gebildeten zuständigen Erwachsenen in meiner Umgebung fanden das ignorant und meinten an meiner ‚Begabung’ oder ‚Intelligenz’ zweifeln zu müssen. Die Tragödie war das ganz alltägliche Leben, und ich kann mir nicht helfen, es mag übertrieben wirken, aber ich sehe nichts anderes in Deiner Lebensgeschichte soweit sie mir korrekt bekannt ist. Und ich halte es für unwahrscheinlich, das ich noch etwas erfahren werde, das dieses Bild fundamental verändern könnte.
Ich dachte wir könnten uns zusammen retten, wenn wir nur zusammenhalten, und ich hielt das für selbstverständlich, weil sich nach aller vernünftigen Überlegung gar nichts anderes anzubieten schien als dies. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass uns die jeweilige Eigenart unserer je persönlichen Lebenstragödien mit derselben eisernen Konsequenz gegeneinander aufbringen könnte, mit der ich solche Zwangsläufigkeiten von Dichtern aufgezeichnet fand, und die ich immer so las, dass ich versuchte herauszufinden, ob die Personen nicht die Möglichkeit und die Fähigkeit, die Freiheit kurz gesagt hätten haben müssen, an Schlüsselstellen auch ganz anderes zu tun mit dem Resultat eines ganz anderen, nämlich der Katastrophe entgegen gesetzten Sinn. Oft sah ich die Zwangsläufigkeit nicht ein, und das brachte mich zu einem Zweifel nicht am Können der Literaten, sondern zum Zweifel an der Zwangsläufigkeit der Dramen derart, dass ich nicht einzusehen imstande war, hier eine sei es auch im jeweiligen Beispiel nicht angemessen dargestellte menschliche Realität, wenn nicht die Realität schlechthin, dann jedenfalls einen in Betracht zu ziehenden unausweichlichen und wesentlichen Aspekt dieser Realität zu erkennen, ganz unabhängig von dem Problem der gelungenen Durchführung seiner überzeugenden Darstellung. Stets schien mir jede solche Katastrophe vermeidbar vorausgesetzt nur ein wenig vorher bedenkende Vernunft. Es kommt mir so vor als habe ich vielmehr statt die Strukturen der menschlichen Realität zu erkennen, vielmehr an die Vernunft geglaubt. Aber auch das war nicht nur ein Mechanismus des Ungeschehenmachenwollens, den ich wohl an mir bemerke, also eine Verleugnung, sondern ebenso eine Dressur, die mir ausgerechnet von einer Generation von Erwachsenen beigebogen worden war, die, wenn man es im Nachhinein in Betracht zieht, über mehrere Generationen hin keine Spur davon zeigte und deshalb nicht anders verstanden werden kann als eine Bande von vorsätzlichen Betrügern, die ihre Position als Erwachsene vorsätzlich missbraucht hat um einen gegen jedes gebotene Selbsterhaltungsinteresse, wie es die Grundlage von Familie und Nachkommenschaft bildet außer Acht gelassen haben und sich zu Knechten einer in der Form des Staates und des Berufsbeamtentums sich zusammenrottenden organisierten Verbrechens herzugeben, das sie im Auftrag stellvertretend an den ihnen per Gesetz, also unter Zwang ‚anvertrauten’ Zwangsklienten willig begingen, wenn sie dafür nur bezahlt und verbeamtet wurden.
In diesem Resultat ist meiner Ansicht nach der moderne, säkulare Staat bereits historisch gescheitert, und zwar längstens mit dem Ausgang des zweiten Weltkrieges. Alles Weitere ist nur erzwungene Fortschreibung der organisierten Gewalt, die sich gerade anschickt, sich selbst den Rest zu geben, indem sie sich zum globalen demokratischen Totalitarismus ausweitet, um die Biomasse des Homo sapiens in eine bisher historisch nie da gewesene Gefangenschaft ohne Aussicht auf eine andere Zukunft als die von Stalltierexistenzen unter dem Verhängnis sich verkappender Lebensmöglichkeiten abzuführen.
Wie sollte es einen Weg von diesem Ergebnis einer komplexen Reflexion auf die Geschichte der Hochkulturen und ihre mögliche Zukunft als globaler Einheitsstaat unter US-Diktat geben zurück zu der Welt, in der Deine Mama im Jahr 1920 zur Welt kam und aufwuchs. Es bricht mir das Herz, diesen Abgrund sich in meiner eigenen Seele nun ganz sich öffnen zu sehen und mich vor die Aufgabe gestellt zu sehen, ihn zu überbrücken, wo nicht solange sie als Person lebte, dann als in mir, in meinem Geist plötzlich sich auftuender Widerspruch. Ich verzweifle an dieser Vorstellung und dem damit verbundenen Gefühlen, weil sie mir nun ganz unmissverständlich klarmachen, dass es dies war, was uns trennte und verhinderten, dass wir uns gegenseitig einzugestehen vermochten, dass wir uns beide danach sehnten uns zu verstehen und einen Zugang zueinander zu finden. Die von Dir mit einer gewissen Verlegenheit berichtete Beobachtung von Rahel, dass sie an der Treppe stand und meinen Vornamen rief, so als befände ich mich ‚oben in meinem Zimmer’, in dem sie mich doch auch ‚für Tage verschanzt’ wähnte, ist ein Hinweis darauf, und als Du es mir erzählt hast, war ich viel zu verstellt durch andere Berichte, die mir sagten, dass sie sich fürchtete, oder von meiner Antizipation, dass sie sich ihrerseits hinter ihrer abweisenden Art verstecken und mich kränken würde, um darauf reagieren zu können. Wie immer man ihre letzten Lebensmonate aber betrachtet, auch aus der ‚kurzen Distanz’, die immer belastet ist von Alltagssorgen und unmittelbaren Zwängen, die Ungeduld nur zu wahrscheinlich machen, so ist doch dieses Ereignis ein Beweis dafür, dass sie tatsächlich auch noch die Seele des kleinen Mädchens irgendwo versteckt hatte und am Leben erhielt, das sich einen Spielkameraden vorstellen kann, mit dem es sich verträgt. Und es ist unendlich schade, dass ich darauf nicht zu reagieren vermochte, und es ist keine Entschuldigung, wenn ich mich dafür auf andere aktuelle Störungen berufe, die in dem ganzen Gefüge so dominant waren zu dieser Zeit, dass das eben vereitelt wurde. Denn jetzt ist eben auch dieses Versäumnis ein Teil von mir selbst, und dagegen helfen keine Einwände. Stattdessen befürchte ich, dass alles so weitergehen könnte und sich weiterhin Erinnerungen der furchtbarsten Art in meiner Seele mit jeder weiteren Begegnung aufeinander häufen zu unübersehbaren Leichenbergen versäumter und verdorbener Möglichkeiten, es anders zu machen, so wie es mir immer bei meiner großartig daherkommenden kritischen Betrachtung der mir vorgelegten Dichtung getan habe. Verblendung ist das wesentliche Motiv der Tragödie. Und Unglück ihre Ausgeburt. Und Trauer der Hinterbliebenen das Mindeste, in das all dies umgewandelt werden sollte, damit es in einer weiteren Umwandlung übergehen kann in eine bessere Einsicht, die einer möglichen Zukunft dienen kann, indem sie die Vergangenheit versteht.
Ich weiß nicht mehr zu sagen um Dir mitzuteilen, wie sehr mich der Tod Deiner Mama betrifft und in der Hoffnung, dass Du verstehst, was ich Dir zu sagen versuche. Natürlich schwankt alles, aber das ist so, anderes kann ich nicht.
Es gibt in der ethnologischen Literatur den Bericht, dass in bestimmten Kulturen nur eine einzige Bezeichnung existiert, die zugleich die Großmutter und die Enkelin bezeichnet, während ihre Unterscheidung nur auf der Ebene der Benennung des Individuums, also mittels des Eigennamens möglich ist. Es ist deshalb ganz schön zu wissen, dass eine der letzten bewussten Kommunikationen zwischen Sarah und Deiner Mutter stattfand. Und in ihr habe ich einen sehr freundlichen und liebevollen Spielkameraden. Und ich habe sie als Erste angeschrieben und mich viel mit ihr beschäftigt, als ich die DVD mit den Filmaufnahmen gemacht habe nach meiner Rückkehr von W. nach D. am Sonntag.
A.
P.S.: Ich habe nicht Korrektur gelesen. Es erschien mir irgendwie unangemessen, an den Formulierungen zu ‚feilen’. Sei also nicht ungeduldig, wenn Du auf den einen oder anderen Fehler stößt.

Zweiundvierzigster Traum:

Traum am frühen Morgen des Sonntag, 17. September 2006

Ich habe meinen eigenen Tod geträumt. Und war uralt und verwelkt. Ich hatte nur noch ein paar winzige Goldzähne ganz weit hinten im Mund, schon fast im Rachen und ich meine, Sarah gebeten zu haben, sie herauszunehmen, ob erst im Fall meines Todes oder schon vorher ist mir nicht klar. Es war eine schwierige Operation, obwohl sie herausnehmbar waren, und ich musste es einer weiblichen Person lange erläutern. Ich meine, sie sei sehr jung gewesen, etwa zwanzig oder fünfundzwanzig, und wir hätten kurz vor meinem Tode noch geheiratet. Ich hatte zugleich das Gefühl Annegrets Mutter und meine eigene Mutter zu sein, oder wenigstens im mir vor Augen stehenden Alterszustand von Annes Mutter. Das hat mich glücklich gemacht und war gleichbedeutend mit dem Gefühl nicht so einsam zu sein (wie ich fürchte zu sein, wie ich meine, dass Annegrets Mutter gewesen sein muss in den letzten zwanzig Jahren ihres Lebens. Zugleich war ich aber auch Annes Mutter, die gerade erst, am 29. August 2006 gestorben ist. Ich starb aber nicht so einsam wie ich meine, dass sie starb, ohne dass jemand ihre Hand gehalten hätte). Das ist wohl nicht richtig, Anne war bei ihr. Es sagt mehr über mein Schuldgefühl darüber, dass ich nicht auch bei ihr war als sie starb. Als ich erwachte, erschien mir der Traum ungemein detailliert und szenenreich. Jetzt bleibt ein irgendwie armseliges Residuum davon zurück, eben der Leichnam, der dann begraben wird. Der Tod erschient mir derart in einem zweifachen Sinn als Beraubung, einmal, indem er den Körper seiner ‚Seele’ beraubt, seines Lebens, und dann, indem er die Anderen, die der Tote hinterläss ohne sie trösten zu können über seinen Tod, eben um das Leben bringt, das diesen Leib verlassen hat.
Alle Worte sind vergeblich, alle Kämpfe sinnlos, alle Unternehmen gegenstandslos, aller Sinn eine leere Geste, Gebärden eines Versuchs eines Schiffbrüchigen oder eines in der Wüste Verirrten, jemanden irgendwo im Weltall durch aufgeregtes Winken und auf und ab hüpfen auf sich aufmerksam zu machen, während man auf dieser Kugel an ihm vorüberrast. Gesten eines Willens, der mehr will als jeder Impuls zur Selbstbehauptung jemals zu erreichen vermag.
Wir sind wie aufgeblasene Luftballons mit unverschlossener Öffnung, die jemand, der sie zunächst zuhält, aus der Hand gleiten lässt. Die irre Aufführung lässt uns einen Augenblick lang in einem wahnwitzigen und ziellosen Zickzack auf einer aberwitzigen Bahn durch die Luft sausen und dann fällt die leere Hülle schlapp zu Boden wie ein welkes Blatt im Wind des Frühherbstes.
Wäre ich doch schon lange tot, nein: nie geboren!
Ich habe den gestrigen, ungemein schönen und sonnigen Tag mit einem ungeheuren Blödsinn verbracht, aufgrund von möglichen Missverständnissen im Zusammenhang mit einem Telefonvertrag, den ich Sarahs wegen abgeschlossen habe. Heute ist es grau und unfreundlich und ich habe erneut gegen besseres Wissen einen Tag meines Lebens verschenkt, eingetauscht gegen Blödsinn. Ich habe so viele Tage mit diesem Unsinn verbracht, gegen besseres Wissen und mit einem unsagbaren Gefühl der Verzweiflung im Herzen, im Bewusstsein einer gegenstandslosen Verschwendung, zu der mich dennoch etwas unwiderstehlich nötigte. Ich bin so traurig über diese Automatismen. Sie haben das Verhältnis zu meinen heranwachsenden Kindern täglich vergiftet, und ich war vor Verzweiflung oft außer mir, ohne es ändern zu können.
Es war mir einfach nicht möglich, mich mit ihnen zusammenzutun und ohne ein Gefühl einer anderen zwingenden Verpflichtung folgen zu müssen, an unserem Zusammensein zu freuen. Unablässig traten mir zwingende Gedanken an andere, ‚wichtige’ Dinge vor Augen, die ‚der Mann zu tun hat im Leben’. Zugleich packte mich ein unsagbares Grauen angesichts des Bewusstseins, dass diese Tage nur zu bald vorbei sein würden für immer und dann vor meinem Auge stehen würden als Versäumnisse, als Irrsinn. Was ich nicht ertrug war das sich mir nähernde Gefühl eines unsagbaren Glücks, dass mir etwas gelungen war, was ich mir gewünscht hatte: Solche Kinder zu haben und sie aufwachsen sehen zu können, zugleich mit dem unsagbar traurig machenden Gefühl, dass mein Leben vergehen würde wie diese Tage, um dann zu versinken im Dunkel des Alters.
Ich frage mich, ob dies alles tatsächlich unausweichlich so empfunden werden muss, einem inneren Zeitgefühl entspricht, das der Zeit einen Index, eine Farbe und ein Licht verleiht, das jedem Lebenszeitpunkt eigentümlich ist?
Langsam neigt sich der Bogen des Sommers seinem Ende entgegen. Und der Tod hat sich bereits am Ende des August unzweideutig angemeldet. Es ist, als seien zugleich meine Großmutter und meine Mutter gestorben, aber einmal vedsammeln sie sich alle, um mir vor Augen zu führen, dass auch mein Leben seinen späten Nachmittag erreicht hat, spätestens seit 'Tante Leni's To im Sommer 2006, als mich im sich neigenden Jahr eines wunderbaren, einzigartigen Sommers, dem nur jener vergleichbar ist, in dem im Garten die Fruchtbäume zum Teil zu brechen drohten unter der völlig überraschenden unglaublichen Last der Früchte, Äpfel und Birnen in einer Fülle, die ich nie zuvor und nie danach mehr erlebt habe, während dieser im Gegensatz dazu lang, heiß und trocken war, und ich mit den erblühenden Blumen, zu denen meine Töchter geworden waren, so viel wie nie mehr seitdem zum Baden ging am See. Es sind die Erinnerungen an zwei einzigartige Sommer, die eine namenlose Sehnsucht weckten nach Leben und Glück, indem sie es zugleich versprachen und vergehen ließen.
Müllers Abschied.
Mündlich.

Da droben auf jenem Berge,
Da steht ein goldnes Haus,
Da schauen wohl alle Frühmorgen
Drey schöne Jungfrauen heraus;
Die eine, die heißet Elisabeth,
Die andre Bernharda mein,
Die dritte, die will ich nicht nennen,
Die sollt mein eigen seyn.
Da unten in jenem Thale,
Da treibt das Wasser ein Rad,
Das treibet nichts als Liebe,
Vom Abend bis wieder an Tag;
Das Rad das ist gebrochen,
Die Liebe, die hat ein End,
Und wenn zwey Liebende scheiden,
Sie reichen einander die Händ.
Ach Scheiden, ach, ach!
Wer hat doch das Scheiden erdacht,
Das hat mein jung frisch Herzelein
So frühzeitig traurig gemacht.
Dies Liedlein ach, ach!
Hat wohl ein Müller erdacht;
Den hat des Ritters Töchterlein
Vom Lieben zum Scheiden gebracht.
Aus: Des Knaben Wunderhorn (Achim v. Arnim, Clemens Brentano (Hgg.)

Liebe Annegret, Montag, 9. Oktober 2006

Tod, Trauer, Magie und Kultur

Zunächst zwei Zitate und eine Phantasie, dazwischen einige Assoziationen und Überlegungen, dann drei ergänzende und weiterleitende Zitate (zum Ausgleich der Balance):

1.) „Seit Cannons Arbeiten sieht man klarer, auf welchen psychologischen Mechanismen die Todesfälle durch Beschwörung oder Verhexung beruhen, die in zahllosen Gebieten der Welt bezeugt sind: ein Individuum, das sich bewusst wird, Objekt einer Verhexung zu sein, ist aufgrund der feierlichsten Überzeugungen seiner Gruppe zutiefst überzeugt, dass es verdammt ist; Verwandte und Freunde teilen diese gewissheit. Von da an zieht sich die Gemeinschaft zurück: man bleibt dem Verdammten fern, man verhält sich ihm gegenüber, als sei er nicht nur bereits tot, sondern ein Gefahrenherd für die ganze Umgebung; bei jeder Gelegenheit und durch alle Verhaltensweisen legt die Gesellschaft dem unglücklichen Opfer den Tod nahe, das dem, was es für sein unvermeidliches Los hält, gar nicht mehr entgehen möchte. Bald übrigens zelebriert man für es die heiligen Riten, die es ins Schattenreich befördern sollen. Der Verzauberte, zunächst brutal von allen gesellschaftlichen und familiären Bindungen abgeschnitten, ausgeschlossen von allen Funktionen und Betätigungen, durch die das Individuum sich seiner selbst bewusst wird, dann diese aufs Neue beschworenen, so übermächtigen Kräfte wieder findend, aber nur, damit sie ihn aus der Welt der Lebenden verbannen, kapituliert nun vor dem vereinten Wirken des intensiven Terrors, des plötzlichen und totalen Rückzugs der vielfältigen Bezugssysteme, die mit dem Einverständnis der Gruppe geliefert werden, und schließlich vor ihrer entscheidenden Abkehr, die ihn schon zu Lebzeiten als Subjekt mit Rechten und Pflichten für tot erklärt, für ein Objekt der Ängste, Riten und Verbote. Die physische Existenz setzt der Auflösung der sozialen Persönlichkeit keinen Widerstand mehr entgegen.
Wie drücken sich diese komplexen Phänomene auf physiologischer Ebene aus? Cannon hat gezeigt, dass die Angst wie die Wut von einer besonders intensiven Tätigkeit des sympathischen Nervensystems begleitet wird. Diese Tätigkeit ist normalerweise nützlich, da sie das Individuum instandsetzen, sich einer neuen Lage anzupassen. Wenn aber das Individuum über keine instinktive oder angelernte Antwort auf eine außerordentliche Situation oder das, was es dafür hält verfügt, erweitert sich die Tätigkeit des Sympathicus und gerät in Unordnung und kann zuweilen binnen weniger Stunden eine Verminderung des Blutvolumens und ein damit zusammenhängendes Absinken des Blutdrucks bewirken, mit dem Ergebnis nicht wiedergutzumachender Schädigungen der Kreislauforgane. Die Zurückweisung von Essen und Trinken, die bei Kranken häufig ist, welche intensiv Angst empfinden, beschleunigt diese Entwicklung, wobei die Entwässerung gleichsam den Sympathicus stimuliert, und die Verringerung des Blutvolumens durch die zunehmende Durchlässigkeit der Kapillargefäße noch fortschreitet. Diese Untersuchungen sind bestätigt worden durch die Untersuchung mehrerer Fälle, von Traumatismen, die auf Bombenangriffe zurückzuführen waren, auf Einsätze auf dem Schlachtfeld oder sogar auf ärztliche Operationen: der Tod tritt ein, ohne dass die Autopsie eine Verletzung feststellen kann.
Es gibt also keinen Grund, die Wirksamkeit gewisser magischer Praktiken in Zweifel zu ziehen…“
(Claude Lévi Strauss, Strukturale Anthropologie, Ffm 1967 (frz. 1958), Kapitel neun: Der Zauberer und seine Magie, S. 183f)
2.) „Der Tod eines Menschen ist zum Beispiel für die Indianer der Prärien im Westen der Anlass zu grenzenloser, unbeschränkter und anhaltender Trauer unter den Hinterbliebenen. Bei den Pueblo im Südwesten hingegen fordert es die Sitte, dass man den Verstorbenen so schnell wie möglich vergisst und keinerlei Aufhebens um ihn macht. Diese beiden Kulturen haben entgegengesetzte ‚Triebe’. Ruth Benedict bezeichnet sie mit den Begriffen Nietzsches als dionysisch und apollinisch. Eine dionysische Kultur ist gekennzeichnet durch Raserei und Exzesse, eine apollinische durch Maß und Ordnung. Die Ausübung der Religion, die Kriege und der Sex werden in beiden Kulturen so gestaltet, dass die entsprechenden kulturellen Triebe befriedigt werden. Demnach ist die Bedeutung und die Funktion dieser und anderer Institutionen in diesen beiden Kulturbereichen unterschiedlich. Die Variabilität aller kulturellen Züge ist nach Benedict ‚nahezu unendlich’“. (Abram Kardiner, Edward Pebble, Wegbereiter der modernen Anthropologie, Ffm., 1974 (engl. Erstausg. 1961), S. 214.

Das Zitat entstammt dem zweiten Teil des Buches, Die neue Dimension: Mensch, für die laut Vorwort Kardiner ‚besonders verantwortlich’ ist, (i. Gegensatz zu Teil eins: Die neue Dimension: Kultur.) Das Zitat ist kennzeichnend für den unverbindlichen Stil, in dem neben empirisch bedeutsamen Notizen bunt durcheinander gewürfelt Nietzsche (Europa, 19. Jh.), die Griechen (Balkan, 4. Jh. V. Chr.) und das pragmatistische und opportunistische Gerede (Wasch’ mir den Pelz, aber mach’ mich nicht nass! der us-amerikanischen cultural anthropology im Dienst der Innen  und Außenpolitik des Imperiums bereits ihr wissenschaftspolitisches Scheitern indiziert. Der darin erscheinende sogenannte ‚Relativismus’ ist gar keiner. Er ist die ganz und gar einheitliche Freihaltung der Option zu jeder Art von Gewalttätigkeit und Aggression sowohl gegenüber der Kultur als auch dem Menschen, dem Individuum so gut wie dem Ganzen. Seine letzte Grundüberzeugung ist der absolute Vorrang der Verfügung über alle Bestände nach Maßgabe des einzigen Interesses, das die ‚Kultur’ der USA hervorgebracht hat und unterhält, und das die Legitimation der rücksichtslosen Aggression gegenüber aller Kultur legitimiert: Das am Profit. Von Bedeutung ist die bezeichnete Differenz, die hier zunächst notiert ist, als eine von ‚Kulturen’.
Dazu ist ebenfalls symptomatisch: Howard Gardner, Dem Denken auf der Spur, Der Weg der Kognitionswissenschaft, Stuttgart 1989 (engl. 1985), darin die im Teil II, Kapitel 8 abgehandelte Verabschiedung der ‚Anthropologie’ zugunsten des von Gardner propagierten ‚Wissenschaftsfortschritts’, die ein Licht wirft auf das, was darunter zu verstehen ist, nämlich eine ideologische und intendierte Entwertung von u. U. hinderlichen Einsichten, die dem Fortschritt nach US-amerikanischem Muster Hindernissen in den Weg legen könnten, also einem Verständnis des Menschen, das den Angriff auf grundsätzlich jede kulturelle Formation zu rechtfertigen imstande ist, die den Grenzfall des systematischen Genozids impliziert und unverändert praktiziert, auf dem die Demokratie der USA so gut aufbaut wie die der Vorgängerformation des britischen Weltreichs, also just diejenige Auffassung, die der ‚Globalisierung’ als leitendes Paradigma zugrunde liegt, also global werden soll, wenn sie es nicht schon ist. Man muss erwarten, dass die Folgen dieser Propagation die Formationen ereilen werden, von denen diese ausgeht, wenn sie in die Defensive gerät, was sich bereits anbahnt.) Was an dem Zitat von Bedeutung ist, ist die Zuordnung der verschiedenen, einander ganz entgegen gesetzten Reaktionstypen auf den Tod zu verschiedenen Kulturen, und nicht bloß, in der sozialtechnologischen Verkürzung, zu unterschiedlichen individuellen ‚Verhaltensweisen’. Das erklärt zugleich die zunehmend abnehmende Gegenwärtigkeit der kulturtheoretischen Befunde im Bewusstsein der Agenten der sozialen Dressuragenturen. Ein Bewusstsein der Bedeutung der Befunde setzte dem Geplapper einen gewissen Widerstand entgegen und würde als Zensurschranke wirken. Das Gesindel könnte nicht mehr jedes Exkrement einfach auf den Tisch spucken – oder ‚in den Raum stellen’. Betrachtet man sich allerdings Kardiners Argumentation, dann muss man nur den zweiten, dritten und vierten Satz ins Auge fassen, um die Unstimmigkeiten zu bemerken, über deren Sinn dann lange zu reden wäre. Die Sätze lauten: „Diese beiden Kulturen haben entgegengesetzte ‚Triebe’. Ruth Benedict bezeichnet sie mit den Begriffen Nietzsches als dionysisch und apollinisch. Eine dionysische Kultur ist gekennzeichnet durch Raserei und Exzesse, eine apollinische durch Maß und Ordnung.“ Zunächst möchte man sich fragen, was ‚Triebe’ einer Kultur sein sollen, zumal als ‚entgegengesetzte’.
lässt man das einmal beiseite – es gibt darauf keine ernst zu nehmende Antwort – dann ist auffällig, dass Kardiner – nach Art eines Studenten im ersten Semester – zunächst auf eine indirekte Zitation ausweicht, wenn er referieret, dass Ruth Benedict Kulturen bestimmter Art mit Hilfe der ‚Begriffe’ ‚apollinisch’ und ‚dionysisch’, die sie bei Nietzsche ausleiht ‚bezeichnet’. Diese Unterscheidung soll auf die von Kardiner anhand der typischen Reaktion des Individuums auf den Tod eines Mitgliedes der jeweiligen Kultur charakterisierten Kulturen als Ganze anwendbar sein. Nun erwartet man aber eine Erläuterung dessen, was Ruth Benedict oder auch was Nietzsche mit diesen Termini gemeint haben mag. Stattdessen wird aber übergangslos definiert – wenn man das so nennen will, es wirkt eigenartig steif, wie das Nachsprechen eines auswendig gelernten, aber nicht verstandenen Gedankens oder Satzes – was eine dionysische bzw. apollinische Kultur ist, und das ist etwas ganz anderes.
Statt der nachprüfbaren Darstellung der von Benedict im Anschluss an Nietzsche – wenn es denn sein muss – gemeinten Wortbedeutungen, also einer semantischen Auskunft, folgt eine schlicht substantialistische Feststellung, was eine solche oder eine eine solche Kultur ist. Möglicherweise wird dadurch tatsächlich eine Kultur definiert, aber dazu braucht es dann nicht die von Nietzsche über Ruth Benedict zu Kardiner gelangten ‚Begriffe’. Vielmehr stehen ‚Raserei und Exzesse’ ‚Maß und Ordnung’ ganz unabhängig als kulturtypologische Charakteristiken einander gegenüber, und nun erläutern umgekehrt diese von Kardiner eingeführten Termini das, was angeblich Ruth Benedict oder Nietzsche gemeint haben müssten mit ihrer Verwendung von ‚apollinisch’ bzw. ‚dionysisch’.
Nun ist aber, was immer Ruth Benedict gemeint haben mag, indem sie die Termini – nach Kardiner - ausdrücklich nur unter Bezug auf Nietzsche (einen deutschen Philosophen und Altphilologen aus dem deutschsprachigen Europa des neunzehnten Jahrhunderts) verwendet, wie wir hören, und nicht etwa auch ganz unabhängig davon, insofern sie sich auf die sprachlich strukturierte Kultur der Griechen (hier einmal ethnologisch nicht weiter spezifiziert) bezöge, in deren sprachlichen und kulturellen Kosmos sie eine komplexe Rolle spielen, mit Sicherheit weder die Bedeutung, die diese Termini in der griechischen Kultur hatten, noch die, die Nietzsche im Anschluss daran aus ihr mittels seiner Studien abzieht und konfiguriert, einfach gleichbedeutend mit dem, was Kardiner daraus macht, indem er hier gewissermaßen eine Gleichung aufmacht, in der ‚Raserei und Exzesse’ = dionysisch, und ‚Maß und Ordnung’ = apollinisch ist, was dann wiederum zu einer Gleichsetzung von intensiver Trauer um einen menschlichen und kulturellen Verlust durch den Tod mit ‚Raserei und Exzess’ einerseits, und des möglichst übergangslosen Vergessens des Toten mit ‚Maß und Ordnung’ bedeuten muss, eine Identifizierung, deren Perversität nur deshalb bzw. dann nicht sofort deutlich wird, weil bzw. wenn man die in dem rhetorischen Wortsalat versteckte und verschmierte Perfidie dieser Gleichsetzung überliest. Und darauf ist der Text angelegt. Er soll diese aberwitzige Gleichsetzung an der kritischen Aufmerksamkeit des Lesers vorbeischmuggeln. Liest man das aufmerksam, dann hört ganz deutlich das von überall widerhallende Echo sich in die Form der ‚psychiatrischen’ Diagnose der ‚pathologischen Trauer’, ‚Melancholie’ bzw. ganz platt der ‚Depression’ artikulieren, je nach dem Grad des Fortschritts der ‚Rationalisierung’ ‚menschlicher’ ‚Beziehungen’ entlang den funktionellen Imperativen der Nutztierverwertung. Kardiner ist bereits ‚Anthropologe’ als Sozialtechnokrat.
Erst die Bücher von George Devereux machen hier ganz Ernst mit einer Ethnopsychoanalyse, die nichts mehr zu wünschen übrig lässt, was die Projektion von Gemeinheit, Verwahrlosung, Karrierismus, Opportunismus und Brutalität in der Maske wissenschaftlicher Analytik sich hier glaubt unbemerkt leisten zu können, weil sie quasi mit den Himmelsstrahlen der Machtapparate im Arsch ‚philosophiert’. Ich denke hier an Freuds Beschreibung des Falls Schreber. Was da als Wissenschaftsfortschritt auftritt, ist nichts als die diagnostizierbar fortschreitende Eroberung der wissenschaftlichen Form und Betrachtung durch die Mentalitäten des Machtapparats. Ihr Endzustand sind ‚junk-science’ und Patente und Lizensierungsmonopole auf genmanipuliertes Leben, Wissenschaft als Unterabteilung der Rhetorik der Machtapparate und des von ihnen realisierten Verhängnisses der totalen Herrschaft über das (noch verbleibende) Leben, das sich in die Sterilität und die Unfruchtbarkeit verabschiedet.
Ob die Trauer – als kulturvermittelte Reaktion auf den Tod eines Mitgliedes der Kultur – eine ‚Institution’ ist, kann man einmal offenlassen. Und wie man sich hier die ‚nahezu unendliche Variabilität’ denken soll, ist nur zu ahnen. Die Charakterisierung der Trauer als ‚grenzenlos, anhaltend und unbeschränkt’ ist ein Blödsinn. Es widerspricht dem, was man durch alle kulturellen Unterschiede hindurch stets einheitlich als Trauer erkennen kann, und der Art, wie sie sich äußert, wenn man nicht den Umstand, dass eine Kultur bzw. die sie jeweils verkörpernden Individuen überhaupt eine kulturell geordnete und wenigstens teilweise Beziehung zum Tod hat/haben – indem sie die Toten z. B. begräbt/begraben und sie damit als ‚ihre Toten’, Angehörigen begreift – schon als pathologisch einstufen will. Damit trifft man dann allerdings das bisher geltende und nicht offiziell außer Kraft gesetzte kulturell vermittelte Selbstverständnis des Menschen selbst und zwar in Richtung auf seine Angleichung an die Maschine, die weder Trauer – auch nicht um sich selbst – noch Tod noch sonst irgend etwas kennt, wenn man einmal von den Bestrebungen absieht, die sich um das ‚Chinese room problem’ konfigurieren.
Das kriegen die ‚Wissenschaftler’ aber auch noch hin, ist zu vermuten, angesichts der harten Arbeit, die an dieser Front geleistet wird, von der ‚Cognitive Science’.
Es gibt immerhin auch die Überlegungen, die im Umkreis der Untersuchung der ‚Unfähigkeit zu Trauern’ angestellt worden sind und diese kulturelle Besonderheit – zumal als speziell deutsche kulturelle Besonderheit – recht gut dokumentiert haben. Hier wäre also eine pathologische Unfähigkeit zu trauern zu diagnostizieren. Die Frage ist, ob das wirklich darauf hinausläuft, dass ein Esel den anderen ‚Langohr’ schilt. In jedem Fall ist Kardiners Position hier die, die von der Position pathologischer Unfähigkeit zu trauern aus allgemeine ‚anthropologische Charakterisierungen der Unterschiede von verschiedenen Kulturen und zugleich einen bestimmten Menschentyp definiert, von dem aus der ihm entgegengesetzt gedachte als der jeweilige Untermensch erscheint. Das wäre dann korrekt als wissenschaftlich getarnte Projektion der minderwertigen Aspekte des eigenen Selbst auf die andere Kultur erkennbar, eine Projektion, die im Rahmen der eigenen Kultur in der Form der psychiatrischen Diagnose erscheint, die den Untermenschen kulturimmanent definiert, und nichts anderes. Das ist nicht ohne Belang für die Sozialarbeit, oder auch für das Literaturverständnis, zum Beispiel das Drama und die Tragödie. Die Einübung kulturspezifisch vermittelter und stabilisierter Verdrängungen führt jedenfalls im Bereich der Kulturwissenschaften in jedem Fall zu spezifischen Skotomen (blinde Flecke).
Das ist angesichts der leichthin getroffenen ‚Entscheidung’ für die jeweils eigene Kultur zu bedenken, weil es die Intelligenz vom Zugang zu der unabdingbaren Reflexionsfähigkeit auf die Konstitutionsbedingungen der eigenen seelisch-geistigen Verfassung abschneidet – auf je unterschiedliche Weise – und damit jede Bemühung in diesem Bereich auf Techniken und Verfahren, Fertigkeiten und Fähigkeiten formaler Art einschränkt, die immerhin bis hin reichen mögen zu einer passablen kunsthandwerklichen Fähigkeit der Handhabung bestimmter höherer kultureller Techniken – oberhalb von Schreiben, Rechnen, Malen und Lesen oder auch Beten – aber unterhalb des Niveaus der schöpferischen Potenz stagnieren, der sie immerhin durch Simulation und einer hinreichenden sozialen Anerkennung mangels anderer Alternativen nahe gebracht werden mögen. Das fällt in die Verantwortung des verantwortlichen Erziehers, der sich zur Geltung bringt.
Zu erinnern ist dabei wiederum an den prinzipiellen Unterschied der Kultur des ‚Rauchers’ und des ‚Nichtrauchers’, verstanden als Handlungstypen, die in einem sozialen Feld ganz unterschiedlich wirken, der Eine, indem er sich aggressiv und gewaltsam im sozialen Feld verbreitet ohne Rücksicht darauf, wie das Andere, die als Objekte seiner Propaganda zwangsrekrutiert und u. U. sogar getötet werden – tausende von Passivrauchern sterben im Jahr in dieser Population an den Folgen dieser Erzwingung des Mitleides an den Folgen der Handlungen der ‚Raucher’ – während der Andere handelt, indem er etwas nicht tut, und das den Raucher und die anderen Nichtraucher also ganz anders betrifft als die Handlungen der ‚Raucher’ die anderen Raucher und Nichtraucher betreffen. Die Differenz liegt in der Art, in der Handlung und soziales Feld hier interagieren, wobei man das im einen Fall gar nicht ‚bemerkt’, es scheint also auch entsprechend ‚nichts’ zu sein, zu bedeuten und auch keine Folgen zu haben.
Erst die Handlung des Gegentypus kann es als folgenreich in der Form des Ausbleibens bestimmter Folgen aufgrund des ‚nicht’ des Handelns identifizierbar machen. In einer Kultur von ‚Rauchern’, also einer Kultur, die diesem Typus des Handelns entspricht, ist die Kultur des Nichtrauchers überhaupt nicht existent. Sie kann sich gar nicht als solche bemerkbar machen oder ‚entfalten’. Das schließt die spezifische Überlagerungsdominanz der ‚Kultur der Raucher’ strukturell aufgrund ihrer eigenen Hauptmerkmale ebenso aus wie aufgrund der Hauptmerkmale der ‚Nichtraucherkultur’, die im ‚KONTEXT’ einer Raucherkultur schlicht verschwindet, im allgegenwärtigen Nebel, mit der die Raucherkultur die Raumzeit der Kultur erfüllt und durchdringt. Was in diesem Raum also bleibt ist die ausschließliche Allgegenwart und ausschließliche Dominanz der Raucherkultur. Und die verurteilt auch die Angehörigen der Nichtraucherkultur u. U. zu dem von ihr als kulturspezifisch typisch institutionalisierten Tod.
Das alles ist Metapher zur Charakterisierung des prinzipiellen Unterschieds wenigstens zweier Kulturtypen, die durch die metaphorischen Merkmale des Rauchers und des Nichtrauchers charakterisiert sind. Ich lasse offen, in welchem Verhältnis das zu den angeblichen Kulturtypen der ‚dionysischen’ und ‚apollinischen’ oder der Kultur der Exzesse und Raserei einerseits und von Maß und Ordnung andererseits steht.
Der Vergleich ist aber nicht bedeutungslos, nur recht kompliziert. Deshalb verschiebe ich das. Ich will nur die Tür zeigen, die da offen steht für eine Analyse, eine Tür, die die oben behandelten Autoren allesamt nicht gesehen haben, was ich Nietzsche noch am wenigstens übel nehme, weil seine Unterscheidung es gar nicht auf einen Unterschied von Kulturen angelegt haben kann. Er wusste zu genau, dass das Dionysische und das Apollinische Momente einer einzigen Kultur darstellt, der Griechischen. Und dass das auf jeden Fall stimmt, ist von keinem US Anthropologen jemals widerlegbar. Die Verwendung der Termini Nietzsches kann so gesehen gar nicht meinen, was er auf jeden Fall gemeint hat, und was in dem ‚Nutzungskonzept’ der cultural anthropology einfach missbräuchlich fehlinterpretiert wird, aus angebbaren Gründen.
3.) Am 24. 09. 2006, am Vorabend meiner Abreise nach einem Besuch in W. anlässlich meiner jüngsten Tochter Sarah, meinem ersten erneuten Aufenthalt an diesem Ort nach dem Tod meiner ‚Schwiegermutter’ am 29. August 2006 sah ich, als ich nach hereingebrochener Dunkelheit vor der rückwärtigen Tür zur Küche in einem Liegestuhl saß, nach der Rückkehr von einem langen Spaziergang mit Sarah, die bereits ins Bett entfernt worden war, unvermittelt in der Traueresche, einem sehr alten, schon seit mehreren Generationen im Garten hinter dem Haus stehenden recht großen Baum, eine riesige weibliche Gestalt. Sie war mit einem langen Rock bekleidet, der bis über die Knöchel reichte und nur die Füße sichtbar ließ, die in einer Art von schmalen Schuhen ohne merklichen Absatz steckten.
Es mochte auch ein Kleid sein, das von der Hüfte ab in einen schwereren Stoff überging, der etwas einem Brustpanzer Ähnliches hatte. Ihre Haare waren lang und nach hinten gekämmt, aber dann offenbar von einer wilden, beinahe rasenden Bewegung doch wild durcheinander hängend und bildeten die Frisur einer Mänade. Sie wandte mir ihre linke Seite zu und hatte die Größe von etwa sechs Metern. Zudem stand sie nicht auf dem Boden, sondern schwebte problemlos in etwa einem Meter Höhe über dem Boden des kurz geschnittenen Rasens, was sie noch größer wirken ließ und sie angesichts des Umstands, dass ich in einem Liegestuhl halb liegend zu ihr aufsah noch furchtbarer wirken ließ. Indessen war ich, der Beobachter, nicht das Objekt ihrer Aufmerksamkeit oder ihrer Bewegungsrichtung. Vielmehr war sie auf etwas anderes konzentriert, und meine Anwesenheit machte ihre Erscheinung eher zu einer Demonstration.
In der rechten Hand, die hoch, nahezu auf die Höhe ihres Gesichts, das sie ihr zuwandte, gehoben war, hielt sie eine im Verhältnis zu ihrer Größe sehr klein wirkende Gestalt eines mit einem grauen Anzug und schwarzen Schuhen bekleideten erwachsenen Mannes mittlerer Größe. Ihr Blick war dieser Figur zugewandt, die zugleich etwas von einer aus Stoff hergestellten oder einer hölzernen, mit Stoff bekleideten Puppe hatte, nach Art einer Voodoopuppe, die von Zauberern in primitiven Kulturen zur magischen Verhexung von sie repräsentierenden Opfern verwendet und oft mit Nadeln durchbohrt wird, um sie erkranken zu lassen oder zu töten. Sie hielt diese Figur in einer krallenartig sie umklammernden Art fest, und sie lag in dieser krallenartigen riesigen knöchernen Hand schräg auf dem Rücken, während der wilde Blick der rasenden Riesenfigur sie fixierte. Die rechte Hand war zu einer Faust geballt und nahezu über die Kopfhöhe hinaus erhoben, zugleich weit vom Körper weg abgebogen und zum Schlag erhoben, und es konnte kein Zweifel daran sein, dass sie, während ihr Mund zu einem Schrei geöffnet und das Gesicht in Raserei wutverzerrt war, im nächsten Augenblick diese Faust mit aller Kraft gegen den oben über die Breite der Handfläche (so wie unten die zappelnden Füße der durchaus lebendigen Figur) hinaus ragenden, also nach hinten frei hängenden Kopf herab sausen lassen würde. Das ‚Männchen’ schien laut zu schreien, in Erwartung des vernichtenden Schlages, der es treffen würde und den es offenbar kommen sah, obwohl sich das nicht genau sagen ließ, es schien mit geschlossenen Augen zu schreien wie ein Säugling das oft tut, und dabei zugleich dem Anblick der auf es zu sausenden Schlages, den es erwartete, vermeiden zu wollen, nachdem es bereits wahrgenommen hatte, was es nun antizipierte ohne es noch zu sehen.
Ich betrachtete die Wahrnehmung zunächst ohne Bewusstsein davon, aber dann bemerkte ich, was ich da betrachtete und fasste es genauer ins Auge. Bemerkenswert war nun daran, dass die Wahrnehmung sich nicht verflüchtigte, wie das oft ist, wenn man ‚Wolkenbilder’ genauer ins Auge fasst.
Obwohl ich mit Akribie die Grundlage der Erscheinung ins Detail gehend betrachtete, also ihre Zusammensetzung aus Ästen, Blättern und ihre Konfiguration aus Figur und Grund sowie ihrem Wechselspiel, löste sich die Figur weder auf noch verflüchtigte sich ihre beeindruckende Dynamik oder das Gesamtbild. Ich saß recht lange an diesem Ort und betrachtete die Figur, dann fasste ich, wie zur Probe, Anderes ins Auge, und stets konnte ich in dem noch weiter wachsenden Dunkel die Riesengestalt wahrnehmen, immer im Begriff, den in ihrer knochigen Krallenhand umklammerten vor Angst schreienden Wicht mit dem furchtbaren Schlag ihrer mir zugewandten linken Hand zu erschlagen.
Ich betrachtete diese Gestalt mit einer gewissen Verwunderung und versuchte mir den Ursprung der meinem intellektuellen Verständnis sofort als ‚Projektion’ erkennbaren Ausgeburt meiner Phantasie zu erklären. Denn sie hatte weniger ‚Grund’ in dem materiellen Substrat des Gefüges der Äste und Blätter, die sich auf dem dunklen Hintergrund der Nacht unter dem überhängenden Geäst des Baumes im schwachen Licht abhoben, das von verdeckten Lichtquellen aus den nicht sichtbaren Häusern der entfernten gegenüberliegenden Straßenseite noch auf die Oberfläche des Blatt  und Astwerks fallen mochte, wenn es nicht der im Osten aufgehende Mond war, der die Lichtquelle abgab. Ich ging dieser Betrachtung ohne jedes begleitende Gefühl nach, also auch ohne den affektiven Eindruck, den ein solcher Anblick doch eigentlich begleiten müsste, und obwohl oder gerade weil mir ganz und gar klar war, dass es sich im eine Ausgeburt meiner Phantasie handeln musste.
Denn nichts an diesem Geäst und Blattwerk oder dem dunklen Grund, auf dem sich die Gestalt abhob, gab von sich aus einen ausreichenden Anlass zu der Synthese, die sich in dieser, und keiner anderen Gestalt zusammenfasste und sich mir darbot. Bei genauer Betrachtung hatte das Substrat nicht einmal die ‚Substanz’, den vergleichsweise materialen Umriss eines Rorschachklekses. Und all das war feststellbar, ohne dass sich der Anblick auflöste. Ich betrachtete die furchtbare Gestalt noch lange und stellte auch Überlegungen über das ‚Männchen’ bzw. die ‚Puppe’ in ihrer rechten Hand an, über ihre Motive und über das Verhältnis zwischen der ‚Hexe’ und der ‚Puppe’, verglich das mit psychoanalytischen Überlegungen, etwa von Melanie Klein und die bekannten Theoreme über die frühkindliche Mutter Kind/Beziehung, Überlegungen von Margaret S. Mahler, die schizoid-paranoide Position des Kleinkindes in der Phase der frühen Objektbildung, Überlegungen von Parin/Morgenthaler über die Psychoanalyse matrilinearer Gesellschaften, ihre intergenerationellen und intragenerationellen Beziehungen zwischen den Geschlechtern, Sexualität, Kindererziehung, Familie und Charakterstrukturen usw., aber das alles blieb vollständig abgeschnitten von den affektiven Grundlagen, die dieses Bild, diese Gestalt erzeugt haben mussten, während mir alles dies intellektuell, rein analytisch ohne Weiteres zugänglich war, zugleich mit einer gewissen Verwunderung darüber, dass ich ein affektiv derart Furcht erregendes Bild, das einem Affekt, einer unglaublichen Furcht, nein, einer Panik entstiegen sein musste, dem Bild eines Angstanfalls entsprechen musste, vor Augen hatte ohne die mindeste Spur des Affekts bemerken zu können, der die Quelle, die wirkliche Ursache dieser Wahrnehmung sein musste.
4.) Ich ging nun mehrmals, von einer unerklärlichen Unruhe inmitten meiner offensichtlichen Gleichgültigkeit ergriffen, wie zur Prüfung der Wahrnehmung mehrmals weg um dann erneut die Existenz der noch immer vorhandenen Wahrnehmung bzw. die Identifizierbarkeit der Erscheinung zu überprüfen und fand sie tatsächlich auch immer wieder vor. Sie löste sich erst nach längerer Zeit langsam auf in einen sich nun in den Vordergrund des Blicks schiebenden Anblick von Ast  und Blattwerk, auf dem sie verblassend sichtbar blieb, aber nun als ein sich aus dem Gefüge schwach abhebende groteske Erscheinung, wie diese Bilder erscheinen, die ein Porträt aus Gemüse oder einem Stillleben aus erlegtem Wild und Geflügel sind.
Als ich auf einmal den wirklichen Angstanfall bekam, der dem Affekt entsprach, den ich angesichts des Anblicks des ‚bösen Objekts’ vermisste, war mir die Erinnerung an diese Wahrnehmung vollständig entglitten und ich hatte jetzt mit vermeintlich ganz anderen Überlegungen zu tun, die eher sozialer Art waren und zunächst keinen unmittelbaren Bezug zu haben schienen mit der Wahrnehmung der ‚Hexe’, eines ebenso ungeheuerlichen wie in den geltenden Kategorien der Kultur, in deren intellektuellen Maßstäben – besser: normativen Zurichtungen und Konditionierungen ich ‚erzogen’, dressiert wurde – unglaubwürdigen, ja im genauen Sinn rational nicht existierenden, nicht möglichen Monsters, dessen letztes Refugium die streng lizensierte Zulassung zu einer sogleich entmachteten ‚virtuellen’ Existenz die Psychoanalyse ist, wo nicht der rein intellektuell – also ohne Blut, Mauern Stacheldraht oder unmittelbare Gewaltanwendung) konfigurierte Gulag der modernen ‚wissenschaftlichen’ ‚Psychiatrie’ bereits im Namen der kolonisierenden Mächte, die über den Körper und die Seelen der Gattungsexemplare des Homo sapiens verfügen, das Etikett des ‚Wahnsinns’, also die Drohung der Strafe und des Ausschlusses verhängt hat über ein Bewusstsein, das sich erdreistet, sich nicht lizensierte Wahrnehmungen der (sozialen oder anders definierten) ‚Wirklichkeit’ zu leisten, ein inneres Lager, dessen Wissenschaft sich auf Jahrhunderte der gewaltsam durchgesetzten Vorleistungen eines Sozialisationswissenschaft und –praxis stützen kann, die ihre ‚wissenschaftlichen Befunde’ ihrerseits erst ermöglichen und legitimieren als solche.
Die graue Riesengestalt der Gewalt hat prima vista nicht die der von mir in dem Ast  und Blattwerk wahrgenommenen. Gleichwohl ist die Wahrnehmung die der Wahrheit, die sich im Kostüm der Sachlichkeit, der vorgeschriebenen Abspaltung von dem Affekt derer, die sie anwenden und einsetzen wie von dem, die von ihr geschlagen und getötet werden, aber zwischen dieser Sachlichkeit und der in der Wahrnehmung intellektuell erschließbaren Wahrheit, die einer affektiven Konstellation entspricht, in der die Raserei der Gewalt so gut erkennbar ist wie die Angst dessen, der von ihr erschlagen wird, und den sie bedroht, hat sich als in die Form der ‚Wissenschaft’ eingekleidete Zensurinstanz der Psychiatrie eingeschoben, die derart also nichts anderes ist als eine intermediäre Instanz der formierenden Gewalt, die das formierte Bewusstsein beherrscht, indem sie es abschneidet von den affektiven Grundlagen seiner Formierung, und die gelungene Wiederherstellung des Zusammenhangs des Bewusstseins mit seinen affektiven Gründen mit der ‚Diagnose’ bedroht, die der Vernichtung vorangeht und sie ankündigt, eingekleidet als ‚Behandlung’. Was sie behandelt, ist die Wiederherstellung des inneren Zusammenhangs des Bewusstseins und den des Bewusstseins mit der Welt, in der sie fungiert.
Sie ist die Verwirklichung der von der Wahrnehmung im Moment ihres unbefangenen Müßiggangs im Zwielicht in der unwirklichen Gestalt der rasenden Mänade realisierten Projektion der sozialen Wirklichkeit, wie sie im intergenerationellen Verhältnis und wie sie als Struktur in der verstaatlichten Erziehung erscheint, die die Sozialisationsinstanz ‚Familie’ unter Hinweis auf ihre Obsoleszenz (Veraltetsein) und ihr ‚Leistungsdefizit’ angesichts der ‚Erfordernisse der modernen Welt auf dem Weg in die Globalisierung’ auflöst und in Verwaltungskompetenz überführt. Was sie dabei in den Griff zu bekommen erwartet ist allerdings die Irrationalität ihrer eigenen anthropologischen Unmöglichkeit, und es ist nur vorläufig, dass sie ihren gewaltsamen Zugriff auf die Projektion dieser Irrationalität auf das Angegriffene und zu Liquidierende stützen können wird. Ist das erst einmal erfolgreich ‚erledigt’, dann wird sich ganz unabweisbar ergeben, was jeder schon längst wissen kann: dass es nicht die Irrationalität der Familie gegenüber den Erfordernissen der modernen Welt ist, die den Menschen umbringen wird, sondern die Irrationalität des Angreifers, der den Menschen aus den letzten Refugien der tradierten kulturellen Lebensformen austreibt im Dienst ihrer absoluten Verfügungsinteressen, die die Zerstörung dieser Bestände erzwingt. Nach dem Ende, dem Gelingen dieser Destruktion wird der Angreifer nur noch dem, was er selbst angerichtet hat, was er, in seiner Sprache: hergestellt und produziert hat, ins Gesicht sehen können. Er wird dann den Homo sapiens aus seinem Funktionsgefüge als irrationalen Rest auszutreiben haben, um zu überleben, und das ist dann auch sein Ende. Denn unabänderlich sitzt selbst der erfolgreichste Terrorapparat, solange er erfolgreich funktioniert, auf dem einzigen Substrat auf, das ihn zu tragen vermag, und das ist die Tiergattung Homo sapiens.
Die Folgenverantwortung fällt also nach dem durchgesetzten Ende des sozialen Lebens als kultureller Form ausschließlich auf den technischen Apparat der Vernutzung der in der politischen Form der Massentierhaltung organisierten Gattung zurück, weil anderes nicht mehr zur Verfügung steht, es sei den die von diesem Apparat als ineffizient und untauglich in immer weiterem Umfang ausgeschiedenen Gattungsexemplare. Der Legitimierung der Vernichtung der untauglichen Exemplare, ihrer umstandsloser Vernichtung steht aber noch einiges entgegen, nicht zuletzt das in dieser Hinsicht funktional nicht effiziente Tabu des Kannibalismus, das ja auch im Hinblick auf die rapide Abnahme der anderen Tierarten, die die Rationalität der globalen Verwaltung intentional oder nicht intentional, jedenfalls aber effektiv und systematisch ausrottet – ungeachtet der Gutmenschen, die ihr Lebenswerk darin sehen, zur Erhaltung bedrohter Arten beizutragen, denn sie sind nur deshalb im Trend, weil sie ihn nutzen für persönliche Stiftung von Lebenssinnperspektiven und Karrieren, die sich von anderen, im Trend liegenden in keiner Hinsicht unterscheiden und denselben Regeln folgen – unzweckmäßig erscheint.
Die letzte ergiebige Nahrungsressource angesichts der erfolgreichen Verdrängung aller anderen Lebensformen könnte gerade angesichts des Bevölkerungseffekts, den die Praxis hat, dass sich der Homo sapiens einfach in einen ungeheuren Verdauungstrakt für beinahe alles (andere) Leben verwandelt, der eine obere Öffnung hat, in die alles Verdaubare eingeschüttet wird, und ein unteres Ende, aus dem alles dieses als Exkrement ausgeschieden wird, die Gattung selbst sein, die am Ende von ihrem eigenen Fleisch leben lernen muss, wenn ihr alles andere einfach deshalb ausgegangen ist, weil sie alles in Menschenfleisch umgewandelt hat. gewiss, es bleibt noch ein wenig Sonnenenergie und ein paar nachwachsende Salatblätter. Die kann man für die Zubereitung als Beilagen nutzen.
Die globale Wirtschaft ist die höchste Sublimierung der natürlichen Konstitution (bekanntlich die in Feinstrukturen überführte Verästelung des unkenntlich gewordenen Schreckens) eines Menschenfressers und Kannibalen, der anthropologisch betrachtet auf der ersten Kulturstufe bereits mit der Imago der vergewaltigenden Mutter gleich gesetzt werden muss. Und von Anfang an entspricht der Phantasie eine unabweisbare, immer wieder anders institutionalisierte Wahrheit dieser mörderischen Gewalt im Herzen der Kultur und jeder Form der Vergesellschaftung bis jedenfalls heute. Und es scheint die Wahrheit dieser Imago das letzte Wort zu sein, das ihre vermeintlich immer ‚sachlicher’ rationalisierte Konfiguration als eine aller bekannten Natur an Schrecken ungeheuer, um die Differenz der ‚menschlichen Intelligenz’ nämlich, überlegenen Maschine, deren Gestalt und Verfassung ausschließlich aus dem tiefsten Abgrund der Bestialität des ‚anthropos’ stammt und diesen auf die Höhe eines globalen Totalitarismus zu erheben sich anschickt, in dem jeder Schrecken, den die natürliche Umgebung auszulösen vermochte in der Seele eines Menschen um das Maß der formierten Intelligenz des wissenschaftlichen Zeitalters überboten wird, in dem dieser Abgrund, den diese Bestie von Anfang an in sich trug, zu sich selbst kommt, zu einer Form, die sich nicht ohne Grund als Realisierung der besten und leistungsfähigsten Potentiale der Gattung aufführt und selbst lizensiert, wie man früher den Ochsen, der den Pflug zog, nach der Zurichtung der Felder im Frühjahr schmückte um seine Leistung und seine Bedeutung für die Kultur des Menschen herauszustellen.
5.) Bis hier ist zunächst nur der Inhalt der beiden Zitate und die Phantasie nebst den assoziativ daran sich anschließenden assoziativen Einfällen dargestellt. Das kann etwas abführen von dem, worum es dabei geht, und das sich daran an einer Stelle anschließen muss, die wieder ansetzt am Problem des sozialen Nahraums und des Generationenverhältnisses bzw. des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern in der Generationenfolge, sowohl auf der Ebene der gleichen wie der aufeinander folgenden Generationen, und das muss eingebettet werden in die Dynamik der so genannten ‚modernen Welt’ bzw., wenn man das nichts sagende Klischee bemühen will, den Vorgang der ‚Globalisierung’, unter dem Aspekt der anthropologisch-ethnologischen bzw. familiensoziologisch relevanten Folgen, die das hat. Vor allem ist genauer zu bestimmen, was eigentlich darunter zu verstehen ist, der Sache nach, und das wird dann zeigen, dass die Leerformeln, die dafür gebraucht werden, gänzlich uninformativ sind.
Das ist nur eine Aufgabe der Niederschrift. Von Bedeutung ist das auch deshalb, weil sich eine Ahnung davon auch öffentlich zu artikulieren beginnt, dass es faktisch Altengulags gibt, oder, wenn man so will, Altenguantanomos oder Altenabugrahibs, wie man will. (Es ist bezeichnend, dass wiederum die Kirchen diese 'Einrichtungen' mit betreiben, wie immer 'im Namen des Herrn'.) Die avanciertesten Strukturen des politischen Terrors, der gegen die Populationen insgesamt vorgetragen wird, sind längst ganz gewöhnlicher Alltag. Ich lasse aber die beiden Zitate und in einem bestimmten Umfang – mit Ausnahme der assoziativen ‚Interpretationen’, die die Phantasie begleiten – die notierte Phantasie zunächst mit Absicht uninterpretiert oder erläutert. Interpretation ist allerdings der Umstand, dass ich sie überhaupt notiere und dass sie mir bestimmte Evidenzen vermittelten, die eben dazu führten, dass ich sie ausgewählt habe. Die Korrespondenz liegt in dieser Auswahl. Der Notierung der Phantasie liegt eine bestimmte ‚religionsphilosophische’ Art des Verständnisses sowohl des ‚Hexenglaubens’ als auch der Magie zugrunde, die jenseits der Psychopathologie und der Psychiatrie zunächst als kulturanthropologische- und insoweit dann rational verständliche - Erscheinungen verstanden werden, in die Psychologie und Psychiatrie als spezifisch moderne Formen einzuordnen sind. Mag sein, dass ich mich dabei immer weiter aus dem Bereich des Alltagsverstandes heraus bewege, insofern dieser eben anders verfasst ist, aber das ist dann nicht anders. Es markiert nur den immer schon vorhandenen wirklichen Abstand, nur dass er jetzt nicht mehr unter dem Gesichtswinkel des vermeintlichen Konflikts beliebiger und zufälliger idiosynkratischer und insofern zufälliger Verhaltensweisen und ‚Abweichungen’ erscheint, die sich auf dem als selbstverständlich unterstellten Hintergrund des Alltagsverstandes problemlos abbilden lassen, sondern als Unterschiede zwischen diesen und etwas, was sich mit seinen Mitteln eben nicht verstehen und einordnen lässt, was zu bemerken insofern richtig ist, auch – und nur - vom Standpunkt des Alltagsverstandes aus.
Ich komme hier weit ab von dem, worauf es mir ankommt. Es ging mir aber zunächst darum festzuhalten, was sich im Umkreis der Notierung der beiden Zitate und der Niederschrift der Phantasie mit ergeben hat. Das wird das Problem des Generationenverhältnisses betreffen, das sich derart verhängnisvoll ausgewirkt hat, neben der Besonderheit der Familienpathologie, die hier vorliegt, und die ihrerseits in einen kulturellen Horizont eingeordnet ist, der ihr ihr spezifisches Gepräge gibt, und damit den Hintergrund konfiguriert, auf dem ich die Figur eines unerträglichen Fremdkörpers abgegeben habe und abgebe, der ausgestoßen werden muss, oder, wenn man es von der anderen Seite sehen will, der sein Leben nur zu retten imstande ist, indem er aus dem Verband ausscheidet. In dem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass ich jetzt das Alter erreicht habe, das Deine Mutter hatte, als wir nach W. kamen.
Ich habe also jetzt genau den Lebensabschnitt vor mir, in den Deine Mutter eintrat als wir nach W. kamen nachdem unser erstes Kind Rebecca geboren worden war. Ich habe vor Augen, wie sie da gelebt hat, und wenn ich sage, dass das ein Leben in einer grenzenlosen Einsamkeit war, dann meine ich auf jeden Fall, dass mir vor dem graute und graut, was ich da die ganze Zeit vor Augen hatte und dass ich weiß warum das so ist.
Es ist also ganz sinnlos, hier Einwände zu formulieren, die das dann mit Rücksicht auf ‚individuelles Erleben’ nach Bedarf bagatellisieren oder ‚relativieren’, bis hin zu der Abfertigung, es sei anders gewesen. Es bildet sich darin nichts anderes ab als der Unterschied von Kulturen, deren eine das Erleben vom Zugang zum Bewusstsein abschneidet, das für die andere gerade typisch ist und die Besonderheit dieser anderen Kultur gerade ausmacht. Von kaum zu unterschätzender Bedeutung ist daher die Frage, welche Art der kulturtypischen Einflussnahme sich mit welchem erwartbaren Ergebnis durchsetzen wird, weil sie durchgesetzt werden soll – während eine andere Kultur denkbar ist, die gar nicht darauf angelegt ist, etwas durchzusetzen – und welche Konsequenzen das JETZT schon nach sich ziehen muss, etwa was eine Kommunikation über die kulturellen Grenzen hinweg betrifft. Allerdings ist vom Ort der ‚apollinischen Kultur’ im Sinne dessen, was Kardiner tatsächlich meint, schon der Versuch etwas ‚verständlich’ zu machen, was diese Kultur vom Verständnis aufgrund ihrer Eigenstruktur gerade ausschließt, u. U. als unzulässiger Angriff, oder als unverstehbare Zumutung an eine Struktur des Erlebens aufgefasst, die den Zugang zu eben dem, was ‚verständlich gemacht’ werden soll, gar nicht hat, eben deshalb, weil sie ihn ausschließt.
Dies alles ist natürlich im Modus der ‚indirekten Mitteilung’, die den Gesprächspartner nach Möglichkeit im Rahmen seiner je eigenen Kultur situiert zu sehen bestrebt ist, und – wenn's denn geht - klar stellt, dass sie ihn als Teilnehmer an einer Kommunikation respektiert, die die Einheit von Mensch, Kultur und Individuation wo nicht realisiert so wenigstens als die in der Kommunikation anzustrebende Zielvorstellung im Auge behält und Kommunikation als diejenige Form des Austauschs versteht, die sich als ständiger Versuch der Annäherung an diese Realisierung konfiguriert. Das mag man dann wieder als vermeintliche ‚Abstraktheit’ verstehen. Es würde aber der Absicht nicht gerecht, auch wenn es natürlich das Problem aufwirft, woher der Ärger kommt, der zu diesem Urteil führt und wie er zuzurechnen wäre, im Zweifelsfall.
Die Untersuchung dieses Befunds, gesetzt den Fall, führt dann wiederum auf einen Unterschied von Kulturen, aber das lasse ich aus Zeitgründen einfach außer Betrachtung. Es ist aber kaum zu überschätzen, welches Problem es darstellt, nicht doch immer wieder in eine Falle zu gehen, die die Entwertung der ‚fremden Kultur’ einfach deshalb zwanghaft erneuert, weil sie das der Reflexion entgehende Vorurteil nicht trotz oder wegen der Art der Anstrengung nicht bemerkt, die es aufdecken und umgeh  bzw. neutralisierbar machen soll. In diesem immer denkbaren Fall muss ich mich zunächst auf die Absicht berufen, gegen das zu verantwortende Faktum. Was dabei zu gewärtigen ist, ist wiederum die taktische Nutzung des methodisch gemeinten, aber als ‚Unsicherheit’, in die man erfolgreich intervenieren kann, missverstandenen Zweifels.
6.) Was aus alledem folgt, ist von Bedeutung, und da denke ich zunächst an das, was ich von mir her zu sagen imstande bin. Das muss ich noch ausführen. Zunächst aber noch drei weitere ergänzende Zitate:
Die bildende Kunst „ist eine symbolische Umsetzung und nicht Abbild der Realität, d.h. zwischen dem graphischen Zeichen, in dem man einen Bison sieht, und dem Bison selbst besteht die gleiche Distanz wie zwischen dem Wort und dem Werkzeug.“ (André Leroi  Gourhan, Hand und Wort, Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst, Ffm. 1980 (frz. 1964/65, S. 240)
„Die (…)darstellungen entwickeln sich…nach und nach in Richtung auf einen Realismus der Form und der Bewegung…;dennoch darf man diese Darstellungen nicht mit den Fresken in den Basiliken oder den Gemälden gleichsetzen. In Wirklichkeit handelt es sich um Mythogramme, die der Ideographie näher stehen als…einer auf Abbildung bedachten Kunst.“ (S. 242)
„Die Evolution des Homo sapiens ist zu ihrem größten Teil durch Formen des Denkens gekennzeichnet, die uns fremd geworden sind, wenngleich sie einem wesentlichen Teil unseres Verhaltens weiter zugrunde liegen. Während wir in der Praxis einer einzigen Sprache leben, deren Laute sich in eine mit ihr verbundene Schrift einschreiben, können wir uns nur mit Mühe die Möglichkeit einer Ausdrucksweise vorstellen, in der das Denken graphisch über eine gewissermaßen strahlenförmige Organisation verfügt. Eine der erstaunlichsten Tatsachen beim Studium der paläolithischen Kunst bietet sich uns in der Anordnung der Figuren auf den Höhlenwänden….Es handelt sich also…nicht um eine Schrift und ebenso wenig um ein Gemälde.“ (S. 247)
Ich habe durch die Auswahl des zitierten Materials aus dem Fluss des Textes einen Gedanken herauszupräparieren versucht, dessen Umrisse abstrakter sind als der Kontext, in dem er ausformuliert ist, um ihn auf die Betrachtung der Phantasie im Anschluss an die ihr vorangehenden Zitate anwenden zu können. Denn es steht ja nicht fest, etwa durch die ‚realistischen’ Aspekte der Gestalt (als weibliche etwa), welchen Sinn das macht, so wenig wie der mythologische Inhalt der Darstellung einer Durga schon erschöpfend besagt, was diesen Inhalt (die Bedeutung der Darstellung) ausmacht, wenn man die Darstellung weniger als Allegorie denn als Anhaltspunkt, als Zeichen oder Symbol für die kulturelle oder kulturell vermittelte individuelle Erinnerung betrachtet, die zugleich durch die kulturelle Formierung geformt und eingeschränkt ist. Das alles dient nicht so sehr der Vermeidung von Kurzschlüssen als vielmehr der Außerkraftsetzung einer als ‚Wissenschaft’ auftretenden Propaganda, die nichts tut als ganz alltägliche Oberflächlichkeiten des wiederum von ihr (und ihren Vorgängerformationen) formierten Alltagsbewusstseins zu wiederholen, eingewunden in die Girlanden von ein paar ‚Wissenschaft signalisierenden’ Latinismen oder Graecismen aus dem Umkreis des Apothekerjargons, aus dem sich die verschiedensten staatlich lizensierten ‚Qualifikationen’ mittels fleißiger Ausleihe bedienen.
Ich denke nicht, dass wir uns dabei weiter voneinander entfernen. Eher wird der Abstand einfach nur manifest, und damit dann auch die Quellen der vermeintlichen ‚Missverständnisse’, die nichts sind als Folgen der Ignoranz gegenüber der Tatsache dieses Abstands, einer auf eine bestimmte Verfassung des Alltagsverstandes und seine sozial gestützte Trägheit gestützte Verleugnung. Deine Geringschätzung von ‚Sozialwissenschaftlern’ wird allerdings bestätigt, nur ist sie viel zu begrenzt. Sie muss sinngemäß ausgeweitet werden auf einen bestimmten Typus, eine Klasse institutionalisierter ‚Wissensformen’, der die Sozialwissenschaft als Element enthält, und die keine Schnittmenge gemeinsam hat mit dem, worum es hier geht.
Denn man müsste hier streng genommen weniger von ‚Wissensformen’ reden (etwa im Sinne Eduard Sprangers, der die Bedeutung des Terminus so hoch hängt, dass daraus ein bedeutsames Buch werden konnte) als vielmehr von ‚wissensähnlichen’ Formen, Simulationen von ‚Wissen’, also einer Anhäufung von Beständen, die in ‚Lernprozessen’ ‚vermittelt’ werden, die mit der Verurteilung zu einem Vollzug ausgehen (immer im Rahmen der einigermaßen auffälligen und nur vermeintlich selbstverständlichen Metapher des ‚Prozesses’ bleibend), der mit dem Strafvollzug gemeinsam hat die Gefangenschaft auf dem engen Raum eines äußerst beschränkten Geländes, auf dem die Aktualisierung des Wissens der Zellenhaft und die Kommunikation dem Freigang entspricht, während die Verurteilung der Erteilung des akademischen Zertifikats entspricht. (Was hier fehlt ist die förmliche Anklage, der man widersprechen könnte, die Institution der Verteidigung und die Kontrollinstanz für den ‚Prozess’.
Es zeigt, dass die Metapher ‚Sozialisations- oder ‚Lernprozess’ [ebenso die englischsprachigen Äquivalente. Man müsste eine Untersuchung anstellen darüber, in wie vielen und in welchen Sprachen es solche gibt und wann sie eingeführt wurden bzw. ‚sich einbürgerten’.] schon falsch, aber mit der untrüglichen Sicherheit, die die Bewusstlosigkeit dieser Wahl gewährleistet, ‚gewählt’ ist von Anfang an und macht diese Wahl als Symptom kenntlich, fragt sich bloß noch: Als Symptom wofür?).
A.
P.S.: ‚Irgendwie’ finde ich es verblüffend, was aus der Absicht wurde, ein paar Zitate und eine bildhafte Phantasie aufzuschreiben. Dabei bleibt der Eindruck, kaum angefangen zu haben mit dem, worauf ich hinaus will. Und natürlich ist das u. U. ‚unverständlich’. Stattdessen müsste ich plappern, um den Eindruck von ‚sozialer Kommunikation’ zu hinterlassen. Nevertheless, it’s just conversation. Ich hab’ halt sonst nix mitzuteilen ;– ))

Dreivierzigster Traum:

Liebe Sarah, Mittwoch, 31. Januar 2007

Heute ging ich früh zu Bett. Es war 4:30 am frühen Morgen. Später stand ich auf, als die Sonne freundlich durch mein Fenster sah und mit einem Sonnenstrahl, der schon warm und freundlich war wie der frühe Frühling an der Schlafmütze zupfte. Wenig später, als der Kaffeautomat schon leise gurgelnd meinen Kaffee bemutterte, und leise zustimmte, als ich mit die zweite Tasse voll holen ging, bemerkte ich, dass die Sonne schon wieder höher steht, dass das Licht schon wieder aufgeht und die lange Nacht des Winters schon ein wenig länger zurückliegt. Da erkannte ich, dass meine Furcht nachließ und ich beginne, wieder neue Hoffnung zu schöpfen.
Als Deine Großmama starb wurde es um mich Nacht, und ich verstand es zunächst gar nicht. Ich erkannte auf einmal, wie sehr ich sie gerne gehabt habe, mehr als meine eigene Mama, vielleicht weil sie immer so nahe war und natürlich war alles ganz heimlich, denn oberflächlich gesehen redeten wir oft aneinander vorbei. In Wahrheit ist es natürlich so, dass man seine eigene Mama am meisten liebt, und es muss viel Böses geschehen von ihrer Seite, bis man so enttäuscht von ihr ist, dass man das dann einerseits nicht mehr kann, und andererseits doch möchte. Dann kommt man in große Schwierigkeiten. Deine Großmama ist in den Himmel gekommen, ich weiß es jetzt ganz genau, denn Annegret hat mir erzählt, dass sie nach meinem Weggang aus W. einmal unten an der Treppe gestanden hat und meinen Namen rief. Sie hatte gerufen: AXEL! Das genügt um in den Himmel zu kommen, da bin ich ganz sicher.
Erst jetzt verstehe ich unser Verhältnis richtig. Ich war auch nicht sehr klug, das muss ich zugeben. Das alles wirkt noch so unmittelbar nach, dass ich immer noch darin zu versinken drohe, aber dass ich den Aufstieg der Sonne heute bemerkt habe finde ich ermutigend.
Ich habe ja einen Film gemacht, als Deine Großmama gestorben war. Ich habe ihn Dir auf einer CD aufgezeichnet gegeben. Er beginnt mit Dir in der neuen Küche, und ich habe eine Schrift über das Bild laufen lassen, die besagt – so ungefähr: „Ein Sommer muss gehen, damit ein neuer kommen kann“. Dann kam aber zuerst die tiefe und schwarze Nacht der Trauer, in der es keinen Mond, keine Sterne und auch kein anderes Licht gibt. Es ist die vollkommen einförmige Schwärze, die dort herrscht und sie ist der Schrecken. In diese Nacht dringt kein Licht. Und man kann nicht wissen, nicht glauben und nicht verstehen – wenn es jemand sagt – dass sie einmal enden könnte. Sie ist einfach und sie ist ewig ohne Weg, ohne Halt. Man weiß nicht wo man geht und kann sich nicht orientieren. Es ist wie blinde Kuh spielen, aber man kann die Augenbinde nicht abnehmen und niemand sagt: „Hier bin ich“, damit man etwas hört und sich daran orientieren kann. Aber man hört das Flüstern von tausend Stimmen, die einen näher oder fernen umschweben und einen verspotten, verhöhnen, einen an tausend Fehltritte und Fehler erinnern und sie einem vorwerfen.
Man hört das ferne Donnern einer steinernen Lawine, die einen zu überrollen droht, indem sie heranrast, während von einer anderen Seite eine Flutwelle anrollt, in deren Donnern man zu ertrinken droht. Zugleich kann man nicht sehen, nicht, wer man selber ist, noch wo, noch von wo Gefahr droht. Sie ist einfach überall und man kann tun was man will, man wird ihr nicht entgehen, denn sie geht einfach mit. Während man in einer schrecklichen Todesangst erstarrt, ist niemand da, der einen in den Arm nimmt und sagt, dass man sich nicht fürchten muss – und man muss sich nicht fürchten, wenn man weiß, dass es jemanden gibt, der einen liebt, und das fehlt jetzt so dass man verzweifelt. schließlich sinkt man auf einen Stein, und wartet darauf, dass man ertrinkt oder von der Lawine erschlagen wird, und dabei wünscht man sich nur, dass es endlich vorbei sein soll. Und während man auf den Tod wartet, bemerkt man kaum, dass das Donnern vielleicht ein wenig nachlässt. Schwer liegt die Angst auf der Brust und der Seele und lähmt die Sinne. Man kann nichts mehr tun, denn was man auch täte, es erschiene ja zwecklos. Wer kann schon in schwarzer Nacht etwas tun, einer Nacht, die auch in der Seele selbst herrscht und mit ihrer alles auslöschenden Dunkelheit alles durchdringt?
Man bemerkt erst gar nicht, dass der Schrecken ein wenig nachgelassen hat, man sieht nicht, dass die tiefe und vollkommene Schwärze der Nacht sich ein winziges bisschen hebt, und so ist man erstaunt, wenn man auf einmal ahnt, dass die Zeit nicht für immer stillsteht und dass die Nacht einmal vergangen sein wird.
Das alles ist, ich merke es, wenn ich es aufzuschreiben versuche, nicht wirklich genau. Ich sehe erst jetzt richtig die Schwierigkeiten, die es macht, etwas, das man erlebt aufzuschreiben. Ständig drängt sich irgendetwas dazwischen, das man gelesen oder gehört oder auch gesehen hat – einen Film z. B. oder ein Theaterstück, als die Leute noch dorthin gingen um etwas zu sehen, weil es kein Fernsehen gab - und immer bietet sich irgend ein ungenauer Ausdruck an anstelle dessen, nach dem man sucht. Ich mache Dich deshalb darauf aufmerksam, damit Du weißt, dass ich Dir nichts vormachen will. Die Sprache ist merkwürdig. Einerseits kann man mehr mitteilen als wenn man keine hätte, und das wäre mehr als bloß stumm zu sein. Denn wer stumm ist, kann doch wissen, was Sprache ist. Aber andererseits teilt man nie ganz genau mit, was man meint, also zu wenig, und andererseits immer mehr als man meint, also zu viel, und das kann dann dazu führen, dass man sich damit abmüht, genau zu sagen, was man meint ohne dass man die Überzeugung gewinnt, dass wirklich gelingt.
Aber es gibt doch Momente, wo es gelingen kann, dass man meinen kann, wirklich genau gesagt zu haben, was man sagen wollte und was auch zusammenstimmt mit dem, wovon man sprechen wollte, obwohl man zugleich mehr und anderes mit gesagt hat, einfach, weil die Sprache so ist. Dann können der Mutwille, der Neid, die Herrschsucht und die Gier, die Willkür, der Hass und die Bosheit, die Ranküne und die Intrige zwar alles Mögliche hinein halluzinieren in das Gesagte, aber wer ein reines Herz hat – sagte man früher und hat damit auch heute noch recht, denn es gibt einfach keinen anderen und besseren Ausdruck in der Sprache, in der Du und ich aufgewachsen sind - der ist imstande, das wirklich Gemeinte, das sich im Schneegestöber der in das Gesagte hinein phantasierten Nebenbedeutungen zu verbergen scheint mit der Sicherheit herauszuhören aus dem Gesagten, die das reine Herz eben dem verleiht, der es bewahrt.
Und Du hast dieses Herz. Jedes Mal wenn ich Dich sehe erkenne ich es sofort, und vor allem kann ich es fühlen. Menschen, die immer das Falsche verstehen, verstehen tatsächlich nichts von dem, was gemeint ist, sondern sie verstehen eigentlich immer nur sich selbst, aber so, dass sie meinen zu können glauben, der Andere habe es nicht nur gesagt, sondern auch gemeint, und zudem ist für sie beides, das Gemeinte und das Gesagte, das sie als das Gehörte oder Gelesene kennen, einfach dasselbe. Aber es ist nicht dasselbe. Wenn man zum Beispiel meint, die Worte, die ein anderer gebraucht müssten immer nur bedeuten, was man selber zufällig von ihren Bedeutungen kennt, der hört in Wahrheit gar nicht hin. Und wer das dann, obwohl er gar nicht hinhört, dann doch hinhört und das bloß nachplappert, der hat schon bewiesen, dass er nichts hört, sondern dass es da um etwas anderes geht. Die Teufelei hat nicht nur einen Namen. Sie heißt unter anderem Simulation, Nachahmung und Einbildung. Wer aber schon das nicht auseinander halten kann, der versteht am Ende sogar sich selbst nicht, weil er nicht wissen kann, ob das was er sagt, auch das ist, was er meint, einfach weil er den Unterschied gar nicht kennt.
Das ist aber noch lange nicht alles, was sich dazu sagen lässt, denn das kalte Herz fühlt ja nichts. Das ist nicht ganz genau. Es fühlt etwas Bestimmtes nicht. Ihm fehlt die Sympathie. Wie das genau ist, darf man ihm gegenüber nicht aussprechen, denn es könnte lauschen und dann die Worte stehlen um sich in der Maske des fühlenden Herzens zu präsentieren. Was es nicht selbst fühlt und erkennt, will das kalte Herz nämlich unter allen Umständen haben. Es kann nicht ertragen zugeben zu müssen, dass es etwas nicht kann, dass es etwas nicht einfach aneignen kann, und dass alle Schätze dieser Welt, alle Gewalt, alles Lügen, alle Verdrehung und Bosheit, alle Schläue und Hinterhältigkeit nicht imstande sein können ihm zu verschaffen, was es an sich reißen und als seine Beute wegtragen will, selbst wenn es dafür morden müsste. Das erregt seine Bosheit aufs Äußerste und es kennt keine Bedenken in Bezug auf die Mittel, die es anwendet um sich doch in den Besitz dessen zu setzen, was ihm gerade deswegen niemals gehören können wird. Es ist schließlich entschlossen zum Mord einfach aus Neid, weil es nicht wegnehmen kann, was es (zu vernichten) begehrt mordet es den, der hat, was es nicht bekommen kann und was es vor allem stört. Denn wenn es schon nicht anderen wegnehmen kann, was ihm fehlt, so kann es doch noch die aus dem Wege räumen versuchen, die es haben ohne es anderen weggenommen zu haben oder einen Kampf darüber veranstaltet zu haben.
Das ist alles Anlass zu sehr viel Kummer, aber vielleicht geht er eines Tages doch vorbei. Am unerträglichsten ist der vorsätzliche und heimtückische Betrug, zu dem das kalte Herz neigt, dem es sich ergibt, und auch wenn man weiß, dass es ein Selbstbetrug ist, ist es doch die Art, wie es andere in seiner Umgebung in Mitleidenschaft zieht, die am mich am meisten bekümmert, denn das kann sehr weh tun.
Ich schuldete Dir noch einen Brief, der Deinen zuletzt an mich gerichteten beantwortet. Lange Zeit konnte ich Dir nicht schreiben, weil ein böser und niederträchtiger Geist mir die Worte zu stehlen versucht hat und dann auch versucht hat, mir zu verbieten Dir überhaupt zu schreiben. Trotzdem muss ich mich dafür entschuldigen, dass ich so lange gewartet habe, aber mir sträuben sich die Haare auf dem Rücken, wenn ich an das furchtbare Monstrum denke, dass mich schon so lange verfolgt und diese Verfolgung auch jetzt, wo ich schon so weit weg geflüchtet bin nicht aufgeben kann, weil es eben so ist wie es ist. Nicht nur von diesem bin ich missbraucht und geschändet worden. Es gab andere vor ihm, die dasselbe taten weil ich sie nicht zurückzuweisen imstande gewesen bin. Das hatte mir meine Mutter verboten. Außerdem hat sie mir ganz falsche Vorstellungen davon vermittelt, womit ich es da eigentlich zu tun bekommen würde. Das hat mich dann zugleich irregeführt und verhindert, dass ich einfach fliehen konnte. Erst jetzt werde ich mir des Grauens ganz bewusst, das mich all die Jahre, die ich in den Klauen dieser Mörderin war, und ihr dienen musste, furchtbar verwüstet hat und ich verzweifle an dem Gedanken, mich davon am Ende nicht mehr erholen zu können. Vorerst ist meine Hoffnung, dass mit das zuteil werden könnte, sehr gering. Und des langen Wartens und Hoffens bin ich längst müde.
In all den Jahren verging nicht ein Tag, an dem ich nicht erwachte mit dem Gedanken, ob es sich wohl lohnen würde, noch weiter leben zu wollen. An jedem Tag erwachte ich in Sehnsucht nach dem Tode und manchmal meinte ich einfach sterben zu können, wenn ich mich ins Bett legte und mir die Decke über den Kopf zog, aber ich starb nicht. Inzwischen ging alles so weiter wie immer, und das Grauen vermehrte sich mit jedem Tag um die Erinnerung an weitere vierundzwanzig Stunden.
Ich will das nicht länger ausmalen. Erst unsere gelegentlichen, immer einstimmiger werdenden Unterhaltungen haben mich beschenkt mit dem wonach ich mich immer gesehnt hatte, einen Menschen, der mich liebt, den ich lieben kann und der zu fühlen imstande ist was ich fühle und dem ich das auch mitteilen kann.
Du darfst Dich nicht täuschen lassen von den so genannten Erwachsenen darüber was Erwachsensein heißt. Jeder meint damit nämlich gewöhnlich nur die Folgen langer Misshandlungen und der damit verbundenen Abstumpfung, dieses Taubgewordensein, den Tod der Gefühle, wenn man von dem, was Menschen dann im Verkehr miteinander aus ganz anderen Gründen darunter verstehen lernen, weil es sie dazu treibt. Und die meisten bleiben dabei, dass das dann schon alles ist. Sie verwechseln tierische Funktionen ihrer organischen Verfassung mit Gefühlen und das, was sich davon in Sprache umwandelt und sich so als ‚Mitteilung’ aufgemacht äußert, mit den dazu passenden Gedanken. Dabei passt es wohl zusammen, aber nicht wie Gefühl und Gedanke, denn weder ist das derart Empfundene ein Gefühl noch ist das derart Sprechende ein Gedanke. Beides ist erst Menschen möglich, und nicht dem Tier, auch wenn es spricht, also ein sprechendes Tier ist.
Was mir also gefehlt hat ist weder eine Frau noch ein Vater oder eine Mutter oder eine Tochter, sondern ein anderer Mensch. Und es scheint als hätte ich ihn in Dir gefunden. Und das ist auch der Grund, warum ich Dir jetzt schreibe. Denn heute morgen, als ich gerade aufgestanden war und der Kaffeeautomat leise brummelnd meinen Kaffee bemutterte, wurde mir plötzlich deutlich, dass der Sommer zwar gestorben ist, aber dass nun ein neuer Sommer kommt und dazu muss der alte erst gestorben sein. So ist nun mal die Zeit. Und ich denke, ich werde imstande sein, das dann doch zu verschmerzen, denn auch dazu gibt es die Zeit, und zugleich bleibt mir die Erinnerung, und die ist merkwürdiger Weise ganz gut und ich fühle, dass und wie sehr ich Deine Großmama gern hatte, obwohl sie das nicht zuließ und sie mich wohl nicht verstand, aber das kann ich ihr nicht verdenken, das ist eben so und hat mit ihr so gut zu tun wie mit mir und wiederum mit der Zeit, die ja auch mit der Erinnerung zu tun hat, indem sie sie erst möglich werden lässt.
Aber dann gibt es ja auch noch die Zukunft, und die bist jetzt Du. Du bist der neue Sommer, den ich gespannt erwarte. Und da spielt es keine Rolle, was der böse und Hasserfüllte Geist dazu meint, der mir einzureden versucht, ich sei neidisch auf das Leben und die Zukunft meiner Kinder, oder der mich gar, ganz unschuldig und ohne es selbst wissen zu wollen, als deren Mörder zu verdächtigen versucht. Das wird dem bösen Geist auf die eigenen Füße fallen, denn es ist der Geist einer Kindesmörderin, der vor allem eines versucht: Die anderen sein zu lassen, was er selbst um keinen Preis wahrhaben möchte, dass er ganz und gar wirklich ist. Stattdessen muss er auf den wahnsinnigen Gedanken setzen, was er selber ganz einfach ist, weil er tat was er tat, müssten die anderen, die ihm schon deswegen nicht gefallen können, weil sie anders sind, sein KÖNNEN, der Möglichkeit nach, was er selbst seiner Meinung nach nicht, aber nicht den Tatsachen nach dennoch ist.
Stellt man ihm das vor – denn es gibt doch die Möglichkeit, das man bereut, was man falsch gemacht hat – dann fühlt er sich von Arbeitsunfähigkeit bedroht. Lieber also so weitermachen und die anderen, die sich als Mörder verdächtigt fühlen sollen und den Wahnsinn der Selbstverkennung, die in der Projektion liegt, die andere sein zu lassen versucht, was er selbst um keinen Preis zu sein zugeben kann, schweigend hinnehmen sollen, stattdessen zur Arbeitsunfähigkeit verurteilen und in ein Gefängnis einweisen, denn Strafe muss ja sein, allerdings nicht für den phantasierten Mord in der Zukunft, sondern doch für den in der eigenen Vergangenheit begangenen. Soviel Einsicht ist geblieben, dabei reichte die Reue vollständig aus. Wiederum taucht anstelle der Einsicht und der Reue nur der Wunsch nach einer Anpassung an das aus, was zu diesem Mord disponierte, in der Form der Phantasie über die ‚Arbeitsfähigkeit’.
Aber zu der mörderischen Wut, die das Kind umbrachte ohne dass sich dabei bis heute ein gewissen Rechenschaft abzulegen bereit oder fähig wäre, passt auch die auf den, der es mit zum Leben brachte, den Mann, nicht den Vater. Den lässt die mörderische Wut ja gerade erst gar nicht zum Vater werden. Der Kindermord – als Faktum – setzt sich fort in der von ihm ohnehin nicht zu trennenden versuchten Mord an dem Vater des Kindes, der ja sowohl das Kind als auch der Vater, also auch Sohn der Mutter ist. Das ist der politischen Propaganda, die die so genannte Sozialarbeit faktisch ist, zu hoch. Sie verwaltet Menschen und dazu ist es nicht notwendig sie zu verstehen oder einer zu sein. Im Gegenteil, Verstehen würde diese Art der Versorgung unmöglich machen, und an ihrer Stelle könnte dann nur Besseres sein als die ‚soziale Mechanik’.
Es bedarf zum Verstehen eines lebendigen Verhältnisses zur Musik. Wer das nicht hat, kann nicht verstehen, nicht im genauen Sinn des Wortes, wie immer daran der Unverstand, der selbst nicht dazu imstande wäre, das Problem zu formulieren, sogleich den Angriff auf seinen strukturellen Defekt erkennt und zum Kampf übergeht, wenn man es stört oder nicht einfach machen lässt, was es will, seiner Rücksichtslosigkeit also jeden gewünschten Spielraum gibt, und der ist ohne Grenze, es sei denn man meint damit den Tod der ermordeten Kindes. Eine Mutter, die nicht begreifen will wer sie eigentlich ist, wenn sie eines ihrer Kinder umgebracht hat, ist schon dem Wahnsinn verfallen, und der äußert sich vor allem in der um keinen Preis möglichen Anerkennung der bloßen Tatsache dieses Mordes. Nicht, dass nicht selbst einer Mörderin verziehen werden könnte, aber die Voraussetzung dazu ist die Einsicht, die Anerkennung dessen, was nicht bloß geschehen ist, sondern was man getan hat. Sonst kann es nicht einmal eine Begnadigung geben.
Und schon gar nicht sollte, wer in einem Glashaus sitzt mit Steinen werfen. Das alles muss zunächst gesagt werden und es ist selbstverständlich, dass es auf nichts anderes als auf rückhaltlose Zustimmung trifft.
Du hast bei einem meiner letzten Aufenthalt in W. einmal erwähnt, dass das Gespenst jetzt nach Hause zurückgekehrt sei, in die Geisterwelt und damit das Haus verlassen hat. Aber ich muss das in verschiedener Hinsicht korrigieren: Was immer mit dem kleinen Gespenst ist, das nie jemand außer uns wirklich zur Kenntnis genommen hat, und das ich in Deiner Großmama am Ende ihres Lebens erkannte, so wie in der Schwester Deines Großvaters, und auch in Tante Leni, die mir ausrichten ließ, dass sie meine Kinder so schön und wunderbar fand wie ich selbst das auch immer tat, ganz gleich, wie die Schrecken der Lage dazwischen kamen, der Geist dieses alten Hauses lebt und er ist böse.
Er benutzt Menschen gewissenlos und betrügt sie, hintergeht und schändet sie, wenn er dazu disponiert ist, und Du kannst mir glauben, dass der dazu disponiert ist. Ich habe mich in dieser Hinsicht lange hinters Licht führen lassen und stets gemeint es könnte mit diesem bösen Geist eine Verständigung geben, aber obwohl es ein Geist ist, versteht er gar nichts, außer was zu seinen Vorurteilen, seinem Hass und seiner mörderischen Wut passt, derselben Wut, die nicht mit der von Fausts Gretchen gleichzusetzen ist. Darin und in der Namensähnlichkeit bestand ein wesentlicher Teil der Täuschung, der ich zum Opfer gefallen bin, eine Täuschung, die in gewisser Weise symmetrisch ist zu dem hartnäckigen Unverständnis des bösen Geistes, insofern ich stets meinte, es müsse eine Möglichkeit der Verständigung, der Versöhnung nach Missverständnissen und sogar der Liebe geben, während sich mit dem Hass und der mörderischen Feindseligkeit dergleichen eben nicht machen lässt.
Woran ich nicht glauben mochte, war die Gegenstandslosigkeit des klärenden Gesprächs, das in einem gemeinsamen Verständnis der Wirklichkeit ausläuft. Es ist eben dieser Glaube, wie überhaupt jeder ethische Fixpunkt, den dieser mörderische Geist unversöhnlich so gut verleugnet wie nutzt um seine Hinterlist und seine Intriganz durchzusetzen, zur gemeinsamen Realität aller zu machen, und damit zugleich die notorische Lüge und Verleugnung zur Realität aller.
Denn der Zwang zur ständig sich verschiebenden Interpretation liegt begründet in der Notwendigkeit, die Realität aufzuheben zugunsten einer in der Luft hängenden bloßen und die Realität aufhebenden Interpretation der Realität. Das ist was am Ende alle umbringt und was sich sogar in die Form von damit befassten Berufen verschafft hat, die alle eines gemeinsam haben: dass sie an die Stelle des Wissens, das sich damit befassen müsste, dem Menschen das Verständnis seiner selbst offen zu halten, die Politik setzen, und damit eine von jeder Pflicht zu einer angemessenen Realitätsorientierung abgelöste Fiktive Welt. Und es ist diese triebhafte Fiktion, die unter Menschen, unter den Bedingungen der Sprache die Form eines ungeheuren Selbstbetruges annimmt, der scheinbar über alles nach Belieben zu disponieren vermag, es auftauchen und verschwinden lässt nach Wunsch und eben damit die Wirklichkeit selbst aufhebt, sie letztlich schon mittels der Interpretation vernichtet als Lebensraum, bevor dieser virtuellen Vernichtung am Ende die des Lebensraumes selbst folgt.
Zunächst aber zerstört diese Hermeneutik der systematisierten Ausrede die Beziehungen zwischen Menschen so gut wie die Beziehung des Menschen zu sich selbst. Das ist dann schon im Einzelfall die Ganzheit der Katastrophe, der die Unmasse, das Massenhafte nichts hinzufügt als die Lächerlichkeit, die sie unsichtbar werden lässt. Für die Täter, die virtuellen und die Seelenmörder ist das nur ein scheinbarer Triumph. Sie gehen am Ende daran ein, dass sie das Parasitäre an ihrer Existenz übersehen und damit natürlich auch, dass ihre Existenz davon abhängt, dass sie den Wirt, ohne den sie ihre Rechnungen meinen machen zu können nicht umbringen. Das aber liegt nicht in ihrer Natur. Das erinnert mich an die Geschichte von dem Frosch und dem Skorpion:
Der Skorpion fragt den Frosch, ob er ihn nicht über den Fluss bringen wolle. Der Frosch lehnt das ab unter Hinweis darauf, dass der Skorpion ein Beute suchendes Wesen mit einem gefährlichen Giftstachel sei, und dass es daher höchst wahrscheinlich sei, dass der Skorpion es darauf abgesehen habe, den Frosch mit seinem Giftstachel zu töten. Der Skorpion macht aber mit einer unleugbaren Plausibilität geltend, dass das doch für ihn keinen Sinn haben könnte, da er doch den Frosch brauche, um nicht im Wasser des Flusses zu ertrinken, für den Fall, dass er ihn während des Übergangs steche. Der Frosch bedenkt sich eine Weile und findet das einleuchtend. Also erklärt er sich bereit, den Skorpion überzusetzen. Doch als sie gerade die Mitte des Flusses durchquert haben, sticht plötzlich der Skorpion den Frosch. Während dem Frosch die Sinne schwinden aufgrund der Wirkung des Giftes, fragt er den Skorpion mit schwacher Stimme: „Warum hast Du das getan, Du wirst doch mit mir untergehen“, und der Skorpion antwortet: „Ich konnte nichts anderes tun, es liegt nun mal in meiner Natur“, will heißen, so bin ich nun Mal und damit hatte er wohl recht. Freilich ist das vielleicht nicht alles.
Der Skorpion mag sich einen Plan ausgedacht haben, der ihm ermöglichte, sich zu retten und den Frosch als Beute zu landen. Wie man hört, tragen Skorpione ihre Kinder auf dem eigenen Rücken, und die sind zwar kleiner als dieser, aber sie haben schon dasselbe Gift. Es sind nicht Kinder aus einer Hochzeit zwischen Frosch und Skorpion. Von denen könnte das eine oder andere die gutgläubige Natur eines Frosches haben, und der ist ja im Märchen bekanntlich ein verzauberter Mensch. Das kann ihn natürlich u. U. nicht vor dem Ertrinken bewahren, wenn er etwa in der Mitte des Flusses von dem Skorpion gestochen wird.

Vereinsamt
Friedrich Nietzsche
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein. -
Wohl dem, der jetzt noch Heimat hat!
Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist Du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?
Die Welt - ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends halt.
Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.
Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! -
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein. -
Weh dem, der keine Heimat hat.

Liebe Annegret, Samstag, 03. Februar 2007
Als ich mich vor Weihnachten damit zu befassen versuchte, die alten Fotos aus meiner Dir unbekannten Geschichte zu ordnen und zu kommentieren, damit sie den Menschen, die ich liebe und die sich an mich nicht nur als ein ihnen mehr oder weniger bekanntes Gattungsexemplar der Spezies Homo sapiens in Deutschland im zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert und in der Terminologie der zufällig gerade gängigen Sozialarbeiterterminologie, die die zuständige Ministerin oder der zuständige Minister, derzeit bekanntlich ein Jurist aus dem Emsland erinnern, sondern es gern auch etwas konkreter haben möchten, auch um ihrer selbst willen, da kam mir neben einem Bild aus Bad Nauheim, das das Straßenleben auf der Parkstraße an einem Sommertag um die Mittagszeit zeigt – ich kann es daran erkennen, dass ein Schulkind, das etwa in meinem damaligen Alter ist, mit seiner Schultasche auf dem Rücken, gerade im Begriff ist, am unteren Bildrand aus dem Bild zu gehen, und zwar in einer Richtung, die erkennbar die Schule, deren Ort ich ja kenne, im Rücken hat, aber natürlich auch am Sonnenstand entsprechend meiner Kenntnis der Himmelsrichtungen, an denen die Photographie, eine Postkarte, die mit einer sehr guten, professionellen Kamera und einem unglaublich feinkörnigen, vermutlich großformatigen Film aufgenommen worden sein muss von einem schwer zugänglichen und stark erhöhten Punkt aus, dem ich kein Gebäude zuzuordnen vermag, von dessen Dach oder oberem Stockwerk aus es aufgenommen sein könnte, so dass es vielleicht sogar aus einem Überflug in niedriger Höhe herstammt –, ein Bild, das aus den frühen fünfziger Jahren stammen muss, ein viel älteres Bild in die Hand, das meine Großmutter Anna, die Mutter meiner Mutter, in einem eigenartigen offenen Fahrzeug, dass man nicht als Bus bezeichnen kann, und das speziell für Stadtrundfahrten gebaut worden sein muss, in die Hand, das meine Großmama zusammen mit ihrem Mann exakt vor dem Kölner Dom zeigt. Man muss also die Aufschrift auf dem Wagen nur der Ergänzung halber dazu nehmen, um das Bild zu situieren, was den Ort betrifft, wenn man bloß bedenkt, dass dieser Ort heute deshalb unerreichbar ist, weil die Zeit die Orte einem bestimmten Zeitpunkt derart zuordnet, dass nur der im Jetzt liegende Ort erreichbar ist , und das ist immer nur der, an dem man sich gerade befindet.
Ich will nicht ausführen, was alles damit verbunden ist, nur soviel sagen, dass die Illusion eines ausgebreiteten (unendlichen, wenn auch geschlossenen) Raums eine Abstraktion der Physik ist, die sich aus naiven Missverständnissen ergibt, die sämtlich mit den tatsächlichen Gegebenheiten der condicio humana gar nicht zu tun haben. Die daraus abgeleiteten bürokratischen Abstraktionen und ihre illusionären Konsequenzen sowie ihre spezielle Nutzbarkeit, die mit der Massennutzung von Gattungsexemplaren durch die über sie verhängten ungeheuren Mächte, die sich gern als hochkulturell anrufen lassen, zu tun hat, erwähne ich nur ohne sie zu besprechen.
Ich erzähle das deshalb, weil mich der Anblick der beiden Photographien, von denen die zweitgenannte eindeutig aus der Zeit vor 1914, und zwar längere Zeit, aufgenommen vermutlich während der Hochzeitsreise der Gattin des Rechtsanwalts und Notars Dr. jur. Karl Brücher aus Giessen, mit ihrem Mann, also aus der Zeit des Kaiserreichs zwischen 1871 und 1914 stammten muss, zunehmend beschäftigte, während ich über die soziologischen, geschichtlich-politischen und kulturgeschichtlichen Details nachdachte, die aus den Bildern teils unmittelbar ersichtlich ‚sind’. Diese unmittelbare Ersichtlichkeit ist natürlich ein Schein, sie sind rein gedanklicher Natur und niemand kann sie tatsächlich sehen, man kann sich nur darüber täuschen, indem man sich einbildet, man sähe, was einem dazu einfällt, und meistens ist das eben nur ein Sammelsurium von ‚Einfällen’, also Assoziationen’, die mit dem Gesehenen noch nicht einmal zusammenhängen müssen, das ihnen den bloßen Anlass, einen Auslösereiz liefert, so dass sie dann dem Anblick entnommen scheinen, während es sich ebenso gut um eine Art von Halluzinationen handeln kann, denen man ihr Zustandekommen nicht zurechnet als Problem, solange das den Gang der Dinge nicht stört und die Leute ansonsten ‚wissen’, welches Datum heute ist und wie sie heißen usw. solange also die für die Nutzung von Menschen gerade für unabdingbar gehaltenen anderen Orientierungen ‚stimmen’. Ich will auch darüber nicht zu weit ausholen, und diese reflektierenden Bemerkungen auf das Notwendigste beschränken, um der Möglichkeit von Missverständnissen zuvorzukommen, die sich aus meinem Anblick ergeben könnten, denn da verhält sich alles natürlich genau so. Eine Soziologie oder Sozialpsychologie unter dem Gesichtspunkt (!) der Zeit ist ja von niemandem geschrieben worden, und da ich keine Adressaten gefunden habe, wird das auch so bleiben und ich werde das Meiste wohl einfach nach Irgendwohin mitnehmen: Ach wie gut, dass keiner weiß, dass ich….
Natürlich wäre hier ein ausgezeichneter Anlass, über die unbewusste Metaphysik des Alltagsverstands längere Ausführungen zu machen, besonders angesichts des Umstandes, dass unsere Kommunikation, so wie sie sich von Anfang an konturiert hat, es gar nicht erst hat dazu kommen lassen, dass ich mich jemals hätte mitteilen können. Das ließ die sich sogleich einspielende Form gar nicht erst zu. Derart bin ich Dir ein vollkommen Fremder geblieben und angesichts dessen, was sich im Gespräch mit Dir sogleich rekonturiert ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies so bleibt, jedenfalls in der Form des Gesprächs aus dem unmittelbaren Anblick meiner Person höchst unwahrscheinlich, weil meine Gegenwart mich erkennbar mit einer komplexen Halluzination besetzt, die mich sogleich in einer Art und Weise verdeckt und zugleich verstrickt, dass ich zu einer Marionette in dem zähen und unzerreißbaren Gewebe dieses Gespinst werde, aus dem keiner meiner Entfesselungsversuche jemals einen erfolgreichen Ausweg hat finden können.
Stattdessen hat jede Replik mich weiter verstrickt in ein undurchdringliches Gewebe, das aus diesen halluzinatorischen Identitätserzwingungen durch ein fremdes Bewusstsein resultiert. Dem nachzugehen ist hier nicht der Ort. Immerhin ist nicht sowohl ‚interessant’, sondern von kaum überschätzbarer Bedeutung – etwa für eine in dieser Form nicht stattfindende Kommunikationsforschung, die sich etwa mit Problemen befassen oder an ihnen ansetzen könnte, wie sie die Ethnologie kennt, die sich damit ja nolens volens befassen muss, wie sich Individuen aus fremden Kulturen eigentlich verstehen lassen, und was das dann bedeutet dafür, wie sich der Ethnologe eigentlich selbst verstehen kann angesichts des Problems, wenigstens einen anderen zu verstehen, den er nur zu verstehen eine Chance hat, wenn er sich zugleich selbst versteht, also unter Bedingungen, in deren Kontext es sich nicht ohne Liquidation des Zugangs durch Kommunikation und Verstehen machen lässt, einfach eine Setzung (einen Machtapparat) an dessen Stelle zu substituieren, was so gut im interkulturellen wie im kommunikativen Umgang zwischen zwei Individuen u. U. machen lässt unter Aufrechterhaltung eines ‚Verständnisses’ der Situation, die diese Substitution verdeckt, mit denselben Gewaltmitteln, die auch die Situation als eine der Gewaltsamkeit faktisch machen, während ihre ‚Definition’ dann sein mag was sie will. Sie ist in jedem Fall eine Lüge, wenn die Gewalt die Situation definiert. – wie Bewusstsein hier eine epidemische Wirkung auszuüben vermag, und wie sich jeweils sie damit verbundenen Folgen verteilen. Denn man kann nichts zuletzt aus Erfahrung vermuten, dass diese Wirkung nicht nur eine Ursache, ein Motiv, einen Grund hat, neben dem Anlass, und dem sind ja unübersehbare Massen an Überlegungen gewidmet worden, deren Nachhall lerntheoretisch vermittelt längst zum Gegenstand eines recht ausgebreiteten Geplappers geworden ist, also seinerseits die Form einer Folge einer Art von Epidemie geworden ist, nebst der fatalen Folge einer daraus resultierenden erlernten Immunität gegen den in ihm etwa noch anwesenden und nachhallenden Gedanken, dem das so tradierte dann keinen mehr schuldig zu sein meint, weil es nun ja weiß, wie man ihn umgeht und neutralisiert.
Was mich veranlasst, Dir zu schreiben ist aber nicht die Absicht, Ausführungen dieser Art zu machen. Dennoch komme ich sofort darauf, dass sie kaum zu umgehen sind, obwohl mich mein eigener Widerstand und Vorbehalt gegen jede Theorie dazu veranlasst, einigermaßen verwundert die Entstehung dieser Gedanken zu verfolgen.

Liebe Annegret, Sonntag, 4. Februar 2007
Es ist mir unmöglich, auf alles einzugehen, was sich unwidersprochen nicht hinnehmen lässt, auch wenn klar ist, dass das nur dazu führen kann, Weiteres dergleichen in endloser Reihung entgegennehmen zu sollen, weil der Gesprächspartner einfach kein Maß kennt und keine Selbstbescheidung, mangels Selbstkontrolle. Ich muss mich deshalb beschränken auf einige wenige Indizes, an denen exemplarisch deutlich werden kann, was ich dazu tatsächlich meine. Inzwischen bin ich angesichts Deiner offensichtlich zwischenzeitlichen Überlegungen entstammenden Repliken und allgemeinen Einstellungsäußerungen tatsächlich gelegentlich so verblüfft, dass ich eine Weile benötige, bis ich darauf eine Antwort finde, und tatsächlich ist die Zurückhaltung, die mich sonst stets irgendwann verließ ja auch dringend geboten. Da bietet sich die schriftliche Form dann natürlich an, weil sie eine strukturierte, und auf den Punkt gehende Mitteilung erlaubt, die den Vorteil hat, nicht in die affektiven Verwicklungen des Augenblicks zu geraten, die sich kaum vereiden lassen, wenn man von ihnen existentiell betroffen ist oder sich betroffen glauben muss, es sei denn man zieht sich von seiner eigenen Existenz und deren Grundlagen in eine Wüste zurück, oder in die Nichtexistenz. Dann allerdings hebt sich auch das Zuhören selbst auf, geschweige denn die Reaktion darauf. Vorerst ist das jedenfalls noch nicht der Fall und so halte ich es zwar nicht unbedingt für fruchtbar und nutzbringend, aber auf eine unklare Weise dennoch für sinnvoll, ein paar Überlegungen anzubieten, die dazu beitragen können meine Reaktionen darzulegen, zu welchem Nutzen auch immer.
Denn ach das steht inzwischen dahin, während ich bisher noch meinte, wenn nicht zur Aufklärung der Verwicklungen, dann wenigstens für meine Töchter, sei es auch gezielt auf ihre Verständnisfähigkeit in einer unbestimmten Zukunft, einiges beizutragen, das geeignet sein kann, dem Gespinst von Selbstrechtfertigungen, an dem Du in der Zwischenzeit mit entschlossener Energie arbeitest, um Deine Handlungen zu begründen eine sei es auch höchst schwächliche und Deinem Vermögen und entscheidenden Einfluss naturgemäß in keiner Weise gewachsene Relativität wenigstens zu ermöglichen. Ich habe indessen eine pessimistische Erwartung, was das Schicksal dieser Einwendungen betrifft und das ist dann eben hinzunehmen. Wie heißt es doch: Die Stimme der Vernunft ist leise, und wenn man sich dazu aufgefordert oder provoziert sieht, sie zu erheben, ist schon klar geworden, dass sie nicht gehört werden wird, denn es kommt gerade auf ihre Darstellung sine ira et studio alles an, damit sie selbst vor allem bleibt, was sie ist, ob sie nun gehört wird oder nicht. Existentiell ist das allerdings oft schwer zu realisieren, denn es gibt Umstände, wo, was so spricht, nicht zur Kenntnis genommen wird und was nicht zur Kenntnis genommen wird, einfach nicht existiert, und was nicht existiert, das verdient auch keine Beachtung, denn Nichtsein ist nicht, wie Parmenides sagt, und wenn sich die Stimme dann zur Geltung bringen soll unter diesen Bedingungen ist Sie eben nicht (mehr) – vorausgesetzt, sie lässt sich auf den Versuch ein – die Stimme der Vernunft. Was das sonst bedeutet kann ich getrost Leuten überlassen, die ohnehin im Verhältnis zu ihren Möglichkeiten viel zu viele Erklärungen für alles haben. Die werden das schon richtig interpretieren und diese Interpretation dann ganz sicher für das Interpretierte selbst halten. Und was nicht wahr ist, kann man ja wahr machen.
Aber zunächst geht es um eine Darstellung meiner Art Dir zuzuhören. Der Anlass, den ich diesmal nehme um vor mir selbst zu rechtfertigen, ist Deine Äußerung gesprächsweise, eventuell eine Psychoanalyse machen zu wollen, eine Äußerung, die Du sogleich zurücknahmst, indem Du erklärt hast, dass dazu jetzt keine Zeit ist. Ich habe keinen Anlass, an Deinem Realitätssinn zu zweifeln, sondern nehme einfach einmal den ersten Teil dieser Äußerung an. Daran ließe sich so dann problemlos anknüpfen, wenn Du nicht wenig später unterbrachst - (ich meine, es waren zwei Tage) mir anlässlich meiner Äußerung auf Deine Nachfrage nach der Zukunft einer möglichen langfristigen Zusammenarbeit mit einer nicht zur Familie gehörenden Person, über deren Entwicklung wir gelegentlich sprechen, ‚Trennungsprobleme’ hat, die in vorerst dazu veranlassen mir diese Zusammenarbeit als eine Form einer gemeinsamen Zukunft in frohen Farben vorzustellen, während ich darauf zustimmend, aber zurückhaltend reagiere, um abzuwarten, wie sich das ergeben könnte nachdem die derzeitigen Problemstellungen erfolgreich abgeschlossen bearbeitet sind, um mir kurz mitzuteilen, dass ich Trennungsprobleme habe.
Daran waren nun ebenso wohl die Feststellung selbst als auch die dafür notwendigen Voraussetzungen erstaunlich. Natürlich ist es richtig wenn man der Ansicht ist, dass jeder vor seiner eigenen Tür kehren solle, und es ist nicht falsch und kann nie schaden, darauf aufmerksam gemacht zu werden, vorausgesetzt oder nicht, dass man auf diese Zusammenhänge nicht selbst zu achten imstande ist. Und natürlich hat auch diese Überlegung, dass jeder vor seiner eigenen Tür kehren solle, ihre rekursive Bedeutung, indem sie sich auch stets auf den bezieht, der sich ihrer zur Belehrung anderer bedient. Daraus folgt aber ebenso, dass die Voraussetzungen dazu auch vorhanden sein müssen.
Nun ist der Inhalt der Belehrung ja mittels eines terminus technicus aus der Psychoanalyse formuliert, den Du gewissermaßen meiner laufenden Rede entnahmst um ihn sogleich auf mich anzuwenden. Das ist so weit in der Ordnung, vorausgesetzt, er ist nicht nur meiner laufenden Rede entnommen. Das garantiert bestenfalls, dass ich, soweit ich weiß wovon ich rede, auch weiß, was mit dem Terminus gemeint ist. Es garantiert aber weder, dass derjenige, der diesen oder jenen Terminus technicus meiner laufenden Rede entnimmt, deshalb auch weiß, wie ich ihn verstehe und anwende, noch, dass just das damit gemeint ist, was ich damit meine. Es ist lediglich die Unterbrechung, die diese Entnahme ermöglicht, die hier einen sonst semantisch nicht zwingenden Zusammenhang zu stiften versucht, der deshalb aber keine garantierte Grundlage in der jeweiligen Verwendung von ego und alter zugleich hat. Dem suggestiven Anlass entspricht vielmehr eine ebensolche Verwendung, nicht mehr. Das kann vielleicht etwas deutlicher werden, wenn ich noch einmal auf die Selbstverständlichkeit hinweise, dass die Psychoanalyse eine doch recht komplexe Wissensform ist, die zudem dem Verstehen einige Schwierigkeiten entgegensetzt, die für diese Wissensform nicht nur spezifisch, sondern die sogar darüber hinaus ganz einzigartig sind und Probleme des Verstehens aufwerfen, die von kaum zu überschätzender Eigenart sind.
Darüber habe ich immer mit Dir offen gesprochen und keinen Zweifel daran gelassen, dass es hier nicht einfach um eine fleißige Lektüre gehen kann. dass die nicht nur nicht schaden kann, sondern eine wesentliche Voraussetzung für die Chance des Verstehens ist, und eine schwierige Beschäftigung zudem ist, die über lange Jahre fortzusetzen ist, ohne dass man die lange Lektüre mit dem gelungenen Verständnis deshalb gleichsetzen könnte, darüber habe ich ebenfalls nie einen Zweifel aufkommen lassen. Und ich erlaube mit einmal zu sagen, dass ich selbst in dieser Hinsicht keine Nachweispflichten habe, und dass das ganz außer Zweifel steht, was Dir sicher sogleich ein berechtigter Anlass zu Zweifeln sein mag, aber es wäre in diesem Fall doch zweckmäßig, den Zweifel einigermaßen rational erscheinen zu lassen, indem man ihn nicht auf die Lektüreleistung, also den formalen Nachweis, gelesen zu haben, sondern auf das Gelingen des Verstehens verlegt.
Ich kann Dir das nicht nur empfehlen, sondern Dir darin dann auch problemlos zustimmen, einfach deshalb, weil auch dies zu den Eigenarten der Wissensform selbst so gut gehört wie zu den jeweils subjektiven (individuellen oder kollektiven) Bedingungen ihrer erfolgreichen Rezeption und Durchdringung, von der Weiterentwicklung zu schweigen, insofern beides sowohl die Wissensform wie das je eigene Selbst betreffen muss (kollektiv wie individuell. Man kann darüber hinaus zeigen, dass nichts, was sozial oder kollektiv oder individuell handelt angemessen verstanden werden kann, so wenig wie die Relationen, um die es hier geht, wo dieser Zusammenhang auf welche Weise auch immer zerrissen oder getrübt ist.) Nun also hattest Du auf erstaunliche Art und Weise innerhalb von nur zwei Tagen den Sprung von der Überlegung einer unzeitigen Psychoanalyse zur Psychoanalytikerin getan und warst imstande, mir verantwortlich Deutungen meines ‚Verhaltens’ ad hoc, sozusagen mitten aus dem Gespräch so mir nicht, Dir nichts hinzuwerfen. Ich halte das für erstaunlich. Zumal angesichts des Umstandes, dass Du als Frau und verantwortliche Erzieherin von vier Kindern und angesichts einer Ausbildung zur Sozialpädagogin vermutlich verantwortlich umzugehen weißt mit der Handlung, die die Sprache selbst ermöglicht und zur Darstellung bringt. Ich will diese Deutung ein wenig untersuchen, um ihr gerecht zu werden.
Zunächst ist, um sich ihrem Verständnis zu nähern, notwendig zu überlegen, worauf sie sich beziehen können muss, nämlich auf die genaue Kenntnis der Wissensform, die ihre Anwendung reguliert und auf die Vorgeschichte dessen, auf den sie angewandt wird. Nehmen wir das Erstere einmal als gegeben an – Du hast diesen Respekt, also eine u. U. kontrafaktische Vorgabe, auch als ernst zu nehmende Gesprächspartnerin verdient, die der Voraussetzung nach verantwortlich handelt, als kompetente professionelle Person mit einer diesen Kontext betreffenden Berufsausbildung, als Partnerin und als Erzieherin der gemeinsamen Kinder, darüber hinaus, der Kinder überhaupt, die ja nicht so sehr brauchen wie erwachsene, verantwortliche Erwachsene und Eltern, die sie in die Wirklichkeit einer Kultur einweisen, sie ihnen verständlich machen und ihnen den Zugang zu ihr erschließen, über die formalen Aspekte des alltäglichen Verhaltens und Erwerbs von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen hinaus, die im engeren Sinn für das spätere Erwerbsleben vorauszusetzen bzw. nötig sind - dann bleibt das Zweite, die Vorgeschichte dessen, auf den die Deutung angewendet wird gelegentlich eines Gesprächs, bei dem es sich angesichts seines Gegenstandes um ein Fachgespräch handelt, und nicht einfach um eine Alltagsäußerung, von der man der Meinung sein mag, da dürfte man es schon einmal an Überlegtheit ein wenig fehlen lassen. Ich will nur sagen, dass ich diese Meinung nicht teile, aber das kann man meinetwegen für die hier zu besprechenden Zusammenhänge außer Acht lassen, zunächst, denn der Kontext des Gesprächs war fachlicher Art, kollegial gewissermaßen und der Anspruch an den Austausch war es damit auch.
Als erstes ist nun zu bemerken, dass sowohl diese Vorgeschichte weitgehend verdunkelt ist, denn sie ist kein Gegenstand einer einigermaßen informativen Darstellung gewesen. Außerdem ist sie, soweit bekannt, eine, die nicht zu trennen ist von wenigstens dem Teil der Vorgeschichte, die die Deuterin mit ihr nicht nur teilt. Sie ist gemeinsame Vorgeschichte. In diese trat ich ein nach einer zweijährigen Berufspraxis und Ausbildung in einer Psychiatrie in Anschluss an eine intellektuelle Vorgeschichte, zu der neben einer eigenen Analyse eine wissenschaftliche Ausbildung in Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaften gehörte, die sich zwischen 1966 und 1980 auch als Berufspraxis entwickelt hatte, und aufgrund der Besonderheiten der Situation im Frankfurter Raum des damaligen intellektuellen akademischen Lebens jedenfalls in Hessen und in diesen Fächern von Anfang an und mit zunehmendem Gewicht die Psychoanalyse als eine vermittelnde und, wie sich zeigte, fundierende Wissensform in den gesamten Umkreis der Geistes- und Sozialwissenschaften im weitesten Sinn der ‚moral sciences’ einschob und präsent war aufgrund der nahe liegenden, sehr aktiven Institute der Uniklinik in Giessen und des Siegmund Freud-Instituts in Frankfurt am Main.
Ich war indessen auf diese Form aus meinem wie immer fragmentarisierten Elternhaus, durch meine Mutter vorwiegend, und dem ärztlichen Milieu Bad Nauheims, aus dem ich ebenso stamme, wie ich in seinem geistigen Klima aufwuchs, bereits sowohl vorbereitet auf diese Form des Wissens vom Menschen und meine Erinnerung kann dieses Interesse bereits in meine Adoleszenz, also auf das Alter von spätestens 17 Jahren zurückverfolgen (ich sprach während meiner Prüfung zum Handwerksgesellen mit dem Prüfer darüber), während derer ich sowohl Interesse als auch Kenntnisse aus eigener voruniversitärer Lektüre in diese Universitätszeit ansammelte und dann in mein Studium einbringen konnte.
Aus meiner Kenntnis des intellektuellen Umfeldes der Technischen Universität Hannover und des intellektuellen Klimas der Landeshauptstadt von Niedersachsen einerseits, meiner Kenntnis des geistigen Klimas des Emslandes und speziell Deiner Familie weiß ich, dass dies alles kaum eine Rolle spielte, so dass ich getrost sagen kann, dass die Psychoanalyse jedenfalls zu dem Zeitpunkt, als wir uns zum ersten Mal begegneten, für Dich terra incognita war, und mein Einblick in die intellektuellen Verhältnisse der Umgebung, in der wir uns begegneten, zu einem Zeitpunkt, als ich in der Gruppentherapie beruflich sehr aktiv, wenn auch weder mit mir noch mit dem, was ich zu sehen bekam sehr zufrieden war, weiß ich, dass der Umgang damit, soweit er zu verzeichnen war, entweder eher (spät)pubertären Formen des Intellektualisierens oder einer verantwortungslosen Spielerei entsprang, die ja dann auch das endlich zu erwartende letale Ergebnis hatte.
Ich lasse einmal außer Acht, was von den um Dich herum vorgehenden Vorgängen Du, gemessen an Maßstäben professioneller Einstellung damals oder bis heute überhaupt verstanden hast. Meine des Öfteren erneuten Versuche, diese Sachverhalte und ihre Untergründe einmal zu besprechen sind unverändert bis heute einfach im Sand ablenkender Ideenfluchten und Assoziationen verlaufen, die im Wesentlichen Deine Antwort auf alles konfliktbeladene Material sind, das Deinem Bewusstsein unerträglich ist. Was das vom Standpunkt professioneller Kompetenz zu bedeuten hat, lasse ich einfach einmal offen. Und ich erhebe unter den derzeitigen Umständen auch keinen Anspruch darauf, es jemals zu besprechen, abgesehen von der pessimistischen Prognose, die die Erwartung haben muss, das sei überhaupt vorstellbar.
Derart bin ich aber doch an einem Punkt angelangt, wo ich kaum mehr – selbst beim besten Willen nicht – der Illusion folgen kann, Deine ‚Deutung’ meiner Befindlichkeiten könnten sich auf eine angemessene Kenntnis der der Terminologie zugrunde liegenden Wissensform wirklich beziehen. Denn weder hast Du Kenntnisse darin mitgebracht in die in Rede stehende gemeinsame Vorgeschichte, noch hast Du sie in deren Verlauf je erworben, wenn ich recht sehe. Das kannst Du – wenigstens im Prinzip – indessen wenigstens so gut wissen wie ich auch. Wie kann es dann aber zu diesem Wortgebrauch kommen, wenn nicht durch eine bestimmte, sachlich unangemessene Form eines Versuchs des ‚Lernens’, der im Wesentlichen darin besteht, dass man die Wortverwendung anderer beobachtet um sie dann so ungefähr nachzuahmen, auch wenn man nicht so genau weiß, ob sie nun angemessen ist oder nicht, und auch ganz ohne zu wissen, auf welchem ‚Wissenshintergrund’ sich diese Wortverwendung erhebt, also auf welchen Voraussetzungen sie aufruht bzw. aus welchen sie sich jeweils im Einzelfall ableitet.
Das macht die Wortverwendung ebenso ungefähr wie blind, einmal ganz abgesehen von der Verwendungsabsicht, in der sie erfolgt. Indessen hängt beides doch auf eine bestimmte Art und Weise zusammen. Ich lasse unausgeführt wie und weise stattdessen darauf hin, dass Nachahmung eines ‚Sprachverhaltens’ sich zwar mit Wittgenstein mit Ach und Krach und einigem Aufwand rechtfertigen lassen könnte, aber man muss sehen, dass einerseits Wittgenstein hier bestimmte Zusammenhänge eher aus Gründen hartnäckig und am Rande des noch intellektuell tolerierbaren ignoriert, andererseits jede Sprachverhaltenstheorie gescheitert ist und scheitern würde, falls irgendjemand sich daran noch einmal wagen wollte. Das ist indessen einem Alltagsverstand, der sich damit brüstet, davon nichts zu verstehen, gänzlich schnuppe. Nun gut, aber was folgt daraus?
dass der Nachahmung eine Illusion zugrunde liegt, die bestenfalls ‚ästhetisch’ zu tolerieren und zu ertragen ist. Wendet man aber auf dieses Alltagsverhalten das Wissen ernstlich an, das es in Anspruch nimmt, indem es der Rede anderer einen Terminus entnimmt um ihn anzuwenden ohne Rücksicht auf seine ausweisbare verantwortliche Handhabung, dann ist das einerseits nur angemessen, denn natürlich hat derjenige, der die entsprechenden Voraussetzungen tatsächlich kennt, damit weder Mühe noch muss er sich etwas fragen, etwa, ob das nun angewendet werden soll, darf usw. oder ob das in einer Wissensform aufbewahrte und dargestellte Wissen hier etwa ‚gilt’ oder nicht. Dagegen gilt nicht das Umgekehrte, und hier setzt dann das Problem ein, wie sich überhaupt ein Gespräch gestalten soll, dessen Voraussetzungen auf dem Unterschied zwischen einer verantwortlichen Handhabung von komplexen Wissensformen einerseits und dem bloßem Nachahmungstrieb – um nichts anderes zu sagen – entstammenden ad hoc Verwendungen gerade oder vorhin gesprächsweise aufgeschnappter Worte oder Vokabeln beruhen, bei denen sich der ‚Anwender’ darauf verlassen muss, dass der derart Angeredete darauf verlassen können muss, dass dieser sich anlässlich seiner Verwendung der Vokabeln den Sinnzusammenhang dazu denkt, den er selbst aus eigenem Erwerb kennt und dann abnickt, was ihm derart ‚mitgeteilt’ wird. Das bedeutet aber faktisch, dass der tatsächlich kompetente Gesprächspartner bestätigen muss, dass diese Verwendung situativ korrekt ist.
Abgesehen ist aber erfahrungsgemäß auf Anderes, nämlich auf die Suggestion, man könne die wirkliche Kenntnis mit ihrer Nachahmung übertölpeln, und sich auf diese Weise nicht nur den eigenen Kenntniserwerb ersparen, sondern mittels dieser Überspringung, indem man sich einfach parasitär in ein anderes Bewusstsein einklinkt und es missbraucht für nicht mitgeteilte Zwecke – denn welchen Sinn sollte denn die inkompetente Inanspruchnahme eines nicht angeeigneten Wissens durch seine Simulation haben wenn nicht den einer Ersparnis, die auf den Zwang zu einer mehr oder weniger dreist vorgetragenen Täuschung führt – indem es etwas In Anspruch nimmt, worüber nicht es selbst, sondern der in Anspruch genommene verfügt?
So unklar also der Sinn dieser Überspringung bleiben mag, in bestimmten Hinsichten ist ganz klar, um was es sich dabei handelt, nämlich, dass man am Ende sich sogar als klüger als der erweist, den man auf diese Weise situativ imitiert, vorausgesetzt, man wendet diese Technik nicht auf gänzlich Ahnungslose an und lässt sich von ihrer bereitwilligen Unterordnung bestätigen, dass man richtig liegt, ohne dass irgendjemand bemerkt, was man hier eigentlich in Wahrheit, gemessen an dem Gehalt der Wissensform und der Bedeutung der von ihr nicht zu trennenden Praxis tut. Und nicht nur ist man der Klügere, sondern dies zugleich um den Gewinn einer enormen Ersparnis, die dem Nachweis gleichkommt, dass man viel besser fährt, indem man einfach sich erspart, was andere tun und dabei zugleich nun auch noch in der Hinsicht der Klügere ist, in der man dieser Abkürzung gefolgt ist.
Nun ist Hase und Igel spielen eine Sache, zu der ja in der Tat drei gehören, der Igel tritt doppelt auf um den Betrug inszenieren zu können. Das lässt sich auf Sprachverhalten nur bedingt übertragen. Man muss sich hier auf anderes verlassen als auf intellektuelles Wissen, und es ist natürlich klar, worum es sich dabei handelt, aber es ist auch klug es nicht auszusprechen, und am Ende ist es noch klüger, wenn man anderes angesichts dieser Erfahrung gar nicht erst mitteilt, so dass das Problem, dass ein als solcher bemerkter Beobachter in einer bestimmten Umgebung erzeugt, indem er selbst eben als solcher bemerkt wird, gar nicht erst auftritt, und es ist ein besonders delikates Problem, wie es eigentlich machbar sein könnte, zugleich sichtbar und unsichtbar zu sein, indem das Sichtbare das Unsichtbare derart überblendet, dass es tatsächlich und ganz buchstäblich das Unsichtbare ist. Das ist aber – das kann man sogleich versichern in Übereinstimmung mit alles, was alle wissen – ganz undenkbar und faktisch unmöglich und so löst sich alles auf, was sich hier als Problem zu stellen schien. Lassen wir das also und fassen stattdessen etwas anderes ins Auge, nämlich den Inhalt der Äußerung.
Ich habe also ‚Trennungsprobleme’. Dazu ist zunächst zu sagen, dass ich mit Dir verabredet bin nicht zu einer Trennung, sondern zu einer Ehe, der Erziehung von – faktisch – vier Kindern und zu einer ordnungsgemäßen Durchführung dieser Lebensaufgabe. Das ist die Verabredung. Im Rahmen dieser Verabredung gibt es jedenfalls keine unmittelbaren Trennungsprobleme, die diese Verabredung selbst betreffen können. Innerhalb dieses Rahmens gibt es – nicht: die üblichen – Trennungsprobleme – etwa die zwischen Eltern und Kindern, denn was sollte das hier bedeuten, legt man nicht ‚Kriterien’ zugrunde, die die Trennungsprobleme, die sie zu definieren beanspruchen, schon durch die Art als gegenstandslos definieren, wie sie sie definieren, nämlich als Verhältnisse, die der Trennung gar nicht bedürfen, weil man nichts trennen kann, was eo ipso per Definition gar nicht zusammenhängt ? – sondern praktische Probleme der Organisation des Lebens entlang von nicht zur Verfügung stehenden externen Größen, ein Problem, das so alt ist wie die Familie, oder noch allgemeiner, das Leben als Dasein in der Existenz.
Die hier gewählten Formulierungen sind nicht überflüssige Preziositäten, sondern der Alltagssprache nicht zur Verfügung stehende Präzisionen. Sie beruhen auf denselben Gründen, die alles Wissen dazu veranlassen muss, sich solche zu schaffen, und gehören nicht für jeden nicht zur Sprache, mit der dann ja immer nur der, der solche Einwände bereit hält, sich von der Notwendigkeit zu entlasten und sie zu umgehen sucht, sich solchen zu bequemen, weil es ohne sie auch das Wissen nicht gibt, um das es geht, und das stets einen zusammenhängenden organisierten Kontext bildet, aus dessen Umfang und Struktur heraus dann das hervorgeht, was man als ‚Bedeutung eines Wortes’ gänzlich missversteht.
Die Frage ist also, worauf sich diese Deutung eigentlich bezieht und was sie in Wirklichkeit besagen will. Und wenn das die Frage ist, dann ist weiter die Frage, was für eine Verwendung hier eigentlich von einem Terminus gemacht wird, der einer bewusst gehandhabten Rede entnommen ist und sich dann einer Verwendung zugeführt sieht, die womöglich gar keinen ersichtlichen Zusammenhang hat mit dieser Bedeutung, weil die Voraussetzungen dieser Verwendung gänzlich andere sind als die des Kontextes, aus dem heraus der Terminus genommen wurde um situativ radikal umgedeutet einem Verständnis angeboten zu werden, die ihm zugleich suggeriert, sie sei deckungsgleich mit der sich aus dem professionellen und kontextabhängigen Bedeutungsgehalt des Terminus, so wie er in das Gespräch eingeführt wurde. Auch die Antwort auf diese Frage wollen wir einem Verstand überlassen, der es nicht nötig hat, die Antworten auf Fragen auswendig lernen zu müssen, indem man sie ihm vorsagt und der also nur weiß und nur wissen kann, was er auf diese Weise ‚lernen’ kann, durch Nachahmung.
Wer also die Antwort nicht hat oder meint, das könne man gar nicht oder nach Belieben beantworten, einmal abgesehen davon, dass man keine Zeit hat sich mit derartigen Subtilitäten zu befassen, und stattdessen besseres zu tun, der sollte sich darauf vorbereiten, sich sagen lassen zu müssen, dass er vor allem den Verstand nicht hat, der die Antwort weiß, und dass das bestimmt ‚etwas zu bedeuten hat’, das sich ihm ebenfalls entzieht. Man könnte also sagen, dass man auf diese Weise vom Trennungsproblem zum Entzug kommt, was etwas ganz anderes ist. Aber das mag man - zu Recht? – für eine Spielerei halten.
Ich habe mich vor nunmehr mehr als drei Jahren von W. entfernt, nachdem ich diese Möglichkeit, mich bestimmten Formen der Bearbeitung zu entziehen, die ich als familienspezifische Probleme vorfand nachdem ich mich mit Dir verabredet hatte, und was sich als kaum zu rechtfertigende Leichtsinnigkeit oder besser Mutwilligkeit erwiesen hat angesichts dieser Probleme. Ich habe bereits sehr früh zu verstehen gegeben – unter Einsatz der von mir ganz richtig in Anspruch genommenen Kompetenzen, und indem ich Dir zu einem exakt datierbaren Zeitpunkt mitteilte, dass und wann unsere Beziehung in eine sado-masochistische Perversion übergegangen ist – dass ich es für besser hielte, wenn wir eine einvernehmliche Lösung für die auftauchenden, von unseren unterschiedlichen Ausstattungen herrührenden Verständigungsschwierigkeiten suchen würden, und ich habe dabei, um Dich nicht zu beschädigen, denn immerhin konnte man zu Deinen Gunsten annehmen – und ich nehme grundsätzlich zunächst zugunsten eines anderes etwas über ihn/sie an, wenn ich mich veranlasst sehe, mich zu einem Urteil zu bewegen, das mögliche Folgen für ihn/sie hat, die ihm/ihr Nachteile einbringen könnten – dass auch Du das nicht grundsätzlich aus bewusster böser Absicht wolltest: Mich beschädigen und das verdiente ja Berücksichtigung, zumal angesichts des Umstandes, dass ich Dich wenig kannte. Ich kann allerdings gerade nicht behaupten – und niemand kann das – dass Du Dich in gleicher Weise mit der entsprechenden Vorsicht auf mich zu bewegt hättest, denn Dir schien ich von Anfang an vollständig bekannt zu sein, so bekannt, dass meine Zustimmung zu dem, was sich da abzuspielen begann, offensichtlich gar nicht eigens notwendig war.
Es ist klar, dass man nur einmal sagen muss, und ohne Nachdruck, dass man das nicht gut erträgt und nicht zustimmt. Bleibt eine erkennbare Einstellung zu dieser Mitteilung aus, dann befindet man sich bereits in einer Situation, die nicht mehr konsensfähig ist, während sie ausschließlich von dem jeweils situativ zu erneuernden Konsens abhängt, sofern man nicht Zwangsverhältnissen untersteht. Deren Voraussetzung unter Umständen, unter denen sie nicht vorausgesetzt werden können, beschwört eine unhaltbare Lage herauf, die sich unter Leuten, die ihren Kopf auf den Schultern tragen, nicht nur einsehen, sondern auch auflösen lässt. Just dies war stets mein Vorschlag, auch in der ganzen weiteren Folge der weiteren Entwicklung.
Ich habe Dir erklärt, dass Du versuchst einen Anhängigen zu manipulieren und ich habe mich unter Gebrauch meiner Vorbildung – als Suchtberater besonders für Alkoholismus, und unter Berücksichtigung der familientherapeutischen Einsichten, die vorliegen und mir verfügbar sind, so prekär das ist für die Beteiligten – und meines Wissens und dessen, was sich mir dann bot, nicht nur klar zu machen versucht, dass ich die Zusammenhänge sehr wohl sehe, sondern auch, dass wir zu einer Lösung kommen sollte, die keinen von uns chronisch beschädigt.
Es ist nun ganz unleugbar, dass ich dabei die aus den Forschungsbefunden verbürgte Erfahrung wiederholte, dass die verantwortlichen Verursacher und Erzeuger des Symptomträgers nicht dazu zu bewegen sind, hier einzulenken, so dass ich einerseits, therapeutisch gesehen, sehr wohl wahrnahm, in welcher Lage ich mich nunmehr befand, ohne andererseits eine einvernehmliche Lösung erreichen zu können.
Meine unter allen diesen Schwierigkeiten weiter aufrechterhaltene Bereitschaft beizutragen zur Gestaltung der einfach alltäglich und faktischen Lage, die das verlangte, halt ich nicht für eine Zweideutigkeit, denn wie anders soll man seinen grundsätzlichen Respekt vor einem anderen Menschen, auch wenn man nicht einvernehmlich lebt, mitteilen, und darüber hinaus, wie anders soll man denn gestalten, was sich vorerst nicht ohne Weiteres auflösen lässt, und was auch von der Bereitwilligkeit zur Mitwirkung des Anderen abhängt, des Partners, der er trotz allem ist, solange das gemeinsame Leben ein Faktum bleibt, dem man schon um seiner selbst willen Respekt schuldet, weil es so oder so auch die eigene Lebenslage ist.
Man kann einen anderen nicht verletzen ohne sich selbst zu verletzen. Ebenso kann man die Erfahrung machen, dass es Andere gibt, denen das ganz schnuppe zu sein scheint, so dass sich nicht einmal im Hinblick auf diesen Satz ein Konsens ergeben kann. Das macht aber das Zusammenleben nicht nur unerträglich, sondern auch asymmetrisch. Der sadistische Partner in einer sadomasochistischen ‚Beziehung’ erzwingt ja die Verletzung und versteht die Provokation des Partners zu Recht als Erreichung seiner Ziele, auch wenn er selbst dabei wiederum verletzt wird.
Denn das ist ihm einfach schnuppe. Der Gewinn besteht darin, einen anderen erfolgreich zu quälen, auch wenn der dann bissig wird. Darauf hat der Sadist stets eine noch sadistischere Antwort. Das gerät zu einer endlosen Eskalation. Alle diese Sachverhalte habe ich zur Zeit ausgesprochen, sie waren mir nicht nur klar. Du hast, wie das dann eben nicht anders zu erwarten ist, darauf geantwortet, indem Du die Verständigung verweigert hast. Ich habe Dir erklärt, dass ich das nicht wünsche, dass Du meine Zustimmung nicht hast, und dass ich eine Lösung wünsche. Was kann denn nun eigentlich krimineller, gewissenloser und hinterhältiger sein als just dann jede Lösung zu sabotieren, wenn der Partner das wünscht und begründet warum er das tut und dann erwartet, dass man wenigstens so weit kooperiert, dass Leben möglich bleibt. Und worauf anderes zielt diese Weigerung als auf eine Verfolgung des Anderen und auf seinen Untergang?
Dein Verbrechen besteht also darin, trotz der klaren und unzweideutigen Artikulation des Verlangens nach einem bereits früh sich abzeichnenden Scheitern unseres Versuchs mich aus der Verabredung zu entlassen und mich von dem gegebenen Versprechen zu entbinden. Ich habe mir in dieser Hinsicht nichts vorzuwerfen, am wenigsten Trennungsangst, denn ich habe nach einer langen Kette stets dringenderer Vorstellungen, dass ich notfalls ohne Deine Zustimmung dann selbstständig handele, wenn mir das überlebensnotwendig zu werden scheint angesichts des Risikos, dass mich entweder weiteres Aushalten umbringt oder das Handeln ohne Rücksicht auf die Folgen, die es für mich haben würde, denn um die Folgen, die es für andere hat, wenn man handelt, geht es nicht mehr, wenn man riskiert, dass sie einen umbringen alles stehen und liegen gelassen um mich zunächst in Sicherheit zu bringen, in Sicherheit zu bringen vor einer Mörderin, die versucht hat, und zwar von Anfang an, mich seelisch, intellektuell und sozial zu vernichten um schließlich meine Existenz zu liquidieren, und zwar ohne sich das geringste gewissen daraus zu machen und ohne eine auch nur entfernte Einsichtsfähigkeit in ihre eigene Geistes- und Seelenverfassung.
Was Du mir also vorwirfst ist die Treue zu dem gegebenen Versprechen angesichts mörderischer und nicht lebbarer Behandlung. Es stand Dir jederzeit frei mit mir zu einer Vereinbarung zu kommen, und zwar bereits vor der Schwangerschaft, geschweige denn der Geburt des ersten Kindes, und es ist eine bis heute, unter anderen, unbeantwortete Frage an Dich, für die Du mir die Antwort verweigerst, warum Du mir die Kooperation verweigert hast. Um zu verstehen, was die so daher geredete Äußerung, ich hätte Trennungsängste, unter diesen Umständen, also ganz richtig in dem Kontext, in dem sich ein Teil Deiner und meiner Lebensgeschichte kaum entwirrbar ineinander verschlingen, einfach weil die Kommunikation die Konturen unserer aufeinander bezogenen Verhaltensweisen strukturiert hat, kann nur klar werden, wenn verstehbar wird, dass Du den Ausdruck eben nicht im Kontext einer Dir gar nicht bekannten Wissensform benutzen kannst, sondern nur in der Form eines hämischen Vorwurfs, der mir meine Treue zu meiner Verabredung mit Dir, also meinen Mangel an asozialer Rücksichtslosigkeit meint zum Vorwurf machen zu können, eine fast unglaubliche Infamie, die das Beste an den moralischen Qualitäten eines der Kultur und kulturellen Umgangsformen und Verbindlichkeiten verpflichteten Menschen zu einer pathologischen Schwäche herabsetzt und diese denunziert.
Die Nazis haben psychopathologische Diagnosen als Vorwand zum ohnehin geplanten Mord benutzt, und dabei ebenso rücksichtslos kulturelle Normen genutzt und missbraucht bzw. als elende Blödheiten, die man leicht dazu nutzen kann, die Menschen in tödliche Fallen zu locken und anhand ihrer eigenen Wertvorstellungen an der Nase herum zu führen auf Kosten ihres Lebens.
Es ist mir erst jetzt ganz klar, dass das weder etwas Besonderes war noch etwas, das einen politischen Grund gehabt hätte. Es ist der deutsche Mob und seine Mentalität, die umgekehrt daraus Politik und staatlich inszenierten Massenmord unter Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen hat werden lassen können. So erst wird ein Schuh daraus, und dass mir davor graut, ist ganz natürlich. Und es ist ganz naiv zu meinen, das sei etwa vorbei. Es hat die Form geändert und ist aus der öffentlichen politischen Form und der Uni Form vor allem einfach in die Maske des unauffälligen Privaten zurückgekehrt, aus dem es kam. Es sind innerfamiliale Muster menschlicher Beziehungen und sogenannter sozialer Formen, aus denen entstand, was die Form einer Art von ...
(Hier ist bei einer Dateikonvertierung Text verloren gegangen.)

Hallo liebe Leah, Montag, 5. Februar 2007
ich habe an Dich gedacht und hier ist, was ich Dir mitteilen möchte. Den Namen der Sängerin habe ich leider nicht mit in der Aufnahme, aber das ist sicher herauszufinden. Was ich an ihr bewundere und was mich begeistert ist ihr reines Herz. Man darf ihr bedenkenlos glauben was sie singt. Sie ist auch Gitarristin und hat es selbst geschrieben. Ich meine, der Mann mit den blonden Locken, der mehrmals auftaucht im Bild, zuletzt neben ihr, ist ihr Vater, und auch ein bekannter Musiker aus den USA.
Es ist ein Lied von bezaubernder Einfachheit. Man kann etwas derart nur schreiben, wenn man das weiß, was der Text besagt. Auswendiglernen lässt sich dann viel, aber das wird eine Täuschung, die man beim musikalischen Vortrag sofort bemerken würde. Ich habe Dir den Text herausgeschrieben und die dazu gehörenden Harmonien. Es gibt da wohl einiges zu üben, aber Du kannst das ja einmal mit Deinem Gitarrenlehrer durchgehen. Es ist zu machen. Man kann es ja auch recht einfach transponieren auf der Gitarre, z. B. um einen Halbton tiefer nach A, hat dann aber anschließend nicht die bequem zu spielende Tonart C, sondern H (amerikanisch B). Man muss es nicht mit großem Stimmaufwand singen; es wird genau genommen verhalten intoniert und lediglich an ein paar Stellen etwas betont durch Hebung der Stimme. Die Begleitung mit der Gitarre muss entsprechend zart sein, damit der Vortrag ausbalanciert wirkt. Man muss kein Mikrofon haben, aber damit geht es dann auch ganz leicht.
Bemerkenswert ist die Art der Emphase, die die Sängerin auf die Betonung mancher Silben legt, besonders im Refrainteil des Liedes. Versuche einmal, das einzustudieren. Es erzeugt eine besondere Wirkung, erfordert aber eine bestimmte Technik der Atmung. Wenn Du Dich darauf konzentrierst und alles schön übst, einfach nur das bis Du es heraus hast, dann hast Du sehr viel erreicht für Dich.
Vor allem der Text ist singbar, man kann alle Überzeugung der Welt in ihn hineinlegen, weil er schon darin ist, man muss sich also nicht verstellen, um ‚eine Rolle zu spielen’, wenn man ein reines Herz hat. Wenn man es nicht hat, ist es freilich gerade umgekehrt, aber darüber mache ich mir bei Dir keine Sorgen. Ich kenne Dein Herz, es ist nicht schwarz.
Ich hoffe sehr, dass es Dir Spaß macht Dich mit dem Lied zu beschäftigen. Du solltest Dir überlegen, ob Du nicht selbst eines schreiben könntest, dass Deine Seele zur Erscheinung bringen kann. Wir können uns dann ja eine Vertonung überlegen. Ich bin jedenfalls bereit Dich dabei zu unterstützen.
Wir haben ja schon öfter darüber gesprochen, welche Probleme die Songs aufwerfen, die man so gängig findet. Dies ist jedenfalls nach meinem Herzen. Es wird Dir gefallen. Und wenn Du gerade zu träge bist, Dich in Arbeit zu stürzen, zu der keine Zeit oder Antrieb vorhanden ist, dann kannst Du es einfach immer wieder ansehen und anhören. Das habe ich auch zunächst getan, bevor ich mich daran gemacht habe, den Text herauszufinden und die zur Melodie passenden Harmonien.
Ich umarme Dich in aufrichtiger Liebe
Bis bald
P.S.: Sag’ Sarah, dass ich an einem Brief für sie noch arbeite.

Vierundvierzigster Traum:

Traum am Freitag, 23. Februar 2007

Immer wieder narrt mich einer dieser Träume, so kommt es mir jedenfalls vor, einer dieser Träume, die ich auf keine Weise zu verstehen meine, und zwar stets gerade dann, wenn ich, beschäftigt mit dem Studium der Psychoanalyse, gerade wieder einmal meine, kurz vor dem Triumph des gelungenen Verständnisses des Zusammenhalts des Theoriegebäudes zu stehen und seine Fundamente im Boden seines Gegenstandsbereichs zu begreifen. Dann habe ich etwa so einen Traum, wenn ich ihn überhaupt erinnere. Meist geht in meinem Kopf im Moment etwas vor, das sich der Erinnerung wie eine Art von Gewittersturm präsentiert, mit vorbeischleudernden Fetzen von Objekten, deren ursprüngliche Gestalt ich unmöglich zu entziffern vermag. Sie sind so fragmentiert, dass sie unentzifferbar werden. Es gibt dann nicht mehr zu erinnern als diesen unablässigen Sturm. Dann wieder driften assoziative Zusammenhänge mit aberwitzigen Übergängen, die ich dann vergeblich zurückzuverfolgen versuche, an meinem beobachtenden Bewusstsein in einer Art Dreiviertelschlaf vorbei, dass ich vergeblich versuche ihre Herkunft und die Peripetien, bei denen sie thematisch umschlagen zurückzuverfolgen.
Dann also dieser Traum:
Ich komme mit dem kleinen schwarzhaarigen, etwas südländisch aussehenden Kind – es ist meine Tochter, und ich erkenne problemlos ihre Ähnlichkeit mit meiner jüngsten Tochter Sarah, an ihren braunen Augen, sie har die Frisur eines einzigen, auf dem Hinterkopf liegenden Zopfes, den ich aus Bildern meiner ältesten Tochter Rebecca erinnere, so dass ich getrost sagen kann, dass das Kind in dem Traum zugleich alle meine vier Töchter darstellt und zugleich, das ist noch zu zeigen, mich selbst, aber auch meine Mutter – nach einer Wanderung zu Fuß, wir scheinen überhaupt immer auf diese Weise unterwegs zu sein – an einer Brücke an. Wir nähern uns der Brücke seitlich quer zur Richtung der Straße, die über sie führt, erreichen also auch die Straße erst, als wir die Brücke erreichen. Wenn ich überlege, was sie überbrückt, dann meine ich, es könnte eine Talsenke sein ebenso gut wie ein Fluss oder eine Eisenbahnstrecke. (Es gibt in Düsseldorf viele Eisenbahnunterführungen, die also die Straßen überbrücken, und Straßenbrücken, die über Eisenbahnstrecken führen, aber ebenso die Rheinbrücken.) Der Verkehr ist dicht und schnell, schwere Lastwagen drunter, und ein Ampelbetrieb. Während ich noch warte und meine Tochter um meine Füße herumwuselt, rennt sie unvermittelt los und auf die Brücke, in den Verkehr hinein und über die Trasse. Ich erschrecke und meine, sie müsste im nächsten Augenblick überfahren werden.
Deshalb laufe ich nun hinter ihr her und bin auf einmal derselben Gefahr ausgesetzt, weil ich ebenso kopf- und achtlos in den Verkehr hineinrenne wie sie. Das ganze wirkt ausgesprochen bedrohlich. Ich folge ihr über die Straße durch den dichten Verkehr, um sie zu erreichen, aber das gelingt mir nicht, sie ist ungemein flink. Sie überquert die Straße aber scheinbar ziellos, erst einmal auf die Gegenseite schräg in die Brückenführung hinein, dann wieder umgekehrt. Die Brücke weitet sich nach Innen zu einer Art von Trapez und öffnet sich in wenigstens zwei Richtungen nach Art einer Gabelung, während sie dabei eine Art von Plateau bildet, dessen äußere Form also wenigstens einem Dreieck ähneln könnte, aber ich erlange keinen rechten Überblick während sich mein Blick an ihr festsaugt um sie nicht aus dem Auge zu verlieren, auf Kosten der Umgebungswahrnehmung.
Sie überquert die Straße erneut, in der Gegenrichtung, und schräg in die Brückenführung hinein, überquert also zunächst wenigstens den ihrem Ausgangspunkt gegenüberliegenden entfernten Arm der auf der anderen Seite wieder hinausführenden Straße, und dann noch einmal den diesem gegenüber liegenden anderen Arm der Gabelung, wo ich sie, atemlos nach ihr anlangend, an der Hand eines recht schönen Jungen mit schwarzbraunen Augen und einem ‚indischen’ Teint wieder finde, der seinerseits in Begleitung offensichtlich seines Vaters und einiger weiterer Personen – deren Geschlecht der Traum zwar unbestimmt gelassen zu haben scheint, eben so wie ihre Altersunterschiede, die ich aber an ihrer nicht ganz identischen Größe flüchtig ablesen zu können meine, während mein Wachbewusstsein diese Schemen nun angestrengt einem Geschlecht zuzuordnen versucht, weil es weiß, dass es nur das eine oder das andere sein kann -
gewissermaßen indem es noch einmal genauer hinzusehen versucht um das Versäumte nachzuholen, wobei sich herausstellt, dass die ‚Schemen’ selbst, also die Objekte, verschwommen bleiben, wie ein in der Eile verwackeltes oder mit zu langer Belichtungszeit aufgenommenes Photo, das ja so zustande kommt, dass entweder der Photograph wackelt oder das Objekt sich relativ zur Kamera bewegt während der Dauer der Aufnahmezeit – soll es sich, was ausgeschlossen ist, nicht um Krüppel handeln oder Um Missgeburten.
Das ist ganz ausgeschlossen. Die Menschen wirken sympathisch. Anders meine Gefühle. Ich bin aufgebracht angesichts ihrer gelassenen Trägheit. An ihrem Benehmen ist nichts zu bemerken, das darauf hinweist, dass sie die Gefahr, in der sich meine Tochter befand überhaupt wahrgenommen hätten. Das bringt mich auf, nicht eigentlich unmittelbar gegen sie, aber deshalb, weil sie meine Gefühle und Wahrnehmungen gar nicht zu teilen vermögen. Ich erkenne die Zwecklosigkeit, den ein wenig verwundert und passiv dreinschauenden Leuten etwas erklären zu wollen, was sie gar nicht wahrgenommen haben und mir womöglich nicht einmal ‚abnehmen’ würden, so dass sie womöglich sagen würden: Worüber regt der sich so auf? Stattdessen blicke ich nur verstört und empört drein während diese Personen, stehen geblieben, mich verständnislos oder auch passiv ansehen, nicht so sehr gleichgültig als abwartend und ohne zu verstehen, während ich meine Tochter entschlossen an die Hand nehme um sie zunächst wegzubringen. Sie hatte den Jungen erreichen wollen, in den sie offenbar verliebt ist und ich kann das wohl verstehen, ‚nachfühlen’, denn er ist schön, und seine Eltern sind akzeptabel, aber ich halte es für notwendig, sie zunächst einmal dazu zu bringen, sich nicht derart blind für die Gefahr in den rasenden Verkehr zu stürzen.
Beim Erwachen – ich wache recht plötzlich auf, mit einem Rest der Kopfschmerzen, die mich gestern dazu brachten, die Lektüre eines Buchs zu unterbrechen um früh schlagen zu gehen, was nur die Folge hatte, dass ich in der Nacht mehrere Stunden wach lag ohne dass der inzwischen aufgelöste Kopfschmerz verschwunden gewesen wäre – bemerke ich, dass ich noch dabei bin, an den Formulierungen zu arbeiten, mit denen ich den verständnislos dreinblickenden Leuten meine mir notwendig scheinenden erzieherischen Maßnahmen und also erklären will, warum ich sie nicht an der Hand des Jungen lasse, von dem sie sich ungern trennt – das legt schon der Aufwand nahe, mit dem sie ihn zu erreichen trachtete – sondern sie zunächst mitnehme. Weder der Junge noch die Menschen, in deren Begleitung er ist, machen irgendeine Bewegung während wir uns entfernen. Nur von meiner Tochter scheint eine leise Enttäuschung an mit und ein schwaches Widerstreben auszugehen, das mir einen Vorwurf wegen meiner Strenge macht.
Soweit der Traum.
In den Tag begleitet mich ein diffuses Gefühl von Schuld, falsch gehandelt zu haben. Ich kenne dieses Gefühl. Es begleitete alle meine ‚Erziehungsmaßnahmen’, also eigentlich alle Einschränkungen der Triebwünsche, denen gegenüber ich mich stets im Unrecht fühle, so dass ich eigentlich immer nur Konventionen gefolgt bin, aber ohne innere Überzeugung davon, dass es sich dabei um ‚das Richtige’ handelt.
Während der Niederschrift erkenne ich Bedeutungszusammenhänge. Sie ergeben sich tatsächlich aus der sprachlichen Gestalt, und ich bemerke auch gelegentliche Unsicherheiten der spontanen Wortwahl, die mir gelegentlich auch eine zweite Wahl vorschlägt, die den sich mir aufdrängenden Sinn ein wenig schwerer erkennbar werden lässt.
Der Traum ist eine Urszenenphantasie, in der die Objektwahl des Liebesobjekts ebenso unsicher ist wie das Geschlecht des Liebenden. Alles scheint noch vertauschbar, ist nicht eindeutig festgelegt und der Verkehr ist ‚rasend’ und ungemein bedrohlich. Meine Tochter – ich schrieb zunächst spontan ‚ich’ – aber dann gerät die sprachlich zunächst gemachte Unterscheidung ins Ungefähre und entgleitet der klaren Mitteilbarkeit – ist zudem in akuter Gefahr, von einem der riesigen Laster überfahren zu werden, die die Brücke rücksichtslos fahrend überqueren – so wie ich in Indien den Verkehr erlebte.
Als ich wirklich in Indien war, veranlasste ich, dass der Fahrer, ein Junge von ca. 14 Jahren, wie mir in der Erinnerung scheint, entlassen wurde, weil mich seine Fahrweise ängstigte. Ich übernahm, mit zwei Frauen unterwegs, selbst die Aufgabe des Fahrers, obwohl man mir sagte, dass man als Europäer von dem Versuch, in Indien Auto zu fahren, besser die Finger ließe. Ich hatte aber noch Erinnerungen genug an die anarchische Fahrweise auf freilich weniger verkehrsreichen, aber dafür sehr viel besseren Strassen, nachdem ich den Führerschein gemacht hatte, so dass ich mir das zutraute und wir auch glücklich durchkamen. Das war späte Adoleszenz, und ich hatte noch kein Objekt meiner Liebe gefunden. Daran hat sich nichts geändert. Was ich fand war anderes als das Objekt meiner Liebe. Es war stets dessen Surrogat. Der Verkehr hat mich tatsächlich überfahren, und es kamen wenigstens sechs (sex) Kinder um bei diesem ‚Sex’. Sie wurden in ‚statu nascendi’ getötet. Meine Angst hat einen Realgrund – und zwar wenigstens in meiner Objektwahlneigung, in der ein Wiederholungszwang derart unübersehbar ist, dass dies ein Blinder mit dem Zaunpfahl erfühlen können müsste.
Ich meine jetzt, dass ich doch zu verstehen imstande bin, was ich beim Erwachen mit einer gewissen Niedergeschlagenheit für unverständlich hielt, und auf meine Unfähigkeit schob, mein langes Studium der Psychoanalyse angemessen anzuwenden, so dass ich stets in Abwehrfallen laufe, die das Verständnis fragmentieren und mich irreführen. Nun verschiebt sich die Niedergeschlagenheit auf den Anblick des Verstandenen. Das also bin ich heute, im Alter von bald 66 Jahren. (Zweimal die SEX, das ist ein Witz!), den die ‚Rotlichtnummern’ der Fernsehtelefonwerbung für ‚Telefonsex’ spät in der Nacht nutzen, indem die möglichst viele Sechsen ‚in einer Nummer’ häufen, wie deren ‚Umkehrung’, die Neun, um bestimmte ‚Stellungen’ anzudeuten. Merkwürdig, dass die Eins dabei weniger in Frage kommt, während sie doch für das erigierte Glied ‚stehen könnte’.
Aber sie wirkt assoziativ – auf mich, im Augenblick eher neutral, steril. Das ist allerdings eine Abspaltung, die sie zu einem leeren Zeichen macht. Die Aufladung der Sechs und der Neun dagegen liegt im umgangssprachlichen Gebrauch näher, wenn auch nicht im gewöhnlichen Alltag. Es ist die bauchige Form, der Bauch einer Schwangeren, der die Sechs und die Neun so attraktiv und fruchtbar erscheinen lassen. Die Eins scheint dagegen mehr den homosexuellen Verkehr unter Männern in meinem ‚privatsprachlichen’ Repetoire von Bedeutungen und Symbolen zu haben. Das lässt sie so ‚leer’ erscheinen.
Das ‚Unverständnis’ ist in Wahrheit eine konstante und noch immer anhaltende impulsive Weigerung eines in der Zwangsjacke der protestantischen Ethik dressierten Jungen, der diese ‚nutzt’, um sich die Einsicht in die Wahrheit seiner Herkunft – aus einem Mutterleib – zu verbergen, in den er gelangte auf dem Wege des geschlechtlichen Verkehrs seiner Eltern.
So hatte meine Großmutter wohl ethisch alltagspraktisch recht im Sinne der kulturellen Normen, mit denen sie ihre Tochter, die meine Mutter war beurteilte, aber sie verwarf damit das Triebhafte, dem sie ihre eigene Existenz verdankte ebenso wie ihre eigenen Kinder – ich vermeide hier den Ausdruck ‚Sexualität’, insofern er ein Konsumgut bezeichnet, das auf einem Markt gehandelt wird und dazu zunächst abgespalten wird von der Leiblichkeit der Existenz des Menschen, der damit kulturell aufhört zu existieren , indem er durch eine Stalltierexistenz ersetzt wird, die sich bequem verwalten lässt – und gab zu verstehen, dass es ich um eine ‚schmutzige Sache’ handelt. Deren Kehrseite, als Sache ist dann nur ihre Positivierung als Sex, also die einfache affektive Umbesetzung der Pole. Dann erscheint der kulturelle Rahmen des menschlichen Daseins auf einmal als eine gewaltsame Zwangsjacke.
Da das weibliche Kind in dem Traum so gut meine Mutter, wie mich selbst und meine vier Töchter darstellt, ist klar, dass ich einerseits sagen will – damit meine ich den Sinn des Traums, wenn ich’s genau betrachte – dass ich eigentlich noch zu klein bin dafür eine Übersicht über diesen bedrohlichen Verkehr haben zu können. Das ist das kleine Geißlein im Uhrkasten. Dann mache ich aber auch meiner Mutter einen Vorwurf, zu wahllos und unbedacht in den rasenden Verkehr gelaufen zu sein, einen Vorwurf, der sich dann allerdings auch gegen mich selbst wendet und meine verfehlte Objektwahl, die sechs Kinder das Leben in statu nascendi kostet. Darüber hinaus wendet sich der Vorwurf an die mörderischen Protomütter, die ich mir zu Gefährtinnen auswählte.
Dann aber verwandelt sich der in alldem hintergründig anwesende Anblick der Urszene oder eines ihrer Äquivalente – die ‚Onkels’, die in unserem Haushalt – dem Plateau – nach dem Tod meines Vaters ‚so durchfuhren’, ein Wort, in dem der Anklang von ‚Huren’ kaum zu überhören ist, nicht nur in den Vorwurf Hamlets gegenüber seiner Mutter, sondern eben auch den gegenüber den ‚Onkels’, die Mörder meines Vaters zu sein. Damit ist allerdings noch lange nicht alles gesagt. Auch mein im Alter von fünf Jahren gestorbener Bruder Hans Joachim ist noch mit ihm Spiel, und was das bedeutet wird dann erst ganz klar, wenn der Mordvorwurf wie ein Bumerang zurückkehrt zu dem, der meinte einen Speer zu schleudern indem er die ‚Onkels’ dafür verantwortlich machte.
So richtig es ist, sie anthropologisch und darüber hinaus mit dem Blick auf andere Raubtiere als mörderische Rivalen um das eigene Leben aufzufassen – das ist Studien über Raubtiere, z.B. Löwen recht gut belegt, deren Männchen, wenn sie ein Rudel erobern, oft genug und in der Regel den noch vorhandenen Nachwuchs der wie immer aus dem Feld gegangenen oder geschlagenen Vorgänger rücksichtslos töten um des Erfolges der eigenen Gene willen (wie man das dann depersonalisiert um anzudeuten, dass das ganz natürlich und erwartbar ist, womit man sich dann getröstet fühlen darf. Wohlgemerkt, die Depersonalisierung geht hier von der ‚theoretischen Betrachtung aus, und nicht von einer ‚pathologischen Verfassung’ eines Individuums mit ‚privatsprachlicher Regression’ und Desymbolisierungstendenz) – so falsch ist es, diese aus einer Projektion entspringende richtige Erkenntnis einer Gefahr nicht wiederum in eine vollständige Erkenntnis umzuwandeln dadurch, dass man die Erkenntnis, die man an den anderen, den überlegenen Rivalen gewonnen hat, wiederum aus dieser Projektion zurückverwandelt in die Einsicht, dass man sie nur hat machen können, weil man das Tier im innersten kennt, das man da beurteilt, indem es nämlich nur dasselbe ist, was man selbst auch ist, und was man nach diesem Muster erkennt.
Die durchaus nicht nur unbegründete Todesangst rührt aus dem doppelten Aspekt der Einsicht, dass der da auftauchende Andere nur ein anderes selbst des zumal gleichen Geschlechts ist, der mit seinem Begehren der Mutter zugleich bekennt, dass er alle Rivalen um das Recht ihrer Begattung mit aller Konsequenz aus dem Feld geräumt hat, wenn er nicht zu dem Typus des ‚Kuckucks’ gehört oder des Rivalen, der die Konzentration der stärkeren Männchen um das Vorrecht der Begattung des Weibchens nutzt, um während der Zeitspanne ihrer Abgelenktheit von ihrem eigentlichen Ziel die indolent abwartenden, sich gewissermaßen mit der bloßen Erwartung langweilenden Weibchen in coup de main an deren Stelle zu koitieren und zu befruchten.
An diesen Grundlagen wird auch die angestrebte ‚Maskulinisierung’ der weiblichen Gattungsexemplare nichts ändern, während diese wohl das Paarungsverhalten betreffen wird, indem sich die Phantasmen mehr und mehr dem homosexuellen Typus annähern müssen, damit ‚Attraktion’ noch entstehen kann, was wiederum vermutlich dazu führen wird, dass der Widerstand gegen die Objektwahl überhaupt bzw. die Fähigkeit zur konstanten Aufrechterhaltung der einmal getroffenen Wahl mehr oder weniger stark geschwächt wird, weil er mit einer unterschwelligen Ablehnung der immer mehr mit eingemischten homosexuellen Konnotationen einhergeht. Je mehr sich die Sechs und die Neun der Eins anähneln, desto eher ist Sterilität allgemein zu erwarten, also eine Brechung der reproduktiven Aspekte der Potenz, während sich die Nutzung der ‚Sexualität’ als ‚Scherzartikel’ bzw. großwirtschaftlich genutztes Konsumgut zunächst noch ausdehnen kann.
Es ist daher auch kein Zufall, dass gerade in den ‚am weitesten – in dieser Richtung – entwickelten’ ‚kollektiven Formationen – den Ausdruck ‚Gesellschaft’ muss man da ebenso streichen wie den des ‚Sozialverbandes’, wenn er mehr meinen soll als die Form eines wirtschaftlichen und politischen Interessenkonglomerats mit unklaren (teils deklarierten, teil eher agierten, also ‚verfolgten’) Absichten der Nutzung von bestimmten Massenerscheinungen in Populationen, an deren Herstellung sie selbst aktiv mitwirken – die Reproduktionsraten scharf unter den kritischen Pegelstand der Populationserhaltung sinken. Wer behaupten wollte, das seien nicht Politikfolgen, der lügt sich in die Tasche, unter Umständen mittels einer ausdrücklich als Fachkompetenz ausgestatteten Lizenz zum (wissenschaftlich gestützten) Blödeln.
Was erst die Einsicht der wirklichen Herkunft und die in ihre wirklichen Bedingungen ihrer Möglichkeit in der Selbsterkenntnis durchsichtig macht, damit auch die Möglichkeit eines gelingenden Übergang vom bloß tierhaften Tier zum Menschen, ist das Eingeständnis, dass man den Nächsten zu Recht fürchte wie zunächst und zuerst sich selbst, bevor man sich selbst so zurückzunehmen versteht, dass man auszutreten imstande ist aus dem Gefüge des ‚geistigen und affektiven Tierreichs’, in dem man geboren wird, als Tier unter Tieren, und – ohne um seine Meinung gefragt worden zu sein, also ohne Konsensus. Aller angebliche und beschworene Konsensus ruht nicht auf der Grundlage des zwanglosen Zwangs des besseren Arguments in Diskursen, sondern auf dem nicht diskutierbaren ‚Akt’, der dem eigenen Erscheinen unvordenklich auch dann vorausgeht, wenn man in der Schule alles über Sexualität und Schwangerschaft gelernt hat.
Im Namen der derzeitigen Ministerin für Familie usw. vereinen sich glücklich die Bedeutungen, die zugleich auf die Bestialität der Politik (Lion) und ihre Ahnungslosigkeit in Bezug auf die condicio humana (Laien) hinweisen und sich in diesem Namen miteinander ‚gepaart’ finden. Besser kann man das Faktische kaum benennen. Aber diese Menschen halten das Unbewusste und die Eigenwilligkeit, mit der es gewissermaßen eine ganz eigene Intelligenz bekundet, die den Erklärungen und den Bewusstseinsverfassungen stets desto erfolgreicher einen Streich zu spielen vermag, je mehr die meinen über seine Existenz und Nichtexistenz nach Laune verfügen zu können, wenn sei seine Existenz als Möglichkeit überhaupt in Erwägung zu ziehen bereit sind – und manche halten sich dann schon für ungemein großzügig – jedenfalls für etwas, das ihrem Selbstbewusstsein (oder dem, was sich dafür meint halten zu dürfen und sich einfach so benennt, ohne Rücksicht darauf, ob diese Benennung dem benannten Sachverhalt oder ‚Objekt’ auch angemessen ist) so weit unterlegen ist wie ein Regenwurm einem Kernphysiker.
Weder meine Eltern noch meine Großeltern waren – soweit ich das übersehe – Menschen im Sinne eines beschreibbaren kulturellen Konzepts, das erkennbar noch jede Hochkultur und auch jede ‚primitive’ mit der Umschreibung ihres jeweiligen Regelsystems jedenfalls, unter je anderen Umständen, anzielt. Es gibt ein dieser Tierart mitgegebenes Telos. Das ist der Mensch.
Aber er ist stets nur eine mehr oder weniger klar umrissene Vorstellung, ein Ziel, dem sich das Gattungsexemplar je nach Voraussetzungen äußerer und innerer Art mehr oder weniger annähern kann, so wie es dieses auch verfehlen oder ignorieren kann. Alles dies ist so real wie dieses Telos selbst. Es ist also nicht jenseits des Realen, aber es steht in einem gewissen Sinne zur Wahl. Man kann das aber nicht im Sinne von Wahlfreiheit verstehen, insofern es diese oft genug nicht wirklich gibt und es ist ja unter anderem eine der Einsichten, die die Psychoanalyse wenigstens auch formulieren konnte, dass der Möglichkeit der Wahl ihrerseits Konditionen gesetzt sind, die nicht einfach zur Wahl stehen.
Sie haben den Status der bloßen Gattungsexemplare der Tiergattung Homo sapiens nicht überschreiten können, und sich derart an die Klischees halten müssen, die ihnen ihre kulturelle Umgebung als notdürftige Orientierungshilfe zur Verfügung gestellt hat, gewissermaßen als Außenskelett und Krücke anstelle der Verfügbarkeit über die Fähigkeit zum aufrechten Gang.
Der Schmerz, den diese Einsicht mit sich bringt, wird zunächst kaum aufgewogen von dem Gewinn an Einsicht und vor allem der damit, mit dieser Scheidung durch das Urteil des Nachgeborenen, der doch diesen Wesen seine Existenz verdankt und nicht undankbar erscheinen möchte ihnen und den Motiven gegenüber, die ihr Leben so steuerten, dass er zu der Existenz gelangen konnte, die es ihm erst ermöglicht, sich derart ‚arrogant’ über sie hinwegzusetzen, denn die in dem Urteil enthaltene Entschlossenheit zur Untreue gegenüber der eigenen Herkunft, die Entschlossenheit, sie mit den Augen einer Kritik zu betrachten, die sie am Maß des kulturellen Konzepts des Menschen misst, ist so aggressiv wie sie als Undankbarkeit erscheinen kann. Der Abschied, der dem Urteil eigentlich schon vorausgegangen sein muss, konkurriert aufs Unerträglichste mit dem Wunsch, selbst zu sein, was zu sein von ihnen ermöglicht, aber nicht verwirklicht werden konnte. In dem ihm zugehörigen Bewusstsein paaren sich äußerste Widersprüche, einerseits der Wunsch, sie mitzunehmen dorthin, wohin sie den Weg wiesen. Andererseits die Einsicht in die Unvermeidlichkeit der Trennung, die es nicht erlaubt, ihnen in jeder Hinsicht zu folgen und gehorsam zu sein, sie in einer alles umfassenden liebenden Harmonie im Gedächtnis aufzubewahren und dieses in dieser Form an die folgende Generation weiterzugeben.
Der einzig sinnvolle Fortschritt, zu dem Dasein der Tierart Homo sapiens fähig und zugleich prädestiniert ist, ist der Fortschritt vom postanimalischen und protomenschlichen zum Menschen. Alle Technik und Wissenschaft, alles rein instrumentelle kann die Masse der Gattungsexemplare vermehren, ihre Ausbreitung beschleunigen, endlich über das Maß hinaus, dass dieser sich zur bloßen Biomasse erniedrigenden Herde zur bloßen Erhaltung ihrer Existenz dienlich ist, kann dem Ausagieren der blinden Triebhaftigkeit der Gattung immer neue Spielwiesen und Hänge eröffnen, auf denen sie am Ende nur oszillierend auf  und abgleitet innerhalb des Spielraums, den ihr der Wiederholungszwang setzt, und die größenwahnsinnige Abspaltung ihrer kollektiv entlang von passiven Synthesen sich zur Bewusstseinsverfassung ausformenden triebhaften Konstitution ihnen als Freiheit und Zukunft vorspiegelt.
Es ist die Einsicht in die wirkliche Natur des einzig real wirklichen Fortschritts, der zugleich mit den Bedingungen des Lebens des Individuums wie dem der Gattung wirklich und zugleich vereinbar ist – das eben macht seine ‚Realitätsverbundenheit’, seine Fundierung in der condicio humana aus – der sich in der die Kultur, ihren Inbegriff ausmachenden Struktur längst verwirklicht hat, die dem bloßen Gattungsexemplar wie der Gattung als ganzer den Menschen als Ziel vorhält, insofern nur eine Gemeinschaft von Menschen die Menschheit auszumachen imstande sein kann. Das Gefasel von dem Ideenhimmel als Wolkenkuckucksheim, das die vermeintlich Realitätstüchtigen – die freilich zu der von ihnen immer wieder zu Dumpingpreisen realisierten Realität nicht nur fähig sind, sie machen sie ja, und sie wollen sie verbindlich machen für alle, damit bestätigt ist, was ihr ‚Realitätssinn’ je stets sowohl herzustellen als dann auf die Form der Endgültigkeit zu bringen versucht, und zwar mit den Mitteln der permanenten Revolution, die ebenso ständig wie ebenso scheinbar alles unablässig verändert, damit alles so bleibt, wie es ihrer Ansicht nach sein soll – darin erkennen zu meinen können, dass der Fortschritt zum Menschen der dem Einzelnen wie allen jeweils vorgehaltenen Vorschrift entspricht, deren Inbegriff die Kultur ist, so dass tatsächlich die Trias Mensch – Kultur – Gott eine untrennbare Einheit bildet, in der jeder Bedeutungskomplex auf den je anderen verweist als seine unabdingbare Voraussetzung, ist nichts weniger als eine Mischung aus Feigheit, Hinterlist und Impotenz, Schwäche, Bequemlichkeit und Verantwortungslosigkeit.
Der triebhafte Rangkampf unter Primaten und Carnivoren ist nicht das Maß des Menschlichen und führt auf keine Weise, nicht einmal durch den bekannten Zufall, der in endloser Zeit dazu führen soll, dass eine Horde von hundert Milliarden Affen auf einer Schreibmaschine zufällig die Werke Homers, Platons und Aristoteles, die Bibel, Einsteins und von Roger Penrose fehlerfrei tippt.
Denn das ist dieser Horde ja tatsächlich alles schon gelungen, und zwar in durchaus endlicher Zeit, die dem derzeitigen Alter des Kosmos entspricht, insofern alles Leben mit dessen Entstehen seinen Anfang nimmt, was immer die Spartenwissenschaften dazu zu sagen zu haben glauben mögen. Zum Menschen führt einzig und allein die Orientierung an dem mit der Entstehung aller Kultur aufkeimenden und damit auch schon von Anfang an gesetzten intrinsischen Ziel, und das ist Der Mensch. Kultur ist nur die Form seiner Grundlegung, und Gott ist der unendlich entfernte Fluchtpunkt auf einer Riemannschen Fläche.
Es ist der Pol einer Kugeloberfläche, der in der zweidimensionalen Fläche nicht repräsentiert werden kann, und vielmehr ihren unendlich entfernten Horizont bildet. Das dürfte zugleich ganz deutlich machen, dass dies kein dogmatisches Konzept ist, insofern die Anzahl der Punkte am Horizont so unendlich groß ist wie der Horizont unendlich weit entfernt ist und die Anzahl der Wege zu diesen Punkten so groß wie die Anzahl der Punkte, die den imaginären Kreis bilden, in dessen unendlich entfernte Grenzen alle diese Wege eingeschlossen sind, ohne dass eine einzelne Existenz oder auch das Ganze in Grenzen eingesperrt würden.
Es ist nicht die Stärke, nicht der Kampf, der hier irgendetwas weiter bringen kann oder wird. Alles dies führt nur zurück in die ewigen Rangkämpfe unter Primaten, auch die der Sozial  und Geisteswissenschaften und derer, die andere einst um des Menschen willen erfundene Formen der Untersuchung der condicio humana erobert haben und besetzt halten.
Der Kampf gegen die Besatzungstruppen des imperialen Machtwillens, in dessen institutionellen Formen sich die Biomasse des Homo sapiens noch je hat zusammenballen können wie ein wilder und durch die ihm diktierten Regeln und Erfahrungen der Bedingungen der puren Selbsterhaltung belehrter und bewehrter Bienenschwarm, ist eine gegenstandslose Verwicklung in die diesem Selbsterhaltungs-Willen als Gegenhalt vorschwebenden schimärischen Objekte und Phantasmen. Indem man sich unter ihnen gemäß seiner Realitätsorientierung einreiht, nach der es nichts anderes jenseits seiner schimärischen Objekte geben kann, lässt man sich dazu zwingen, seinen regressiven Ladungen, zu einer Gravitation aufs Prähumane tendierenden Strebungen nachzugeben und sich rückwärts zu bewegen, während man vorauszuschauen vorgibt. Darüber kann man sich selbst und andere lange und erfolgreich täuschen.
Die Klebrigkeit der Vergangenheit, der sich der protohumane Typ entrang, ist einer Natur geschuldet, die die Spuren, den Preis dieses Erfolges als Narbe mitführt. Von der scheinbaren Dringlichkeit der damit verbundenen Impulse wird eine Realität und ein Wirklichkeitsbegriff diktiert, der das mit Kultur aufscheinende Telos der Menschwerdung mit dem Makel der Schwäche zu signieren scheint, so dass die Vorstellung von ‚Stärke’ stets wieder angelehnt erschient an die physische Gewalt und die organischen Formen, die aus ihrer Zusammenballung herauswachsen wie Protuberanzen aus der Sonnenmasse, um sich zu Imperien aufzublähen, deren Umschlag in die geschlossenen Bahnen des Rückfalls in die Barbarei sich schon an ihrem Einsatzpunkt abzeichnet, der doch nichts zu repräsentieren scheint als den Aufstieg in die Unabhängigkeit von aller Herkunft. Nur was so leicht ist, dass es mit dem Sonnenwind zu segeln vermag, ist dazu imstande, der Anziehungskraft der zusammengeballten verglühenden Massen zu entgehen und den offenen Raum zu durchmessen. Aber die Metapher bleibt hinter der Realität ebenso zurück wie ihr Inhalt gegenüber dem Gemeinten.
Was sich mittels ihrer gleichwohl noch ausdrücken lässt, ist, dass es den ‚point of no return’ zu erreichen gilt, dessen Überschreitung dann nur noch so viel Restenergie notwendig sein lässt, wie es braucht, die lange Reise zum gewählten Fluchtpunkt am Horizont der Unendlichkeit mit gleichmäßiger Beschleunigung zu ermöglichen. Es gibt diesen Punkt. Es ist der Punkt, an dem man den Wald Dante’s und Descartes’ hinter sich gelassen hat, weil man in einer einmal eingeschlagenen Richtung weiterging statt sich auf einen Stein zu setzen, Bein mit Bein zu decken und zu resignieren, in dem Vertrauen darauf, dass kein Wald endlos ist und dass es sonst ohnehin nichts sinnvolles anderes zu tun gibt als die ohnehin vergehende Zeit dazu zu nutzen, in Bewegung zu bleiben. Der Ausgang aus dem Labyrinth schafft neue Perspektiven, darunter die, sich darüber Rechenschaft abzulegen, welchen Weg man und auf welche Art und Weise hinter sich gebracht hat.
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Johann Christian Günther
Als er Gott um Vergebung der Jugendsünden anflehte

Gott, der du dich zu aller Zeit
Mir, was du bist, erwiesen,
Verzeih der faulen Dankbarkeit,
Sie hat es schlecht gepriesen,
Und gib den Fehler mit Geduld
Dem unerfahrnen Alter schuld,
In dem wir töricht handeln
Und wegen Mangel an Verstand
So wie ein Schatten an der Wand
Nach jedem Scheine wandeln.
Das Blendwerk schön' und eitler Lust
Gefällt den jungen Jahren;
Das Feuer wallt uns in der Brust,
Sich mit der Welt zu paaren,
Es reizt uns Wollust, Trunk und Pracht,
Und weil es keiner besser macht,
So folgt ein Schaf dem Haufen;
Ja, eh sich Fleisch und Blut bequemt
Und der Verstand den Willen zähmt,
muss mancher Strom entlaufen.
Darum, mein Gott, verkürze nicht
Die Hälfte meiner Tage
Und laß mir deiner Weisheit Licht,
Wonach ich eifrig jage.
Jetzt komm ich erstlich auf die Spur,
Worauf mir Einsehn und Natur
Ein' reifer Kenntnis geben;
Ich seh die Sünd-und Tugendbahn
Mit ungleich schärfern Augen an
Und denk erst recht zu leben.

Fünfundvierzigster Traum:

Tagtraum:

Hallo Henry, hallo Thomas Samstag, 24. Februar 2007

(Henry ist mein sechs Jahre jüngerer Halbbruder, Thomas mein Cousin mütterlicherseits [Sohn des Mutterbruders]. Zu keinem von ihnen habe ich Kontakt.)
(Entwurf für einen Brief an meinen Halbbruder Henry in Butzbach und meinen Cousin Thomas Brücher in Bad Nauheim, nicht abgesandt. Es gibt nichts zu bereden. Am Schluss sind mir doch Formulierungen hinein geraten, die mir dann nicht gefallen haben. Sie haben doch einigen Zorn verraten und auch das macht ein Treffen sinnlos. Ich könnte diese Impulse vermutlich nicht angemessen kontrollieren. Das würde aber das Gespräch verderben. Aber ich bin nun einmal nicht der unbeteiligte ‚ideale’ Beobachter und Protokollant meines Schicksals. Es von mir zu verlangen ist unmöglich. Aber was sollte dann bei einem Gespräch herauskommen. Denn auch die anderen beiden sind nicht die unbeteiligten Protokollanten ihres Schicksals.)
Verschiedenen Informationen meine ich entnehmen zu müssen, dass ihr womöglich die letzten greifbaren Überlebenden der Generation und damit auch der Familie sein könnten, der wir alle von wenigstens einer Seite her entstammen. Der Rest scheint verloren. Ich kann jedenfalls nichts ausmachen, das eine andere Information enthielte. Es kann natürlich anders sein.
Ich vermute einmal, dass Anneliese – Deine, unsere Mutter ebenso wie Dein Vater Hans- inzwischen gestorben sein könnte, wie ihr Bruder – Dein Vater Erich - auch. Von Eva und Barbara erkenne ich keine Spuren. Einen Versuch mit Eva eine Verbindung herzustellen, die sich handhaben ließ, habe ich mangels gutem Rat vor inzwischen vielen Jahren wieder aufgeben müssen angesichts von Mitteilungen per e-mail, die ich nicht zu handhaben imstande gewesen bin. Im gleichen Zug riss auch eine punktuelle Verbindung mit Barbara wieder ab. Die e-mail-Adresse erwies sich als syntaktisch nicht korrekt und eine Telefonnummer hatte ich mir nicht geben lassen. Die Nachnamen waren unzugänglich. Ich konnte weder Barbara noch Eva dazu bewegen mich zu besuchen. Das war dann schließlich die Information, an deren unbezweifelbare Bedeutsamkeit ich mich hielt, auch wenn nicht klar ist, WAS sie bedeutet(e).
Ich hatte in den vergangenen Jahren anderes zu tun, das mich nicht daran denken ließ, der ganzen Geschichte noch einmal nachgehen zu wollen, die sich da ereignet hat. Aber sie ist naturgemäß ja nicht von meiner Biographie zu trennen.
Inzwischen habe ich etwas mehr Zeit mich darum wieder zu kümmern und es interessiert mich nun doch der faszinierende Gedanke bzw. die Möglichkeit, mich mit den evtl. letzten, nunmehr erwachsen gewordenen Repräsentanten meiner eigenen Generation in Verbindung zu setzen um mich zu erkundigen danach, ob sie nicht ihrerseits ein Interesse daran haben könnten, diesen Familienroman und die in ihn eingezeichneten furchtbaren Tragödien ein wenig mehr in den Bereich des Darstellbaren und Verstehbaren zu rücken. Es wäre für uns alle – meine ich einmal in einem natürlich nicht dogmatisch zu verstehenden Vorgriff auf das, was in Euch vorgegangen sein könnte in den zurückliegenden Jahren – vielleicht ganz erhellend uns mit unserer gemeinsamen Vergangenheit auch gemeinsam zu befassen. Das kann schon deshalb sehr interessant und informativ sein, weil einerseits drei mit Sicherheit nicht ohne weiteres ineinander übertragbare Perspektiven auf dasselbe Geschehen zu einfache Rekonstruktionen ausschließen und dazu veranlassen dürften, den Gründen für ihre Differenz nachzugehen, und weiter deshalb, weil jeder von uns – nehmen wir einmal an, es gäbe sonst niemanden mehr, der noch dazu beitragen kann – über mindestens zum Teil andere Dokumente und Erinnerungen verfügt, die dazu beitragen könnten, das Puzzle erfolgreich zusammenzusetzen.
Natürlich ist das nicht Jedermanns Sache. Ich setze deshalb auch ein dem meinen vergleichbares Interesse nicht als automatische Gegebenheit voraus. Aber ich habe andererseits eine Vorstellung von euch (das ist zugegeben nichts als eine Projektion, die sich nur korrigieren lässt anhand einer Erfahrung), die mir doch nahe legt, dass es ein ähnliches Interesse auch bei Euch geben könnte, das zumal angesichts unserer divergierenden Interessen  und Berufswahlen zusätzliche Nuancen von Bedeutung hat, die ein gewisses Potential für eine u. U. recht interessante Unterhaltung bieten könnten, die sich über eine Weile fortsetzen lässt und für den Fall, dass sich nichts ergibt, das unser gemeinsames Interesse daran wach hält, auch wieder einvernehmlich beendet werden könnte. Das muss ich aber nicht vorwegnehmen.
Es geht also weder um einen ‚Besuch der alten Dame’ a la Dürrenmatt – ich habe das Drama nie für erheblich gehalten angesichts des animalischen und primitiven Motivs der Rache und der ‚Entlarvung’, das seinen Motor darstellt – noch darum, etwas abzurechnen oder dergleichen. Es sind ja gerade diese eher vormenschlichen Züge der Geschichte, um deren Klärung es gehen müsste, damit sich ein menschliches Verhältnis und Urteil ihr gegenüber herstellen lässt, an der sich die Vernunft des Urteilenden als gegenwärtige Potenz erweisen muss. Aber es ist eigentlich schon zu viel, das überhaupt zu sagen, denn es unterstellt ja schon die Möglichkeit eines Zwangs zum ‚handling’ irrationaler Motive und Einstellungen. Man kann allerdings gut daran tun, angesichts der Vorgeschichte ein wenig Spielraum zu lassen für deren immerhin nicht ganz auszuschließendes verzerrend wirkendes Potential. Ich gehe indessen und stattdessen davon aus, dass sich gerade diese Einstellungen nicht als dominante Agentien antreffen lassen gelegentlich der mir vorschwebenden Unterhaltung. Sie könnte außerdem doch auch eine fesselnde Beschäftigung - neben den unvermeidlichen Üblichkeiten des Tages - sein, zumal angesichts unseres Alters, bei dem ich euch beiden allerdings ein wenig voraus bin, ein Umstand, der vielleicht auch dafür verantwortlich ist, dass ich diese Überlegung zuerst artikuliere.
Es wäre schön von Euch Zustimmendes zu hören. Wir konnten uns dann einmal verabreden und treffen. Es wäre eine Gelegenheit uns kennen zu lernen, denn was wissen wir schon voneinander. Und ich stelle mir ein solches erstes Treffen als eine exklusive Sache vor: Nobody else! Es würde sonst alles zu sehr von dem sich sofort mit anlagernden Halo dritter – wenig informativer, aber unter Umständen zu einer Kontamination der Situation beitragender - Perspektiven und Interessen verlieren können. Die evtl. Einführung Dritter wäre also ein sorgfältig zu überlegender Schritt.
Ich habe die Idee, dass drei erwachsene Männer mit einer gewachsenen Lebenserfahrung und Selbsteinsicht, sowie mit einem wenigstens partiell gemeinsamen materialen, wenn auch nicht subjektiven Erinnerungshintergrund zu einem Austausch über diesen gemeinsamen Hintergrund und der subjektiven Perspektiven befähigt sein müssten, der schon deshalb von Bedeutung ist, weil er mit uns weitgehend in der Vergessenheit verschwinden wird. Was immer diese meines Erachtens für unsere kulturelle Gegenwart paradigmatische Geschichte aber verdient hat, sie hat nicht notwendig verdient, einfach in der sprachlosen Vergessenheit zu versinken. Es wäre gleichbedeutend mit der bedingungslosen Kapitulation. Und davon hat diese Kultur in der Verkörperung durch unsere Eltern und Großeltern ja eigentlich schon genug gesehen.
Es gibt aber gar keinen Zwang, der dazu veranlassen könnte, einer politischen – bzw. militärischen oder der Erzwingung der Zustimmung zum eigenen physischen oder seelischen Untergang durch Bürgerkriege usw. - auch eine ebensolche intellektuelle und kulturelle freiwillig folgen zu lassen, weil man einmal dabei ist und es damit in einem Aufwaschen erledigt ist. Der Schein der Befreiung von der ohnehin verloren scheinenden Vergangenheit wird ja gerade ganz vergeblich und mit kaum absehbaren Folgen kollektiv und politisch zelebriert, als ein unsäglicher Abstieg zurück in die Abgründe eines postkulturellen und prämenschlichen Zustands mittels weiterem ‚Fortschritt’, wie man meint, jedenfalls aber propagiert. Es ist klar, dass dies nicht anhalten kann, es sei denn in einem Ende.
Ich muss mich indessen mit Andeutungen dieser Art begnügen und will auch auf keinen Fall etwas vorwegnehmen mit diesen Bemerkungen. Denn zunächst ist es richtiger davon auszugehen, dass eine zu unterstellende Koinzidenz von Perspektiven nicht vorausgesetzt werden kann, und dass es zu einem zwanglosen Konsens weit ist, zumal ein Urteil hier keinen juristischen Zwangssinn entfalten kann, sondern bestenfalls auf einer jenseits von Rechtsfragen zu gewinnenden Einsicht entspringen kann. dasselbe gilt dann sinngemäß natürlich auch für andere ‚fachspezifische’ Raster, die man an die Geschichte heranzutragen geneigt sein könnte.
Es ist zweckmäßig, dazu noch etwas zu sagen: Ich habe mich nie dazu verstehen können, sei es Medizin oder Jurisprudenz zu studieren angesichts der Leichtigkeit, mit der sowohl die eine wie die andere ‚Wissenschaft’ dem politischen Terror von innenpolitischen Eroberern zum Opfer gefallen sind, ohne dass das jemals ernsthaft bearbeitet wurde. Dabei ist natürlich nicht daran vorbeizukommen, dass gleichwohl Rechtsprechung wie Krankenbehandlung weiter gehen müssen. Aber diese Beobachtung der Korruption reichte ja bis in die engsten Kreise der innerfamilialen Beziehungen hinein. Beide Paradigmen wurden als Waffenarsenale benutzt in einem innerfamilialen Krieg, der vor mörderischen Konsequenzen nicht eigentlich zurückschreckte, sondern sie eigentlich, bei Licht besehen, anzielte. Was ein Vernichtungsfeldzug ist wusste ich damit lange bevor mir die Vokabel unterkam, für angeblich ganz anderes.
Die Wurzeln des einen wie des anderen sind indessen dieselben. So ging es also von Anfang an, nachdem ich mich den Folgen der Verwahrlosung, der ich überlassen worden war, nicht als einziger im Übrigen, zunächst erfolgreich hatte entziehen können, wenn auch erst zu einem schon sehr späten Zeitpunkt, der mit dem Tod meiner im Hause lebenden Großeltern zusammenfiel, um mehr als bloß den Eintritt in die eine oder andere Traditionslinie der Berufswahl, sondern eher um die Möglichkeiten der Überprüfung der beiden zugrunde liegenden fachspezifischen Formen der Ethik, die ja auch wissenschaftliche Grundlagen sind, aber eben nicht nur dieser immerhin teils freien, teils an die Staatlichkeit gebundenen Professionen. In ihren Umrissen zeichneten sich vielmehr Probleme ab, die allgemeiner Art waren und nicht mit den traditionellen Mitteln der philosophischen Untersuchung allein, aber ebenso wenig ohne sie bewältigbar zu sein schienen.
Ich entschied gleichwohl zunächst für ein Lehramtsstudium, also ebenfalls im Rahmen allgemein bevölkerungspolitisch bedeutsamer Berufe, die sich ohne den Staat nicht mehr denken ließen, und behielt insofern die Staatsnähe der Berufswahl bei, aber es gab da dann doch andere Motive, die mich dazu bewogen, gewissermaßen die Metaebene zu betreten, die oberhalb dieser Berufe angesiedelt ist, wie immer ihre Bedeutung dann im Rahmen staatlichen Handeln ist, und die, auch wenn ihre aktuelle Institutionalisierung, gewissermaßen nur als ‚Beruf’ betrachtet, in Form und Rahmen des Berufsbeamtentums eingelassen ist, dennoch durch ihren Sachbezug wie ihre Methoden nicht zwingend an diese gebunden ist.
Ich kann die lange Geschichte hier nicht erzählen, die mich schließlich einerseits in der Familientradition – auf dem Umweg des Studiums – die verblassende Tradition des bürgerlichen Privatlehrertums erschloss und dem Verstehen zugänglich machte, ebenso wie die protestantischen Wurzeln, die sie darüber hinaus hatte, und nach der anderen Seite ein davon abzuleitendes Verständnis der studierten Traditionen, das sich aus dieser Perspektive abweichend zu dem Selbstverständnis der institutionalisierten Wissensverwaltung in der Form des Berufsbeamtentums unter den gegebenen – nicht trivialen – Bedingungen zu ergeben begann, mit der mir zunächst selbst unverständlichen und zur Verzweiflung treibenden Konsequenz einer systematischen, sich immer neu rekonfigurierenden Abweichung meines Verständnisses der Bedeutung der wissenschaftlichen Bestände und Traditionen, die sich selbst mittels angestrengter ‚Anpassungsversuche’ nicht eliminieren ließ und endlich zu einer inneren Konfrontation zwang, die sich in einem Widerspruch zusammenzog, dem ich nur durch eine konsequente handlungsmäßige Nachzeichnung ihrer inneren Paradoxie ohne Rücksicht auf die zunächst unvermeidlichen – als negativ bewerteten – Folgen nachgehen konnte, eine Konsequenz allerdings, die mich nicht nur zur Verzweiflung zu treiben, sondern auch in der Sprachlosigkeit versinken zu lassen drohte.
Es hat sich aber im Nachhinein erwiesen, dass der endlich unter großer Angst gemachte erste Schritt zwar der Schritt in das berufspolitische, nicht aber in das wissenschaftliche Nichts war, und dass er tatsächlich der erste Schritt in die Erledigung der ungelöst gebliebenen Abhängigkeitsproblematik meines Kinderelends gewesen ist, das allerdings einen derartigen Konformitätsdruck auszuüben imstande war, dass dieser sich beinahe als stillschweigende Besiegelung meines Lebensschicksals erwiesen hätte, denn selbst dort, wo ich mich einer verständnislosen Umgebung entriss, war die Loslösung nicht schon gleichbedeutend mit der Entfernung von ihr, weil ich aufgrund lebensgeschichtlicher Umstände jede Loslösung, ganz gleich, ob ich als ihr Akteur aufzutreten versuchte oder nicht, dennoch stets als Ausschluss und Verlassenwerden erlebte und mit einer ungeheuren Angst – vor dem Verhungern, vor dem Verlassensein, vor der Wertlosigkeit, dem Weggeworfensein usw., aber darüber hinaus mit einer aus bestimmten Einsichten unvermeidlich hervorgehenden Konfrontation mit dem Horror in der Form des mythisch Absoluten - bezahlte, die eine Panik verursachten, die mir zeitweise bzw. chronisch die Fähigkeit zu vorurteilsfreiem oder einfach nur gelassenem Nachdenken nahm und mich vollständig lähmte.
Das alles fand nun statt in einer wissenschaftlichen Umgebung, die sich etwas darauf zugute hielt, ihre Expertise im Verstehen und Erklären allüberall als in Anspruch genommene ‚Kompetenz’ zu propagieren und sich mit dieser Inanspruchnahme ebenso konsequent wie blind und größenwahnsinnig übernahm, indem sie mit Deutungen und Hermeneutiken in einer Weise um sich schlug, die über die Natur der in Anspruch genommenen Kompetenz als einer Form der Gewaltanwendung, ja der gewohnheitsmäßigen Vergewaltigung unzweideutig belehren musste, wenn ich sie mit der mir aus denselben, von der Kompetenz in Anspruch genommenen Quellen zugehenden Einsicht in meine eigene Befindlichkeit verglich und einfach abwartete, wie das unter dem Gesichtswinkel einer Kompetenz aussieht, die darin bestand, immer schon zu wissen, was alles zu bedeuten hat und dafür die Positionierung in einem Beamtenapparat in Anschlag bringen konnte, in dem diese Positionierung als solche bereits dafür garantierte, dass es gar nicht darauf ankam, ob das nun sachlich richtig ist oder nicht, sondern darauf, dass sich diese Bedeutungen ohne große Umschweife als die in jeden Fall erfolgreich durchgesetzten präsentieren konnten, so das sich die Rezeption derselben Quellen angesichts bestimmter, sich abzeichnenden und dann auch zur Verwirklichung kommender politischer Tendenzen im Bildungsbereich wie die Differenz zwischen Kompetenz und Inkompetenz scheinbar auf der fachwissenschaftlichen Ebene abbildeten, in der Tat aber einfach die Faktizität der Absichten des Machtapparats wiedergaben, in deren Rahmen wissenschaftliche Arbeit stattfand.
Ich fand aus dieser Lage endlich einen Ausweg ins scheinbare Nichts, der sich in the long run als der einzig mögliche Zug herausstellte, der mir den Untergang in der blinden Anpassung ebenso ersparte wie die lebensgeschichtliche Vernichtung knapp zu vermeiden erlaubte, eine Voraussetzung, die ihrerseits Bedingung der Möglichkeit für den erfolgreichen Abschluss meiner Studien nach den aus der Stoffmasse selbst sich ergebenden Konturen und Fluchtlinien ist, und damit natürlich deren Gelingen zunächst nur ermöglicht, und nicht auch schon automatisch garantiert.
Es mag Euch über meine Person hinreichend informieren, wenn ich als einzige Auskunft über mich zunächst klarstellte, dass ich aus Gründen, die zu tun hatten mit meinem Verständnis dessen, was ich unter Bildung verstehe, meine akademischen Urkunden bereits vor langen Jahren an die Institution zurückgegeben habe, die mir ‚die wissenschaftliche Befähigung’ ‚mit Auszeichnung’ bestätigt hat, und zwar genau aus dem Grunde, weil ich sicher bin, dass der einzige Weg, der mir damit übergebenen Eigenverantwortlichkeit zu genügen exakt darin bestand, die Urkunde zurückzugeben.
dass das eine ‚kommunikative Paradoxie’ ist, die ich eigens dazu konstruiert hatte, um damit etwas definitives und exakt definierbares zu sagen nicht nur, sondern auch eine so oder so abschließend informative Reaktion zu erhalten die sich beurteilen ließ mit den Mitteln, auf die meine Lehrer sich zu stützen beanspruchten, ist diesen erstaunlicher Weise – mich hat es allerdings nicht gewundert, ging es doch gerade um die Überprüfung der Intelligenz meiner Lehrer, und die hatten diese zu beweisen, ganz unabhängig von meinen Vermutungen, wie das ausgehen würde, und vor allem, ich erwartete, dass sie darauf zu reagieren verstünden, denn es war nicht ich, der mich in diese Lage gebracht hatte, sondern sie, als LEHRER und als verantwortliche Führer der nachwachsenden Generation – vollkommen entgangen. Sie waren nicht einmal fähig die Handlung zu verstehen, und schon gar nicht als Handlung. Der Preis, den das hatte, habe ich inzwischen as meinen Vermögen beglichen, gegen einen allerdings unschätzbaren Gewinn.
Und der war nur zu machen unter dieser Bedingung. Was es mich seelisch gekostet hat, der Versuchung und dem Wunsch nach einer wissenschaftlichen Laufbahn in diesem System zu widerstehen, ist kaum zu sagen, wenn man nicht wiederum den Gewinn ins Auge fasst, der mit dem Gelingen, dem Erfolg des darin artikulierten Widerstandsbekundens verbunden sein musste, und der erst an dem Risiko vorbei zu ernten war, dass ich dabei zerquetscht werde. Aber für die Erfolgsaussichten in dieser Hinsicht hatte ich ein Modell: Es war das Modell des Einfalls, Rockmusik zu machen, die mich zunächst vor dem Untergang schon in der Adoleszenz bewahrt und mir Möglichkeiten eröffnet hatte, dem für mich fest vorgesehenen Schicksal und seinen Agenten ein Schnippchen zu schlagen und eine ganze Generation auf diesem Wege in ein anderes Land mitzunehmen, wie der Rattenfänger von Hameln. Der kulturelle Verrat war meine persönliche Rettung.
Es ist mir nicht erspart geblieben, das nachträglich dennoch als Verrat zuerkennen, aber die ich verriet waren ihrerseits Verräter und vor allem sie waren gewissenlose Mörder und die erbarmungslosen Verfolger meiner Existenz. Das hatte keine Treue zu beanspruchen, zumal sich dann auch noch nachweisen lässt, dass ich damit keineswegs etwas verraten haben musste, was sie längst verraten hatten. Im Gegenteil, das derart verwaiste Erbe fiel mir durch ihren Verrat erst zu. Und da es weder materieller Art im gewöhnlichen Sinne ist noch auf dem Wege einfacher Vererbung übergeben werden kann, sondern einer langen Anstrengung eigener Aneignung bedarf, ohne die man nichts erbt als tote Gegenstände (Ich mache das ungern, aber hier ist Goethes Spruchweisheit: „Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb’ es um es zu besitzen“, exakt am Platz und sie illustrierte das Gemeinte auch dann richtig , wenn sie gar nicht von Goethe wäre), ist es gar nicht erst in den Kontext animalischer Konkurrenz um Vorteile geraten, einfach, weil es aus deren Focus heraus fällt. Aus diese Weise war die Vermeidung des mir nicht möglichen, und meines Erachtens sachlich unmöglichen Konkurrenzkampfes um eine menschliche Vernunft erfolgreich zu bewerkstelligen ohne dass die Monstren, die die Gattung Homo sapiens hervorbringt von einem unbedacht bei der Arbeit oder bei einer Lebensäußerung verursachten Geräusch aufmerksam gemacht würden.
Die mir aus diesem Modell zugewachsene Zuversicht erschien mir in den dann folgenden Dekaden oft als eine Schimäre, die ich mir selbst zurecht gemacht hatte ohne die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Wiederholung auf einem ganz anderen Sektor und unter ganz anderen Bedingungen in einem ganz anderen Lebensabschnitt einerseits zu bedenken, und ohne bedacht zu haben, dass die Übertragung des dann doch recht einfachen Modells auf die dann zu bewältigende Situation und Lage vielleicht zu optimistisch war, und derart stand mir oft genug vor Augen, dass ich auch sang  und klanglos untergehen konnte, oder meine Existenz einfach, wie die so vieler, die ich um mich herum vegetieren sah, mehr oder weniger passabel, versiegen würde in gewöhnlicher Sprachlosigkeit und Resignation.
Denn: misslingt der Beweis, dann ist das Vorhaben von im Nachhinein angesichts seines Scheiterns als von vornherein als Blödsinn einzustufender Wahn qualifiziert und gegen diese Qualifizierung ist nichts zu machen. Andererseits: Gelingt das Vorhaben, dann bedarf es keines Beweises, denn die Frage ist dann, wem man ihn denn schuldig wäre. So löst sich auch dies wiederum in eine Paradoxie auf. Beruhigend daran finde ich indessen, dass ich unter diesen Umständen niemandem wirklich etwas schuldig bin, am wenigsten Beweise eines Erfolges. Denn wer könnte das denn legitim beurteilen, wenn nicht die Instanz, die dem Inhalt des Bewiesenen entspricht. Wenn das aber so ist, dann ist es vollständig genügend, diesem Inhalt zu genügen.
Der Beweis als ‚kommunikative Form’ kann dem nichts hinzufügen oder subtrahieren. Damit ist bewiesen, dass es keines Beweises bedarf, denn zur Kommunikation gehören zwei Pole wenigstens gleicher Qualifikation. Wenn aber dasjenige, dem der Beweis abverlangt wird, und dasjenige, das diesen Beweis meint verlangen zu können tatsächlich gleich qualifiziert sind, dann entfällt wiederum jede Beweisnotwendigkeit, denn sie wäre eine Erpressung, der die Verweigerung einer Anerkennung vorgesetzt ist, und das wiederum disqualifiziert den Erpresser. Er ist gar nicht, was er selbst behaupten muss zu sein, damit er erreicht was er will, nämlich das ihm Gleiche als von ihm Abhängiges, also ihm Untergebenes zunächst erfolgreich auch in dessen eigener Sicht von sich selbst zu entwerten, derart also, dass er zunächst zu lizensieren hätte, damit es die von ihm ausgehende Gleichstellung überhaupt zu erreichen vermag, und wenn er das nicht ist, dann ist das Ansinnen, das er dem Gegenüber macht wiederum gegenstandslos, denn der Gewalt schuldet niemand den Beweis der eigenen Vernunft.
Das ist übersehen worden und aus benennbaren Gründen. Warum es mir zugänglich wurde und sich dann nicht mehr ignorieren ließ, sondern ohne Alternative Gefolgschaft verlangte, ob in Übereinstimmung mit oder quer zu den institutionalisierten Regeln, das ist eine andere Sache. Vermutlich ist der Zufall, der sich darauf verlegt zu haben schien, mein Leben einfach zu verschwenden, wie das so vieler Gattungsexemplare, ebenfalls dafür verantwortlich, dass sich das designierte und schon auf der Schlachtbank liegende Opfer aus eigener Vernunft einen Weg durch den Dschungel dieser Täuschungen und Illusionen zu bahnen hatte und dass ich das einfach früh genug verstanden hatte und dann gegen die an mir durchgeführten Experimente verteidigen konnte, die, ob nun bewusst oder unbewusst, darauf angelegt waren, wenigstens diesen Impuls zu vernichten, um eine passable Anpassung zu den gebotenen Konditionen zu erreichen, wenn sich das überhaupt leben lassen sollte.
Dazu ist dann aber doch zu sagen, dass der Versuch, mittels einer Anlehnung an eine vage Analogie etwas nunmehr zu planen, was sich einmal dem Zufall gemäß ergeben konnte, doch unter günstigeren Voraussetzungen machen ließ, insofern sich nun etwas planen ließ, wenn auch nur in Analogie und stets mit einem ungemein hohen Unsicherheitspotential, dessen Einschätzung denn auch immer wieder ins Unübersehbare entwich. Aber es ist doch ein Unterschied ob man nackt und ohne Kompass und Werkzeug einer bedingungslosen Abhängigkeit von nicht kalkulierbarer Gewalt ausgesetzt ist und ein Kind, oder ob man mit einer sei es auch noch so vage definierten Erfahrung eines vorläufigen Teilerfolges ausgestattet nunmehr auf das Gelingen eines gegen die oder mit der Strömung operierende Gelingen eines Planes setzt, und dabei die Zeit des Arbeitslebens vor sich sieht, die zu überbrücken ist, während man sich zunehmend mit Werkzeug und Orientierungsmitteln ausstatten kann, sich endlich ein primitives Fahrzeug zu konstruieren imstande ist, während man zunächst – im Wald Dantes verirrt in der Lebensmitte – zunächst aufgrund des Rates von Descartes einfach weiter geradeaus geht, statt sich auf einen Stein zu setzen, Bein mit Bein zu decken, wie Walther von der Vogelweide sagt, um zu resignieren, weil, wie Descartes sagt, erfahrungsgemäß kein Wald grenzenlos ist, so dass man dann, am Waldrand angelangt, plötzlich über die Ausstattung verfügt und die Erfahrung, die man eben hat, wenn man den Wald erfolgreich durchqueren konnte. Es ist dann einfach ein Faktum, dass sich unter den Skeletten, man unterwegs begegnete, das eigene nicht mit befindet, und dazu lässt sich dann wohl fragen warum, ohne dass die Antwort darin bereits mitgegeben wäre.
Das lässt sich aber alles besprechen. Ich würde mich freuen eine Mitteilung von Euch zu erhalten, die den Übergang zu weiteren gemeinsamen Aktivitäten eröffnet.
Ich rede jetzt einfach einmal ins Dunkle, wenn ich behaupte, dass ihr so gut wisst wie ich, welche Träume wir aus unseren Familien geerbt haben und worin sie bestanden. Bad Nauheim ist nicht irgendein Ort auf der Welt. Es hat eine besondere Geschichte, Atmosphäre und Bedeutung, auch unter den Badeorten, mit denen es sonst gemeinsam haben mag, was es will. In der sind wir aufgewachsen. In ihr haben unsere Eltern und Voreltern ihre Träume geträumt, nicht erst vom Kaiserreich an, sondern mindestens seit der ‚Reformation’, und über alle Untergänge hinweg haben wir sie geerbt und wir wissen, worin sie bestanden. Und es ist erst noch zu beweisen, dass sie einem Realitätssinn geopfert werden mussten, der sich darin bewährt, sich an Gegebenheiten vermeintlich anpassen zu sollen, die sich nicht umgehen oder ignorieren lassen. Natürlich kann mit dem Fragwürdigwerden und Verblassen des überlieferten Sinnes, der sich schließlich ausnehmen kann wie das Ergebnis einer Runde des Spiels ‚stille Post’, auch die Spannkraft, die sich nur an seiner klaren Artikulation aufzurichten und auszurichten sowie zu erhalten vermag, nachlässt.
Dann aber verstärken sich die beiden Pole wechselseitig in einer negativen Spirale des Verblassens des Sinnes einerseits und des Nachlassens der seelisch intellektuellen Spannungen, die sich darauf richten, ihn zu realisieren andererseits. Und endlich triumphieren die Kräfte, die darauf gerichtet sind, alle derartigen Bestrebungen zu nivellieren und einzuebnen bzw. zu planieren. Dem Aufforderungscharakter des über das Mittlere hinausgehenden Maßes wird entsprochen nicht durch eine entsprechende Erhebung, sondern durch eine sich gegen das Maß durchsetzende Erzwingung der Regression, der Schrumpfung des Maßes auf jenes Mittlere, das es überragte, und die organisierte Verbreitung der Illusion, die Einebnung sei einer allgemeinen Hebung des kulturellen Niveaus zu verdanken.
Das kommt dem Primitivismus der gewaltsamen Eroberungsstrategien einerseits entgegen, der sich mit untauglichen Mitteln eines so nicht erreichbaren Ziels meint erfolgreich versichern zu können, und andererseits dem an nichts als an den relativen Positionierungen in einer aus Rangkämpfen unter Bestien hervorgegangenen Rängehierarchie in einem geistigen Tierreich gleich, in der die triebhaftem Neid und triebhafter Herrschsucht verdankten Orientierungen der Bewusstseinsverfassungen an ‚sozialem ‚Aufstieg’ gänzlich blind sind für das mit ihnen verantwortlich Gemeinte, indem sie sich ebenso blind wie ausschließlich und obstinat an dem Besitz und der Eroberung der Insignien und Embleme des sozialen Rangs in einer Herde ausrichten und endlich, um der Möglichkeit zu entgehen, dass ihnen das vorgerechnet wird, darauf ausgehen, mit allen verfügbaren Mitteln den kulturellen Sinn sozialer Positionen aus dem Bewusstsein auszurotten, indem die das bloß Faktische, die blinde Herrschaft der gegen den Menschen sich zusammenrottenden und organisierten Gewalt, zum ausschließlich Geltenden zu erheben versuchen und jede Vorhaltung diskreditieren oder als irre Abweichung mit der Art von Ausgrenzung bedrohen, zu der das geraten kann unter den Bedingungen des ‚säkularen Staatswesens’, dessen historisches Scheitern damit zugleich aus der bewussten Verarbeitung einer mit dieser Verarbeitung stehenden und fallenden Möglichkeit einer Gegenwartskultur mit Zukunft ausgeschlossen werden soll.
Es verfällt einer Zensur, die es nicht einmal mehr thematisieren könnte. Ich sehe, dass sich das lange fortsetzen lässt, und auch Bücher füllen könnte. Aber wie schon gesagt: Ich bin niemandem etwas schuldig. Und auf Beweise kommt nichts an gegenüber einem Gefüge, dass dafür, dass, damit man ihm etwas ‚beweist’, also liefert ohne Auftrag und Bezahlung wo selbst die mediokre Existenz sogleich meint, eine Entschädigung oder ein Bakschisch verdient zu haben, auf die Erpressung setzt, indem sie ‚den Brotkorb hoch hängt’, um sich dann darauf zu versteifen, sich mit der Feststellung der Wertlosigkeit der nicht bestellten Lieferung zu befassen oder - mit Nichtbefassung. Dies alles zielt auf den inneren Sinn des kulturellen Familienerbes jenseits der Zufälligkeiten der kontingenten Entwicklung des Staatswesens, das dieser Kultur jeweils übergestülpt wurde, seit der Reformation, über die nachnapoleonische Ära ins preußische Kaiserreich, über den Nationalsozialismus bis in die DDR/BRD Konstellation und danach.
Die Bedeutung von Kultur ist aber nicht nur unter diesen Umständen, sondern unter allen historischen Umständen niemals kongruent mit den Konfigurationen der Herrschaft. Und um die Differenz geht es. Vielleicht kann ich Euch dazu überreden Euch ebenso wie ich als legitime Erben eines uns allen übermittelten familien- und gruppenspezifischen Erbes zu verstehen, das in den jeweils übergebenen Beständen eines durch die Verstümmelungen und Missverständnisse, die Korruptionen und Kontaminationen der jeweils generationenspezifischen Exogamien zerrissenen Sinnzusammenhanges des richtigen Verständnisses der Bedeutung von Kultur und Mensch besteht, den erneut zu entziffern und wiederherzustellen die Aufgabe jeder Stufe der aufeinander in einer genealogischen Reihe folgenden Generationen ist, und dass das Gelingen dieser Aufgabe dann, wenn sie jeweils Anspruch darauf erheben wollen, im genauen Sinne Erwachsene geworden zu sein, und nicht nur gehorsame Diener und mehr oder weniger glückliche Gefolgsleute dieser oder jener zufälligen Konstellation der Umstände, der praktische Beweis dafür erst ist, dass in der jeweiligen Erwachsenengeneration tatsächlich die Einheit von Individuum, Kultur und Mensch auch erreicht ist.
Und es versteht sich von selbst, dass diese Aufgabe und ihr Gelingen keiner Orientierung an Massenphänomenen gleichkommt, sondern von deren Eigenträgheit ganz unabhängig gedacht werden muss, auch wenn man nicht daran vorbeikommt, dass es hier Wechselwirkungen und auch einseitige Überhänge geben kann, die aber eben deshalb stets auch nur kontingente Fakten darstellen, gegen die sich das Gemeinte stets und unter allen Umständen erfolgreich zu behaupten und zu rekonfigurieren hat, um zu sein, ja, dass Aufgabe und Sinn von Kultur sogar die differentia specifica ausmachen, die sie von diesen, bloß kontingenten Vorgängen der Historie toto coelo unterscheidet.
Ich bin der Meinung, dass das gar kein Realitätssinn war, sondern die Angst, die hier ihre Diktate ausgeübt hat und die fatale Konsequenz hatte, dass in der einsetzenden Panik sich jeder dem anderen als gefährliches Hindernis in den Weg zu stellen schien, gegen das man zum Kampf anzutreten hatte.
Dabei waren die Konflikte ebenso objektiver – also nicht subjektiv psychologischer Art, auch wenn sie dieses Erscheinungsbild annahmen, also die wissenschaftlich vermittelte Reduktion darauf geradezu herauszufordern und zu rechtfertigen schienen - wie imaginärer Art, denn die ‚Realität’ , um deren Inbegriff es hier geht, ist gar nicht von der Art, dass sie die Träume unserer Eltern und Voreltern ernsthaft hätte betreffen können, vorausgesetzt allerdings, man kann das erkennen und hat die angemessenen Mittel, mit den dennoch unvermeidlichen Konditionen, die jeder Generation geboten sind, erfolgreich umzugehen, und dazu gehört natürlich als erstes die angemessene Einsicht in die wirkliche Natur und die Bedeutung der tatsächlichen Widerstände und ihr wirkliches Verhältnis zu den stets aus den Beständen des Wirklichen selbst sich speisenden Träumen, denen der unzerstörbare Wunsch die Energie geliefert hat seit der dem Tierreich sich entringende Homo sapiens sich die kulturelle Form erfand, die zugleich sein von seiner Existenz so wenig zu trennendes Ziel ist, dessen Verwirklichung ihm gleichwohl immer nur als stets erneut zu realisierende Möglichkeit aufgegeben ist.
So sehr auch alles im Taumel des Irrsinns versank, es enthielt immer aus der erneuten Zusammensetzung der zerstreuten Trümmer der zerbrochenen Tafeln die entzifferbare Mitteilung, dass es um dieses Ziel ging und geht. dass das mit einer ganz alltäglichen Daseinsform vereinbar ist, ist gerade die Pointe, und kein Abstrich. Prominenz ist so wenig ein Wert in sich wie die öffentliche Belohnung, und ein Staatsbegräbnis ist auch nur ein Begräbnis, ein Denkmal eher ein Schuldeingeständnis der Herde gegenüber den von ihr zunächst geHassten und gefürchteten Abweichlern, die sie ohne Umstände in einem Topf zu sieden bereit ist, bis sie betreten einsehen müssen, dass diese Absicht in die Schuld von Tieren mit mörderischen Impulsen umschlägt und sie verfolgt. Das Denkmal ist ein Beschwichtigungsunternehmen, das auf die Schuld verweist. Und es ist ein Grenzfall, der am liebsten vermieden, oder denn nach Bedarf umfunktioniert wird.
Deshalb stehen ‚Berühmtheiten’ dann auch auf hohen Sockeln: Sie werden im selben Atemzug ihrer Anerkennung als Vergangenes sofort auch der Erreichbarkeit entrückt. Das ist dann das Perfide an Vorbildern. Im Zweifelsfalle gerät das sogar zu der unverschämten Zumutung, man müsse glauben, da sei z. B. ein Zimmermann aus Galiläa für unser aller Sünden und natürlich als Gott ein für allemal gestorben, so dass es nichts weiter zu tun gibt als sich unterzuordnen, während man aus dem genauen Studium – nicht unter Aufsicht der lizensierten Interpreten freilich, die die zusammengerottete Mittelmäßigkeit repräsentieren und deren eifersüchtige Überwachung, dass niemand das von ihr gesetzte Maß überschreite – ganz anderes entnehmen und vor allem wissen kann, also gar nicht glauben muss, weil, wenn und wo man weiß und wissen kann. Es gibt kaum eine perfidere und tückischere, zugleich verführerisch bequeme Umdeutung der möglichen Bedeutung einer Existenz als diese. Um all das geht es also nicht, so wenig wie darum, jemandem zu gefallen oder etwas zu beweisen.
Das wäre so, also wollte man sich, als Untermensch ausgegrenzt und aussortiert, darauf versteifen, seinen Henkern zu beweisen, dass man keiner ist, was ganz unmöglich ist, weil die Art der Ausgrenzung keinem Beweis zugänglich ist und darauf abzielt, jede Kommunikation abzuschneiden, die die Voraussetzung dafür ist, dass man Beweise überhaupt antreten kann.
Ich weiß, dass ich hier ‚off scene’ rede. Und ich weiß, dass ich hier eine private, familieninterne Überlieferung anspreche, die sich zunehmend aus dem öffentlichen Bewusstsein ausgegrenzt sehen musste. Es machte die schweigende Verzweiflung meiner Großeltern (mütterlicherseits) aus, dass sie sich in die Sprachlosigkeit zurückgedrängt sahen, aus der kein Weg mehr zurückzuführen schien in eine hochkulturelle Sprache, die sich gegen den Massenvorgänge hätte stemmen können. Aber die waren wie wir Bad Nauheimer, und konnten in dieser Mischung aus Provinzialiät, verbliebener Dörflichkeit und mondäner Orientierung ein Kulturverständnis konservieren, und gegen den Druck massenpsychologischer Befindlichkeiten erhalten, der genügte, den im Verstummen überlieferten und aufgefangenen Sinn zu vernehmen, und vor allem, dass er wert ist, unbedingt gegen jede Kontingenz so genannten sozialer Veränderung verteidigt zu werden, weil es sonst nichts mehr zu verteidigen geben wird. Die Denunziation dieses Sinnes ist auf keine Weise erfolgreich denkbar, denn sie berührt den Kontext gar nicht, der der Denunziation zu Recht oder zu Unrecht verfallen ist.
Andererseits ist nicht zu erwarten, dass das Gefüge, in dem sich die MassenProzesse vollziehen, dieses familiale Erbe (einer aktiven Minderheit) aktiv unterstützt oder ihm auch nur kompatibel oder wenigstens passiv oder ignorant gegenübersteht, als Gefüge nämlich, das sich der Kontingenz der Entwicklung verdankt - und abgespaltenen Verwertungen dieses Erbes berufliche Betätigungen eröffnen mag oder nicht - so wie seinen derzeitigen kontingenten Zustand, der sich als solcher ja schon deswegen selbst zu erkennen gibt, weil er sich als nach Bedarf veränderlich vorweist, ohne die Herkunft des Bedarfs anders als unter Berufung auf die Zufälle angeben zu können, von denen diese Formen ihrerseits bloß ein Teil, ein Moment sind, auch wenn sie als Agenturen der Veränderung auftreten, die im Übrigen vielleicht nur den Sinn der Stabilisierung eines Immergleichen hat, das sich seinerseits nicht entwickelt, und wiederum keinen Bezug auf das hier Gemeinte hat und nicht gesonnen wäre, sich vor dessen Maß zu legitimieren. Ich weiß, dass wir alle das geerbt haben. Und ich weiß, dass die Außenbezüge dieser Erbschaft von ihrem inneren Sinn und ihrer inneren Richtigkeit unabhängig gedacht werden können und müssen. Um diese Außenbezüge geht es also nicht. Jeder von uns hat damit seine eigenen Erfahrungen machen können.
Wenn es also um all das nicht geht, worum dann? Das sollten wir gemeinsam weiter untersuchen. Ich denke wir könnten es dem, was dennoch den Keim der Vernunft in sich trug – sonst wüssten wir nicht davon – schuldig, das noch zu erledigen. Das sind aber nur Bemerkungen, Hinweise, Vorschläge. Ich erwarte Eure alsbaldige – auch abschlägige –Nachricht mit Freundlichkeit. Ich habe dann jedenfalls meiner Pflicht genügt. Natürlich kann ich mir vorstellen, dass auch ein Briefwechsel wenigstens ebenso befriedigend sein kann, wenn nicht sogar richtiger, weil das Gespräch den Nachteil hat, anschließend in jedem Bewusstsein anders repräsentiert zu sein als die schriftliche Form, die unabhängig von dem wechselnden Sinnverständnis, das an sie herangetragen werden mag, doch die Festigkeit der dokumentierten sprachlichen Form beibehält. Es kann aber dennoch sinnvoll sein, wenn wir uns auch einmal sehen, aber ich will hier die ‚richtige’ Reihenfolge nicht vorwegnehmen.
In jedem Fall fühle ich mich nunmehr in der Lage zu schreiben und auf diese Weise sicher stellen zu können, eine Darstellung zu finden, die allen beteiligten Akteuren den ihren Qualitäten angemessenen Platz im Gedächtnis dieser Kultur erhalten. Ich bin nicht ‚Auf der Suche nach der verlorenen Zeit’. Ich habe sie nie verloren. Ich muss sie nicht suchen, weil sie mich nie verlassen hat. Sie hat mich, um es exakt auszudrücken, auf eine obstinate Art und Weise verfolgt hat. Es ging immer nur um das Problem der Darstellung. Daran habe ich lange arbeiten müssen, um nicht zu sagen: Ich war dazu auf Leben und Tod verurteilt und entschlossen, das Rennen – wenn es denn eines war - für mich zu entscheiden, ohne mich je auf eine Konkurrenz einzulassen oder auch nur mitzuteilen worum es eigentlich ging. Es gab immer Wichtigeres zu tun als zu streiten. Im Märchen war das Mädchen dazu verurteilt sieben Jahre zu schweigen, weil alle seine Brüder sonst Raben bleiben würden und dabei an den Gewändern zu stricken, die sie aus Brennnesseln herstellen musste. Sieben Jahre, das erschein mir beim Lesen dieses Märchens als Junge sehr lang.
Es hat dann doch viel länger gedauert als ich dachte und oft war es so, dass ich Zweifel hatte daran, dass es überhaupt ein Ende nehmen würde und alles enden würde ohne dass es mir gelungen wäre, den Ausgang aus dem furchtbaren Alptraum zu finden, zu dem mich ‚meine Familie’ verurteilt hat. Es war denn auch mein Onkel, der einen meiner frühesten und ganz unbewussten Versuche, einen eigenen Ausdruck zu finden sabotieren konnte, weil er einen von mir bei der Firma, bei der ich arbeitete eingereichten ‚Lebenslauf’, der für meine Handwerkerprüfung notwendig war, in die Hand bekam, weil er Konkursverwalter der Firma wurde, als diese in finanzielle Schwierigkeiten kam. Ich musste ihn erneut schreiben, und so, dass er in den Verwaltungskram passte, den die Herrschaften für sich normiert haben. Es war aber nicht für ihn geschrieben. Ich kann mich noch an das betretene Gesicht des Angestellten erinnern, der mir auftrug, den ‚Lebenslauf’ noch einmal zu schreiben, so wie man sich das vorgestellt hatte.
Das war lange bevor Du, Henry, mit einer Arbeit über Franz Kafkas Geschichte ‚Die Verwandlung’ in Deiner Schule, aus der ich ausgeschieden war, um in eine Schreinerlehre zu gehen, eine recht gute Bewertung bekamst. Ich habe gelernt bzw. ‚eingeschärft’ bekommen dass man nicht aus der Schule plaudern darf. Das hat sich indessen als ein recht wirksamer Zensurmechanismus erwiesen, nach Art der Lernprozesse in der Koranschule: Man weiß zwar nicht, was es bedeutet, aber man kann es jederzeit hersagen und hat nebenbei gelernt immer schön brav zu sein, und zu tun, was der Lehrer gesagt hat, auch wenn man nicht wirklich weiß, was das für einen selbst bedeutet. Es ist Zeit, der Sache nachzugehen, die sich hier abgespielt hat und sie beim ihrem zu rufen. Ich sollte sprachlos geboren werden, sprachlos leben und sprachlos verschwinden und damit alles, was damit zusammen hängt.
Ich grüße euch freundlich

Es ist alles eitel
Andreas Gryphius
Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:
Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind't.
Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten!

Sechsundvierzigster Traum:

Traum am Morgen des Dienstag, 27. Februar 2007

Ich träume, ich befände mich In Bad Nauheim, in der Parkstrasse, nahe der Usabrücke, wo die Straße einen Bogen nach links beginnt und Ludwigstrasse heißt, etwa auf der Höhe des Seismographen und Wetteranzeigers, der dort einmal stand. An derselben Stelle hatte meine Mutter in der Nachkriegszeit einen Stand, wo sie Wolle verkaufte. Die damalige Stadtverwaltung hatte ihr das nur zögernd gestattet und ich erinnere mich daran, dass ich mich dafür schämte, dass sie dort stehen musste. Ihre Erniedrigung zu einer Marktfrau beschämte mich tief. Später in meiner Kindheit las ich, als ich einmal krank war, die Märchen von Wilhelm Hauff und ich glaube, ich habe mich nie davon erholt, mich dabei in eine Mischung aus dem Kleinen Muck und dem Zwerg Nase verwandelt zu haben, zumal in dem House of Horror, in dem ich lebte.
Jetzt bin ich mit einem bekannten amerikanischen Schauspieler unterwegs, ein Sonnyboy, der in einem Film ‚Rendezvous mit Mr. Black’ mitgespielt hat und die Personifikation des Todes spielt, in den sich die Tochter des Hauses verliebt, und das repräsentiert die Soldaten der US Armee ganz gut, in die meine Mutter sich verliebte, mit der Konsequenz, dass man sie in dem Ort als ‚Amiliebchen’, also als eine Hure, die sich mit dem Todfeind ins Bett legt, einstufte. An demselben Ort erpresste sie ihr Liebhaber, der der Vater meines Halbbruders ist, und nahm ihr 300.- DM ab, die sie in der Kasse hatte, um nach Garmisch fahren zu können. Er drohte ihr, ihr sonst ihren Stand mit dem Motorrad niederzufahren – was ihm schwerlich gelungen wäre angesichts von dessen Form und Masse.
Brad Pitt also ist ein Sonnyboy, wir sind etwa gleich alt, er ist so eine Art älterer Bruder und wir sind irgendwie ziellos unterwegs, und machen halt an dem Wetterhäuschen, das sich aber nun betreten lässt, es ist offen, und ich komme auf die Idee uns einen Kaffee auf der Kaffemaschine zu machen. Diese Maschinen gab es ‚damals’ noch gar nicht, also als ich so alt war wie ich in dem Traum bin, ein junger Mann im Alter Anfang zwanzig, so alt wie der Vater meines Halbbruders zu der erwähnten Zeit war.
Der Traum weist insofern auf das darauf folgende Erwachen hin, nach dem ich mir gewöhnlich immer erst einmal einen Kaffee mache. Wir finden auch einen Kaffeeautomaten, aber die Teile sind alle sehr groß, es ist noch warmer, aber schon eingedampfter Kaffee in dem Glasbehälter, wie das gewöhnlich der Fall ist, wenn der Kaffee lange auf der Warmhalteplatte steht, aber die Teile der Kaffeemaschine passen alle nicht richtig zueinander. Sie scheint aus den Teilen verschiedener Maschinen zusammengestellt zu sein. Alles steht schief aufeinander. Wir sind aber ganz fröhlich und untersuchen die Teile um herauszufinden, ob sich etwas damit anfangen lässt. Das ist der Traum. Beim Erwachen fällt mir ein Traum von gestern wieder ein, den ich nicht niedergeschrieben habe.
Was ich noch erinnere, ist dass er eine Art von Familiensendung zum Gegenstand hatte, wo alles sich zunächst heillos verwickelt um dann in einer humorvollen Pointe aufzulösen, die zum Lachen reizt. Nachdem ich aus diesem Traum erwacht war, wurde mir bewusst, dass ein Thema vielmehr der Tod war, also das Gegenteil dessen, was an seinem Ende gestanden hatte. Das fällt mir nun wieder ein und ich bemerke nun sofort den Zusammenhang von Brad Pitt und dem Tod, wie auch die Soldaten der US Armee, so gut gelaunt sie auch waren – das ahmten wir dann ja nach, es bewirkte die ‚Fröhlichkeit’ unseres Aufbruchs in die Rockmusik, die uns die Sieger anboten als Entschädigung für unser Schicksal, nach den Bombenteppichen, die sie über unseren Köpfen entluden um unserer Befreiung willen, also eine lange Verdrängung – den Tod unserer Eltern und unserer Kultur repräsentierten, also die Verkehrung ins Gegenteil, die das wesentliche Merkmal der Gegenwartskultur ist, unter deren Decke sich in der dritten Generation diese vergessliche Oberflächlichkeit, Verwahrlosung und Verdummung von Menschen darstellt, die den Anschluss an sich selbst verloren haben, weil sie zu Trauer unfähig sind, und von der Nachahmung leben, in dem Glauben, das sei ein Fortschritt.
Es ist ja das Merkmal der Truppenunterhaltung nach US Manier, die sich als Kultur aufspielt, nur zur Mordwut fähig zu sein, und nicht zur Trauer. (Auch meine Trauer und Ohnmacht nahm auf lange Zeit, besonders unter dem Eindruck von Annes Kälte und moralischer Verwahrlosung die Form des Zorns an: I spent my hatred everyplace, on every work, on every face…“, weil der Zorn, der Schein von Kraft und Aktivität, leichter zu ertragen ist als die Ohnmacht und die Wertlosigkeit.) Was so lustig und beschwingt zu beginnen scheint verbirgt die verdrängte Erfahrung des Todes. Ich habe den Entwurf des Briefes an meinen Halbbruder Henry und meinen Cousin Thomas unter dem Eindruck der Vermutung aufgesetzt, dass alle anderen, meine Mutter, meine Schwestern vielleicht schon tot sind. In den Toten aus den letzten fünfzehn Jahren in W. , die mein Gedächtnis bevölkern, sind alle die Toten, um die ich nie trauerte verkörpert. Nun holt mich alles ein.
Es ist der Tod, der die verborgene Einheit meiner Biographie stiftet und alles miteinander verwoben hat, als Geschichte unablässiger Trennungen im Streit, der die Trauer zu vermeiden versucht über die Vergeblichkeit aller Versuche, ihn durch ‚soziale Beziehungen’ zu mildern oder gar zu besiegen. Alles, was dabei herauskommen kann ist, dass man vorübergehend vergisst, dass man grenzenlos allein ist, unmittelbar nur zum Tod, mit dem die eigene Welt unwiderruflich untergeht. Es nimmt allem, was sich tun ließe, den Sinn und niemand redet mir ein, es sei anders. Es gibt keinen Trost über die Sinnlosigkeit, die in aller Endlichkeit schon programmiert ist.
Das Beste ist nicht geboren zu sein, und das zweitbeste früh zu sterben. Und beides ist mir versagt geblieben. Mein älterer Bruder, der Tod, hatte es besser. Er war klüger als ich und ist gestorben. Ich sehne mich nach ihm, seiner Blässe, seiner Stille, seiner Stummheit und ihrer unendlichen Vieldeutigkeit, in der alles zugleich war und in einem Blick dieser wissenden Augen.
Ich habe mein Studium nie beenden können, weil es dem Tod gleichkam, überhaupt etwas zu beenden, sei es ein Buch zu Ende zu lesen, eine Arbeit zu beenden usw. Das Ende ist der Tod. Ich konnte nichts beenden, weil es bedeutet hätte, den Tod zu akzeptieren. Ich konnte nicht erwachsen werden, weil es bedeutet hätte, die Kindheit zu beenden. Ich habe mich von nichts wirklich getrennt, es hätte zugleich eine Untreue bedeutet gegenüber meinem toten Bruder und ein Ende, also auch wieder die Erinnerung an den Tod, den das Gedächtnis festhielt, aber um den Preis der Untreue. So lohnte es sich also nicht einmal untreu zu sein, denn auch dies führte nur auf die erneute Konfrontation mit dem Tod.
Wohin ich sehe ist nichts als der Tod.
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Träume am Mittwoch, 28. Februar 2007

Siebenundzigster Traum:
Ein Traum an frühen Morgen bestand aus drei Worten. Ich erinnere sie nicht mehr. Ich verstand ihn nicht. Ein Wort war ‚Ziegel’. Das schien mir besonders unverständlich. Als ich mich kurz erhob stellte ich fest, dass mein Betttuch ‚ziegelrot’ ist. Die beiden anderen Worte habe ich gerade erst vergessen. Ich hatte das dritte nicht erinnert, dass mit jetzt gegenwärtig ist. Habe ich den Traum vergessen, um ihn nicht verstehen zu können oder müssen?

Achtundvierzigster Traum:
Ein anderer Traum, später: Ich bin auf einem leichten Motorrad unterwegs. Die Strecke ist etwas merkwürdig, ich weiß gar nicht, wie ich sie beschreiben sollte. Zunächst fahre ich auf einer Straße (?) und drehe ordentlich auf, ich rase über Stock und Stein, offensichtlich auf eine Klippe zu. Das tut aber nichts, ich fahre einfach mit voll aufgedrehtem Gasgriff über die Kante und fliege in einem hohen Bogen weiter auf die nunmehr fünfzig oder auch hundert Meter unter mir liegende Strecke zu, die nun einen schmalen, etwas geschlängelten Wiesenpfad darstellt, der auf unebenem Gelände mal steigt, mal fällt. Ich habe keine Probleme mit der ‚Landung’, gebe einfach wieder Gas und es geht weiter.
Ich fahre mit vollem Gas weiter über die Wiesenstrecke auf dem schmalen Pfad. Zugleich habe ich mich gespalten, denn ich sehe diesem Vorgang zu aus der selben Höhe wie zuvor, fliege also über ihm in etwa seinem Tempo mit – tatsächlich ist es mit etwas voraus, so dass ich es bequem im Auge behalten kann - so dass das unter mir fahrende Fahrzeug (mit Fahrer) nun ganz klein wirkt, wie ein Spielzeug. Wir rasen auf einen Waldrand zu, in den hinein eine breite Straße oder vielmehr Trasse führt, viel breiter als eine gewöhnliche Straße, nicht asphaltiert, aber festgefahrene Erde, mit dürren Grasresten bewachsen.
Ich rase nunmehr nicht mehr oberhalb des von mir weiter begleiteten Fahrzeugs her, sondern auf der Trasse neben ihm her. Ich sitze wieder auf dem leichten Motorrad und beobachte das in ein Spielzeugflugzeug (ein Düsenflugzeug mit ‚Deltaflügeln’) um es einsammeln zu können, wenn es sich nicht mehr weiter bewegt. Ich weiß, dass es zu einem Ende kommen wird. Seine Geschwindigkeit (es bewegt sich wie ein Fahrzeug am Boden) wird zunehmend von Hindernissen auf der mit hohen Bäumen bestandenen Böschung gebremst, kleinen am Boden liegenden dürren Zweigen, wellen trockenen Blättern und kleinen Büscheln aus Gras oder Keimlingen von Bäumen oder Sträuchern. schließlich bleibt es einmal so an etwas hängen, dass seine Bewegungsrichtung parallel zu mir abgelenkt wird und es stürzt nun fast, schon so wie ein Blechspielzeug auf einem ausgetretenen kleinen Pfad, der an der Böschung hinabführt, hinunter und bleibt am Fuße der Böschung in einem sehr flachen Graben, einer Andeutung von einem Graben liegen.
Ich bin offenbar auf die Plötzlichkeit dieses Endes gar nicht richtig vorbereitet und noch voll in Bewegung, muss also erst abbremsen und bin dann natürlich viel weiter – ‚über das Ziel hinausgeschossen’ – als ich anhalte. Ich gehe/fahre nun also an der Böschung zurück, nein, ich bin eindeutig zu Fuß. Während ich zunächst gemeint hatte in einer unbewohnten Gegend zu sein, einem Bergwald oder dergleichen, tatsächlich erkenne ich die Gegend zunächst auch wieder, es ist der lange Aufgang zum Gipfel des ‚Wintersteins’ ‚hinter’ dem Johannisberg - über das der römische ‚Limes’ führte, es gibt dort noch die Fundamente eines Wachturms, hinter dem der Limes in Richtung Butzbach durch die Wälder läuft - im Taunus oberhalb von Bad Nauheim in Richtung ’Kapersburg’, ‚Saalburg’ und Bad Homburg, während die Gegend unterhalb der Klippe teils aussah wie der Park in Bad Nauheim auf der Straße, die sich in der Gegenrichtung meiner Bewegung mit dem Motorrad einerseits zu einer oberhalb des ‚Großen Teichs’, einerseits hinab zur Usa und zum Schwimmbad (am Krankenhaus) verlaufenden Straße gabelt.
Die Nahtstelle zu dem Wald bilden die Bäume einer Allee, die unterhalb der Burgallee verläuft, die auf die Parkstrasse führt, an deren gegenüber dem alten Amtsgericht stehenden Haus meiner Großeltern ich aufwuchs in einer elenden Kindheit. Hatte ich dorthin gewollt und bin stattdessen in den Wald am Fuß des Wintersteins geraten?
Wie auch immer. Ich stelle fest, dass die Gegend bewohnt ist und dass sich jenseits der Bäume, die die Straße begrenzen, Gärten befinden. Die Böschung ist jetzt verschwunden, und ich kann die alten, niedrigen, aus weiß gestrichenen Holzlatten ausgeführten Zäune durch die Bäume und Sträucher sehen, die die Gärten begrenzen, und ich meine, rote (ziegelrote?) Dächer kleiner Einfamilienhäuser zu sehen, deren Veranden sich gegen den Garten hin öffnen, aber das ist mehr eine Ahnung. Es scheint eine Jahreszeit zu sein, die dieses Durchschimmern erlaubt, ich vermute Frühherbst, und mir kommt es vor, dass schon gelbes und rötliches Laub auf dem Boden liegt, und auch auf den Grasflächen der Gärten, und ich phantasiere in den Gärten spielende Kinder, mit Sicherheit einen Jungen im Alter von etwa fünf Jahren. Er hat sein Spielgelände über den Zaun des Gartens hinaus ausgedehnt und am Rand der Trasse steht sogar eine Bank, die die Eigentümer des jenseits der Bäume liegenden Gartens und Hauses dort aufgestellt haben dürften.
Ich entdecke einiges Spielzeug, dass der Junge liegen gelassen hat. Unter der Bank finde ich ein Klapptaschenmesser, das ich an mich nehme. Ich muss dafür tief unter die Bank kriechen. Dann finde ich ein Blechspielzeugflugzeug, ich meine es müsste eine zweimotorige Propellermaschine sein, oder ein diesem Bautyp mit fast waagerecht abgespreizten Flügeln ähnliches Staustrahlflugzeug, also dem meinen ähnlich, das ich weiter ‚oben’ auf dem Rückweg vermute, aber auch unähnlich. Auch das nehme ich an mich, beides zugleich in dem Gefühl, dass es nicht recht ist, da es mir ja nicht gehört. Ich nehme dem Jungen sein Spielzeug weg, aber auch mit dem dagegen geltend gemachten, mich aber zugleich selbst nicht überzeugenden Gefühl, dass er die Dinge ja achtlos liegen gelassen hat, so dass es nichts macht, wenn ich sie mitnehme, denn er ist ja auch so vieles reicher als ich, dass es ihm wohl kaum Schaden zufügen kann.
Trotzdem, eigentlich habe ich ihm die Gegenstände geklaut. Das ist mir klar, aber ich will ein Andenken an ihn behalten, etwas, dass mich an ihn erinnert. Es ist mein älterer Bruder, dem ich das Leben gestohlen habe! Die Bäume und der Zaun trennen mich von der Zeit vor dem Tod meines Vaters, als wir noch eine Familie waren, die für immer zerstört war nach dem Tod meines Bruders und Vaters. Der Garten und das Haus stellen diese Familie dar, vor dem Ende des Krieges, der auch ihr Ende war. Mein Vater starb kurz nach Kriegsende im beginnenden Sommer 1946, ich glaube es war Juli. Mein älterer Bruder war schon 1944 (?) gestorben. Ich errechne das jetzt aus seinem vermuteten Geburtsdatum 1939. Ich kann mit keine Geburtstage merken! Die Gefühle einer unerträglichen Trauer, die ich zugleich ganz deutlich als Grundton meiner gesamten Existenz erkenne, sie sind der Generalbass und Kontrapunkt der Melodie meines Lebens, empfinde ich nicht während des Traums.
Sie entsteigen jetzt auf einmal den Worten und sind einfach überall auf einmal, alles symbolisiert diese Trauer, während ich hier gehe und nach dem Spielzeugflieger suche, der zuvor ich auf dem Moped unterhalb von mir selbst war, der ich mich im Überflug auf dem Wege vorwärts in Richtung nach Hause zu befinden schien, und noch früher mit mir, diesem Beobachter eins gewesen ist, vor der Klippe, über die ich so leicht und mit dieser Kühnheit hinweg geflogen war, während ich dachte: Könnte dies jetzt ein Freund sehen, der ebenfalls Motorrad fährt wie ich, der mich auf den Gedanken gebracht hat, einen Motorradführerschein zu machen und mir eines zu kaufen, als ich schon beinahe sechzig Jahre alt war, ein junger Mann, der mein Sohn sein könnte, und mir in dem Traum den fehlenden Bruder und Vater ersetzen muss, ohne dass er das wirklich könnte. Ich habe vielmehr eher die Verpflichtung eines Vaters ihm gegenüber, Verpflichtungen, die mich mit allen Gefühlen segnen, die man als Vater gegenüber den Eigenwilligkeiten eines Sohnes haben kann, der dem Rat nicht immer so folgt, den man ihm erteilt, wie man sich das vorstellt.
Ich bin aber jetzt auf einem Rückweg, der mich von ‚zu Hause’ eher entfernt hat, oder vielmehr, wenn ich die Richtungen bedenke, und die Orte, die der Traum kondensieret und unmittelbar, mit Zeit/Raum-Sprüngen unmittelbar aneinander grenzen lässt, über das Ziel weit hinausgeschossen, so dass ich, statt bei unserem Hause, am Fuß des Gipfels des Wintersteins lande, zugleich aber auf einer einsamen Trasse, ausgeschlossen aus dem Leben der Bewohner der Einfamilienhäuser jenseits der Bäume und Büsche, von denen gelegentlich ein Pfad und eine Spur bis auf die Trasse führt, auf der ich daher gefahren kam.
Der Rückweg erfolgt zu Fuß, also wesentlich langsamer als der Hinweg. Ich sehe daher auch viel mehr Details und untersuche alles recht genau, um mein Spielzeug (das war ja das Mittel der Fortbewegung auf meinem Lebensweg oder wenigstens ein Teil davon, denn ich fuhr in den Wald hinein wiederum auch auf einem sehr schnellen Motorrad!) wiederzufinden, bzw. etwas, das nicht nur ein Teil von mir, sondern in gewisser Weise ebenso ich selbst ist wie ich, der nun auf diesem Weg, An der Grenzlinie zwischen dem Niemandsland des Weges und den rückseitigen Gärten der Einfamilienhäuser nach Spuren sucht und mitnimmt was er findet, um Anhaltspunkte zu haben für die Erinnerung, die ihnen entsteigen kann, wenn man sie betrachtet.
Ich finde endlich auch ‚mein Spielzeug’ wieder. Es ist in dem üblichen Zustand und zeigt ebensolche Gebrauchsspuren wie das Flugzeug des Jungen, das ich mitnahm. Das Taschenmesser war voller feinem gelbem Sand. Ich mache mich wie selbstverständlich auf den Rückweg. Die Trasse ist nun übergegangen in eine sehr breite Straße, asphaltiert, mit Baumbestand auch in ihrer Mitte, oder auf den sehr breiten Wegen entlang der Häuser, die derart in erheblichem Abstand von der Straße stehen. Alles macht einen parkartigen Eindruck. Ich habe nun zwar kein Fahrzeug mehr, aber eine weibliche Person, die ich aus meiner Studienzeit kenne, kommt vorbeigefahren auf einem Motorrad und in der Richtung, in der ich unterwegs bin und nimmt mich auf dem Rücksitz mit. Wir unterhalten uns mit Scherzen während der Fahrt und sie erzählt mir, dass sie auf das Abendgymnasium geht, und im letzten Jahr wäre, wenn sie es nicht zu wiederholen gezwungen wäre, weil sie ‚es nicht geschafft’ hätte.
Die Amerikaner haben irgendetwas damit zu tun, die Schule ist eine von ihnen unterhaltene Einrichtung, und sie ‚muss es diesmal schaffen’. Wir biegen irgendwo nach links ab und sie hält schließlich an, um sich einem wiederum auf der linken Straßenseite, also gegenüberliegenden Haus aus rotem Klinkerstein zuzuwenden, während wir noch im Gespräch sind.
Als sie schon beinahe in dem Haus verschwunden ist, ermuntere ich sie noch einmal und sie beantwortet das lachend und optimistisch, aber wir beide wissen, dass das die unterschwellige Bangigkeit nicht vertreiben kann, die uns beide beim Abschied angesichts ihres ungewissen Schicksals beherrscht, während wir das mit freundlich zur Schau gestelltem Optimismus überspielen. Ich rufe ihr noch zu, dass ich auch andere kenne, die in derselben Situation sind, und dass es sich schon machen wird, sie ruft mir noch etwas zu, ich verstehe nur den abwiegelnden Ton, und dann ist sie verschwunden in dem drohend und nackt aussehenden Haus aus roten Ziegeln, deren Anblick besonders in Norddeutschland, wo die alten Häuser oft unverputzt sind, an die Ruinen der ausgebombtem Großstädte erinnert, die ich nach dem Ende des Krieges sah, darunter meine Heimatstadt Mainz, wo wir in der Parkusstrasse 6 am Bahnhof gewohnt hatten noch während der ersten Angriffe der Bomberflotten, die uns dann von der politischen Diktatur zur politischen (nicht : faktischen) Demokratie befreiten, (die man hinreichend präzise als nunmehrige ausschließliche Selbstverwaltung der Selbstverwaltung der vormaligen duodezfürstenherrlichen, dann preußischen, dann kaiserlich-preußischen, endlich weimarisch demokratischen und dann nazistischen Verwaltung – sozusagen als Kollektivdiktator unter Abzug der Personifikation der ‚Souveränität’ - charakterisieren kann) indem sie uns damit bewarfen, während wir, Kinder zwischen ein und vier Jahren, in den Kellern dazu verurteilt waren, unser sinnloses Überleben abzuwarten um in den Genuss dieser Früchte unserer Todesangst zu kommen, von der wir damals noch nicht wussten, was sie ist und wie sie heißt und was es bedeutet, sie zu haben, für immer, als Mitgift für das Leben in Freiheit, von dessen Wirklichkeit uns zu überzeugen zu einer Lebensaufgabe aller folgenden Sozialkunde- und Geschichtslehrer wurde, die ich sämtlich zu Recht für halluzinierende Psychopathen zu halten das Recht habe nicht nur, sondern die Pflicht, im Namen der Wahrheit, die nicht von Berufsbeamten diktiert werden kann, damit man sie gefälligst lernt und auf Abfrage daherbeten kann. An diese Leute habe ich die Frage: „Was ist Ihrer Meinung nach eigentlich eine Gehirnwäsche?“
Die Antwort ist vollständig formulierbar mittels einer genauen wissenschaftstheoretischen und einer Betrachtung der ‚Lerntheorie’ und der ‚Verhaltens- und Rollentheorie(n)’ angesichts der ihnen gegenüber geltend zu machenden Wirklichkeit der condicio humana. Vor diesem Hintergrund erscheinen sie als das was sie sind: Die der ‚flächendeckend und nachhaltig durchgesetzten Formen der Institutionalisierung der der Gehirnwäsche als Form der Sozialisation entsprechenden ‚wissenschaftlichen Formationen’.

Neunundvierzigster Traum:

Traum am Morgen des Donnerstag, 1. März 2007

Ich befinde mich im Soziologischen Seminar in der Ludwigstrasse in Giessen. Das lag seinerzeit gegenüber dem Hauptgebäude der Universität. Ein altes Bürgerhaus, recht ähnlich meinem Elternhaus. Ich erinnere mich noch, dass der Umzug in die Betonbunker der Massenuniversität für mich, allerdings ohne dass ich das damals recht registrierte, mich wohl endgültig aus der Bahn warf, und mir alles verdarb, so wie der Umzug aus der Parkstrasse in Bad Nauheim in die Kasernenstrasse nach Butzbach mich viel tiefer beeindruckte als ich das damals meinte.
Ich befinde mich in einem Gespräch mit einem jungen Studenten aus einer jüngeren Studentengeneration als ich. Es geht offenbar um die Einführung der Erstsemester. Da war eine Versammlung, und ich frage ihn, ob er sich die Eltern einmal angesehen hat. Es war so etwas wie die Einführung von Kindern in die Grundschule. Ich habe Sorge, dass es sich um Eltern handeln könne, die Einstellungen haben, die der Soziologie ungünstig sind. Ich biete ihm an, ihm ein Arbeitspapier über das Institut zur Verfügung zu stellen, das ich im vergangenen Semester geschrieben, dann aber beiseite gelegt habe. Es enthält offenbar brisante Informationen. Dabei bleibt es dann. Die Situation scheint sich ständig, wie eine Art Replay einer Filmszene in einem Softwarewiedergabegerät zu wiederholen.
Beim Erwachen stelle ich fest, dass der Traum – wie der von gestern auch, in dem mich ja die Institutssekretärin auf ihrem Motorrad nach Hause gefahren hat – mit einer mir vage vorschwebenden Reihe von anderen Träumen mit derselben Thematik (Studium, Studienzeit, Universität, Leben in der Großstadt, Theorien…) und mit Erinnerungen, die in eine ganze Wolke von Assoziationen verwoben sind, die Begebenheiten und Ereignisse zu betreffen scheinen, die nie wirklich, sondern nur in meiner Phantasie geschehen sind, sich aber in meinem Vorbewussten und wohl auch im Unbewussten zu Sinnzusammenhängen geordnet haben müssen, die mit den anderen Themen, den Grundthemen meines Lebens zu tun haben dürften. Ich habe z. B. nach vielen Jahren festgestellt, dass ich in Gießen gewissermaßen mit meinen toten Kindern – die meine Freundinnen nicht bekommen wollten und ggf. abtrieben, weil sie ‚erst noch einmal den Amazonas herunterfahren wollten’ – auf den Armen herumgelaufen bin, und die Verdichtung, zu der das dann in verschiedenen Träumen, einer Traumserie geriet, die mein Körpergefühl während der gesamten Zeit wiedergaben mit großer Zuverlässigkeit trat auch in anderen Traumserien auf, die sich gewissermaßen mit dem Thema Großstadt befassten.
Nach dem Erwachen befasse ich mich damit, dass ich offenbar den Status eines etwas ‚verschwörerisch’ eingestellten Studenten, der viel Kritik an seinem Institut hat und der sich Sorgen darüber macht, dass die Eltern der Erstsemester nicht die der Soziologie gemäßen Einstellungen haben könnten, überwunden habe. Nur, was hieße hier ‚Überwindung’. Kann man dieses Studium, so wie ich es angelegt habe, unabhängig vom Studienplan und mit Rücksicht auf das, was mir die Lektüre jeweils mitteilte, eigentlich beenden? Und wenn nicht, kann man Zwischenberichte schreiben, die anderes verdienen als dass man sie zurückhält? Ich erwache mit den selben Schuldgefühlen wie immer: Ich habe meine Aufgaben nicht gemacht, ich habe mein Studium nicht ordentlich beendet. Wird ‚Beenden meines Studiums’ mit Beenden meines Lebens identisch werden, oder werde ich auch mit meinem zu erwartenden Tod lediglich ‚aus der Schule geflogen’ sein? Tod=aus der Schule fliegen, Leben=Sitzenbleiben.
Hinter alledem schweigend der Tod meines Bruders und Vaters und die von ihr verdrängte Trauer meiner Mutter um ihren blonden Sohn und Engel.
Der Student, dem ich mein Arbeitspapier anbot, das die Aufklärung über das Institut enthalten würde, hieß mit seinem wirklichen Namen ‚Engelmann’. There you are again, brother. Du bist überall und über allem. Wenn wir uns doch versöhnen könnten. Aber dass ich lebe und alt werde und Du schon so lange tot bist, damit ist keine Versöhnung möglich. Es macht mein Leben zu einer unendlichen Qual. Ich kann nichts fertigmachen, nichts beenden, mich zu nichts entschließen, nichts langfristiges planen, nichts sinnvolles tun. Alles steht im Schatten eines lange vergangenen Todes, eines älteren Bruders, der klüger war als ich indem er - starb. Du bist jenseits aller Versöhnungen. Ich bin diesseits aller Versöhnung. Ich kann nichts tun.
Sechs ungeborene Kinder leben in meiner Seele, abgetriebene Föten, die dennoch wuchsen, älter wurden, erwachsen endlich und mich als Schatten begleiten. Sie werfen mir vor, sie verlassen zu haben, sie werfen mir Beihilfe zum Mord vor, sie flehen um ihr Leben und sind doch längst erwachsen, sie sind bloße Potenzen und zugleich stehen sie mir vor Augen, ich habe sie verleugnet und leide darunter, dass ich sie verstieß. Im Unbewussten gibt es keine Logik oder den gewöhnlichen Realismus, der ja nur ein Reflex des juristischen und des Verwaltungsdenkens ist, das sich Menschen nutzbar machen will und sie deshalb auf bestimmte Kriterien festlegt, die diese Nutzbarkeit umreißen und jeweils einfach festsetzen.
Wie alt ist ein Mensch? So alt wie seine Erinnerung tief ist. So alt wie die Gattung, und älter, insofern die Kultur das Tier mit sich führt, das sie zu zähmen versucht hat. Oder so alt wie der erinnerungslose Existenz eines Statttieres, das auf seine vegetativen Funktionen reduziert ist, also von Verwaltungsbeamten zum Nutztier dressiert ist, das nichts Menschliches mehr hat und braucht, weil das nicht nutzbar ist oder der Nutzung im Wege steht.
Der Zustand dieser Biomasse ist auf furchtbarste Weise grauenvoll.
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Fünfzigster Traum:

Traum am Morgen des Montag, 16. April 2007

Ich befinde mich im Eingang zu einer Art Hotel, das am Ende einer kurzen Sackgasse liegt. Das Gebäude ist aus rotem Backstein gemauert und bildet eine enge rechtwinkelige Ecke. Der Eingang springt etwas zurück, und eine flache Treppe führt in das Haus hinter mir, so dass ich mich im Schatten befinde. Das ist wichtig, denn gegenüber, wo sich eine überdachte Lücke zwischen dem von links herunterkommenden Gebäude und der weitergeführten Wand auftut, die die rechte Seite des Eingangs, in dem ich mich befinde, verlängert, treten durch eine oder mehrere Türen bedrohliche Gestalten, die schwer bewaffnet sind. Ich bin nicht sicher, was sie vorhaben, und ob sie nach mir suchen, aber sie scheinen mich nicht bemerkt zu haben oder zu ignorieren, jedenfalls suchen sie nicht unmittelbar nach mir. Ich scheine ihrem Feindschema bzw. unmittelbaren Feindbild nicht zu entsprechen. Diese Beschreibung ist ganz unklar in Bezug auf die Örtlichkeit. Ich habe den Eindruck, dass sie das Beschriebene nur äußerst ungenau und vage wiedergibt, und dass ich niemand eine genaue Vorstellung von dem Beschriebenen machen kann aufgrund dieser ungenauen Beschreibung.
Eine der Personen, die ich aus einer der Öffnungen gegenüber links treten sehe, erweist sich bei genauem Hinsehen als nicht-menschlich. Ich kann das daran sehen, dass aus dem vermeintlich menschlichen Körper wenigstens vier bis sechs metallene Geschoßläufe verschiedener Kaliber herausragen. Es ist eine Kampfmaschine und sie bewegt sich auch entsprechend mechanisch. Bevor ich das genauer in Augenschein nehmen kann, ist sie indessen auf der gegenüber ihrem Ausgang liegenden Seite in dem Gebäude verschwunden. Die übrigen Personen erscheinen mir vage als Mafiosi.
Ich weiß, dass links von mir, also links von dem Eingang, in dem ich mich befinde, eine Person in einer Art Pförtnerloge sitzt, die nach vorn ein Fenster hat. Der Pförtner muss also auch gesehen haben bzw. sehen, was sich abspielt. Ich ‚fühle’, dass unter anderem er es ist, und weitere Personen, die sich in den anschließenden Räumen befinden, bedroht sind. Die ‚dunklen Gestalten’, die sich gegenüber bewegen, werden sich durch das Gebäude zu ihnen vorarbeiten, indem sie den Eingang innerhalb des Gebäudes umgehen. Da sie Waffen tragen, ist anzunehmen, dass sie gefährliche Pläne haben, lebensbedrohliche.
Ich weiche zurück in den Schatten des Eingangs. Die Gestalten sind einschüchternd. Jetzt sind sie aber schon verschwunden in dem Gebäude. Ich betrete durch den Eingang das Haus und will den Raum erreichen, in dem der ‚Pförtner’ ist. Das ist aber nicht unmittelbar möglich. Ich muss durch dahinter liegende Räume gegen und dann hinter dem so umgangenen Raum nach rechts in einen zur Front des Hauses hin liegenden Raum gehen um den Raum des Pförtners zu erreichen. Dabei treffe ich mehrere mehr oder weniger vermummte Gestalten, die ich aber nach ihrem Geschlecht identifizieren kann. Es sind meist offenbar Frauen, die in Gewänder gekleidet sind, die ich orientalischen Kulturen zuordnen zu können meine, die Gesichter sind verschleiert durch von unten vor das Gesicht gezogene Tücher, wie bei Beduinen, aber auch der Kopf und die Haare sind mit Tuch bedeckt, so dass nur Teile der Stirn und der Nasenwurzel sowie die Augen sichtbar sind.
Ich gehe in wortlosem Einverständnis an den Frauen vorbei in den zur Straße liegenden Raum, der durch eine große türlose Öffnung mit dem angrenzenden Raum verbunden ist, aus dem ich komme, um zu dem Pförtnerraum zu gelangen, als mir eine ebenfalls in orientalische Kleidung gehüllte männliche Gestalt folgt, die ein Kind auf dem Arm hat, und bewaffnet ist. Ich kann sie aus dem rechten Augenwinkel sehen. Ihr ausgestreckter Arm ist auf mich gerichtet und ich bin nicht sicher, vermute aber eine Waffe auf mich gerichtet zu sehen, und mache eine abwehrende Bewegung mit dem rechten Arm ohne sie anzusehen.
Es ist, als wollte ich sie nicht identifizieren können, indem ich sie nicht anblicke, so dass weder sie noch andere mir vorwerfen könnten, sie überhaupt identifizieren zu können, wenn das von mir verlangt werden würde. Zugleich habe ich die Befürchtung, dass die Person im nächsten Augenblick auf meinen Kopf feuern könnte. Die abwehrende Bewegung gilt also beidem, dem Versuch überhaupt zu verhindern, dass ich sie erkennen könnte, und der Abwehr gegen die Bedrohung durch die Schusswaffe, die ich in seiner Hand ‚wähne’ mehr als dass ich sie gesehen hätte. Ich erkenne meinen Irrtum über seine Absichten erst, als er auf mich zugetreten ist und mir seinen ‚Respekt’ ausdrückt.
Er sagt, meine ich, nur dieses eine Wort: Respekt, und ich verstehe, dass er sich für meine Hilfe bedankt. Das stimmt mit meiner gefühlsmäßigen Parteinahme überein, die sich angesichts der sich entfaltenden Szenerie ‚intuitiv’ für die Seite der nach meinem Dafürhalten Angegriffenen entschiedenen hat. Ich bin erleichtert über diese Handlung des Unbekannten und zugleich angenehm überrascht. Der vermummte Mann – er ist einfach nur gekleidet wie ein Beduine, also nicht im Sinne eines Vermummungsverbots bzw. ‚polizeilicher Vorschriften’ für politische Demonstrationen ‚illegal’ gekleidet – zieht sich mit einer grüßenden Handbewegung zurück. Wir trennen uns in Einverständnis und Freundschaft.
Ich betrete nun den Pförtnerraum, und finde auch eine undeutlich konturierte Person ohne einen bestimmbaren Umriss, Sie hat merkwürdig gerundete Konturen, wie das bei bestimmten, stark gegliederten Kartoffeln der Fall sein kann, die oft mehr oder weniger eine tierische oder menschliche Gestalt haben können bzw. an eine solche erinnern. Ich fasse auch diese Person nicht genau ins Auge, es ging vielleicht nur darum sie nach Möglichkeit zu warnen, obwohl ich doch nahezu sicher sein kann, dass sie die Vorgänge gegenüber dem Fenster des Empfangs auch beobachtet haben dürfte.
Ich verlasse diesen Raum nun wieder und begebe mich auf die Straße. Wie ich zu dem Kind gekommen bin, das ich nun auf dem Arm trage, eingewickelt in Tücher, die ebenfalls orientalischen Kleidungsüblichkeiten entsprechen, ist vollkommen unklar. Die Tücher sind auffällig hell, fast weiß, aber aus einem großen wolligen Stoff, und es ist mir unangenehm, dass sie so auffällig sein müssen. Jeder sieht doch von weitem, dass ich dieses Kind bei mir habe und auf dem Arm trage, und es scheint mir nun, dass es um dieses – ich vermute männliche – Kind gehen muss bei der ganzen Aktion. Das würde nun aber bedeuten müssen, dass ‚sie’ nun auf der Suche nach mir sind, insofern sie das Kind suchen. Der Austausch und die Anerkennung, die mir zu meiner Überraschung und Verwunderung – statt einem Kopfschuss gewissermaßen - zuteil geworden war, betraf also meine offensichtliche Bereitschaft zur Übernahme der Aufgabe, das Kind durch die Gefahrenzone zu bringen.
Allerdings wird mir die Aufgabe erst jetzt also solche bewusst und die abwehrende Geste samt der damit verbundenen Befürchtung betraf also die zu übernehmende Aufgabe, die ich als mit unkalkulierbarer Gefahr verbundene Risikoübernahme vorgestellt hatte. Die ‚Anerkennung’ des Fremden war also eine Art Überspielung meiner Vorbehalte und Abwehrgesten, so als seien die gar nicht vorhanden, und stattdessen vielmehr meine vorbehaltlose Bereitschaft zur Übernahme der Aufgabe zu unterstellen. Das erweist sich nun auch als richtig, zu meinem eigenen Erstaunen, oder vielmehr bleibt sogar dies aus und ich bewege mich nun einfach innerhalb des nunmehr veränderten Rahmens so wie vorher auch, indem sich nun diesen Rahmen als Handlungsumgebung akzeptiere, so wie zuvor einen anderen, wenn es den denn gab. Es gibt aber keine genaue Erinnerung daran, die zu einer konkurrierenden gleichzeitigen Sicht auf zwei verschiedene Handlungsrahmen verweisen würde.
Ich bewege mich aus dem Hoteleingang heraus durch die nächtlichen, dunklen und fast unbeleuchteten Gassen mit der Sicherheit eines Menschen, der sein Ziel kennt und auch Ortskenntnis hat, stets das Kind auf dem Arm. Um eine U-förmige Biegung einer der Gassen herum gelange ich auf einen recht großen, gepflasterten Platz, der eine schiefe Ebene bildet, die in der Gehrichtung ansteigt, und an der rechten Seite von hohen, öffnungslosen Mauern umgeben ist. Am oberen Ende des Platzes öffnet sich nach links ein hoher Torbogen, der einen Durchgang offen hält, auf den ich zusteuern will, als ich auf der Mauerseite rechts zunächst einen, dann zwei und endlich drei Personen ausmache, die durch den Torgang gekommen sein müssen während ich den Platz auf dem unteren Ende betrat.
Sie machen Anstalten auf mich zuzukommen und ich meine die von ihnen ausgehende Drohung zu spüren. Ist es eine ‚Kontrolle’, die mich aufhalten wird und dann festnehmen, wegen des Kindes, nach dem sie zu suchen ausgeschickt sein könnten? Ich bin nicht sicher, kenne jedoch ein Mittel, sie von mir abzulenken, das offenbar magischer Art ist oder auf Zauberei beruht. Ich bin also auch ein Zauberer oder Magier. Ich streche nämlich meine rechte Hand aus in Richtung der ‚Torwächter’ und etwas wie elektrische Entladungen lösen sich von meinen Fingerspitzen mit einem knisternden Geräusch, so dass sie sich von mir abwenden und das Gesicht der Mauer zuwenden, aber als ich damit aufhöre, wenden sie sich mir erneut langsam zu, so dass ich die Handlung wiederholen muss, aber dann erzielt sie die gewünschte Wirkung. Ich kann jetzt auf den Tordurchgang unbesorgt zugehen und obwohl ich hinter dem Durchgang auf wenigstens eine weitere, in Tücher gehüllte Gestalt treffe, muss ich sie nicht weiter beachten.
Jetzt erst fällt mir merkwürdig auf, dass alle die Personen, denen ich bisher begegnet bin, und die gewissermaßen ‚auf meiner Seite’ sind, so erscheinen wie in Tücher eingehüllte Mumien. Das scheint klar zu werden angesichts dessen, was ich nun vor mir sehe, nämlich eine sich am oberen Ende der Gasse jenseits des Tordurchgangs auftuende gänzlich schwarze, beinahe flächig wirkende Leere jenseits der perspektivisch noch ein wenig flankierend und vorweisend zugleich sich wie Geländer erstreckenden Häuserfronten. In diese schwarze Leere werde ich nun mit dem Kind auf dem Arme vordringen. Das ist die Aufgabe, die ich zwar etwas überrascht – angesichts all der vermeintlichen Gefahren am Wege habe ich mir doch nur den Durchgang zu dieser Öffnung zum gänzlich Unbekannten erzwungen, an Totenwächtern oder an den Wächtern des Weges zum Totenreich vorbei, die am Ende nur so taten, als wollten sie mich aufhalten, um mir einen Widerstand vorzuhalten, gegen den anzugehen mir das Gefühl einer zu bestehenden Bewährung geben sollte, während in Wahrheit alle meine Befürchtungen nichts anderes waren als Antizipationen der Furcht vor dem Anblick der ‚last frontier’ des Lebens, meines Lebens?
Ich erinnere mich daran, mit welcher Liebe Rebecca den Eingang zu meinem Zimmer nach Art des Zugangs bzw. des Inneren eines ägyptischen Grabes ausgemalt hat. Ich erkenne jetzt, wie viel Zuneigung sie mir damit hat zeigen können. Sie hat das einzigartig ausgerückt unter all meinen Kindern und etwas erkannt, das ich sehr gehütet habe: Meine Kindheitslektüre von Braestedt’s Geschichte Ägyptens, die mir meine Mutter gab, nachdem sie sie von dem Bruder des Vaters meines Halbbruders Henry zurückgefordert hatte, im Anschluss an den enttäuschenden Ausgang ihrer Freundschaft. Es war zugleich das Grab ihrer Hoffnungen, als Witwe mit vier Kindern eine neue Ehe eingehen zu können, denn dieser Bruder heiratete eine andere Frau, und die Verbindung des Vaters meines Halbbruders mit meiner Mutter wurde von seiner Mutter vereitelt und meine Mutter weigerte sich angesichts der Unentschlossenheit bzw. der Unfähigkeit des Mamasöhnchens ihn entschlossen zu heiraten, denn er kam immer zu ihr und jammerte über die feindselige Einstellung seiner Mutter gegenüber der Verbindung und stellte die stereotype Frage: „Was soll ich’n mache?“
Ich bin nun das Grab der Erinnerung an all diese Tragödien, an all diese Toten. Und das Kind, das männliche Kind, das ich auf dem Arm trage, wer hat es mir mitgegeben, wer sind die, die nach ihm suchen und es bedrohen, wer ist dieses Kind und warum soll ich es durch dieses Tor tragen, und was soll ich dann dort damit, wenn ich angekommen bin? Und wo werde ich ankommen? Ist das einfach nur ein Bild des Todes? Was soll dann das Kind? Und wozu der ganze Kampf, die Heimlichkeit, der Weg. Genügt es nicht einfach stillzusitzen und zu warten?
Und was wäre denn angesichts dieser Aussichten die am Wege stehenden ‚Bedrohungen’ anderes als bloße Schreckgespenster in einer altmodischen Geisterbahn? Wie auch immer. Am Ende des Traumes blieb der Eindruck eines bewältigten Weges und einer bis dahin im Wesentlichen richtig gelösten Aufgabe, deren vor mir liegendem Teil ich entgegensah wie jemand, der endlich freies Gelände vor sich sieht, das dazu einlädt, durchschritten zu werden nach Art einer gelassen durchgeführten Wanderung. Ich war immer ein begeisterter Wanderer, und wenn es ein Bildungserlebnis gibt, das mich geprägt hat, dann war es das Wandern, und Wanderlieder unter Einschluss von Eichendorffs, Aus dem Leben eines Taugenichts, das das Leben zwischen Geburt, Partnerwahl und Tod einschließt als die Aufgabe eines unterwegs zu lösenden Rätsels.
Ich trauere immer noch sehr um den Verlust meiner Schwiegermutter im vergangenen August. Der Schmerz ist nicht mehr immer gegenwärtig, aber er ist unterschwellig und wenn er mich erreicht, indem er zum Bewusstsein durchdringt, dann ist er von überwältigender Präsenz. Wenn ich die anderen um mich herum beobachte, dann meine ich, dass ich der einzige bin, der sie geliebt hat. Alle anderen nehmen das so hin als wäre es zu vergessen wie eine Nachricht von gestern über ein Unglück, das einen nicht betrifft. Sie alle sind mir in demselben Maße fremd, wie sie mir angesichts dieses Unterschieds unverständlich erscheinen. Da scheint nichts als Gleichgültigkeit und Erleichterung. Sie sehen gar nicht, wie all das als einzigartiges Ereignis mit ihrer Person und ihrem Leben zusammenhängt und zu tun hat. Ich gebe gern zu, dass ihr Alltag sie dazu zwingen mag, all das zu verdrängen, damit sie funktionieren. Aber es ist grausam, ihnen das angetan zu sehen und sie es tragen sehen als wäre es nichts.
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Lektüre in den vergangenen Wochen bzw. Tagen:
Vor Ostern:
Robert Heim, Die Rationalität der Psychoanalyse, Basel/Ffm. 1993
Maurice Merlau Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung,
C. F. Graumann, Grundlagen einer Phänomenologie und Psychologie der Perspektivität, Berlin 1960
David Riesman, Die einsame Masse, Hamburg 1958
Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Ffm. 1990 (nicht beendet)
Seit Ostern:
Douglas R. Hofstadter, Gödel, Escher, Bach (erneut, nicht beendet), Stuttgart 1985
Edmund Leach, Mythos und Totemismus, Beiträge zur Kritik der strukturalen Analyse, Ffm. 1973
Paul Feyerabend, Wider den Methodenzwang, Ffm. 1977 (erneute Lektüre)
Edward Even Evans Pritchard, Hexerei, Orakel und Magie bei den Zandé, Ffm. 1978
Hans G. Krippenberg u.a. (Hg), Magie, Die sozialwissenschaftliche Kontroverse über das Verstehen fremden Denkens, Ffm. 1978 (bis S. 120)
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Einundfünfzigster Traum:

Montag, den 26. November 2007

Traum in der Nacht zum Totensonntag:

Ich bin auf eine Weise unterwegs, die in vielen meiner Träume in gewisser Weise üblich ist, irgendwie auf der Flucht, jedenfalls in Eile, an allem vorbei hastend, mit einer zu großen Menge von beschwerendem Gepäck belastet, das sich nicht von einer Person tragen lässt, so dass ich genau genommen nur die Wahl habe, auszusuchen, was ich zurücklassen muss, während mir die Entscheidung darüber unmöglich ist. An Bleiben ist dabei aber auch nicht zu denken, einmal abgesehen davon, was die sich dabei denken würden, bei denen man dann bleiben wollte. Die haben mit Sicherheit schon selbst etwas anderes vor, Pläne, in die ich nicht passe. Es ist nicht gerade Nacht, aber auch nicht Tag, eher eine diffuse, dichter werdende Dämmerung. Ich haste durch eine Stadtlandschaft, die im Zerfall begriffen ist, alles grau überstaubt, wie nach einem Vulkanausbruch oder nach schweren Bränden oder Explosionen. Nirgendwo brennt Licht.
Es ist kaum etwas zu unterscheiden in diesem diffusen Grau. Wir – ich weiß nicht, wer sonst mich begleitet, aber es muss sich dabei um ähnlich Problem verursachende Personen handeln wie ich das angesichts der Gepäckstücke schon beschrieben habe, also derart, dass sie meine freie Beweglichkeit zu behindern drohen, so dass mich Besitz und soziale Bindung sämtlich als Drohungen umgeben, um nicht zu sagen: entstellen (ich weiß nicht, wie dieses Wort hier hereinkommt, es ist ersichtlich nicht korrekt im Sinnzusammenhang, gleichwohl schrieb es sich gewissermaßen an meiner bewussten Absicht vorbei selbst auf . Was also, wenn Besitz und soziale Bindungen mich als Entstellungsdrohungen umgeben?) umstellen.
Der Niederschrift des Traumes bin ich gestern ausgewichen, obwohl er mich über den ganzen Tag begleitete, und erst als mir klar wurde, dass Totensonntag war, legte sich meine Verwunderung über den Traum etwas, aber ich beschäftigte mich bis zur nervösen Erschöpfung weiterhin mit ablenkenden Betätigungen, war aber sicher, dass ich den Traum aufschreiben würde.
Jetzt, während der Niederschrift überfallen mich drückende Kopfschmerzen, von denen ich inzwischen weiß, dass sich eine ungemein niederdrückende Traurigkeit, etwas bewusst schwerer als die Kopfschmerzen Erträgliches ankündigt bzw. verbirgt, in dem rein somatischen Gefühl, auf das ich gewöhnlich mit Schlafbedürfnis reagiert habe während langer Jahre, während nunmehr sofort wenn ich mir ‚die Decke über den Kopf ziehe’ Einfälle kommen, die diese Trauer enthalten. Sie ist die untergründig alles einfärbende Grundstimmung meines Lebens und ist längst übergegangen in eine Todessehnsucht, die wünscht, dass alles vorbei sei, kein Bewusstsein mehr, weil dies, der Tod, das Erloschensein, weniger schlimm erscheint als das Bewusstsein, die Überzeugung, in einer kulturellen Trümmerlandschaft von diffusem Grau am Übergang in die Nacht und in einer ständigen Fluchtbewegung zu leben.
Wir kommen an einem alten Laden vorbei, der an einer Ecke seinen Eingang hat, auch an der eines Hauses, dessen Ecke gebrochen ist, so dass sich dort eine Tür anbringen ließ, durch die man den Laden betritt. Es ist ein kleines Geschäft gewesen, vermutlich Lebensmittel oder dergleichen.
Das Haus meiner Großeltern hatte solch eine gebrochene Ecke und meine Mutter hat mir erzählt, dass dort ein Laden gewesen war bevor meine Großeltern das Haus erwarben. Ich habe als Kind in einem alten Zwischenboden gespielt, der etwa 70 cm hoch gewesen sein dürfte, und dessen Boden über der Kellerdecke noch das lackierte Parkett völlig unbeschädigt aufwies, das einmal den Boden des Ladens gebildet hatte. Man konnte diesen Zwischenboden, über dem eine neue Decke eingezogen worden sein muss, als meine Großeltern das Haus übernahmen, durch eine kleine, mit Fliegengitter versehene, locker aufgelegte Klappe in der Decke unseres Kellers nahe am Kellerfenster erreichen, die ich eines Tages entdeckte, und man konnte den daneben liegenden Keller durch eine ebensolche Klappe erreichen, in der die alte, nunmehr nicht mehr in Betrieb befindliche Zentralheizung des Hauses installiert war. Ich vertrieb mir über ein paar Monate die Zeit damit, mich in diesem Zwischenraum aufzuhalten, während ich im Keller mit einem alten, auf dem Rücken liegenden Küchenbüffet Raumschiffpilot spielte, entsprechend den damals in Umlauf kommenden Comics als ‚Fulgur’, der Raumfahrer.
Das war lange vor dem darin sich ankündigenden Raumfahrtprogramm, am Ende der fünfziger des zwanzigsten Jahrhunderts noch. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr wir alle längst von diesen sich ankündigenden politisch technologischen Großprogrammen getränkt wurden. Später überkam mich beim Anblick des Mondes, den ich durch ein Dachfenster am Dach unserer Küche beobachtete mit den Ankündigungen des Raumfahrtprogramms der USA und all der Musik des Kalten Krieges und der Konkurrenz, der Drohung der Vernichtung über meinem Kopf – wie ich meinte, dabei war es lange schon in mein Gehirn eingedrungen und hatte sich mit den frühkindlichen Erfahrungen der politischen ‚Befreiung’ unauflöslich illustriert, ohne dass mir das schon bewusst gewesen wäre, dazu war ich zu jung und urteilsunfähig und ungebildet – die Einsamkeit des ausgeschlossenen und zurückgelassenen und vernachlässigten Kindes erneut, angesichts der Einsicht, dass ich nicht zu den Auserwählten gehören würde, die die neuen Ziele ‚der Menschheit’ erreichen und als ihre Helden in die Geschichte eingehen würden.
So erlebte ich die Mondlandung eher wie in einem Traum, in den störende Meldungen eingestreut werden wie das Rasseln eines Weckers, das der Träumende umzuwandeln versucht in etwas, das es ihm erlaubt weiter zu träumen um nicht aufwachen zu müssen und sich dem Grau eines unerträglichen Anblicks, dem einer Trümmerlandschaft unter bleiernem Himmel stellen zu müssen und der Kälte eines Lebensalltags, die keine Rücksicht nimmt auf die Gefühle eines einsamen verlassenen Kindes, das nackt und frierend in den vereisten Trümmern seiner Herkunft, seiner Familie, seiner bürgerlichen Existenz und seiner unerträglichen, schon vergangenen Zukunft sitzt.
Ich betrete den Laden, hastig, verzweifelt, auf der Suche nach Etwas, von dem ich schon weiß´, dass ich es nicht mehr werde finden können. Ich trage einen alten, grauen Flanellmantel, der mir bis zu den Knöcheln reicht, bin wie ein Arbeitsloser der Nachkriegszeit im Deutschland der vierziger Jahre gekleidet, aber es ist Krieg, ich bin wohl bloß Zivilist, draußen steht vermutlich der Leiterwagen, auf dem sich meine zerlumpten und von Feuchtigkeit aufgeweichten und verquollenen Habseligkeiten befinden, alles Müll letztendlich, ohne Wert und Bedeutung außer den Erinnerungen, die daran kleben und vor deren Verlust ich mich mehr zu fürchten habe als vor dem der Gegenstände, an denen sie doch haften, so dass sie mit ihnen vergehen werden. Es ist der drohende vollständige Verlust meiner kulturellen und sozialen Identität, die mit hier vor Augen steht, als das vergeblich Aufgehaltene und Verhinderte, das doch unvermeidlich ist. Der Kamp dagegen ist längst verloren und ich weiß, dass nichts bleiben wird. Das verursacht ein Gefühl einer lähmenden Panik, ich möchte schreien und kann nicht, bleibe eingebunden in die hastigen, wie beschleunigten Routinen meines Verhaltensweisen.
In dem Laden ist alles verstaubt, die einst mit Waren versehenen Regale sind leer und mit einem diffusen Grau überzogen, das man besser nicht anrührt. Die von Draußen schwach erhellten Scheiben der großen Auslage, die ebenfalls gähnend leer ist, sind beschlagen, oder auch von feinem Staub gleichmäßig überzogen, so dass das hereinfallende restliche Licht stark streut und beinahe blendet. Durch eine Tür, die in einen hinter dem Laden im Haus liegenden Raum führt, kommt eine junge Frau, ebenfalls in offensichtlicher Eile in den Laden. Sie kennt mich offensichtlich und ich kenne sie auch, so dass es keine umständliche Vorstellung gibt.
Ich frage beherrscht und entsprechend einer blöden Routine danach, ob der Laden geschlossen sei, während ich das in Wirklichkeit längst weiß, und wenn ich es nicht wüsste, doch aus dem Zustand des Ladens ohne Weiteres schließen könnte. Die Frage ist so überflüssig wie die Antwort prompt ist, indem sie bestätigt, was ohnehin offensichtlich ist. Der Laden muss schon lange geschlossen sein, die alten Eigentümer sind längst nicht mehr da, und die junge Frau, die sie wohl gekannt hat und mit ihnen verwandt ist, steht jetzt selbst anstelle der vorherigen Inhaber, ohne deren Tätigkeit fortsetzen zu wollen oder zu können. Ohnehin wäre angesichts der Kriegsverhältnisse nichts da, was die Regale füllen könnte.
Die ungeheure Leere und der Verfall, die Verstaubung ängstigen mich maßlos, aber ich verberge mein Entsetzen hinter dem Frage Antwort Spiel, während mich die ebenso beherrscht erteilten prompten Antworten der jungen Frau meinerseits ebenso maßlos entsetzen wie der Anblick des Zustands des Ladens, der sozusagen alles auf einen Blick erkennbar macht, so dass sich alles Fragen erübrigt. Dennoch ist die Bestätigung, dass der Laden, der bisher noch immer entweder formell noch geöffnet oder wenigstens nur vorübergehend geschlossen gewesen ist, nunmehr endgültig und unwiderruflich für immer geschlossen ist, wie mir das die junge Frau Anfang zwanzig nüchtern erklärt, ein ungeheurer Schock für mich.
Die Mitteilung bestätigt offenbar meine schlimmsten Befürchtungen und ich meine vor Trauer in den Boden sinken zu sollen, aber nichts weiter geschieht. Die junge Frau ist auch ungeduldig, sie hat offensichtlich noch etwas vor, eine Verabredung anderwärts und ich fühle mich, auch wenn sie es mir nicht offen mitteilt, doch aus dem Laden hinausgedrängt, während ich gern – aber auch ungern, wegen meiner Angst, den unerträglichen Anblick nicht auszuhalten – noch wenigstens ein wenig bliebe um mich für immer von dem für immer geschlossenen alten, verstaubten Laden und seiner alten Bewohner verabschieden zu können, die ich vor langer Zeit zum letzten Mal gesehen haben muss, so dass ich mich nur noch undeutlich an sie erinnere. Aber es bleibt offensichtlich keine Zeit, keine Geduld, und letztlich bin auch ich auf meiner Flucht schon weitergetrieben und kann gar nicht bleiben.
Ich weiß das alles und habe deshalb niemandem etwas vorzuwerfen, letzten Endes beteilige ich mich ja durch das routinierte und an der Oberfläche bleibende Spiel von Frage und Antwort an der Verbergung auch meiner eigenen Trauer, die in einer Scheinselbstverständlichkeit verschwindet, die mir als eine unangemessene Verstellung erscheint, als eine Art von unzulässiger Verbergung, als Verweigerung der Mitteilung einer doch verständlichen und genau genommen dem Andenken geschuldeten menschlichen Reaktion auf den Verlust dessen, was mit der Existenz des Ladens verbunden gewesen war und auch für die junge Frau verbunden (gewesen) sein muss.
Aber es ist offensichtlich keine Zeit, und doch versuche ich offensichtlich, aber vergeblich sie anzuhalten indem ich aufwache, so dass wenigstens im Traum keine weitere Zeit vergeht. Aber auch das ist vergeblich, es ist mir zu spät eingefallen die Zeit des Traumes anzuhalten, so dass ich nunmehr eingefroren bin, mit allem, was darin an Inventar gegenwärtig ist, in einer endlosen und Furcht erregenden – Trauer, ohne Ausgang, wie es scheint. Denn ich kann mich nicht daran erinnern, den Laden jemals verlassen zu haben.
Der Traum ist die Versammlung aller Toten, an denen mich das Leben vorübergeführt hat, und er vermittelt mir wohl daher einen so überwältigenden Eindruck, weil er auf einmal alle Trauer ganz gegenwärtig macht, die ich mir mit einer oberflächlichen Simulation, einem Versuch der Selbstüberredung zur Unbetreffbarkeit und Unbetroffenheit ‚vom Leibe zu halten’ versucht habe. Jetzt kommen sie alle auf einmal und versammeln sich um mich, um sich mir in Erinnerung zu bringen, mit der Mahnung anzuerkennen, dass sie ein Teil von mir sind, der sich nicht von mir trennen lässt, in dem Stil, in dem eine ‚wissenschaftliche Psychologie’ das tut, um Menschen verfügbar zu machen und zu halten für die ihnen von der Macht, mit der sie im Bunde steht, auferlegten Verwertungszwecke, die in ihnen nichts sieht als Nutzvieh ohne ein anderes Gedächtnis und eine andere Identität als das und die, das und die ihnen von den über sie verfügenden Mächte verordnet sind.

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Hallo Sarah Himmelssternchen, Montag, 19. Mai 2008

Dein letzter Brief ist nun so gut abgelagert, dass es nun Zeit wird, ihn auch zu beantworten. Andererseits wollte ich auch nicht sofort schreiben, damit Du nicht vor lauter Briefe schreiben nicht mehr zu Deinen anderen Aufgaben und Wünschen kommst mit Deiner Zeit etwas zu machen. Außerdem hatte ich eigentlich erwartet, um Pfingsten herum etwas von euch zu hören und war einigermaßen niedergeschlagen und enttäuscht, dass sich niemand an mich erinnert hat, nicht einmal telefonisch. Ich versuche mit dann vorzustellen, dass ich schon ganz lange tot bin und dass ich dann natürlich auch keine Anrufe oder Briefe erwarten kann, denn Tote haben keine (bekannten) Telefonnummern und bei ihrer Adresse gibt es keinen Briefkasten. Das macht nun alles auch kaum noch etwas, denn diese Welt wird ohnehin bald zur Hölle fahren, die sie sich selbst bereitet. Wie schön, dass ich das vermutlich knapp verpassen werde. Insofern ist alles, was sich hier gerade abspielt einfach nur der Vorhof zur Hölle. Man merkt das an der Erderwärmung ;--).
Dennoch ist es schön zu hören, dass Ihr Euch im Großen und Ganzen wohl fühlt und dass Ihr zufrieden seid. Ich habe mich entschieden wieder einmal die Maschine zum Schreiben zu gebrauchen, einmal, damit ich es nicht verlerne. Denn ich habe in den letzten Monaten kaum mehr etwas aufgeschrieben, weil es nicht notwendig war und weil ich nicht mehr meine, der Menschheit, zumal dieser etwas Sinnvolles mitteilen zu können, oder gar zu wollen. Ich bin ja aus der Menschheit inzwischen auch schon des Längeren ausgetreten und bestenfalls mein Leib, oder platter, mein Körper (denn das ist nicht dasselbe) geht noch unter dem Ungeziefer umher und versucht gewöhnlich die Berührung mit der emotionalen Pest nach Kräften und Vorsicht zu vermeiden, die diese Tierart wie ein Kontaktgift (nach Art giftiger Quallen etwa) verbreitet. Aus dem nach Möglichkeit besten sicheren Abstand schweigenden Zusehens verfolge ich das heran kriechende Verhängnis der Katastrophe der Biomasse des Homo sapiens.
Du wirst noch verstehen, was ich damit meine. Vorerst wird das noch durch den weiter laufenden Betrieb verdeckt und übertönt, aber man hört schon das Bersten der Schollen des dünner werdenden Eises, auf dem diese Welt ihre Freudenfeuer angezündet hat um sich zu wärmen. Es ist eine Frage der Kenntnis und des angemessenen Verständnisses der thermodynamischen Gesetze, die hier notwendig ist, um den Vorgang zu verstehen. Du kannst ja mal Deinen Physiklehrer (oder, wenn das, wie gewöhnlich wieder einmal ausfällt aus organisatorischen Gründen) Deinen Mathelehrer, und Deine Erdkunde  oder Gemeinschaftskundelehrer kannst Du darauf testen, dass sie nichts wissen und keinen Zusammenhang sehen mit dem, was sie als ihren ‚Job’ oder seine korrekte Ausführung betrachten. Derart wirken Dummheit und die thermodynamischen Gesetze zur Herbeiführung der allgemeineren Entropie zusammen, von der die Dummheit (auf höchstem Kompetenzniveau, das ‚Eliten’ zu erreichen vermögen, bevor sie untergehen) ein ganz kleiner Teil ist, der, der auf das Konto der ‚Information’ geht.
Von den kleinen Tierchen, die gern nach Mallorca fahren und sich mit Fetzen von Versace und Calvin Klein schmücken müssen wir nicht reden. Das sind Spanferkel, die bei der zu erwartenden großen Grillparty einfach am Feuer geröstet werden, auch wenn den fertigen knusprigen Braten dann niemand mehr haben will. Noch freuen sie sich an ihrer Nützlichkeit für die Eliten, ihre guten Hirten. Und die schlagen sich die Bäuche voll solange es noch etwas zu feiern gibt. Man muss nicht mal mehr hoffen, dass sie gemeinsam zur Hölle fahren. Es genügt zu warten, wie auf ein Feuerwerk an einem goldenen Sommerabend, nach Sonnenuntergang.
Vielleicht ist Dir das etwas dunkel, aber so sind meine Witze eben, und es ist, was immer es sonst ist, ein vielleicht etwas grimmiger Scherz, der mir das Ganze etwas erträglicher macht, denn ich sehe das alles nicht gern, und kann zufrieden sein eigentlich nur damit, dass ich es überhaupt sehen kann, im Gegensatz zu der verbreiteten Verblendung, die in einem ungeheuer krassen Gegensatz steht zu den unverschämten Ansprüchen, die die ungeheure Dummheit und Frechheit überall stellt, die zu diesem fatalen Ausgang führen muss. Das betrifft natürlich auch die Schwätzer und berufsmäßigen Mahner, die alle eigentlich nur davon leben, dass sie dazu beitragen wie es gehen wird. Das ist dann auch der Grund, warum man besser nichts dazu beiträgt, darüber (natürlich immer die Anderen) aufzuklären, warum und wieso das so gehen wird. Es geht da überall nur um Vorrangsansprüche und Vorteilsergatterung. Dazu ist dann nichts mehr zu sagen. Manchmal meine ich, ich müsste eigentlich überhaupt nichts mehr tun, aber ich habe noch so viel Zeit und natürlich ist es richtig sie auf eine nutzbringende Art und Weise zu gestalten. Menschen leben ja nicht um nur so lange zu arbeiten, bis sie in die Freizeit gehen können.
Das ist eine Lebensauffassung von zugegeben oft weidlich geschundenen Sklaven, die sich für ihre Herren und Meister abmühen müssen, damit diese sie nicht verhungern lassen oder erschlagen. Menschen sind keine Menschen, wenn sie nicht ‚arbeiten’, also ihre Welt gestalten mit ihren Fähigkeiten, denn Tiere arbeiten nicht. Sie leben und finden einen Lebensraum in dem sie überleben können, oder nicht. Menschen gestalten ihren Lebensraum selbst und sind auch nur so lange Menschen, wie sie das mit Bewusstsein und Erfolg tun. Die Zeit, die man braucht um sich zu erholen, zu essen oder zu schlafen ist in dem Sinne keine ‚Freizeit’. Das wird einem nur so eingeredet, damit man sich daran gewöhnt, seine Zeit entweder zu verschleudern, indem man sich für Vorteile Anderer abmüht und den Rest der Zeit damit verbringt, sie damit zu verschleudern, dass man sich von dieser Mühe erholt, und das hat alles nichts damit zu tun, dass man als Mensch seine Welt gestaltet und auch sicher sein kann, dass es die eigene ist und nicht die von Anderen, die sich an einem rücksichtslos bereichern, ob das nun Lehrer oder Chefs sind. Aber das führt auch weit, weil die Begriffe alle verwirrend und gegen ihren verdreht sind, weil es viel leichter ist, den Leuten den Kopf zu verdrehen indem man sie eine falsche und verwirrende Sprache lehrt als wenn man sie dauernd bewachen und bedrohen muss.
Es freut mich zu hören, dass Du Deine Kaninchen liebst und dass Dir an ihrem Wohlergehen liegt und Du sie nicht vergisst. So können sie im ‚Brunnen’ abwechselnd Froschkönig spielen. Hoffentlich musst Du später nicht zu viele Frösche an die Wand werfen, um herauszufinden, welcher von ihnen sich dann in einen Königssohn verwandelt ;--). Wie auch immer, um die, die sich nicht verwandeln ist es nicht schade. Sie sollten eben nicht so tun, als seien sie verwunschene Königssöhne. Und irgendeinen Test muss es geben, obwohl man sich über schonendere Verfahren wird unterhalten können. In jedem Fall ist es gut, wenn man es vorher herausfindet. Das vor allem ist wichtig und dazu braucht man den Test, unbedingt. Du wirst das schon sehen. Aber da ist ja noch Zeit.
Das Wetter war im Großen und Ganzen wohl so, dass Du in der Zwischenzeit mit Sicherheit mehr als einmal in dem aufgestellten und mit Wasser gefüllten Becken hast schwimmen gehen können. Es ist so schön groß, dass es wirklich Spaß macht, das zu tun und ich erinnere mich gut. Ich hätte auch Lust mit Dir baden zu gehen. Na ja, vielleicht wird daraus ja noch etwas. Aber der Sommer kommt schon mit großen Schritten und es ist zu vermuten, dass er auch so gehen wird, und dann haben wir uns vielleicht gar nicht gesehen. Ich denke, dass ich das noch abwarten kann, und ich muss mich auch noch gedulden, bis die von mir betreute Promotion von Dirk angenommen und das Verfahren abgeschlossen ist, aber wenn sich dann nichts weiter tut werde ich mich vermutlich in Bewegung setzen und nach Möglichkeit – verschwinden. Ich habe wenig Lust herumzusitzen und auf ich weiß nicht was zu warten während sich der Himmel über der Zukunft des Homo sapiens verdüstert, und das wiederum niemanden interessiert. Wo keine Nachfrage ist, ist auch kein Bedarf.
Ist die Regelung mit der Schulzeit – von Montag bis Mittwoch – ein Dauerzustand oder hatte das nur mit schulintern vorübergehenden Notwendigkeiten zu tun? Vielleicht mit der Abiturvorbereitung des laufenden Abschlussjahrgangs? Klingt jedenfalls merkwürdig angesichts der verkürzten Schulzeiten. Sieht fast so aus, als wollten die in Zukunft die Schulbildung einsparen, ist auch konsequent angesichts dessen, was man hier mit der Bevölkerung (das bist Du) abzieht. Da ist es gut, wenn es nicht zu viele gibt, die in das Spiel einen klaren oder gar informierten und klugen Kopf einbringen, der nicht nur nach der Pfeife seiner Herren (und Herrinnen) zu tanzen gesonnen ist.
Und das erspart wiederum diesen Herren und Damen ihrerseits die über ihre Möglichkeiten hinausreichende eigenen Anstrengung ihrer eigenen Köpfe: Je dümmer die Beherrschten sind, desto mehr Dummheit dürfen sich auch die Herren leisten, und das erspart dann schließlich allen Beteiligten recht viel sonst ganz unnütze Mühe, und die Zeit kann mit etwas Besserem verbracht werden, also z. B. damit, dass man die Beherrschten arbeiten lässt (oder auch nicht, denn darauf gibt es keinen Rechtsanspruch. Das war früher anders. Da gehörte zum Untertan, dass er gefälligst sich zu schaffen zu machen hatte. Heute kann es billiger sein, wenn man das nicht zulässt, es sei denn, damit sie den Kopf nicht zu hoch tragen und gefälligst die Hörner über der Grasnarbe gesenkt halten.) oder seine Zeit auf seiner Yacht verbringt oder mit Plänen wie man noch mehr aus ihnen herausholt, und das kann man auch auf seiner Yacht tun oder an ähnlichen herausragenden Plätzen, Hauptsache sie ragen heraus.
Was das Wiedersehen betrifft, so bist Du vermutlich die Einzige, die sich das wünscht, und auch da bin ich nicht so sicher, denn schließlich höre ich nichts von Euch und bin meinerseits nicht gesonnen mich irgendwem aufzudrängen. Meistens beschleicht mich ohnehin, kaum bin ich einmal da (in Werlte) das merkwürdige Gefühl, dass sich alle Personen in meiner Umgebung stillschweigend schon wieder damit befassen wann ich wohl abreise. Das ist sehr unangenehm und auf die Dauer kein attraktives Angebot. Ich bin dazu auf die Dauer doch wohl zu selbstbewusst und zu selbstgenügsam, Du kannst auch sagen: selbstzufrieden, denn wenn es mir auf etwas ankommt, dann darauf, zu wissen, dass der Ort an dem ich mich befinde nichts Derartiges für mich bereithält, das geeignet ist mir beizubringen, dass ich stinke oder eine ansteckende Krankheit habe, die es geraten erscheinen lässt, mich anderswohin zu wünschen oder zu phantasieren.
Ich sehe mir das noch eine Weile mit an, aber mitzuwirken daran habe ich auf die Dauer nicht vor. Deshalb bin ich ja auf diese Distanz gegangen, um zu sehen! Die Gewohnheit die diese emotionale Totenstarre verbreitet, ist ein sehr gefährliches Gift, und die damit verbundene Gefühlsträgheit (oder Herzensträgheit) hat dieser Familie, zu der ich nie gehört habe und die das als ihre innere Erbschaft mitgegeben ist ohne dass sie sie als hochpathologische Verfassung überhaupt zu bemerken imstande ist, hat dieses Land und diese Kultur als Ganze letzten Endes vernichtet und alle diese elenden Verödungsvorgänge verursacht, deren Zeuge ich geworden bin bei den alternden Mitgliedern dieser Familie. Und das ist soweit diese Familie betroffen ist, noch nicht zu Ende.
Es steht vielmehr Weiteres dieser Art bevor und es graust mir davon, auch nur in einen weiteren Fall dieser Art verwickelt zu werden, und die Hilflosigkeit zu erleben das mit ansehen zu müssen ohne etwas anderes tun zu können, als mich von den von der familieninternen Interaktion ausgehenden pathogenen Kommunikationen in einen Zustand versetzt zu sehen, der am Ende sogar verhindert, dass ich mich selbst noch erkenne oder mein eigenen ‚natürliches gefühlsmäßiges Gleichgewicht. Es ist merkwürdig welchen infektiösen Terror diese Struktur auszuüben imstande ist ohne dass man sie zu fassen bekäme, geschweige dann dass sie zu Bewusstsein zu bringen wäre. Ich kann das auch nur auf die angemessene Distanz überhaupt auch nur annähernd denken. Es ist derart bedrohlich, weil es sich über die Seele legt wie ein Leichentuch, das mich zu ersticken droht.
Das Generationenverhältnis ist das reine Grauen, aber das war in meiner eigenen Familie nicht anders. Es hängt zusammen mit den ‚Modernisierungen’, die jetzt gerade anderswo – z. B. in Afrika und Asien und dem Nahen Osten, den arabischen Ländern ganze Kulturen mitmachen, die unter dem bestialischen Terror dieser Zerstörung für Profite zertreten werden. Wir leben schon seit einigen Generationen nicht nur mit den Folgen dieser ungeheuerlichen Zerstörung, die uns immer noch als ‚Fortschritt’ oder wenigstens als ‚Entwicklung’ oder ‚Modernisierung’ oder ‚Reform’ eingeredet wird, sondern wir sind sozusagen alle die lebendigen Folgen dieser Zerstörung, und versuchen meist vergeblich, in dem Chaos der sich überschlagenden Selbstzerstörung einen Stand zu finden, von dem aus sich mehr ausmachen lässt als halt irgendetwas, wie es eben dieser so und jener dann wieder anders wahrzunehmen meint, dann ‚wahr’ ist daran ja auch nichts mehr und das bringt dann Leute zu der einvernehmlichen Auffassung, es gäbe auch gar nichts, das ‚wahr’ wäre, in dem Sinne, dass man nicht auch gerade der entgegen gesetzten ‚Ansicht’ sein könnte.
dass diese vermeintliche Freiheit mit dem absoluten Terror identisch ist, bemerkt dann schon keiner mehr, auch wenn es alle zur Verzweiflung treibt, weil sich derart Sinnvolles dann ja gar nicht mehr sagen lässt, und wie perfekt das die Leute aufeinander hetzt, so dass sie sich für nicht mehr verabreden können, das geht dem derart ‚befreiten Bewusstsein’, oder was sich dafür hält, dann nicht mehr auf, kann es ja auch nicht. Das ist es, was die Fähigkeit erzwingt, so zu leben, als seien schon längst alle Menschen tot und nichts übrig als eine diffuse Masse von sich aneinander reibenden orientierungslosen und eigentlich recht jämmerlichen schweineartigen Tieren, die grunzend und schmatzend durcheinander rennen und sich dabei unablässig gegenseitig treten und stoßen und aneinander reiben, ein ungemein widerlicher Anblick, für einen Menschen, der an diesen Wesen zunächst ihre menschliche Gestalt bemerkt und meinte, unter Seinesgleichen zu sein, bis er den Irrtum erkennt und die Täuschung bemerkt zu der ihn die menschliche Gestalt der Allesfresser verleitet hatte.
Du kannst mir glauben, dass das keine bloßen Metaphern sind. Alles ist im elendesten Sinne bloß affen- und schweineartig, und das ist entsetzlich als eine ungeheure Verfehlung, ein unfassbarer Wahnsinn an Selbstunterbietung mit den Mitteln, die einmal dazu geeignet schienen und dies auch sind, die Menschwerdung letztlich aller zu ermöglichen, wenn auch nicht automatisch zu garantieren. Und es macht einfach keinen Sinn, das diesen Wesen mitzuteilen. Sie würden es auffassen wie alles was sie selbst sonst tun und wahrnehmen: Grunzen und Schmatzen. Was immer das sonst bedeutet, es macht mich grenzenlos einsam und ich kann Dir nicht sagen wie sehr ich mich sehne mich nach einem Wesen, das mir gleicht.
Ich habe mein Leben lang danach gesucht und bin am Ende ungemein zornig geworden darüber, dass ich es nicht fand und mich mehrmals grausam getäuscht fand, während mir nichts als vollständiges Unverständnis entgegenschlug, zu Recht, denn wie sollten diese Wesen wissen oder auch nur verstehen können, wonach ich suchte, entzieht sich doch das Verständnis und das Wissen ihrem eigenen als natürlich erlebten Lebenshorizont. Man kann sich bei einem Affen nicht darüber beschweren, dass er nicht sprechen kann. Das wäre letztlich auch unfair dem Affen gegenüber. Und leider verläuft die wirkliche Grenze – obwohl man das nicht mehr aussprechen darf, denn da sind sie denn doch sehr empfindlich, weil sie an etwas erinnert, das sie alle zusammen vergessen wollen und deshalb sehr terroristisch zensieren und zu sagen verbieten, geschweige denn anzuerkennen bereit wären – zwischen dem Tier und dem Menschen innerhalb der Tiergattung Homo sapiens, also derart, dass es durchaus niedere Tiere unterhalb der wirklichen Gattung ‚Mensch’ gibt, die wenigstens rudimentär sprechen, und auch lesen und schreiben können, und die machen die Biomasse des Homo sapiens aus. Das hat mit der Schule und den Machtapparaten nichts zu tun.
Sie sind eigentlich da überall erfolgreich eingedrungen und haben sich festsetzen können, weil die Apparate sie nützlich finden. Es ist eine komplizierte Sache und alles ist darauf angelegt Dich darüber zu täuschen, wer ein wirklicher Mensch ist und wer einfach nur leidlich gelernt hat so zu tun als sei er einer, oder wer es sich einfach anmaßen kann, indem er anderen befiehlt, ihn/sie gefälligst als ‚Menschen’ zu betrachten, zu erkennen und anzuerkennen, und wenn man genug Angst hat, funktioniert das auch. Du musst unbedingt lernen Dich nicht davor zu fürchten zu erkennen wie es wirklich ist und das die meisten ‚Menschen’ bloß so aussehen und so tun als seien sie welche, während sie in Wahrheit primitive Tiere (geblieben) sind, die sich als Menschen verstellen, weil das Vorteile hat, während sie es wiederum für vorteilhaft halten, in Wirklichkeit Tiere geblieben zu sein, primitive Wesen, die nur ihren augenblicklichen An Trieben folgen, eben dem, was sie gerade als das passende Futter vor der Nase haben oder phantasieren, wo dann alles recht ist, Hauptsache es passt zu ihrer unersättlichen und blinden und unbelehrbaren Gier, auf die alles zusammenschrumpft, und es sind gerade die ‚Aufgestiegenen’, die hier stets für den Rest der unübersehbar gewordenen Herde auch noch als Vorbild dienen können, indem sie die längst geräumte Stelle des ‚Menschen’ als eines Kulturwesens, das der wirkliche König oder die wirkliche Königin dieser Tiere ist, ob der Thron nun leer ist oder nicht und ob Indiana Jones ihn nun erfolgreich klaut oder nicht, besetzen mit ihren Dummheit, ihrer Dreistigkeit und ihrer gefährlichen Brutalität, die sich auf ihren ‚Erfolg’ beruft und auf ihre – Bewaffnung!, also: Ihre Krallen und Zähne!
Gut, kann man sagen, sehr beeindruckend, aber das ist nicht der Mensch, auf keinen Fall, sondern eine kannibalische Bestie, gegen die die Herrschaft der Löwen in der Savanne Kinderfunk ist, und die der Saurier ein Ammenmärchen oder eine Gute Nacht Geschichte. Wenn diese Bestie vom Frieden redet, redet sie vom Schlachthaus, aus dem sie ihre Filets bezieht. Und die besten stammen vom Fleisch der eigenen Art. Das ist das Hauptnahrungsmittel der Bestie.
Ich bin mir dessen bewusst, dass Annegret wie immer der Meinung sein mag, dass es besser ist, wenn ihr das alles nicht nur nicht wisst, sondern sogar geflissentlich anders belehrt werdet und genau das dann brav lernt, was euch die Agenturen dieser Bestialität einreden, damit besser und problemloser exekutiert werden kann, was man ohnehin mit euch, aber eben nicht nur mit Euch machen will, und dass sie nicht einsehen will, dass dies nicht nur nicht zu ‚lernen’, sondern mehr noch, als eine vorsätzliche und hinterhältige Täuschung zu erkennen, auch dann, wenn sie euch von Ahnungslosen beigebogen wird, die ihrerseits ihren Kopf schon sehr früh abgegeben haben gegen das Versprechen einer Vorzugsbehandlung auf Eure Kosten, die dann oft genug ebenso wenig eingehalten wie sie flächendeckend versprochen wird, so dass die, die sich dazu bereit fanden ihren Kopf als Gefäß benutzen zu lassen für den Pudding, mit dem sie Euch beschmieren, oft genug ebenfalls da sitzen (als ‚nicht eingestellte Lehramtsanwärter’ usw.) als Betrogene, aber doppelt Betrogene, insofern sie nun auch diesen Pudding im Kopf haben der ihnen nun als nicht mehr zu entfernender Teil ihres ‚eigenen’ Bewusstseins’ entgegentritt und sie für immer gefangen hält, ohne dass die bemerken, dass die undurchdringlichen Wände ihres Kerkers und die Ketten, die sie schleppen, aus nichts bestehen als aus WORTEN. Den Nachteil muss der/die, der/die das so nie abgenommen hat, wenigstens nicht hinnehmen. Wohl aber die Einsicht, dass die, die nichts gelernt haben als sich in der Höhle mit der Erklärung der Schatten zu begnügen, deren Ursprünge aus hinter ihrem Rücken und zwischen ihnen und einem Feuer vorbei getragenen Gegenstände sie nicht auszumachen vermögen, während sie die Stimmen der Träger für die der Schatten halten, sich von dem, der den Zusammenhang kennt, nicht sagen lassen werden, dass sie sich mit Blödsinn beschäftigen und sich davon zu ihrem Schaden fesseln lassen, so dass sie nicht mehr imstande sind, sich umzuwenden nach den Ursachen dessen, was sie gerade vor Augen zu haben meinen als ‚ihre’ eigene Wahrnehmung.
Und es ist nicht die eigene unerklärliche Bosheit, die sie einsam machen mag, sondern der Umstand, dass sie sicher wissen, was diese ‚Wahrnehmung’ verursacht, also, dass die weder ‚wahr’ ist noch einfach so ‚genommen’ werden darf wie sie erscheint. Ich bin der Meinung, dass der Versuch, diese Einsicht zu vermeiden, zu verleugnen oder rückgängig zu machen oder sie zu verweigern nicht nur mit einer Verfehlung der eigenen Bestimmung als Mensch gleichzusetzen ist, sondern mit etwas, was man entsprechend einer Beobachtung an domestizierten Tieren die ‚Flucht in den brennenden Stall’ nennt, weil man beobachtet hat, dass z. B. Pferde, die der Bauer mit Mühe aus dem Stall gerettet hat, angesichts der allgemeinen Panik, in die sie durch die Umstände geraten (können), oft gerade das tun, was am wenigsten angemessen ist, ihnen aber am sichersten erscheint, indem sie in den Stall zurückflüchten, aus dem man sie vor dessen Brand gerade hatte retten wollen. Es ist unter Umständen also nutzlos, das zu versuchen. Angeblich steckt ja der Strauss den Kopf in den Sand bei Gefahr, aber das ist sicher ein Irrtum des Beobachters, denn sicher ist, dass Gefahr nur da droht, wo der starke Laufvogel sein Gelege bedroht sieht, sonst würde er einfach anderswohin laufen, und so ist das vermutlich in Wahrheit eine Bewegung, mit der der Vogel sein Gelege bewacht angesichts einer Gefahr, die zugleich mitteilt: Komm’ mir nicht zu nah, denn hier habe ich etwas zu verteidigen. Mein Vorteil ist, dass ich nichts verteidigen muss, denn es kann von möglichen Angreifern gar nicht gesehen, wahrgenommen werden.
Unter primitiven Tieren, deren Aussehen man annehmen kann oder hat, woher auch immer, fällt man als ‚Mensch’ gar nicht auf. Man ist unsichtbar und als Mensch auch unberührbar. Das einzige, das man beachten muss, ist dass man dazu neigen könnte, sich in einem der Tiere zu täuschen und es fälschlich für einen Menschen zu halten und es ihm dann übel zu nehmen, dass es bloß ein Tier ist, und ihm das dann vorzuwerfen, so als habe es selbst versucht einen darüber zu täuschen, dass es kein Mensch ist, von dem man Antworten erwarten kann, weil er der Sprache tatsächlich mächtig ist, und das alles nur, weil man es sich so sehr wünscht, dass es so sein soll. Wenn es nicht so ist, hat man in jedem Fall sich selbst getäuscht und es ist wohl schmerzlich das sich eingestehen zu müssen, und es ist verständlich, dass man seinem eigenen sehnlichsten Wunsch zum Opfer gefallen ist, also auch verzeihlich, aber die Folgen, die das alles hat sind doch faktisch, also eben doch Folgen eines nicht als solchen erkannten Wunsches, der als Wirklichkeit erscheinen ließ, was bloß einem in das Wachbewusstsein unerkannt vom Bewusstsein selbst eingemischten Wunschbild, einem Traum eben, entsprungen ist.
Und leider wird die Wirklichkeit deshalb nicht mehr als sie eben jeweils ist, und das kann lange auf eine merkwürdige Weise irritierend sein, so sehr, dass man daran verzweifelt, wenn man nicht endlich an der Verzweiflung sich entlang tastend darüber Klarheit zu gewinnen vermag, wie sich Wunsch und Wirklichkeit voneinander angesichts der verwirrend mit beidem Vermischten trennen lassen können. Worauf man stößt ist also etwas, das man sich selbst schuldet, und darüber hinaus muss man unter Umständen erkennen, dass man infolge der Eigenart dieser Verwirrung, dieser Vermischung, auch Andere auf eine unvorhergesehene Weise in Mitleidenschaft gezogen hat, die das nicht verdient haben, denn sie sind ja nur, was und wie sie sind, und das ist kein Verschulden, sondern ein Sein, so wie man selbst auch einfach zunächst einfach ist, und nicht deshalb, weil man ist, auch schon an etwas schuld ist.
Und eben das muss man also auch anderen lassen, dass sie zunächst einfach sind, und dass es Sache von einem selbst ist, zu sehen, was sie sind und wie sie sind, und wie das zu dem passen könnte, was man selbst ist, und nicht, was man von sich meint oder was man sich von anderen verspricht. Denn auch sich selbst kann man verborgen sein aufgrund eines Wunsches, der sich in die Wahrnehmung mischt als sei er selber eine und ihr daher eine Färbung gibt, die dem Wahrgenommenen nicht gleichkommt. Unglücklicher Weise braucht das alles einerseits Zeit, andererseits braucht man, um alles dies richtig zu machen die Anderen schon, die dabei auch falsch wahrgenommen werden können, so dass sich die ganze Verwicklung schon längst ereignet hat bevor man darauf kommt, dass sie als Möglichkeit existiert, so dass man nun erst angesichts der anhaltenden Irritation darauf kommt, dass hier etwas zu korrigieren und auseinander zu halten ist, das man besser nicht miteinander vermischt.
Außerdem gibt es keine Garantie dafür, dass man damit jemals in dem Sinne zu Ende kommt, dass man irgendwann endgültig weiß, wie die wirkliche Differenz aussieht, so dass man dann beruhigt auf die eine Seite den nun als solchen erkannten Wunsch und auf die andere die ‚Wirklichkeit’ (der anderen Person) einordnen könnte um sich dann zu setzen und das Werk zu betrachten. In jeder Kommunikation taucht das Problem als Möglichkeit erneut auf. Das macht die Sache in gewisser Weise aussichtslos und man muss, wenn man das erst einmal erkannt hat, erst lernen sich bei etwas beruhigen zu können, dass ebenso wenig endgültig gelöst ist wie es überhaupt erledigt werden könnte. Fatal ist, wenn der unerkannte, in die Wahrnehmung verflochtene Wunsch eine viel elementarere Drohung, die Imagination einer Gefährdung überlagert, auf die er die Reaktion ist. Dann ist eine mehr oder weniger starke und unter Umständen unkontrollierbare Oszillation zwischen dem unerklärlichen Einbruch eines Eindrucks der Gefährdung, die unvermittelt die Wahrnehmung besetzt, und der Restabilisierung der Wahrnehmung durch die erneute Besetzung mit dem reaktiven Wunschbild zu erwarten, das sich in Wahrnehmung seiner Funktion wiederherstellt, um das Gleichgewicht der Person zu halten.
Dienstag, 20. Mai 2008
(Das habe ich an jemanden geschrieben, den ich nicht kenne. An Sarah ist das nicht zu senden. Ich hatte sie aber bei diesen Gedanken und Träumen vor Augen. Es ist aber gut geeignet, meinen augenblicklichen Seelenzuzstand zu beleuchten. Ich bin weit entfernt davon, auf irgendeine Weise glücklich zu sein. Wie schade. Ich wünschte, ich müsste nicht eine solche überwältigende Enttäuschung erleben angesichts einer Entwicklung, an der ich nichts finden kann, das mir auch nur bekannt vorkommt, geschweige denn, dass es mir gefällt.)

Zweiundfünfzigster Traum:

Traum am Morgen des Dienstag, 22. Juli 2008

(Zugrunde liegt die erneute Lektüre der Studie von Eisler über Goethe. Davor Lidz, das menschliche Leben, Spitz, Vom Säugling zum Kleinkind, Erikson, Kindheit und Gesellschaft, Mahler, Symbiose und Individuation, davor: Granet, Die chinesische Kultur, Das chinesische Denken, zuvor diverse kulturanthropologische Studien. Aktuell ist aber der Kontext durch die Lektüre der Studie von Eisler, bes. der Abschnitt über das Verhältnis von Goethe und seiner Schwester Cornelia, sowie der Mutter und Frau v. Stein)
Ich lebe in einer Universitätsstadt, in die ich zu einem Studium gekommen bin. Meine Stimmung ist erwartungsvoll und optimistisch. Ich sehe dem, was auf mich zukommen wird, voller freudiger Erwartung entgegen, und mit dem Eindruck, dass ich große und bedeutsame Entdeckungen machen werde. Das relativ kleine Studienzimmer, das ich mir gemietet habe, ist gerade richtig, es umhüllt mich wie eine Art von Kleidungsstück, das mich warm halten wird. Ich habe mir ein Konto eingerichtet, und erwarte Geldüberweisungen von einer Stelle, die sich darum kümmern wird, meine Studienkosten zu unterstützen. In meinem Studienzimmer bin ich von Büchern umgeben, deren Inhalt kennenzulernen ich mit gespannter und freudiger Erwartung entgegensehe.
Ich bin aber nicht allein in meinem Zimmer, sondern habe eine Mitbewohnerin, ein Mädchen, viel jünger als ich, und zu der mich eine unwiderstehliche Zuneigung hinzieht. Mit einer gewissen Beunruhigung entdecke ich, während ich sie, die sich unter einer Decke verborgen hat, die sie trägt wie die Gespenster in Spukgeschichten ein mit zwei Augenlöchern versehenes Bettlaken übergeworfen haben, dass die Anziehung sich in ein sexuelles Begehren verwandelt. Es verwundert mich nicht, denn ich halte es für das was man erwarten muss, bin aber dennoch etwas beunruhigt.
Es hindert mich aber nicht, das Mädchen an mich zu ziehen während ich auf dem Rücken in einem Hochbett liege, das für Jungen gedacht ist, oder jedenfalls ebenfalls für Kinder. Also bin auch ich eher ein Junge, aber es passt nicht zusammen mit dem Alter, in dem man gewöhnlich ein Studium beginnt, aber noch weniger mit dem Alter, in dem ich mich ebenfalls zu sein fühle, das meinem jetzigen wirklichen physiologischen bzw. meinem aus meinem Geburtsdatum folgenden Alter entspricht. Ich bin also zugleich ein Mann in meinem jetzigen Alter, Student am Beginn meines Studiums, und ein Junge etwa am Beginn der Pubertät. Das Mädchen ist ein Mädchen, bestenfalls am Beginn der Pubertät. Es kommt nicht eigentlich zu einem Geschlechtsakt, aber unsere äußeren Genitalien berühren sich doch schon direkt, Haut an Haut, und ich spüre den sich verstärkenden und sich verselbständigenden Wunsch nach der geschlechtlichen Vereinigung, der von mir längst Besitz ergriffen hat. Zugleich erfüllt mich eine eingehende Nachricht, die mir gereicht wird, mit Freude.
Ich kann nämlich feststellen aus einem merkwürdigen grünen Heftdeckel, der mit handschriftlich hingekritzelten Zahlen und Rechnungen nach Art einer Kontoabrechnung bedeckt ist, nachdem ich eine Weile verständnislos die zunächst unübersichtlich wirkenden Schriftzeichen betrachtet habe, da? ich mehr als neuntausend (Mark/Euro, das ist nicht entscheidbar) plus auf dem Konto verfügbar habe, von denen ich zugleich weiß, dass ich sie zunächst kaum antasten muss, weil ich genügend Mittel zur wenn auch knappen Bestreitung meiner Kosten zur Verfügung habe. Das erfreut mich und gibt mir ein Gefühl der Ruhe und der Sicherheit, das sich merkwürdig mit der aufkommenden sexuellen Lust mischt. Ich wache an dieser Stelle auf. Sofort wird mir der inzestuöse Inhalt des sexuellen Traums bewusst, und ich erkenne in dem Mädchen nicht nur meine jüngere Schwester Barbara, sondern auch noch andere Personen, darunter 'kaum verhüllt', und zwar eben durch die 'Hülle', meine jüngste Tochter Sarah, mit der ich ein Gespensterspiel spiele, bei dem sie das Gespenst ist, von dem wir beide 'nicht wissen', vorerst, ob es männlich oder weiblich ist.
Das hat wiederum mit meinem älteren Bruder zu tun, der im Alter von fünf Jahren starb, also als ich drei Jahre alt war, zwei Jahre nach der Geburt meiner um 14 Monate jüngeren (jüngeren) Schwester Barbara. Das Mädchen repräsentiert also wenigstens alle meine vier Töchter, von denen mich die Älteste, Rebecca, derzeit am meisten beschäftigt, weil unsere einmal sehr herzliche Verbindung vorerst oder für immer abgerissen ist, vordergründig wegen ihrer 'Unversöhnlichkeit'.
Aber die Ursache der wechselseitigen Distanzierung ist doch eher die unterschwellige erotische Bedeutung aller Zuneigung, die Vater und Tochter unbewusst verbindet, wobei hier eben der Umstand, dass es bewusst zu werden drohte oder gar bewusst wurde, der tatsächliche Grund für das Zurückprallen ist. Aber darüber hinaus repräsentiert 'das Mädchen' nicht nur auch meine eigene Mutter, zu der ich auch keinen Kontakt unterhalten kann, aus vermutlich identischen Gründen, und das ist ebenfalls wechselweise, wie immer das nun 'organisiert' ist oder bewusst konfiguriert, sondern mein bisher unbewusst, oder nur gelegentlich einmal in blitzartig auftauchenden Grenzlagen wirklich auch bewusst gewesenes Verhältnis zu dem weiblichen Objekt meiner Liebe.
Das Besondere an dem Traum ist die Verschmelzung der verschiedenen Altersstufen, die hinter mir liegen mit den verschiedenen Altersstufen des Liebesobjekts, wobei mir das derzeitige tatsächliche Altersverhältnis (zwischen Sarah und mir) zusammen dem im Traum unzweideutig manifest werdenden sexuellen Charakter meiner Zuneigung (und überhaupt der Zuneigung zwischen Vater und Tochter) vorgeführt wird, sowie mit dem Motiv Reichtum und Sicherheit zur Einheit eines Lustgefühls verschmolzen erscheint, das kaum durch Bedenken (das Inzestverbot) behindert erlebt werden kann, auch angesichts des sich abzeichnenden Vollzuges des Inzests, während der Traum faktisch dann doch meinen Schlaf nicht länger zu hüten vermag angesichts des sich in beinahe aller Unschuld anbahnenden Vollzugs des inzestuösen Begehrens. dass der Traum dann mit dem Erwachen abbricht ist eben doch auch eine Beachtung des Inzestverbots.
Der Vollzug wird nicht zugelassen, wohl aber die Bewusstwerdung des Wunsches, der als Grundlage jeder Liebe bzw. Zuneigung kenntlich wird. Hier erfüllt der Traum den Wunsch, nämlich den nach schuldloser Duldung des Bewusstseins, der Zulassung der Grundlage der Liebe unter Menschen. Verdeckt wird die Liebe zum primären Liebesobjekt, der Mutter, an deren Stelle die jüngste Tochter tritt, deren Pubertät gerade beginnt. Ebenfalls verdeckt wird der gestorbene ältere Bruder, der ja auch ein Rivale mit älteren Ansprüchen auf die Liebe der Mutter ist, und der Todeswunsch gegen ihn, sowie die Schuld angesichts der eingetretenen Tatsache, die dem Wunsch zum Erfolg verhalf, und damit die Vereinigung mit dem Liebesobjekt ermöglicht. Besonders merkwürdig, ist dass es die 'Hülle' ist, unter der das als jüngste Tochter dann figurierende Liebesobjekt hervorkommt (Hier ist mit Sicherheit ein unbewusstes Motiv der Pädophilie zu erkennen, die gewissermaßen den Traum in den Wachzustand fortsetzt und das vorgeschobene Objekt der Liebe, so wie sie es im Traum erfährt, in der Wirklichkeit zu ERKENNEN meint, und von ihm alles erwartet, was der Traum bloß verspricht. Man muss hier anknüpfen um die Motive der Triebtäter zu würdigen, die vermutlich nicht, zumal angesichts des nach der Befriedigung des agierten vermeintlichen Wunsches nach diesem Triebobjekt freiwerdenden mörderischen Umschlagens der nun nach vorn tretenden Schuld und dem Wunsch nach Verleugnung und Ungeschehenmachen des ausgeführten Wunsches, richtig verstanden werden, nicht zuletzt angesichts der nicht aufhebbaren Verdrängungen der darüber Urteilenden, wobei erschwerend hinzutritt, dass Verstehen oft und gern mit Verständnis, also einer Bereitschaft zur Entschuldigung der Täter verwechselt wird, was eine Aufregung erzeugt, die hinderlich ist, und ihrerseits Symptom der Stärke des Verbots.
Denn stets haben alle Beteiligten wohl doch auch das Gefühl des Skandals, der in der Überschreitung der intergenerationellen Schranke besteht, die geradezu dazu nötigt, den inzestuösen Charakter der Überschreitung wenigstens zu ahnen. Der Eindruck ist einfach zu offensichtlich, ein Umstand, der verstärkt wird durch die Tatsache, dass es oft tatsächlich mehr oder weniger Familienangehörige oder mehr oder weniger engere Nachbarn sind, die den Kreis der Täter ausmachen. Aber das ist die forensische Seite, die sozusagen 'nutzbringende Erkenntnis' an dieser Sache für die Allgemeinheit, die mich nichts angehen muss.
Dafür müssen andere sorgen, die die Welt beglücken wollen und dafür Ämter und Anerkennung erwarten.), eine Hülle, unter der sie spielerisch (auch) ihre (Geschlechts-) Identität verbirgt, die dann auf das Gespenst des 'ermordeten' Bruders verweist, und damit auf das Gegenbild der Lust und des Geschlechts des Triebobjekts, also auch auf den (ebenfalls toten, also auch ermordeten) Vater verweist, der starb als ich fünf Jahre alt war, und den ich damit also ebenfalls erfolgreich bei der Mutter als Rivalen aus dem Weg räumen konnte. Das sind dann die besten Voraussetzungen für einen problemlosen sozialen Aufstieg und eine erfolgreiche Bewältigung aller sozialwissenschaftlichen Probleme. Ich darf wohl sagen, dass angesichts der gelingenden Aufklärung dieser Zusammenhänge beinahe alles, was ich bisher gelesen habe in dieser Sache, notwendig unverständlich oder nichtssagend bleiben musste, weil es den Kern des Problems nicht traf, der als Allgemeines in dieser Fallbeschreibung deutlich wird. Was soll eine Theorie der kommunikativen Kompetenz, die zuvor dafür sorgt, dass die Hauptprobleme, von denen sie ausgehen müsste, aus dem von ihr behaupteten Wissenschaftsbegriff ausgeklammert werden, wobei von der Ablehnung der 'Geistes  und Sozialwissenschaften an 'naturwissenschaftliche Paradigmen' nicht einmal gesprochen ist. Wenn man das basale Problem aller mit dem Menschen bzw. dem Homo sapiens befassten Wissenschaft, das sich in der wirklichen, wissenschaftlich verfügbaren Konstitution des Erkenntnissubjekts einfach als 'bloß klinisch' und in diesem Sinne subkompetent, als bloßes 'Patientenproblem' ausklammert, dann hat man, wenn man mit Erkenntnis und Interesse auf dem Niveau eines fertig und gerüstet aus dem Kopf des Zeus (des Meisterdenkers) entsprungenen Erkenntnissubjekts, das sozusagen auf Postdiplomniveau einsetzt, schon den wesentlichen organisierten Fehler begangen, der mit Sicherheit und keineswegs zufällig, jeden wirklichen Erkenntnisfortschritt verhindern und ausschließen wird, sondern auch den ersichtlich fälligen Paradigmawechsel, der hier ansteht, allerdings nur als Notwendigkeit und als solcher in den Blick tritt, wenn man sich nicht mit einer theoretisierten, in Wahrheit vortheoretisch schon betonierten von aller Aufklärung der Probleme verabschiedet hat, einmal abgesehen davon, da? man damit versucht, um der eigenen Sicherheit und Karriere willen die gesamte Biomasse des Homo sapiens einzubetonieren, indem man ihren Fortschritt in Richtung auf den möglichen Menschen wirksam mit Hilfe einer angeblich wissenschaftlichen Theorie, in Wahrheit einem privaten Mythos, auszuschließen versucht, dessen Ursprung sich klären lassen wird, wenn man die von ihm ausgegrenzten Voraussetzungen und wissenschaftlichen Befunde zunächst zugrunde legt, statt den Versuch zu machen, das Wissenschaftsverständnis auf die eine oder andere Weise derart zu diskreditieren, dass man endlich auch die Befunde einfach meint vergessen zu dürfen, um zu neuen wissenschaftlichen Ufern vorstoßen zu können, die mehr Aussicht darauf haben, die gnädige Finanzierung durch die Machthaber zu erhalten, denen diese Art Wissenschaft dient, indem sie sich rational, bevorzugt als 'cognitive science' benennt, also als das Gegenteil dessen, was sie dann unvermeidlich ist, wenn sie sich an ihr eigenes Programm hält, das sich bei genauerem Hinsehen einfach als ein Programm der entschlossenen und letztlich ungemein feigen und opportunistischen Ausklammerung der in Anspruch genommenen, zumal einer 'fortschreitenden', und paradigmagewechselten Wissenschaftsförmigkeit, die nichts ist als eine Flucht in den brennenden Stall der Maschinentheorie, die ihrerseits kaum mehr ist als ein Anhängsel an einen waffentechnisch besessenen Irrationalismus und an den Größenwahn der Büromaschinenindustrie und ihrer Erweiterungen in einen fatalen mörderischen Machtapparat, der im Begriff steht, die Existenz der Tierart, auf deren rücksichtsloser Nutzung er parasitär aufsitzt, zu beenden, von einer Offenhaltung der Möglichkeit des Menschen nicht zu sprechen. Den Menschenrechten, die dieser mörderische Apparat zu bewachen vorgibt, fehlt der von ihm mit allen Mitteln ausgeschlossene seiner selbst wirklich bewusste, im Besitz seiner selbst und der bewussten Wirklichkeit seiner Grundlagen befindliche – Mensch.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Ich bin unter Umständen aufgewachsen, unter denen ich mit der Allgegenwart von Mördern umgeben war, die durchweg ihre Mordtaten verheimlichten, wenn sie konnten, oder sie zu rechtfertigen wussten, wenn es sich nicht umgehen lie?, da? die Rede darauf kam. Das hat weder etwas zu tun mit einer bestimmten Nationalität noch mit dem Unterschied zwischen Siegern und Verlierern. Selbst die gerade noch Opfer der Anderen gewesen waren, bemühten sich nunmehr, unter dem Schutz neuer Herren des Landes, nach Kräften, zu Tätern nach dem Vorbild von Siegern, nach dem Vorbild aller Sieger zu werden. Es war unter diesen Umständen nichts anders zu erwarten als da? alle Beteiligten den Bürgerkrieg unter den neuen Rahmenbedingungen fortsetzten, und dabei versuchten, 'vor allem die Jugend' jeweils für ihre eigenen Gefolgschaften zu rekrutieren. Die Maschen waren verschieden, aber die entschieden hinterhältigste war die, die die auf neue 'Normen' indoktrinierten ahnungslosen Objekte der verordneten Erziehungsmaßnahmen, die sich nicht genug tun konnten, ihre je eigenen Supertheorien, alle im Namen der reinsten Menschlichkeit und einer blühenden Zukunft, selbstverständlich für alle, bevor dann die 'Chancengleichheit' - unter den unsichtbar und unausgesprochenen neuen Rahmenbedingungen, die diese 'Chancen' spezifizierten ohne sie zu genau zu benennen – an die Stelle eines allgemeinen und diffusen Humanismus trat, als eine Art Mantel und abschließendes Gewölbe über die politischen Direktiven breiteten, unter wunderbar klingenden Namen wie der 'Erziehung zur Mündigkeit' zum Beispiel, dazu aufforderten, da? man sich des Mutes befleißigen solle, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen.
Das ließ sich so gut für in Wahrheit undurchsichtige parteipolitische Absichten wie für politische Maßnahmen gerade auch denen gegenüber, die derart in Anspruch genommen wurden, nutzen, und darüber hinaus öffnete es die Tür für eine 'wissenschaftspolitische Fernsteuerung' gerade der angeblich besser Gebildeten', die das vermeintliche Privileg genossen, zur weiteren Vertiefung ihrer 'Bildung' an den Universitäten des Landes zugelassen zu werden – zu Programmen, die faktisch auf Gehirnwäschen hinausliefen, aus denen es keine Rückkehr geben sollte. Unter dem Vorwand eines endlich zur Gesellschaft des lebenslangen Lernens ausgeweiteten umfassenden und immer weitergehend prolongierten permanenten Umerziehungsprogramms entlang den sich jeweils ergebenden Bedarfsanforderungen des imperialen Herrschaftsapparats, das endlich zum Unterprogramm der Herrschaft mittels des Prinzips der permanenten Revolution erhoben wurde, die den Totalitarismus zur sanften Zwangsjacke mit neuen atmungsaktiven Stoffen umformulierten, vollzieht sich inzwischen eine unmerkliche Versklavung der Biomasse der Tierart des Homo sapiens zunächst der 'hochindustrialisierten' Länder – wieso das alles ganz selbstverständlich mit der Metaphorik des 'Hohen' oder gar der 'Heiligen Ordnung' = Hierarchie belohnt wird, kann nur klar werden, wenn man diese Metaphern nach dem Muster versteht, nach dem diese triebhaft vorwärts drängende sozusagen Biomasse gewordene unaufhaltbar Gier und Mordlust eines nie dagewesenen Monstrums, das sich in den von ihm selbst global ausgestrahlten Phantasien seiner Mordlust aus purer Weinerlichkeit und einer unsäglichen Sentimentalität einfach nicht wiedererkennen will, sich selbst in einem blinden Mißverständnis als 'Menschheit', und das Individuum dieser Tiergattung 'Mensch', sowie anhand seiner Eigenschaften als 'intelligent' und fortschreitend qualifiziert, obwohl gerade alle seine herausragenden Führer gemäß dem Mechanismus, den die Analyse des Verhältnisses von Ich-Analyse und Massenpsychologie hinreichend präzise beschreibt, als Massenmörder notorisch sind, und dies zurückreicht auf alles, was seither als Hochkultur qualifiziert worden ist, genau genommen. Seit es erstmals ein gesellschaftliches Mehrprodukt der Arbeit gibt. In diesem historischen Moment nämlich wendet sich der Homo sapiens als Jäger der Jagdbeute der eigenen Art zu, indem die Art sich in Jäger und Beute in sich spaltet. Gesellschaft wird zum Inbegriff einer Reproduktion des Verhältnisses der Arten, die die Predatoren und die Carnivoren einerseits von den Planzenfressern andererseits scheidet und mittels dieser Unterscheidung aneinander bindet, als Raubtier und Herde, das sich dann sublimiert zum Verhältnis von Hirte und Herde, das endlich als Prinzip einer angeblich überlegenen Weltreligion zum Inbegriff der Kultur erstarrt und das Menschenopfer als Allgegenwart der Kultur in die letzten Winkel der Seelen trägt, indem es alle Gattungsexemplare zu Menschen und diese kurzerhand zu Komplizen des ewigen Vollzugs eines kannibalischen Akts macht, in dem der Vater den Sohn unter Mithilfe der passiv dabei stehenden Mutter schlachtet und das kannibalische Elternduo um das derart konfigurierte Festmahl versammelt.
Die US-Amerikaner führen längst eines universalen imperialen Krieg der Selbstgerechtigkeit, die sie zu jedem Mord und Genozid befähigt. Ermächtigt fühlen sie sich dazu ohnehin. Es ist Teil ihres mörderischen Sozialcharakters, der aus zwei Quellen kommt: Dem Umstand, dass sie der aus Europa ausgestoßene Mob sind, und dem Umstand, da? sie einen Genozid nicht nur an der Population Amerikas, sondern an dem gesamten Teil des von ihnen eroberten Kontinents begingen, um darauf die Form der Herrschaft zu errichten, die sie nun dem gesamten Universum aufzwingen wollen, im Schutz ultimativer Bewaffnung und einer unterhalb jeder denkbaren kulturellen Konzeption anzusiedelnden Triebhaftigkeit, die man als Bestätigung des von Freud angeblich bloß 'postulierten' rein spekulativen Gedankens eines Todestriebs auffassen kann.
Die Die kaum mehr freundlichen, und immer mehr entsetzlichen Varianten der Gegner, denen diese Erforscher aller Kulturen des Universums begegnen, die ihre Waffen immer nur mit sich führen zu ihrer Selbstverteidigung, sind die Ausgeburten eines Unbewussten, das von blanker und unersättlicher Gier beherrscht wird. Alles, was unter diesen Umständen als Ich-Funktionen erscheinen mag, inklusive der großartigen wissenschaftlichen und technologischen Leistungen, unter denen – hinter dem Vorhang der 'Kosmologien' der Physik die mörderischste Ausgeburt des Predators tatsächlich hervorsticht als buchstäbliche Verkörperung seiner Mordgier, die sich selbst als Beweis seiner Intelligenz und als Philosophie des einzig denkbaren Erfolges nur mittels der aufwendigen Unterhaltung einer vierundzwangzigstündig aufrechterhaltenen propagandistischen elektronischen Wolkendecke über allen Gehirnen der Gattungsexemplare erbarmungslos niedersenkt ohne Rücksicht auf die sonstigen Witterungsbedingungen, und derart, da? die Nervensysteme der gewaltsam Indoktrinierten endlich nachgeben und sich, um der Ohnmacht zu entgehen mit dem Aggressor identifizieren, ist nichts als Anwendung oder Projektion von unmittelbarer Gewalt bzw. ihre Androhung, der die ständig verfügbaren Beispiele ihrer begrenzten und exemplarischen Umsetzung hinreichend Nachdruck verschaffen.
Die Permanenz der Kriegsberichterstattung ist Teil der Propaganda der Einschüchterung. Hinter aller journalistischen Eifrigkeit versteckt sich kaum mehr die objektive Funktion, die darin besteht, zu zeigen, dass jedem jederzeit die Drohung des Stiefels ins haus steht, der in Gestalt einer Infanterieeinheit der US-Army die jeweils eigene Tür eintritt, um alles zu killen, was sich im Haus befindet. Kaum etwas kennzeichnet den Sozialcharakter der Amerikaner besser als die von ihnen 'erdachten', ihrem eigenen Umbewussten entsprungenen 'Race' der Science Fiction Serien, mit denen eine hochgerüstete propagandistische Bestie die Welt terrorisiert. Dabei halten sie sich selbst larmoyant wie ihre in sich selbst verliebten hirnlosen Popstars für 'Atlantis', die bedrohte Insel im Weltmeer.
Wo die Folgen ihres eigenen weltweiten Handelns seit mehr als einem Jahrhundert als 'blowback' auf sie zurückschlägt verwandelt sich das derzeit mörderischste Kollektiv des Globus in eine Bande von selbstgerechten Heulsusen, die sich benehmen wie neighborhood bully, dem man seine kleine Tröte weggenommen und plattgetreten hat und der dann heult: Niemand liebt mich! Dem gesamten Globus wird dreist zugemutet, zuzusehen, wie sich eine organisierte Bande von rücksichtslosen Plünderern und Piraten über alles hermacht, was nicht niet- und nagelfest ist, sich größenwahnsinnig aufplustert, angibt mit seiner Beute, und ankündigt, dass es mehr davon will und auf keinen Fall die grandiose, zu ihr passende Idee aufgibt, ihre 'Interessen' und die ihrer 'allies' zu verteidigen (!), wobei sie anzugreifen schon dann als gegeben anzunehmen ist, wenn man auch nur zufällig im Wege steht oder etwa die Dreistigkeit hat, das, was man hat als sein Eigentum zu betrachten auch dann noch, wenn Big Brother vorbeikommt und ein Auge auf die Frau, die Tochter oder das Eigentum wirft. Alles ist zur Vergewaltigung freigegeben, wenn der Ami kommt. Wenn er kommt, dann richtig. Sogleich breitet sich wie ein Segen Prostitution aus und Vergnügungsviertel für die Soldateska aus den Apalachen oder aus Alabama.
Die Emanzipation der Frau und der 'African Americans' beschert am Ende 'Identitäten' vom Schlage Colin Powells, dem direkten Nachfolger Onkel Toms, und Condoleeza Rice, einer Bestie in Menschengestalt und zugleich Muster der 'American Mom' bzw. der amerikanischen Grundschullehrerin, die der Welt beibringt, what America wants. Es gibt derzeit kaum ein Gesicht in den Medien, das mehr entschlossene Bosheit und mehr mörderische Entschlossenheit ausdrückt als dieses. dass ist der Frauentyp, den die Emanzipationsbewegung der Frau hervorgebracht hat, einer der besten Beweise für die Hinterhältigkeit aller dieser 'Emanzipationsbewegungen', die im Namen der Humanisierung der Gesellschaft und des Lebens Eigenpropaganda betreiben um dann an der Spitze der in immer mehr kochendem Blut gehärteten Gewaltapparaten diese bereitwillig zu verkörpern, beladen mit Kulturpreisen und Ehrendoktorwürden und akademischen Lehrstühlen, von denen herab sie ihre wertvollen Erfahrungen als Vorbilder der jungen Generation an die Jugend der Welt weitergeben, im Namen des Fortschritts, zu dem sie so viel beigetragen haben.
Es ist erstaunlich, aber auch klärbar, wie es diesem imperialen Gebilde so lange gelungen ist, die eroberten Populationen ganzer Kontinente mit ihrer Eigenpropaganda des 'guten Onkels aus Amerika' zu verführen und in einen Kokon einzuspinnen, der sich über die Bewusstseine niedergesenkt hat und kollektive Amnesien bewirkt hat, die zugleich das unendlich wichtige gegenwartsbezogene Bewusstsein des Problems der Aufrechterhaltung einer eigenen Identität in einer von bedeutungslosen technologischen Artefakten verdeckten totalen kulturellen Anomie überlagern. Die totale Verfügbarmachung aller in Gattungsexemplaren dargestellten Energien ist das Ziel eines globalen Ausgriffs, dem sich alles wie einer unabänderlichen Notwendigkeit unterwerfen soll.
Jedes Mittel ist dazu recht und einer der Hauptexportartikel neben der schweren Artillerie der Propaganda, die die Ungebildeten und die unter dem Durchschnitt Gebildeten mit einer elenden Neomythologie vom Fließband industrieller Produktionsmaschinerien versorgt, die die Biomasse der als Nutzvieh bewirtschafteten Tiergattung bezahlen lässt mit dem Opfer der Almosen, zu denen die Arbeitseinkommen herabsinken, und einem weiteren Teil der nicht durch die Nutzung des Arbeitstiers verlorengehenden qualitativ unschätzbaren Lebenszeit, die in einer den Namen verdienenden Kultur der möglichen Menschwerdung zur Verfügung stünde, sowie – das ist das Perfideste daran, der weiteren Demütigung und Verdummung, die sich als Folge einer als Unterhaltung und Vergnügen sowie 'Entspannung' 'subjektiv' missverstandenen systematischen Bearbeitung der bewusstseine ergeben muss, die willig den Kopf hinhalten, um sich hypnotisieren und zum Opfer von weiteren Dressuren missbrauchen zu lassen, die deren Protagonisten zu Prominenten erhebt, die dies nur sind, weil die Massenhypnosen bewirken, dass das von ihren Machenschaften wie von einem Parasiten befallene Nervensystem sie dazu macht und mit den Mitteln ausstattet, die es ihnen erst erlaubt, ihren 'Fans' eine lange Nase zu machen, indem sie sie vergessen macht, dass sie ihre 'Freizeit' damit verschwenden, ihnen bei der Arbeit zuzusehen, die aus ihnen zigfache Millionäre macht und aus denen die ihnen zusehen eine Masse blöder Gaffer, die begeistert Maulaffen feilhalten während sie sie feiern ohne einen Einblick zu haben in den Mechanismus, der ihr Bewusstsein enteignet und ihre enttäuschten und missbrauchten Sehnsüchte und Träume, die sich zum kompensatorischen Illusionsbedarf erst konfigurieren unter dem Druck der hierarchischen Strukturen, die es ihren Idolen erst ermöglicht im Dachstockwerk auf ihre Kosten zu feiern, während sie unten die Aufgabe haben, das Gebäude zu tragen, dazu nutzen, ihren gegenstandslosen Größenwahn zur inflatorischen Aufblähung eines leeren Grössenselbst vor einem angesichts der ihm servierten Mystifikationen sich selbst vergessenden Publikums. Nur selten schlägt dergleichen um in den mittels 'Bewunderung' abgewehrten Mordwunsch, der der Realität des Vorgangs angemessen wäre. Denn auch die Hypnotisierten sind Bestien von der Art dessen, was sie bewundern.
Anders ist die Faszination nicht zu erklären, die sich bei den bloß Genutzten einstellt, deren Phantasien die verkörpern, die ihnen auf der Nase herumtanzen, und sei es auch nur, indem sie einen fetten Hintern schwenken. Es braucht vor allem in der von ihrer Triebhaftigkeit beinahe restlos auf Kosten ihres Verstandes und ihrer Urteilskraft beherrschten Adoleszenten und jungen 'Erwachsenen' (hier ist vor allem an die juristische Definition, nicht an den sozialpsychologischen und intellektuellen Zustand dieses Teils der Population zu denken, die das nicht gerne hören wird, während die Politik und die anderen organisierten Formen, die sie als Konsumentern und Arbeitstiere nutzt, sich hütet es ihnen zu sagen, was sie nicht daran hindert, die faktischen Befindlichkeiten brutal zu gebrauchen) kaum mehr als die Vorführung eines mehr oder weniger deutlich vorgeführten primären oder sekundären Geschlechtsmerkmals um das ohnehin schwache Urteilsvermögen derart wirksam auszuschalten, dass sich sogleich eine Unmenge von Nutzungsmöglichkeiten allein aus diesem ungemein einfachen Mechanismus ergeben, mittels dessen sich auf einem genügend großen Markt mit einer geringfügigen und intellektuell gänzlich anspruchslosen Geschäftsidee sogleich Milliarden machen lassen.
Alles drängt dahin möglichst nicht nur solche Bedingungen einfach zu nutzen, um sie auszuschlachten, sondern ausdrücklich zu konfigurieren, mittels Methoden, die durchweg die Form industrieller Produktion annehmen und zugleich die Form der Großorganisation, in der sich endlich Erziehung, Ausbildung und Beschäftigungsbedingungen zu einem Konglomerat zusammenfinden, die jede wirklich empirische Beschreibung des 'Sozialen' darauf bringen müssen, die Begriffe und Bedeutungen im Interesse der angemessenen Darstellung der Wirklichkeit fallen zu lassen, die etwa mit dem Begriff des 'Sozialen' oder der 'Gesellschaft' einmal systematisch verbunden waren.
Was Hegel einmal im Terminus des 'geistigen Tierreichs' zusammenfasste, ist inzwischen sogar um das Geistige gebracht, das ihm bei Hegel noch als Attribut beigesellt war. Die Nutztierhaltung, zu der unter dem Druck einer subkulturellen, dem Zeit nach postkulturellen Form der Herstellung eines systematischen Zwangszusammenhangs Politik und organisatorische Großverwaltung mit globaler Tendenz fortschreitet, ist postkulturell in dem Sinne, in dem der 'moderne' oder 'postmoderne', jedenfalls die Ausgeburt des säkularen Staates nur in die äußerste Konsequenz treibt, worauf alle Hochkultur seit Assurbanipal oder den ersten Kaisern von Chin konvergierte.



Dreiundfünfzigster Traum:
Donnerstag, 24. Juli 2008
Traum am Morgen:

Als ich am Morgen aus dem Traum 'unvermittelt' erwachte, habe ich ihn so deutlich vor Augen und bin so sehr von dem unmittelbar mit ihm verbundenen Gefühl durchdrungen, dass ich meine ihn problemlos später erinnern zu können. Ich 'entschließe mich daher' (kein Wort davon ist so vermutlich wahr; das ist daran zu erkennen, dass ich drei Stunden später wie zerschlagen und mit Schmerzen im Bauch aufwache und in einem Zustand, der mich wünschen lässt ich sei schon tot, und mir den Eindruck vermittelt, dass ich wohl bald sterben werde, wie ich meine an Krebs der Eingeweide, eine Befürchtung, die mir seit Jahren alle Aktivität als sinnlos erscheinen lässt) noch ein wenig liegen zu bleiben, obwohl ich weiß, dass mir das vermutlich nicht bekommen wird, weil ich dann gewöhnlich eher unangenehme Träume habe, während der erinnerte Traum mich mit Erstaunen und Freude erfüllt hinterlässt, angesichts eines Ausgangs, der nicht ganz seinem Beginn entspricht.
Tatsächlich erwache ich in einem 'furchtbaren Zustand', hoffnungslos, zerschlagen und wie dem alsbaldigen Tode nahe, also dem morgendlich gewöhnlichen Zustand, der mich stets erst etwa ein Stunde nach dem ich mich endlich aus dem Bett gequält habe, nachlässt und nach Jahren inzwischen einer verhalten optimistischen Einstellung und Gefühlslage weicht. Obwohl ich das weiß und also eigentlich nur aufzustehen brauche um sechs Uhr, eine Zeit, auf die ich meinen Wecker gestellt habe, ohne dann auch wirklich, außer in seltenen Fällen aufstehen zu können, weil mir einfach der Wille fehlt, das dann auch zu tun, obwohl ich mir stets rate, es zu tun und weiß, dass es das Richtige wäre, um den Zustand der Hoffnungslosigkeit und der Todesnähe zu vermeiden, und obwohl es etwa halb sechs ist, also eine gute Zeit aufzustehen, und ein Blick auf den Himmel den ersten wolkenlosen Sommertag seit Wochen ankündigt – was mich gewöhnlich in bessere Stimmungslage versetzt – stehe ich also nicht auf, versuche aber den Traum möglichst genau in seinem Ablauf, eingeteilt nach 'Akten' zu memorieren um ihn später unbedingt aufzuschreiben, weil er mir sehr bedeutsam vorkommt. Ich bedenke in dem Moment nicht, dass ich ja aus ihm aufgewacht bin, doch wohl unvermittelter als mir zunächst bewusst wird.
Der Traum hat meinen Schlaf wiederum nicht erfolgreich hüten können! Das bemerke ich aber erst einmal gar nicht, vor 'Begeisterung'. Erst jetzt, während der Niederschrift, fällt es mir ein, dass da auch ein Problem in seiner Bedeutung stecken könnte, das nicht einfach mit seinem manifesten, 'begeisternden' Inhalt deckungsgleich sein muss, und es vermutlich mit Sicherheit gerade nicht ist. Als ich nun das Vorhaben der Niederschrift ein wenig lustlos beginne, wegen der 'endlosen Arbeit', erinnere ich mich zunächst kaum an mehr als an Reste. Da scheint es wenig zu tun zu geben. Außerdem denke ich ständig darüber nach, ob ich nicht vielleicht besser zuerst Milch besorgen gehen soll, um einen Kaffee trinken zu können.
Ich war nämlich seit einigen Tagen oder auch seit mehr als einer Woche nicht mehr aus dem Haus und habe kaum mehr 'Lebensmittel' im Haus, darunter auch keine Milch mehr, die ich vor allem für den morgendlichen Kaffee benötige. Tatsächlich beschließe ich jetzt, angesichts der 'fehlenden Milch' zunächst einmal einzukaufen, und dabei die während der vergangenen Wochen geradezu ausgelöschte Außenwelt in Augenschein zu nehmen, eine Welt, die ich tatsächlich gerne auslöschen würde, so sehr ist sie mir, zumal als 'Sozialwelt', als Welt der Tierart, der ich zu meinem Abscheu angehöre, zuwider. Kann ich nicht aus ihr verschwinden, so würde ich sie gern verschwinden lassen. Der Wunsch, selbst aus ihr zu verschwinden löst also immer nur den anderen ab, sie verschwinden zu machen. Und wenn ich die Macht dazu hätte, würde ich sie zerstören, wenigstens aber den Homo sapiens ausrotten. Nun aber gehe ich zum ersten Mal seit wenigstens einer Woche, wahrscheinlich aber ist es länger, hinaus um mir Milch zu holen. Die Welt als milchspendende Mutter?
Gut, das war also die Milch. Die 'Welt' war freundlich zu mir, wie ich 'katzenfreundlich' zu ihr war. Sie kennt meine Pläne nicht, die ihre Vernichtung, die Vernichtung der Gattung Homo sapiens beabsichtigen. ;-) (In know I cannot do it.  Sigh!) Auf Plakaten sehe ich die Ankündigung wichtiger Filmwerke Hollywoods, auf denen es von schwerbewaffneten narzisstischen Monstren beiderlei Geschlechts wimmelt, die mit großkalibrigen Handfeuerwaffen in alle Richtungen zielen, also nach Anderswo, immer von 'Amerika' aus, God's own country of opportunities. Eigentlich gehörte es doch den dort lebenden Amerikanern, oder? Der dazu gelieferte Schlagzeilentext informiert über die wahre Absicht. Man wird die Welt retten. Eine Rettungsphantasie. Vg. Freud GW VIII, Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens I. Interessant in diesem Kontext sind die Lieblingsflüche der US-Amerikaner: 'fuck' ist das Hauptwort dieses Typus des Englischen, und 'motherfucker' sowie 'son of a bitch' sind seine Deklinationen. Sie müssen's wissen.
So viel Selbsteinsicht darf man ihnen getrost zutrauen. Tatsächlich, wenn, wofür alles spricht, was man von der Soldateska und ihrem obersten Anführer bisher kennt, die Welt nichts ist als ihre Hure, dann ist sowohl die Rettungsphantasie als auch ihre unablässige Vergewaltigung durch diese Kultur der Truppenunterhaltung verständlich. Die Erbsünde der 'Eroberung' und Vergewaltigung des Landes durch den Mob, den Europa ausspie, der Genozid, der das Muster 'demokratischer Herrschaft' mit unaufhaltsamer bewaffneter Gewalttätigkeit als Hauptexportartikel im Austausch gegen alle Reichtümer der Welt in diese hineinträgt, um sie mittels dieser Vergewaltigung mit kleinen Amerikanern (den ewigen Fünften Kolonnen aller Infiltratoren seit es den Handel mit Glasperlen gibt) dieser Art zu beglücken, das ist der rechte Umgang der Söhne dieser Demokratie mit der Welt, die ihre Mutter ist, diese Erbsünde ist eben der Sozialcharakter der Eroberer, die sich heute Amerikaner meinen nennen zu können, im Vertrauen darauf, dass das Gedächtnis aller Anderen so kurz ist wie das der von Uncle Sam gehirngewaschenen Brüllaffen, die er auf die Welt loslässt um sie mit Kaugummi, dem unsäglichen Getränk und Verstümmelten oder Leichenbergen zu versorgen, während alle Welt auf die 'Verbrechen der Nazis fixiert wird, damit ihnen entgeht, was gegenwärtig ist.
Nie ist so viel, so dreist und so unverhüllt im Namen der Menschenrechte gemordet worden. Ich denke, angesichts dessen, woran mich der Milcheinkauf erinnert, dürfte klar sein, welchen Grund der Versuch hat, mir die Welt vom Leibe zu halten, zumal angesichts der Allgegenwart der dreisten und größenwahnsinnigen Eigenpropaganda des Imperiums dieses Guten.
Es gibt irgendein Vorspiel zu dem Traum, an die ich mich erinnern kann. Jedenfalls ist das mein Eindruck, aber ich kann für ihn zugleich keine Belege finden. Zugleich hält sich der Eindruck gegen rationalen Einwand. Ich tauche also gewissermaßen plötzlich aus einem undeutlichen Nebel einer undurchsichtigen Vorgeschichte auf, und zwar als junger Mann am Ausgang der Pubertät, voller Kraft und Muskeln und mit dem entsprechenden körperlich vermittelten Selbstbewusstsein des Adoleszenten am Übergang in das Erwachsenendasein. Ich schätze einmal intuitiv auf fünfundzwanzig, aber es betrifft einen fließenden Zeitraum zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahren, was sowohl mit meiner verspäteten Pubertät als auch mit meiner verzögerten Ausbildung zu tun haben könnte. Von dergleichen ist aber nichts zu spüren. Es ist zunähst eine rein körperlich Präsenz, die erst durch die übrigen Umstände sozial präzisiert wird. Ich finde mich mit freiem Oberkörper, nur mit einer Badehose bekleidet, nach der Art, wie man sich im Schwimmbad kleidet bzw. entkleidet bis auf einen 'Rest', der die Geschlechtsteile bedeckt, während alles Übrige gezeigt werden darf, aber ich sitze halb, liege eher auf einer Art Ruhebett, das am unteren Ende von einem aufgebauschten Haufen von Kamelhaardecken bedeckt ist, die wirken als habe sie jemand als lästig mit den Fü゚en weggeschoben an das untere Ende, auf einem hölzernen Balkonvorbau, der nah unten bis zu ebener Erde hinunterreicht, während ich mich auf der Plattform des zweiten Stockwerks aufhalte, und mindestens ein weiteres Stockwerk über mir eine weitere solche Plattform bildet, so dass ich zugleich schattig und überdacht sitze/liege. Ich lehne mit halb aufgerichtetem Oberkörper an der Rückwand des Hauses auf dem 'Lager', lässig und meiner selbst als sexuelles Wesen durchaus bewusst.
Das Haus ist eine Villa aus dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts, offenbar mein Elternhaus, und ich muss mir ebenso offenbar keine Sorgen um meine Zukunft, etwa als Arbeitstier machen. Das steht zwar nicht im Gegensatz zu meiner sozialen Herkunft, die hier korrekt wiedergegeben ist, wenn auch etwas erhöht, was aber durchaus meinem Selbstgefühl entspricht, auch heute, aber es steht in einem Gegensatz zu meiner sozialen Situation, aber das war mir in dem entsprechenden Alter nicht so deutlich, angesichts meiner Unkenntnis der allgemeinen Lebensumstände und dessen, was kommen würde. Es gibt also mein Lebensgefühl in diesem Alter durchaus korrekt wieder, ein Lebensgefühl, das sich im Übrigen stets gegen alle Zufälligkeiten und Umstände immer wieder herzustellen weniger bestrebt als bestimmt schien, und es sieht jetzt so aus, als kehre es für immer, und zwar als unbesiegbarer Sieger wieder und sagte zu mir: ‘Tat tvam asi’. Tatsächlich ist es dies, was mich immer getragen hat, selbst im tiefsten Abgrund einer mir aufgezwungenen Existenz. Es ist der unzerstörbare Kern, der immer schon um seine Unbesiegbarkeit wusste.
Die stille Straße ist schattig, im Gegensatz also zu meiner Bekleidung, die eher auf sonniges Wetter abgestimmt scheinen könnte, indessen wohl einen anderen Sinn hat, nämlich den, das zu zeigen, sehen zu lassen, von der eigenen Körperlichkeit, was man an sonnigen Tagen im Schwimmbad eben ganz unschuldig tun durfte ohne sich dabei etwas denken zu müssen (das einen dazu hätte bewegen müssen, das man sich bekleidet.) Das Wetter, das im Gegensatz zu den Umständen steht, unter denen man das so machen durfte, weil es alle taten, markiert also gerade den Umstand, dass es hier offenbar auf das sonst nicht bedachte oder besprochene mitlaufende 'Motiv' ankommt. Ich betrachte einigen Fußgängerbetrieb auf der anderen Seite der Straße, auf einem schmalen Trottoir. Gegenüber steht ein Eckhaus, links von dem eine Straße verläuft, die nicht asphaltiert erscheint, sondern wie aus festgefahrenem Schotter untermischt mit in trockenem Zustand bräunlicher, kamelhaarfarbener Erde, ein Straßenuntergrund, der mich an den seinerzeitigen Zustand der 'Kreisstraße' zwischen meinem Heimatort Bad Nauheim und Friedberg, der nahen Kreisstadt in vier Kilometer Entfernung erinnert, auf der ich als Junge mit dem Fahrrad meine Kräfte und Ausdauer erprobte, einmal wenigstens auch, indem ich den Weg hin und her in einem Stück durchlief, als ich einmal in einer Panik, an deren Ursprung ich mich nicht mehr erinnern kann im Moment, auf der Suche nach meiner Mutter war.
Ich erinnere mich aber daran, dass diese Straße eine ungemein wichtige Rolle gespielt hat in vielen meiner Träume. Sie kam gewissermaßen in einer bestimmten Traumserie vor, von der ich auf einmal eine ganze Anzahl zugleich vor Augen habe, in dem sicheren Bewusstsein (ich wollte glaube ich ganz richtig schreiben: Bewusstsein, weil ich eher meine, dass Träume aus einem Gefühl entstehen und dies illustrieren, ebenso wie seine unzähligen Schattierungen und Wandlungen, die sich wie Wolkenformationen unablässig in Bewegung und Modulation befinden und so immer neue 'Gesichter' und Bilder formen, so da゚ 'Bewusstsein' viel zu 'kognitivistisch' ist für die Bezeichnung des Grundes des Traums und der subjektiven Welt, die ebenso aus diesen Modulationen des lebendigen Gefühls entsteht und sich erhält, ein Umstand, der ebenso das Verstehen und Erlernen von Sprache betrifft und die Grenze der von der Computerwissenschaft her sich dem Menschen zuwendende cognitive science ausmachen dürfte, die Grenze, die sie sich selbst setzt indem sie ihre Herkunft von der Computerwissenschaft zum Maß des Menschen erhebt.
In der Tat setzt sie sich selbst eine Grenze ihrer Möglichkeiten, den Menschen zu verstehen, was immer der hinter ihr steckende Pragmatismus von der Tierart des Homo sapiens verstehen mag, also von allem, was sich mit den Mitteln dieser Wissenschaft auf das Maß des Verständnisses bringen lässt, dem sie als Wissenschaft und ihr Subjekt als sozialisierte Person ihr Vorverständnis verdanken, das sie sich zu bestätigen versuchen, indem sie Wissenschaft und die Person Wissenschaftler der Cognitive Science wird, sehr zur Freude seiner Financiers.) da゚ es sich tatsächlich um eine Erinnerung einer wirklichen Traumserie handelt. Es gibt im Übrigen mehrere dieser Traumserien. Eine andere hat Häuser zum Gegenstand oder Rahmen, in denen ich mit stets gemischten Gefühlen zwischen Ekel und Neugier auf der Suche nach etwas bin, das ich zu erkennen meine, wenn ich es sehe, aber von dem ich dennoch im Vorhinein nicht weiß, was es sein wird, und eine Serie, die Städte zum Gegenstand hat und Straßenszenen, die mir stets ein Gefühl unendlicher Einsamkeit vermitteln, das ihren Grund ausmacht.
Ich erstaune jetzt doch angesichts der Unmenge von Material, das mir jetzt zufließt. Es ist als hätte ich es geahnt und ich habe es wohl auch geahnt, und ich bin bisher immer eher auf der Flucht vor dem Zwang der Niederschrift alles dessen geflohen, was sich da mitteilen will und mich an diese Maschine zu fesseln versucht so als wolle es sich jetzt auf jeden Fall zur Geltung bringen und mich endlich dazu zwingen, mich in seinen Dienst zu stellen, während ich nach Vorwänden Ausschau halte, diesem Zwang auszuweichen. Es ist, als wollten sich mein Es, das mich mit der Lieferung bedrängt, und mein Über-Ich jetzt endlich dazu zwingen, endlich meiner flicht zu genügen, während das Ich darauf besteht, noch ein wenig 'spielen gehen', ausruhen zu wollen, weil es in seiner Jugend zu kurz gekommen ist und jetzt schmollt. Eine andere Ausrede ist, dass 'Ich' noch nicht genug weiß und gelesen hat, noch Aufgaben nachzuholen hat, die versäumt worden sind. Es besteht jetzt mit einem gewissen Trotz darauf, noch versäumte Aufgaben nachzuholen, so als wollte es den Bestrafer, der es dazu einmal zwang nun seinerseits bestrafen, indem es nun darauf beharrt, weiter damit fortzufahren, um auf diese Weise wiederum den Sinn des Ganzen zu vereiteln. Es tut also so, als könne es darauf bestehen, dass dies der ganze Sinn dessen ist, was von ihm gewollt war, weil man ihm damals nichts anderes dazu mitgeteilt hat. Als wollte es sagen: Ich bestehe jetzt darauf ewig Strafarbeiten zu machen, denn das ist doch eure ganze Erziehung gewesen, mich Strafarbeiten machen zu lassen und einen darüber hinaus gehenden Sinn habt ihr mir doch nicht mitgeteilt.
Da dient also eine bestimmte Schlauheit der Vereitelung des Erziehungszwecks, indem sie darauf besteht, da゚ sein Sinn buchstäblich an dem haftet und darauf beschränkt ist, was die Insistenz des Erziehers vordergründig verlangen muss, damit dieser wirkliche Zweck auch erreichbar bleibt, weshalb er darauf besteht, dass versäumte Aufgaben gemacht werden müssen, damit der Anschluss möglich wird. Denn eine lückenhafte, fragmentarische Vorbildung hat unvermeidlich Folgen in Bezug auf das Urteil und das Urteilsvermögen des Erwachsenen. Oh Gott, das wird eine lange Sitzung. Pause! Jetzt den Kaffee, und einen Brief an Annegret abschicken. Das war lange versprochen, Dienstsache, also wiederum etwas, das ich Hasse. Ich werde mich an den Dienst doch gewöhnen müssen. Es wird Zeit, ich sehe es ja ein, aber es war so schön auf der Wiese, auch wenn es teils erschreckend war. Genug des Widerstands. Er war im Großen und Ganzen erfolgreich. Ich kann es gut sein lassen, und habe mich mir selbst und am Ende der Mama als Held bewiesen.
Ich habe es auf einen Kampf auf Leben und Tod aus Treue zu meiner Mama ankommen lassen und mich bewährt. Jetzt kann ich etwas anderes tun, eben, was mir auch noch aufgegeben wurde und vor allem, was zu tun ist, aus Pflicht des Erwachsenen und auch aus der Freude, es jetzt endlich ohne schlechtes gewissen tun zu dürfen, weil ich es WILL. Erlösung, Dein Name ist Kongruenz von Wollen, Dürfen und Können. Ich will , ich kann, ich darf. Und ich bin es schuldig. Die weitere Verweigerung wäre eine verstockte Gemeinheit, und das ist nicht wirklich Ich und ich will auch nicht, da゚ es so aussieht oder da゚ es auf mich diesen Eindruck machen könnte. Ich bin es mir schuldig und den Menschen, die ich liebe und die mich geliebt haben, wie immer missverständlich das alles geblieben sein mag.
Es ist nicht mehr das Mißverständnis, das zählt, sondern der reife Umgang damit. Pack' Dich an die Nase, Junge. Your time has come. Everything will run easy -jedenfalls wenn Du es verstehst Dich so zu verbarrikadieren, dass die emotionale Pest Dich nicht ständig erneut infiziert, wenn Di die Straße betrittst und begegnest den stumpfen Tieren, und dem, was sie übertragen, verbal und sogar nonverbal, in ihren winzigen Zuckungen, Es gibt keinen Irrtum darüber, dass sich in ihnen Ekelerregendes abspielt, das sich sogleich mitteilt. Und das ist eine wirkliche Kommunikation, bloß dass niemand sie eigens betrachtet ebenso wenig wie ihre Bedeutung für das Ganze.- viel leichter als in diesem unnatürlichen Widerstand, in dem Du Dich verbarrikadiert hattest.
Herumlungern als Playboy auf dem Balkon, bis der Blick einer Frau auf mich fällt, die ein Kind in einem Kinderwagen mit sich führt (vor sich her schiebt, wie Schwangere ihren Bauch vor sich her schieben). Der Blick aufwärts auf die Höhe des zweiten Stocks macht aus mir als einem unsichtbaren, unbemerkten Zuschauer einen gesehenen, entdeckten, ertappten Zuschauer. Ich habe nur eine Badehose an, mein Oberkörper ist nackt, und der Blick trifft mich unvorbereitet, so da゚ ich mich schäme vor der Frau, von der ich weiß, dass sie weiß, was ein Mann ist, als sexueller Partner. Ich fühle diesen Blick der wissenden Frau auf mir ruhen, und obwohl er kurz ist (sie sieht einfach, wie aufmerksam gemacht durch eine winzige Bewegung, die ihr aus den Augenwinkeln zufliegt, einen zur Kenntnis nehmenden Blick zu, aber sie sieht, erwischt mich nackt und ich schäme mich, wie 'eine verschämte Jungfrau', auf die der Blick eines Mannes fällt.
Die Szene auf dem Balkon bis die schwarzbraun behaarte Äffin auftaucht.
Meine Beschneidung ihrer Krallen und stechenden Schwielen an den Innenseiten der Handflächen.
Der Verlust ihrer Behaarung und physiognomische Vermenschlichung.
Die Entwicklung bis zur einer offensichtlich unvermeidlichen Trennung.
Meine Rückkehr nach langer Abwesenheit.
Wechselseitige Erkenntnis in der Liebe.
Die Geliebte ist verwandelt. Sie ist kein Mensch, sondern irgendwie ein metallisches Kunstwerk aus einem massiven leicht grüngelblichen Metall, und mit einer leicht bizarr stilisierten, kubistischen Oberfläche, die etwas an das bekannte Bild Picassos erinnert, das allgemein als sein künstlerischer Durchbruch zu einer modernen Form betrachtet wird. Nur dass sie 'unique' ist, einzigartig.
Die Vereinigung/Verschmelzung der sich wiederfindenden Liebenden findet statt in einer enormen Glut, in der die aus verschiedenen Metallen bzw. Legierungen bestehenden Körper der Liebenden zu einer einzigen, neuen, verschmelzen ohne dass ihre je eigene Körperlichkeit und Individualität dabei verlorengeht. Was verschmilzt ist der 'Stoff', die verschiedenen Legierungen, zu einer einzigen. Die Form bleibt erhalten, bzw. stellt sich am Ende des Prozesses wieder her. Zwischenzeitlich ist sie wenigstens teils aufgelöst. Der Traum verrät keinen angsterregenden 'Untergrund'.

Vierundfünfzigster Traum:

Traum am Morgen des Freitag, 25. Juli 2008

Ich weiß nicht, mit wem ich da unterwegs bin, aber wir sind offensichtlich Ermittler – merkwürdig angesichts meiner Abneigung gegen 'Kriminalfilme', die ich grundsätzlich für Verführungsversuche sado-masochistischer Art halte, weil der passivierte Zuschauer zunächst dazu verführt wird, sich mit einer kriminellen Handlung, also mit einer verbrecherischen Neigung, und dann mit den Verfolgern zu identifizieren, die natürlich nun die kriminelle Neigung verfolgen, mit der sich zu identifizieren er zuvor sich hat verleiten lassen. Das entspricht im Übrigen einer abgewehrten und projizierten Paranoia der Hersteller dieser Machwerke und ihrer Vertreiber. Man kann daran gut erkennen, und nicht nur daran, auch an der Funktion der 'popmusic', dass und wie solche Psychopathologien nicht nur ganz unerkannt von Psychiatern verbreitet und ausagiert werden können, und dass sie sogar reich machen können. Das wirft natürlich auch ein Licht auf die 'wissenschaftlichen Kompetenzen' der vorwiegend psychologischen und medizinischen Psychopathologie, verstanden als Lehre, nicht, wie das bezeichnender Weise oft genug an der Wortverwendung festzustellen ist, als die Krankheit.
Und es wirft ein Licht auf die Funktion dieser 'wissenschaftlichen Lehren'. Aber vor allem wirft die finanzielle Nutzbarmachung und die virulente Verbreitung der psychopathologischen Symptomatiken dieser Art in Populationen auf dem Wege der 'Massenkommunikation' (tatsächlich handelt es sich nicht um Kommunikatio0n, sondern um eine gerichtete, nicht reziproke einseitige Verbreitung mittels eines Infiltrationsvorgangs und den dazu aufgebauten technischen Einrichtungen, die gern als Inbegriff von 'high-tech' bewundert werden, weil sie den doppelten Erfolg der Hypnotisierung und süchtigen Abhängigkeit immenser Massen der Tiergattung Homo sapiens und den gewöhnlich nach vorn geschobenen und am meisten 'bewunderten' Erfolg der Akkumulation immenser Massen von gesellschaftlichem Reichtum ermöglichen und zugleich verkörpern), Symptomatiken, die mindestens ebenso erzeugt wie unterhalten werden, indem sie an typische und vorauszusetzende massenpsychologische Dispositionen anknüpfen und diese nutzen, indem sie sie mittels 'lebenslangem Lernen' evozieren und erneuernd verstärken und als 'Realität' bestätigen.
Zugleich dient die 'Bedienung' der Dispositionen einem Ausagieren im isolierten Ich, das die auflösende Kommunikation über die Dispositionen und Effekte verhindert und zugleich eine Abfuhr ermöglicht, die die entsprechenden Energien dem Lebensalltag entzieht, so dass dieser sich, obwohl er die Quelle der Depersonalisierung ist, die durch diese 'Versachlichung' bewirkt wird, und die ihrerseits die Wiederkehr in der Form der Triebenergien bewirkt, die in die empfundene 'Spannung' der Betrachtung des 'Krimis' eingeht, problemlos 'gestaltet' als scheinbar neutrales Lebensmedium, dessen pathogene Qualitäten nicht als solche erkannt werden können – und es geht darum, dass wir, mein unbekannter Begleiter und ich, Verbrecher ertappen und überführen, die sich daran erkennen lassen, dass sie ungeheure Summen Geldes in enorm aufgerüstete 'high-tech-Automobile' investieren, die äußerlich wenig, aber sonst in beinahe jedem technischen Detail mit ernormem Kostenaufwand umgerüstet worden sind. Wir haben ein bizarr eckiges, dabei zugleich 'sportliches' straßentaugliches knallrotes Auto identifiziert und beschlagnahmt, in dem z. B. Ein enorm aufgerüsteter Motor steckt, der siebzehn Millionen ($ oder auch Euro) gekostet hat. (Mein Unbewusstes denkt u. U. Auch noch in ‘Mark’) Ich weiß selbst in dem Traum – beinahe hätte ich geschrieben 'Film' und geschrieben 'gesagt' – nicht, was das soll und mir ist meine Abneigung gegen Ermittlungen recht gut, weil ich sie für im Grunde illegale und belästigende Schnüffeleien und Einmischungen in die Integrität anderer Personen halte, die niemandem zusteht. Dabei ist allerdings vorausgesetzt, dass das 'forensische' Interesse ein Vorwand ist für Schnüffeleien, also ein spezieller Rechtsgrund von seiten der – als 'schuldig' ja dabei stets unterstellten verfolgten Individuen gar nicht besteht.
Das bedeutet dann, dass ich eine Abneigung gegen jede Art von Forschung habe, die sich angeblich aus 'wissenschaftlichem' oder gar 'aus Interesse am Individuum', gar humanem Interesse forscherisch mit Individuen befasst oder auch mit Kommunikation, da alles dergleichen ja eine Distanz voraussetzt, die gegenüber dem, was Individualität und Kommunikation sind, einen Betrug bedeutet, indem es Interesse an Individuum oder Kommunikation u. U. simuliert während das wirkliche Interesse ist, etwas 'herauszukriegen', und das klingt immer schon nach der einseitigen Erlangung von Vorteilen aufgrund einer u. U. Künstlich erzeugten und stabilisierten Asymmetrie. Tatsächlich verdienen ja immer die 'Forscher' an 'ihrer' Erforschung von Kommunikation und Individualität, und nie die Erforschten, die gewöhnlich den Status in diesen Arrangements erhalten, die die feudale Gesellschaft den Leibeigenen und den Sklaven, die auf Kapitalverwertung beruhende den Lohnempfängern oder Arbeitslosen zugedacht hat, denen in der entsprechenden Forschung die Kranken, die Irren und die Ausgegrenzten, jedenfalls aber Unterworfene und Wehrlose, bestenfalls 'Klienten' und 'Verbraucher' oder 'user' zu dienen haben.
Es ist also meine grundsätzliche Ambivalenz, ja mein Hass gegenüber der 'Erforschung' des Menschen und der Lebensformen, meine Überzeugung, dass hier Verbrecher alles erforschen,nur nicht ihre eigene Verwicklung in das Erforschte, noch weniger ihren Beitrag zu der Verfassung dessen, was sie erforschen, die mich im Übrigen als das wesentliche Problem meiner eigenen wissenschaftlichen Betätigung und meiner wissenschaftlichen Neugier spätestens von dem Moment an beschäftigt hat, als ich diese Zugehörigkeit zu dem Gegenstandsbereich und das Problem wie immer diffus erkannte, das darin besteht, dass man als Wissenschaftler in dem Moment, in dem man in das institutionelle Gefüge eintritt, das zugleich Teil des Objektbereichs ist, den man erforscht, seine Unschuld verloren hat und mit ihr das zunächst unschuldige Motiv, die Neugier zu wissen, wie das Ganze funktioniert, dem man sich auf unfassbare Weise aus dem Nichts kommend, plötzlich und möglicher Weise auch schockhaft gegenübersieht, seinerseits seine Legitimität verliert insofern es sich blind mit Momenten des Objekts kontaminiert sieht, die Gegenstrand der Forschung und nicht konstitutiv für das Subjekt der Forschung bleiben müssen, damit Forschung überhaupt mit Aussicht auf Erfolg betrieben werden kann.
Es ist nun aber so, dass man sich stets schon in einem Feld vorfindet, das sich auf eine Weise zu organisieren und zu konfigurieren tendiert, das es den essentiell notwendigen, den einzig aussichtsreichen Forschungsansatz dadurch unterbietet und verfehlt, dass es das Verhältnis von Subjekt und Gegenstand der Forschung unter stillschweigenden Voraussetzungen ansetzt, die seine ungeachtet des Ansatzes dem unvermeidlichen und unumgänglichen Wissenschaftsbegriff nach Grundlagen so oder so verfehlen und eher danach streben, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einen Wissenschaftsbegriff durchzusetzen, mit vorwiegend rhetorischen Mitteln, der so weit oberhalb des wirklichen Verhältnisses von Wissenschaftssubjekt und Gegenstand angesetzt ist, dass sich zugleich mit der Verdunkelung der Grundlagen aller drei 'Komponenten' der Konfiguration des spezifisch 'Wissenschaftlichen' an Gegenstand, Subjekt und Verhältnis scheinbar problemlos ganz andere, eher kontingente, wenn auch aus gutem Grund nicht bedeutungslose, sondern vielmehr durchaus erkenn- und benennbare tatsächliche sekundäre, aber wissenschaftsfremde – für diese Konstellation der Wissenschaften vom Menschen sekundäre. Das bedeutet nicht, dass sich nicht wissenschaftsförmige, also einen zur Wissenschaft gerechneten Apparate und Techniken benutzen liessen, die dann auch nach vorne geschoben werden, um die 'Wissenschaftlichkeit' der betreffenden Unternehmen auszuweisen, mit der Tendenz und dem ersichtlichen Bestreben 'Wissenschaft' nunmehr mittels einer Umkehrung durch diese Techniken und Apparate sowie einen organisierten und institutionalisierten Betrieb zu definieren und zu legitimieren, als Wissenschaft also, kurz gesagt, nur noch zuzulassen, was sich im Rahmen eines kontingenten Machtapparats unter diesem Namen und mittels eines bestimmten sets von Apparaten und Mitteln vor diesem Machtapparat legitimiert.
Und das kann natürlich nur eine 'Wissenschaft', die von diesem Machtapparat 'lizensiert' ist als solche. Man kann sehen, wie sich auf diese Weise die Schwierigkeiten geschickt umgehen lassen, die noch der Machtapparat der feudalen, der bürgerlichen Gesellschaft, und ihrer verschiedenen totalitären Ableger mit der Wissenschaft hatten, und wie der als solcher bisher wissenschaftlich – es sei denn aus eigener Machtvollkommenheit – völlig ununtersuchte und unbestimmt bleibende 'demokratische' Machtapparat (eine vor allem unter dem Gesichtspunkt seines zu erwartenden und sich abzeichnenden globalen Ausgriffs in seiner US-amerikanischen Variante eines milden Cäsarismus bedeutsame Problematik) dieses Problem bisher löst, eine Lösung, die kaum weniger bestimmt ist durch die organisierten Machtinteressen als die auffälligeren, aber eben deshalb weniger wirksamen und zum frühen Scheitern verurteilten älteren Lösungen desselben Problems, dessen Lösung die Verhinderung des historischen gesellschaftlichen und menschlichen Fortschritts ist.
Angesichts der einer Hypnose gleichkommenden Faszination durch die Artefakte der technischen Zivilisation bedarf es eines Genies, um ihre abgrundtiefe und abstoßende Hässlichkeit zu bemerken. Es steckt etwas zutiefst Verzweifeltes in der symbiotischen Besetzung, die ihnen des Schein des Schönen jenseits ihrer bloßen Nützlichkeit beschert, die oft ihrerseits Opfer verlangt, die in keinem ernst zu nehmenden Verhältnis zu dieser Nützlichkeit steht, vor allem angesichts der lebensweltlichen Folgen, die dafür bezahlt werden müssen von denen, die sich dieser 'Nützlichkeiten' erfreuen müssen, sich buchstäblich mit ihr identifizieren müssen, mit fatalen Folgen für ihre eigene Existenz.
Weshalb eigentlich der Umstand ignoriert wird, dass auch die Wissenschaft, sofern sie sich selbst dann, wenn man sie auf die Grundlage dessen reduziert, was in Kommunikation eingehen kann, also in diesem Sinn bereits Resultat einer auf Intersubjektivität gegründeten Reduktion ist, aus der Psychopathologie der Tiergattung Homo sapiens entspringt, wie alle Rationalität ihr abgewonnen ist, insofern also auf exakt jenem komplexen Balanceakt gründet, den man allgemein Kultur und mit Bezug auf die organische Grundlage der Individualität, in der sich Kultur verkörpern muss, um zu sein, so wie sie intergenerationell tradiert werden muss, um sich zu erhalten oder, was auf dasselbe hinaus läuft, entwickelt, Subjektivität oder 'Menschwerdung' nennen muss, denn niemand wird als 'Mensch' geboren, sondern als Gattungsexemplar der Tiergattung Mensch, mit einer gewissen Chance zur Entwicklung zum Menschen, ist angesichts der Fülle der längst vorliegenden Befunde, die ganz unzweideutig darauf verweisen, so dass die Ignoranz ihnen gegenüber, ja der gelegentlich zu bemerkende 'Glaube', sie seien durch 'wissenschaftlichen Fortschritt' oder 'Paradigmenwechsel' überholt oder veraltet, einer sehr viel genaueren Betrachtung wissenschaftlichen bedarf, die sich von solchen 'wissenschaftlichen' Erklärungen nicht irre machen lassen und die Abschiebung solcher Befunde in die nach Art der Physik oder Chemie und Mathematik, so wie sie sich selbst gern erscheinen, fingierte Wissenschaftsgeschichte, die ja auch nicht einfach als ganz und gar interessenfreie Feststellungen for granted genommen werden dürfen, nicht einfach als Voraussetzungen übernimmt, nach denen – in zeitlicher Hinsicht – dann eben alle weitere Wissenschaft betrieben zu werden hat, par ordre de Mufti. Wissenschaft zu betreiben heißt stets auch, diese Befunde als Bestände, als Objekte der Forschung und der immer erneut zu vollziehenden Bestimmung des Verhältnisses und der Identität von Wissenschaftssubjekt und Gegenstand ins Auge zu fassen, auch wenn man sich anhören muss, das müsse doch nicht ständig wieder aufgerollt werden, und wenn man es doch täte, hielte es den Betrieb nur auf, der angesichts der Dringlichkeit ganz anderer Probleme sich nicht ständig damit befassen könne, sich immer wieder auf längst schon Abgelegtes zurückzubeziehen.
Man wird wohl glauben können, dass es sich hier auch um eine Art von Vergangenheitsbewältigung handelt, aber man muss doch zunächst nachgewiesen haben, dass in den Sozial- und Geisteswissenschaften, in den Wissenschaften, die sich mit dem Menschen und der Kultur befassen, das Veralten, Überwinden und Ablegen sich tatsächlich so vollzieht wie die Selbststilisierungen der Wissenschaftsgeschichte etwa der als Science sich verstehenden Wissensformen das von sich selbst erzählen lassen und in der Eigenpropaganda des 'Paradigmenwechsels' gern allgemein verbindlich gemacht sehen möchten. Es ist kaum ein Zufall, dass der Begriff des Paradigmawechsels scheinbar spät als politischer Begriff der Veränderung eine gewisse Karriere gemacht hat. Es mag daran liegen, dass er zuerst einer politischen Idee entsprach, die sich als Impuls einer Unabhängigmachung von der Vorgeschichte, der Tradition angestrengt hat, sich der Autorität der 'hard boiled science' zu versichern, um sich dann aufzumachen, die Welt auf dem Wege ihrer Überredung zu erobern.
Wie schwer es zu ertragen ist, dass weder die Sozialisation noch die Kommunikation Garantien dafür bieten, die Möglichkeit von Wissenschaft gänzlich abzulösen von den Problemen, die die wissenschaftliche Forschung der Psychopathologie bereit gestellt hat, wie schwer es zu ertragen ist, dass vielmehr beide, die Sozialisation wie die Kommunikation Bedingungen der menschlichen Existenz darstellen, die Wissenschaft, wo sie überhaupt möglich wird, nämlich mit der menschlichen, also kulturellen Existenz des Menschen oberhalb des Homo sapiens, auf dem sie aufsetzt und den sie sich kaum jemals wirklich erfolgreich gefügig gemacht hat, unabdingbar an die prekären Umstände anknüpft, die sowohl für die Phänomene der Psychopathologie als auch das Phänomen Wissenschaft vorauszusetzen sind, das ist daran zu erkennen, dass nach wie vor das Wissenschaftssubjekt entweder rein logisch oder als ein System der Wissenshaft zugrunde gelegt wird, als einfache Norm letzten Endes, die Wissenschaft ermöglicht, falls man nicht einfach aufgibt sich darüber noch Gedanken zu machen, oder, was einen Kompromiss darstellen mag, dass man es in der 'Wissenschaftlergemeinschaft', also einem exklusiven Kommunikationsvorgang auflöst, dem man es meint überlassen zu dürfen, die diesen Vorgängen doch mit einer gewissen unleugbaren Unvermeidlichkeit zugrunde zu legenden sozialen bzw. organischen Identitäten unablässig zu renormieren, so etwa wie sich Malebranche die ständige weitere Mitwirkung Gottes an der Erhaltung seiner Schöpfung durch seinen ständig weiterlaufenden Eingriff vorgestellt hat.
Die theologische Form kann einen in diesen Dingen erfahrenen Leser, der nicht an dem Vorurteil leidet, alles, was in theologischer Formulierung an Wissen vorliegt könne keines sein, entspricht nur einer kaum verdeckten Geringschätzung der Intelligenz seiner eigenen Vorfahren, die man ganz unschuldig dann auch in eine karitative und sozialarbeiterisch pädagogische kulturanthropologische Haltung gegenüber zeitgenössischen primitiven Kulturen übersetzen und darin verborgen als altruistische Motive unterbringen kann, wenn man nicht pädophile und touristische Interessen an ihnen nimmt, denen immerhin das psychosexuelle, letztlich inzestuöse Motiv anzusehen ist, das sich mit Rettungsphantasien bekanntlich recht gut verträgt und legiert. Am wirksamsten ist natürlich die gersde wieder Mode werdende wissenschaftlich neutrale und objektive Einstellung, die die Psychopathologie in den Organismus (bzw. die Gene) verlegt und alle Forschung darauf verlegt, damit niemand mehr Zeit findet, sich noch auf andere Möglichkeiten zu konzentrieren (auch das eine Art, mit Hilfe der Politik unter Einschluss von Wissenschaftspolitik ein totalitäres Modell im Rahmen einer Konkurrenz zu realisieren, die auf die Bildung von Oligopolen hinauslaufen kann, die sich mit den erkennbaren Tendenzen einer Reprivatisierung von Wissenschaft im Rahmen von politischen und privatwirtschaftlichen Großorganisationen, letztlich industriefeudalen Verhältnisses, unter denen Partialgewalten in einer Polyarchie um die Vorherrschaft oder die Verteilung von Vorrechten auf die Energien, die die Biomasse des Homo sapiens zur Verfügung stellt miteinander 'wetteifern', was sich bestens mit einer Eingenpropaganda der Großsysteme vereinbaren lässt, die von diesen verkündet und beweist, dass sie unantastbar und unüberbietbar 'demokratisch' seien, und dies wortreich 'begründet', letztlich aber einfach dekretiert, während diese 'Überzeugungen' mittels eines durch ein staatliches Erziehungs- und Sozialisationsmonopol unter den Bedingungen der Zwangsalphabetisierung im Rahmen einer globalen Monokultur (einer bürokratischen Weltanschauung) schon in einem Alter unterhalb des Eintritts der Latenz in die unbewussten Grundlagen des bewussten Lebens der Gattungsexemplare implantiert wird. Es sind aber gerade diese in Arbeit zu sehenden Zugriffe auf die nachwachsenden Generationen, die das Problem erst recht virulent machen.
Stellt man sich einfach den beobachtbaren Prozess zu Ende geführt vor, dann läuft alles darauf hinaus, die frühkindliche Sozialisation möglichst früh zu verstaatlichen ohne damit anders zu verwirkli8chen als ihre Überführung in eine mehr oder weniger mittels eines staatlichen Monopols – an dem die verschiedensten organisierten Interessen nach Maßgabe unter ihnen abgesprochener und gesetzlich verankerter Grundlagen beteiligt bzw. mit ihrer Exekution betraut sind – realisierten großindustriellen Massenherstellungsvorgang zu dem Abschluss zu bringen, der in der Vorstellung einer Hochkultur seit Platons Politeia schon ganz offen angelegt ist. In dieser Industrialisierung der Sozialisation unter dem wachsamen Auge eines staatlichen Erziehungsmonopols, das sich durchaus mit einer Kapitalisierung der Erziehung auf Kosten des Erzogenen, der in einen bezahlenden Klienten verwandelt wird, der bezahlt für das, was mit ihm veranstaltet wird, und dabei Überzeugungen erwirbt, die ihn wirksam daran hindern, sich jemals einer Art der Rechenschaft über das geben zu können, was mit ihm veranstaltet wurde, die ihn zu einer Urteilskraft befähigen könnte, die ihn instand setzte, das Produkt auf eine Weise kritisch zu bewerten, die ihn dazu veranlassen könnte, mit einiger Aussicht auf Erfolg Regressansprüche gegenüber den Herstellern des Produkts, das er ist, und zu dem er 'Ich' sagen lernt, das er als 'seine Identität' zu begreifen gelehrt wird, und das er als 'sein Selbst' identifizieren lernt, während alles, was daran unzureichend erscheinen mag für die, denen er sich zur Verwertung anbietet, dies seinen 'Genen' zurechnen werden unter tätiger Mithilfe einer Wissenschaft, die in der Kulisse der Erziehungslehre und Pädagogik die zu alledem passende Psychopathologie und Nosologie schreibt, ist die auf der Höhe der von Platon nicht voraussehbaren Abweichungen der Zukunft von dem Überblick, den er zu seiner Zeit und in seinem Rahmen – der Polis – hatte, dennoch die Grundidee Platons von jeder Hochkultur in jeder Hinsicht zu sich selbst gekommen. Wenigstens insofern ist der postulierte und gelegentlich beklagte, gelegentlich als Errungenschaft gefeierte Telosschwund der so genannten Moderne keineswegs so unbestreitbar wie es die freilich auf anderes ausgerichten Argumente für diesen Befund zu sein scheinen.
Grob gesagt, läuft der Vorgang der Kommunikation zwischen der organischen Natur des Homo sapiens und seinem Wovonher, der ihn dann, in seiner Wahrnehmung und seinem Urteil lediglich 'umgebenden' oder 'äußeren' Natur durch wenigstens zwei hauptsächliche Filter, bis er sich selbst als Ich und die umgebende Natur ihm als Welt zu erscheinen vermag, also in ihrem Charakter als Kompromissprodukt. Der eine Filter ist konstituiert durch das Verhältnis zwischen seinem Unbewussten und seinem bewussten. Der andere durch die sprachliche Kommunikation.
Auf diese Filter werden andere aufgesetzt, die indessen in verschiedenster Weise auf sie zurückwirken. Andererseits bleiben die Aufsätze von den basalen abhängig.
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Samstag, 26. Juli 2008

Diese Filter sind kultureller Art. Unter den gegenwärtigen Umständen wird auch die Hierarchie dieser kulturellen Filter in eine in erster Linie verwaltungstechnische Hierarchie umgewandelt bzw. als solche repräsentiert, gegliedert nach Bildungsgängen. Aus der Sicht der Nutztierhaltung an der Tiergattung Homo sapiens wird diese Hierarchie zugleich als eine Art Sortiermaschine repräsentiert, aus der die verschieden 'qualifizierten', also für verschiedene Zwecke einsetzbaren, nutzbaren und vor allem verwertbaren Gattungsexemplare hervorgehen. Ihrer inneren Tendenz widersprechen daher auch alle überlieferten Vorbehalte der bekannten Art, wie sie durch Kriterien von der Art der 'Rasse', der Religion, bestimmter Ethnien, Geschlecht usw. Sie sind bestenfalls Nutzungshindernisse und verschwinden daher im Zuge der 'Globalisierung, was immer mit diesem Terminus sonst gemeint sein mag. Man kann das am Beispiel Südafrikas gut illustrieren.
Die gefeierte Beendigung der Apartheid hat eine kleine Zahl von Individuen der einst diskreditierten schwarzen Mehrheit – der Afrikaner – sozial aufsteigen lassen, aber die Aufhebung der 'Rassendiskriminierung' hat an der Struktur der durch die Wirtschaftsweise – die unangetastet bleib wie die zuvor mittels der Rassendiskriminierung erzwungene Eigentumsverteilung – bedingten Klassengesellschaft als Ganzer nichts verändert. Durchgesetzt wurde faktisch nicht anderes als die Garantie der Möglichkeit einer Kooptation von Repräsentanten der zuvor auch politisch von der Repräsentation ausgegrenzten 'Rasse', deren Definition schon zuvor Züge politischer Kriterien trug. Die nicht länger 'diskriminierten' werden jetzt also politisch repräsentiert von Angehörigen ihrer eigenen Rassenzugehörigkeit – falls sie sich nicht per Wahl anders entscheiden – und das ist schon alles. Man sieht, dass die 'Aufhebung' all dieser überkommenen ingroup/outgroup-Muster als Grundlage der Kooptation oder der Nutzung anderer Art den einzigen Sinn hat, 'irrationale', den letztlich verwaltungstechnischen Nutzungskonzepten im Wege stehende und hinderliche 'Reibungsverluste' auszuräumen. Zudem ist der Effekt bestimmter Identifikations- und Projektionsmechanismen, die von Politik und Produktwerbung gleichermaßen genutzt werden, positiv im Sinne der Simulation eines Pluralismus, den das Institutionensystem bereits auf einer anderen Ebene nutzt um eine Oberfläche des ansonsten recht simplen, geradezu verblüffend simplen und im Kern totalitären Apparats der modernen Verwaltungstechnologien zu projizieren, die es erlauben, von Politik in demselben Sinne zu reden wie von der Nutztierhaltung, ganz gleich, was da an 'kulturellen' Illusionen auf der Bühne der Unterhaltung und 'Freizeitbeschäftigung' inszeniert wird, während die erzeugte Oberfläche, mit dem noch als Restbestand mitgeschleppten Kulturgetue bei Feierstunden - in denen die endlich endgültig errungene Freiheit etc. gefeiert wird, mit Vorliebe als ein endgültig in die Vergangenheit überwiesenes einmaliges Ereignis nach Art zugleich der Geburt des Erlösers und eines abgeschlossenen Verwaltungsakts - und Staatsbegräbnissen, also Veranstaltungen, bei denen die herrschende Klasse sich selbst feiert und zugleich ihren nicht eingeladenen Gegnern versteckt droht, eine Vielfalt und 'Differenzierung' des institutionellen bzw. des 'kulturellen' Gefüges simuliert, das die einfache und brutale Mechanik der Betreiber des gigantischen Viehverwertungsunternehmens verdeckt und dem geschwächten bzw. mittels Erziehung, Sozialisation und Bildung von Anfang an systematisch verstümmelten Urteilsvermögen in der Weise entgegenkommt, die in ihrem Zusammenspiel die nutzbaren Resultanten hervorbringt, die den störungsfreien Betrieb möglichst garantieren. Denn das ist der Zweck des Ganzen, sein Telos.
Bewusstsein ist ein FILTER, auf dem ein weiterer, noch schärferer, aufsetzt, Kommunikation. Man könnte sie anthropologische Filter nennen. Alle weiteren, Sozialisation, Erziehung, Bildung, sind kulturelle Filter oder Ableitungen bzw. Spezifikationen von solchen. Die Psychologischen Theorien sind nur Projektionen sozialer Verhältnisse auf bzw, in die Organismen, die sich als Gattungsexemplare des Homo sapiens identifizieren lassen.
Das theoretisch mit einem Riesenaufwand festgeschriebene Verhältnis von Individuum und Gesellschaft muss aus dem sozialtechnologisch betonierten Lager mit seinen sprachlichen Stacheldrahtverhauen und elektrisch geladenen Umzäunungen befreit werden. Das kann nur mittels einer polemischen Umkehrung bewerkstelligt werden, indem man erklärt, um die Stoßrichtung – denn es bedarf eines sehr entschlossenen Stoßes gegen die Oligopolisten, die sich die Kompetenz, also die Nutzungsrechte an Individuum und Kleingruppe ausbildungs-, beschäftigungsrechtlich und 'theoretisch' mit Hilfe des Machtapparats gesichert haben, dem sie als bezahlte Diener zuarbeiten gegen Lizenzierung ihrer jeweiligen, als wissenschaftliche Spezialitäten und Zuständigkeiten aufgemachten Zugriffs- und Verfügungsrechte - zu markieren, ebenso falsch wie sie von der Vergesellschaftung des Subjekts reden, wenn sie nicht nur von der des Individuums reden, davon zu reden, dass vielmehr nichts darauf ankommt, wie das Individuum, und ob es gar als Subjekt erscheint, beliebigen Anderen, oder den zuständigen Spezialisten, die ihm seine Subjektivität oder Individualität nach eigener Machtbefugnis zugestehen oder absprechen, einschränken und mit Vorbehalten versehen oder mit Bedenken erlauben usw. Gleiches, wenn es denn darauf ankommt, kann nur von Gleichem erkannt werden, das gilt mindestens in Hinsicht auf Individuierung bzw. Subjektivität. Ein Behaviorist, Lern- oder Verhaltenstheoretiker oder eine der aus jeder möglichen Melange dieser 'Ansätze' sich zusammensetzenden Schimären, wie sie alle möglichen Institutionen bevölkern, nicht zuletzt, weil das sowohl von der intellektuellen Anstrengung her billiger ist, und weil die damit theoretisierte Verdrängung, Verleugnung, Verkehrung ins Gegenteil usw. (die von Anna Freud beschriebene Kollektion der Abwehrmechanismen dürfte die Grundlagen der tatsächlichen Erkenntnistheorie der Psychologie und der Sozialwissenschaften darstellen, auch wenn das ebenfalls der Verdrängung, Verleugnung usw. unterliegt.) auch mehr im Sinne der bewussten und und unbewussten Absichten der Curricula der Kultusministerien sein dürfte, sieht kaum mehr als eine Ratte in Menschengestalt. Das ist sein Auftrag, auch wenn er/sie ihn selbst – qua Theoriebildung – formuliert und auf dem freien Wissenschaftsmarkt anbietet zur Nutzung, etwa für die Aushebung und Beurteilung von Rekruten, für den Bedarf an Kanonenfutter, dem die us-amerikanische und dann alle Psychologie Aufschwung und Reputation verdankt im Kontext der imperialen Weltkriege der 'Mächte'.
Es kommt darauf an zu zeigen, dass auf die Lebensansichten von Mensch und Welt, wie der Behaviorist und seine Erben bis hin zur Cognitive Science und zur AI kulturell und menschlich gesehen vielmehr nichts ankommt. Sie sind nur so mächtig wie die Imagination derer, auf die sie erfolgreich projiziert wird mittels einer Machtprojektion, die an erhaltene, unbewusst gewordene frühkindliche Strebungen bzw. ihre Frustration sie werden lassen kann, anders gesagt: Sie sind nur so mächtig, einleuchtend als Konzeptualisierungen des Menschen, wie die unerkannten frühkindlichen Strebungen vorwiegend des 'autistischen' bzw. des 'primär symbiotischen' Verhältnisses zur Objektwelt des Neugeborenen bzw. des Säuglings im Stadium seiner Entstehung und Konfiguration im Rahmen der individuellen Triebschicksale, und bedienen sich der 'Ausgänge', der 'Untergänge' dieser 'Komplexionen' in dem Sinne, in dem Freud von dem 'Untergang des Ödipuskomplexes' spricht. Leitend sind hier nach wie vor die Forschungen von Spitz, Erikson und Mahler sowie Jakobson.
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Sonntag, 27.Juli 2008
Was sie vor allem überzeugend zeigen, ist die Naivität, wenn man es nicht eine Perfidie nennen möchte, die in der Plattheit etwa von Piaget steckt, wenn er meint, dass Individuen sich an die 'Realität' anpassen (Assimilation, Akkommodation, Adaptation). Das fällt im Namen des Individuums zurück auf eine primitive erkenntnistheoretische Unterstellung im Begriff der 'Realität'. Die 'Realität' wird dabei wiederum im platonischen, im 'alteuropäischen' Sinne, also im Sinne eines präcartesianischen und eines auch das 'Bewusstsein' bzw. das ihm zugrundeliegende 'Ich, oder 'Selbst' naiv voraussetzenden erkenntnistheoretischen Konzepts einfach als problemlos ergeben unterstellt.
Kaum etwas ist derart zum Kotzen wie in diesem geistigen Tierreich für die eigenen oder die Kinder anderer Mitmenschen 'das Realitätsprinzip' verkörpern zu sollen. Lieber wünsche ich mir doch nie geboren zu sein oder vor meiner Fortpflanzung gestorben zu sein, oder wenigstens dann zu sterben oder in geistiger Umnachtung zu versinken, wenn man endlich (wieder) erkennt, was man da zu tun sich erdreistet hat, dass man sich tatsächlich in der Unmöglichkeit einzurichten versucht hat und dann bloß darum, weil man selbst vergessen hat, worum es eigentlich ging, meint, es müsse für jeden nicht nur zuzumuten, sondern auch zu ertragen sein, was man da verlangt.
Die ganze Ideologie der Anpassung, die von diesen Theoretikern des von ihnen mittels Verallgemeinerung ins Ungefähre erfundenen wurde, und dazu behauptet, in einem Zeitalter des Individualismus diese Theorien zu formulieren, während die faktische Normierung der Individuen zu bloßen Industrieprodukten, die auf Funktionen dressiert werden, und der Individualismus der einer einsamen Masse ist, deren Verfügbarkeit für organisierte Interessen das einzige Leitmotiv ihrer absoluten Vereinzelung auf Kosten von allem ist, was Kultur und Mensch dem Begriff nach einmal meinen mochten, also die Existenzweise eines Sklaven, der ohne die Vorteile der Sklaverei sein Dasein, sein Vegetieren bewältigen soll und dazu ständig noch gute Laune mitzubringen hat, ist eine beflissene Verbeugung, Schwanzwedeln von Kötern, die für die Garantie ihres Futters alles zu tun bereit sind und dafür dann die Gründe nennen.
Das ist dann die 'Theorie' des Menschen und der Gesellschaft, für die sie sich dann als ''Meisterdenker' feiern lassen von einer Bande von Speichelleckern, die in ihrem Kielwasser schwimmen um sich derselben Vorteile mit sehr viel weniger Aufwand an Hirnschmalz zu versichern, indem sie vom Kopieren leben. Der Umstand, dass alle diese 'Theoretiker' bei Licht besehen zunächst ganz einfach Beamte oder jedenfalls bezahlte Interessenvertreter organisierter Interessen sind, deren Hintergrund das Gewaltmonopol der verwalteten Welt ist, muss ein hinreichender Anlass sein dafür, dass man dieser sprachlichen Selbstdarstellung ganz einfach bestimmbarer Interessen nicht abnimmt das 'Realitätsprinzip' schlechthin zu sein und nicht einmal bloß zu repräsentieren. Denn wenn man ein Verhältnis von Repräsentierendem und Repräsentiertem zulässt als Grundlage dieser Betrachtungen, dann ist ja sofort ersichtlich, dass das Repräsentierte auch unangemessene Repräsentanten haben kann, am Ende gar, dass die Repräsentanten bloß eine Bande von Putschisten sind, die auf dem Wege einer Palastrevolution zu ihren Positionen gekommen sind, um dafür zu sorgen, dass der unmündige Souverän bleibt, was er ist, und dass das in diesem Fall in erster Linie bedeutet, dass er unmündig bleibt, auch dann, wenn er 'volljährig' geworden ist.
Es gibt kein kulturell geregeltes Verhältnis von (quantitativer) Arbeitszeit und (qualitativer) Lebenszeit (mehr). Es ist aber ein wesentliches Merkmal aller Kultur, wenigstens in repräsentativen Formen der Existenz, die kulturelle Sanktion genießen, ein solches Verhältnis entweder in ausgewogener Form der Lebensführung, oder, in besonderen Fällen, einzelnen Existenzen oder Existenzformen ausdrücklich eine so weitgehend wie möglich qualitative Formung zuzuweisen. Der Buddhismus ist dafür bekannt, dass er ganze Gesellschaften auf dem qualitativen Prinzip der Zeit des Lebens aufzubauen imstande sind, und das sonst der Tendenz nach in allen Hochkulturen mehr und mehr vorherrschende Prinzip der Nutztierhaltung weitgehend zurückzudrängen oder in das 'Licht' der Sanktion des qualitativen Prinzips getaucht zu verklären.
Es ist dem säkularen Staat vorbehalten, das Prinzip der reinen Nutztierhaltung, der Vernutzung der Lebenszeit als einer quantitativen Größe – einmal abgesehen von dem den Quantitäten dieser Zeitauffassung zugewiesenen Wert, der als Geldwert ausgedrückt wird, oder dieses Lebens jenseits aller Verwertung gar als nutzlos, weil geldwertlos ausgrenzt und der diskriminierten, diskreditierten, entwerteten Vermüllung überlässt. Man mag das für einen Fortschritt gegenüber der Verwendung der Schlachttiere der Kriege älterer Hochkultur(en) feiern, wenn man nicht im Übrigen der von der Plakatsäule abgelesenen zynischen Meinung ist, dass 'das doch schon immer so war', also dass es einem scheißegal ist, eine Haltung, die sich erfahrungsgemäß mit dem Vorsitz im Elternbeirat des örtlichen Gymnasiums oder auch mit der des Pädagogen oder Studienrats verträgt, beides also eher typische Rationalisierungen einer Haltung, die entweder 'Selektion' im Namen der je eigenen Nachkommen befürwortet oder eine professionelle Haltung mit einem guten gewissen versorgt, die sich ansonsten mit der Möglichkeit konfrontiert sehen könnte, dass alle 'Leistungen' der ihnen anvertrauten Zwangsklienten auch Spiegelungen ihrer eigenen Handlungen sein könnten.
Das nahezu unwidersprochen vorherrschende Prinzip der 'Zeit der Bahnhofsuhren' , die inzwischen kontinentweit zentral gesteuert werden, ist erklärungsbedürftig, und nicht selbstverständlich. Bekanntlich macht sich die Dummheit dadurch unsichtbar, dass sie riesengroße Ausmaße annimmt, und das gilt selbstverständlich auch für andere Zustandsbilder des Bewusstseins oder 'states of mind'. Das Scheißleben, eine im Wesentlichen vegetative Existenz, der nur der kompensatorische Größenwahn, die größenwahnsinnige Kompensation, das, was man an Bewusstsein an sich vorfindet, müsse also auch das eigene und daher auch und obendrein ein 'Selbstbewusstsein' sein, zumal unter dem Eindruck des Grenznutzenprinzips des Wirtschaftswissenschaftlers Gossen, das sich als unbemerkte Begleiterscheinung des von Malthus schon bemerkten Problems der explosiven Vermehrung der Tiergattung Homo sapiens, ist rein quantitativen, nach Abschnitten und Formalismen nach Art einer Regelkarriere schematisch vorstrukturierten 'wissenschaftlichen Theorie' unterworfen, die der verwertungstechnischen Vernutzung des Gattungsexemplars dient, das mit Attributen des 'Menschen' in dem Maße behängt wird, in dem es sich angesichts seiner Vernutzung auch bewährt.
Das Ende dieser Massenexistenzen in einer Vergesellschaftungsform, von der man fassungslos angesichts der für diese Auffassung vorauszusetzenden Ignoranz und Verblödung unverändert und ungeachtet aller noch so beschleunigten Veränderung einerseits, aller Reduktion auf quantitative Größen andererseits, und aller Stereotypisierung und Normierung entlang von sei es an der Ratte oder an technischen Artefakten industrieller Massenproduktion, aller Brutalitäten der rücksichtslosen Nivellierung nach unten (man hatte ja einmal an eine nach Oben gedacht) zum Trotz, zur Kenntnis zu nehmen hat, dass es sich um das Zeitalter des Individualismus handele, ist ein zum Geschäft gemachtes Verscharren von Namenlosen Massenexistenzen.
Denen korrespondiert der Massentod von Hunderttausenden, der nebenher in einer Woche begangene Genozid an einer Halben Million von Gattungsexemplaren anlässlich einer Flutwelle oder eines Hassausbruchs gelegentlich von Stammesauseinandersetzungen, die zu dieser ungeheuerlichen Form angesichts der Verbreitung von automatischen Waffen auflaufen (man lese die Bhagavadhgita noch einmal durch, um sich über die Mentalität dieser angeblich dem Kommunismus oder dergleichen geschuldeten Seelenverfassungen zu überzeugen, deren ungeheure Amplifizierung durch die Beispiele der westlichen Eroberer schon längst vorbereitet waren, noch bevor diese diese Mentalität als Grundlage für ausgedehnte Waffengeschäfte entdeckten, die in den 'Heimatländern' dieser Waffenproduzenten und -händler Arbeitsplätze schufen und Familien von Überernährten, sozial und kulturell Verwahrlosten und gedankenlosen Teilpopulationen begünstigten, die aufjaulten unter ihren Gewerkschaftsbossen, wenn man ihre Absichten, es sich selbst und ihren Nachkommen besser gehen zu lassen auch nur bedrohte mit der Erwägung, den Handel und damit auch die Produktion dieser Waffen sei es auch nur einen hauch einzuschränken.) während sie sonst, traditionell, oft kaum Opfer in diesem Ausmaß gekostet hätte. Die Plötzlichkeit, mit der Jahrtausende alte Kriegertraditionen zur Katastrophe von Kulturen geführt hat, unter denen die Folgen der Besatzung durch eine aus jungen Männern aus westlichen Armeen bestehenden Besatzungen und der Massentourismus nur Varianten darstellen, illustriert nur den Charakter dieses Fortschritts einer sozial und kulturell unter dem Eindruck der rechnerisch-wirtschaftlichen Dispositionen machtgestützter Verwertungs- und Nutzungsinteressen einer als Nutztiere bewirtschafteten Biomasse der Tiergattung Homo sapiens. Der Prozess der brutalen Nivellierung hat aber neben seinen 'wissenschaftlichen' Überhöhungen, die sich auf eigenartige Weise als 'wissenschaftliche Leistung' exemplarischer Art, also als Beispiele des gewollten Menschentyps feiern (lassen, von den Mächten, denen sie dienen) und zugleich alle in derselben Weise darauf hinaus laufen, den Menschen zugunsten eines an niederen Säugern und Nagern anexerziertes Modell einer bloßen organischen Existenz, einer zufälligen Form des Lebens, das wesentliche Eigenarten auch der Bakterie zeigt, wann man nur die Ausbreitung der so genannten Menschheit auf dem Globus und gar darüber hinaus als Vorgang in einer Petrischale auffasst, der dabei ist, einen gewissen 'overspill' im großen Labor des erdnahen Vakuums zu verursachen, auf eine ungemein aggressive und sofort ersichtlich geradezu menschenfeindliche Haltung gegenüber aller kulturellen Überlieferung und gegenüber jedem Konzept des auf die Höhe seiner Möglichkeiten gekommenen Menschen zu reduzieren. Sieht man genau hin, dann ist das einfach eine unter Hinweis auf die niedersten Formen des Lebens rationalisierter systematischer Angriff auf Kultur und Mensch als Konzeptionen des menschlichen Lebens, also als Konzeption, die ebenso wie Wissenschaft, und ihre Voraussetzung, vielmehr dieser voraus und zugrundeliegt.
Der Umstand, dass es die USA sind, in denen sich diese 'Konzeption' hat in der reinsten Form, als Pragmatismus hat durchsetzen können, ist einer gesonderten Untersuchung wert, und hat mit Sicherheit Wurzeln in der jüngeren politischen Geschichte des nordamerikanischen Kontinents, und in dem durch diese als 'Besiedelung' verharmlosten und verniedlichten oder als 'Eroberung', also als Leistung und Erfolg möglicherweise missverstandenen geformten Sozialcharakter einer Emigrantenzivilisation, in der sich die Selbstgerechtigkeiten des für sein eigenes Tun ganz blinden Puritanismus und die Mentalität des aus Europa ausgespieenen Mobs mit der von kulturell Malcontents und Dissidenten auf eigenartige Weise zu einer wohl einzigartigen Melange von Blindheit, Rücksichtslosigkeit, Dreistigkeit, Brutalität, Mordinstinkten und Aggression, und einer jederzeit zum Angriff bereiten Selbstrechtfertigung gar in religiösen, auf einen Gott gestützten Ideologie geführt hat, deren bewaffneter Erfolg auf der Grundlage der unersättlichen Gier, die das wesentliche Motiv dieser Mentalität ausmachen dürfte, die Fortexistenz der Gattung ohne Zögern bedrohen wird, mit der möglichen Folge einer selbstmörderischen letzten Aktion angesichts des sich abzeichnenden Endes dieses Erfolgsweges, der so unausweichlich ist wie das Ende aller anderen Imperien der Vorgeschichte der menschlichen Existenz, zu der es am Ende nicht mehr kommen wird.
Das macht ihre Idee nicht weniger bedeutsam, denn im Vergleich dieser immerhin nicht zu leugnenden immanenten Zielvorstellung aller Entwicklung von Kulturen, aller technischen und durch Arbeit, Wissenschaft und Kunst erlangten und zugleich ausgedrückten, dem zu sich selbst gekommenen menschlichen Leben, ist diese Realisierung als Verfehlung hinreichend ersichtlich. Und ohne sie verliert alles dies, so imponierend die in der Gegend stehenden, die sie mit Artefakten verpestet, kaum mehr als eine Art von Kontamination, Exkremente einer von ihrem eigenen Energieumsatz am Ende vergifteten Lebensform, die in diesen Exkrementen erstickt ist.
Das erfasst auch die 'Eliten'. Sie sind nichts als emporgekommene, kleinbürgerliche Beutemacher und Proleten, mit dem Unterschied, dass sie zu Geld oder Macht gekommen sind. Beherrscht sind sie von triebhaften Impulsen, denen die von ihnen funktionalisierte Sprache als Rationalisierungsmechanismus dient. Das Motto ist, dass Frechheit siegt. Tatsächlich ist die Diktatur des Proletariats alltägliche Realität, denn kaum anderes als dies drückt sich aus in der Repräsentativität der Repräsentanten. So lächerlich das Spektakel des luxurierenden Beuteadels gewesen ist, den die proletarisierten Kulturen abgesprengt haben, so richtig ist es, dass das im Gegensatz den Ideen der Theoretiker der heraufkommenden Industriegesellschaft angesichts der sich abzeichnenden Möglichkeit der Aufhebung des mangels und daher des Streits um das Mehrprodukt das Ganze der Gesellschaft liquidiert wurde zugunsten einer Nivellierung nach unten, die von den mit Artefakten behängten Aufsteiger lediglich schwach überdeckt wird. Faktum ist die Proletarisierung, die Auflösung aller Kultur in einer verwalteten Nutztierhaltung, die das Individuum zur Verwahrlosung geradezu zwingt. Der Eindruck kultureller Entpflichtung und Unverantwortlichkeit, der sich dem Verhalten der opportunistischen Aufsteigern entnehmen lässt, aus denen sich die 'Eliten' rerkrutieren, ist nichts als das caput mortuum jahrhundertelanger Erfahrung der Knechtschaft und des Terrors der Herrschaft, die die Empfehlung geradezu kommuniziert, dass jeder zusehe wie er sich selbst rettet.
Nur dass diese Methode nirgendwohin führt als in ein soziales und gesellschaftliches Nichts. Die Verlogenheit, die sich in der 'Trahison de Clercs' längst vor dem Untergang des Christentums in den religiösen Bürgerkriegen des Kontinents vorbereitet hatte, hat in der Zwischenzeit problemlos den Übergang auf die soziale Grundhaltung der 'wissenschaftlichen Eliten' geschafft, die in ihre Fußstapfen getreten sind und sich sogar in den Ruinen der Kirche Gottes als Mitesser bequem eingerichtet haben. Die Kooperation ist problemlos, nach der Devise: Eine Krähe... und Wasch' mir den Pelz... koordiniert ist mit dem überkommenen Traditionalismus. Die Teufelsaustreibung koexistiert in derselben 'Einrichtung' problemlos mit der wissenschaftlichen Psychiatrie und der Pharmaindustrie. Die Medizin profiliert sich unter Außerachtlassung der Befunde 'schwerer zu verstehender' wissenschaftlicher Ergebnisse der Erforschung des Menschen auf die die technisch bewältigbar erscheinenden Aspekte der Existenz und klammert dabei vor allem Zusammenhänge aus, die den Organismus mit seiner Welt, einer menschlichen Welt verkoppeln.
Das mag zugleich zu einer Sprache führen, in der sich die Überzeugungen der Wissenschaft mit den Vorurteilen der Klienten zu einem lukrativen und u. U. Auch hilfreichen Kompromiss treffen, der auch die beteiligten Industrien zufriedenstellt. Aber es führt auf einer abschüssigen Bahn zu einer Reduktion des Menschen auf einen tierischen Organismus. Die Therapien sind auch in Zoos anwendbar und kommen den dortigen Restopulationen der ausgerotteten Tierarten entgegen, die sozial in Gefängnissen konserviert werden aus sentimentalen Gründen, der Ahnung, dass die so erfolgreiche Tiergattung des Homo sapiens nur zu bald recht einsam sein wird auf dem Planeten, wie alle Unersättlichkeit eines durch keinen Gegenhalt zu beschränkenden 'Selbsterhaltungswillen', der kaum mehr die ihm im Terminus, der ihn bezeichnet, zugeschriebene Funktion erfüllen dürfte. Die Larmoyanz der Neomythien, die die Aggression dieses Allesfressers auf die gesamte übrige Welt des Lebendigen projiziert, wo sich eine Konkurrenz auch nur andeutet, ist die erstaunliche Kehrseite einer mörderischen (Neu)Gier, die auf keine Weise daran zu hindern ist, überall einzudringen auf der Suche nach Beute und sich zugleich völlig unkenntlich wird in den psychopathischen Monstern, die ihre Phantasie mittels dieser Projektion in der Umgebung auf die Leiber anderer Lebensformen zeichnet.
Die der Sozialarbeit zugrunde liegende Theorie ist das Resultat einer Methode, die das verbreitete naive Vorurteil über das 'Soziale' oder 'die Gesellschaft', das wesentlich auf abgelebten, durch wissenschaftliche Befunde, die man erst nehmen kann, kaum oder nur zufällig gestützte traditionalistische Bewusstseinsverfassungen fundiert ist, durchsetzt von mehr geglaubten, als gewussten Überzeugungen, auf den Begriff seiner selbst bringt. Im Kern ist das Syndrom ebenso unbelehrbar wie ungelehrt und aggressiv. Es ist die Mentalität eines gemeinen Marktweibs vom Stil Shakespeares, moderiert durch eine Milde, die sich der Ausräumung jedes intellektuellen Widerstandes verdankt, eine Milde und Sanftheit, die man manchen 'Christen' als die Methode ihrer Heuchelei anmerkt, in der sich eine kaum verhüllte Rechthaberei mit einer Dummheit mischt, die diesen Brustton der Überzeugung hervorbringt, der sich der langen Praxis als Grundschullehrerin verdankt, die in die Politik geht oder in die praxisbezogene Reflexion. Was sich da zum Allgemeinen macht, ist die Zusammenrottung der Mittelmäßigkeit und des Ressentiment, die sich selbst zum Maßstab des Menschen erheben, der das Maß aller Dinge ist, jedenfalls wenn man sich diesen Überzeugungen anschließt.
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Mo, 28. Juli 2008
Die so genannte Menschheit ist unter energetischen Gesichtspunkten ein Motor, eine Wärmekraftmaschine, die den überschüssigen Teil der erzeugten Energie zur Vergrößerung des Motors verwendet. Die Maschine ist ansonsten um ihrer selbst willen da. Sie arbeitet um sich Energie zuführen zu können, und verarbeitet Energie um zu sein. Überschüsse gehen in die Vergrößerung der Maschine. Die Verbrennungsreste sind CO2, etwas Kalk und einige Spurenelemente, Wasser. Das Ganze funktioniert also entsprechend den thermodynamischen Gesetzen. Will man polemisch sein, dann kann man das Ganze auch als ein riesiges kollektives Tier auffassen, etwa einen Wurm, der an einem Ende ein riesiges Aufnahmeorgan hat, an das sich ein enormer Verdauungsapparat anschließt, der in ein Ausscheidungsorgan ausläuft. Wir machen dabei keinen Unterschied zwischen dem Verzehr von Energie oder Ballaststoffen, wie Baumaterialien, Metallen usw. durch industrielle Verfahren und Produktionsvorgänge.
Aller Umsatz wird einfach als Verzehr, als Nahrungsaufnahme aufgefasst, ganz gleich ob es sich um Milch, Fleisch, Käse oder Metall bzw. Plastik oder Brennstoffe, Elektrizität etc. handelt. Der Vergleich mit einem Tier kommt der Sache deshalb näher, weil es sich ja um eine Lebensform handelt. Eine Maschine hätte entweder kein 'Motiv' zu ihrer Entstehung, aber mehr noch kein Motiv zu ihrer Selbsterhaltung. Das kennt man nur von Lebensformen, wenn man nicht die Trägheit der Materie als Beispiel einführen will. Dieses Riesentier, das auch einer Amöbe ähnlich sein kann, wenn man die Art seiner Ausbreitung auf der Oberfläche des Planeten ins Auge fasst als Vergleichsgesichtspunkt, nimmt alle auf eine bestimmte Art Proben von allen Materialien, über die es hinweg gleitet, prüft sie auf ihre 'Essbarkeit' und verleibt sie sich dann ein, verändert dabei seine Form, indem es einerseits seine Aufnahmeorgane, dann seine Verdauungsorgane verändert und hinterlässt, wo es gewesen ist, eine Spur seiner Anwesenheit in Form seiner Exkremente oder in der Gestalt abgeweideter, ausgeweideter Landschaften. Während es unterwegs ist, passt es seine Größe jeweils auf dem Wege der Energieaufnahme und der Verarbeitung von aufgenommenen Stoffen an die Verfügbarkeit von beidem an.
Auf diese Weise kann es sowohl sehr groß sein als auch sehr klein. Die unterste Grenze seiner Größe ist allerdings durch die Eigenart der Individuen, aus denen es sich zusammensetzt determiniert, sowie durch die Art der 'Zellvermehrung', wenn man die Individuen, wie z. B. bei Schwämmen, als Zellen betrachtet, von denen es jeweils zweier, gegengeschlechtlicher und geschlechtsreifer solcher Zellen bedarf, um eine weitere männliche oder weibliche Zelle zu generieren. Diese Details der Beschreibung haben indessen keinen weiteren Zweck als den, den Riesenorganismus als eine Wärmekraftmaschine zu umreißen, der ein 'Motiv' ihrer Existenz in Form der 'Selbsterhaltung' vorangesetzt ist – man wird sehen, dass diese Charakterisierung nicht korrekt ist, und zwar deshalb, weil diesem 'Motiv' kein Aspekt der Selbstbegrenzung in Einschätzung der verfügbaren Möglichkeiten und Ressourcen entspricht, das erst ein vollständiges Modell eines Motivs der Selbsterhaltung ausmachen könnte.
Das liegt gewöhnlich deshalb nicht ohne Weiteres zu Tage, weil die begrenzenden Aspekte des vollständigen Motivs der Selbsterhaltung für das Leben – Maschinen haben keine Selbsterhaltungsimpulse, weder die 'halbierten' noch die vollständigen – im Fall des Lebens und der Lebensformen gewöhnlich in die 'Umwelt' verlegt sind bzw. neutral gesprochen, in die Umgebung des Lebens, anders gesagt: Die Begrenzung des Lebens einer Lebensform ergibt sich gewöhnlich – unter den auf der Erde gegebenen Bedingungen – von selbst, und 'kontrolliert' derart die Uferlosigkeit der Ausbreitung. So 'kontrolliert' die Lebensumgebung der Pflanzenfresser – abgesehen von der Verfügbarkeit von Pflanzen als Nahrung – in Gestalt der Carnivoren die Ausbreitung der Pflanzenfresser etc.
Die Anzahl der Polarfüchse und der Schneehasen pendelt um einen Gleichgewichtspunkt auf der Grundlage der Nahrungsressourcen für die Schneehasen. Anders ist das, wenn ein Allesfresser von der Art des Homo sapiens sich als ein kollektiver Organismus technische Verlängerungen seiner Extremitäten und Sinne sowie bestimmter geistiger Funktionen 'anschafft' um auf dieser Grundlage die Anzahl seiner 'Zellen' zu vermehren, bis er schließlich alle 'Kontrollen', die seinem Wachstum entgegenstehen bis auf die energetischen und stofflichen Grundlagen seiner Existenz beiseite zu räumen vermag mit dem Ergebnis, dass ihm nun keine Grenzen seiner einseitig gerichteten Selbsterhaltungsimpulse mehr im Wege stehen, jedenfalls nicht mehr in der Gestalt einer anderen, und nicht einmal mehr in Gestalt seiner eigenen Lebensform.
Es gibt dann keine Grenze seines Ausgriffs auf die Umgebung mehr, und da er sich alles 'essbare' einverleiben kann sind seinem Wachstums keine Grenzen mehr gesetzt außer in der Form der Begrenztheit der Ressourcen an Energieformen und Stoffen. Da er derart die alles dominierende Lebensform ist, dienen die noch vorhandenen anderen in erster Linie als Energiereservoirs für seine eigene Existenz, und das kann sich in entsprechenden Methoden der Vorratshaltung (Viehzucht und Landwirtschaft usw.) darstellen, aber es kann sich auch 'nach Innen' wenden in der Vorratshaltung von 'Zellen', die als Arbeitseinheiten in den Verzehr, entsprechend der Nutztierhaltung gehen können, und die Probleme, die dabei auftreten, können reguliert werden durch eine geregelte Zuteilung von Anteilen an den verfügbaren Energien, deren Zufuhr über Wohl und Wehe der einzelnen Zelle entscheidet. Und tatsächlich ist zu sehen, dass die Bestrebungen dahin gehen, diese Regelungen möglichst so zu konfigurieren, dass Konflikte in diesem Organismus, die einen Hinderungsgrund für die Arbeitsweise des Gesamtorganismus darstellen könnten, möglichst ausgeräumt werden. Darauf müssen selbstverständlich bestimmte Energiequanten aufgewandt werden, aber hier geht es dann wieder um die Minimierung dieses Aufwands usw.
Man kann einmal annehmen, dass alle diese Maßnahmen endlich befriedigende Resultate erzielen, so dass dieser Riesenorganismus endlich optimiert funktioniert und alle noch verfügbare Überschussenergie kann in das Wachstum investiert werden. Man kann dabei vom Finanzmarkt und seinen Spezialproblemen absehen. Dann gibt es keine prinzipiellen Wachstumsgrenze dieses Organismus mehr, zumal denkbar ist, dass er Teile abspaltet, die selbständig und gesondert ohne Verbindung mit dem Hauptorganismus zu haben, jedenfalls ohne solche in Hinsicht auf die Notwendigkeit eines energetischen Austauschs zu haben, und ohne dass dieser ausgeschlossen sein müsste. Dann ist das Wachstum einzig abhängig von den verfügbar zu machenden Ressourcen, also der Gesamtheit der verfügbar zu machenden Energien und Stoffen, wobei die Verfügbarkeit von Energie die Hauptsache ist insofern von ihr abhängt, was wie verarbeitet und derart einverleibt werden kann.
Die Nutzung abhängiger Arbeitskraft ist, ob Sklaverei, Leibeigenschaft oder Lohnarbeit, eine Sublimierung des Kannibalismus, in jedem Fall. An dieser unangenehmen Einsicht führt nichts vorbei. Das Verhältnis des Tierherdenhalters, des Nomaden, zu 'seiner', den anderen Carnivoren, den Nahrungskonkurrenten um dieselbe Nahrungsgrundlage, die Herde der Pflanzenfresser, abgerungene Monopolstellung in Bezug auf die Möglichkeit der Ernährung vom Fleisch der Herde, und damit von den in Gestalt dieses Fleisches zur Verfügung stehenden Energien, das durch das Christentum bezeichnend umgedeutet wird (sublimiert) zum Verhältnis des Guten Hirten - und seinen Hirtenhunden - zu 'seinen' Schafen (was bedeutet: Der Wolf jenseits des Pferches ist der gemeinsame Feind von Schaf, Hund und Hirte (!)), ist das Selbstverhältnis der Tierart des Homo sapiens zu sich selbst als Einheit von Fleisch- und Pflanzenfresser.
Die Funktionsteilung sowie die Fresshierarchie, die im Verhältnis von Fleischfressern und Pflanzenfressern so augenfällig ist, wiederholt sich in dem Binnenverhältnis der Art zu sich selbst und in der Metaphorik vom Guten Hirten und seiner Herde konfiguriert sich bereits das Verhältnis aller organisierten Gewalt und Herrschaft von dem Moment in dem die Verfügbarkeit eines erwirtschafteten Überschusses übergeht in die Erpressung und die Knechtung von Gattungsexemplaren der Tierart Homo sapiens durch eine mehr oder weniger organisierte Bande von Gewalttätern, die sich diesen Überschuss aneignen, sei es auch zunächst 'zum Schutz' der Anderen, zu deren Ausbeutung und Einschüchterung und Unterwerfung sie mehr oder weniger sogleich übergehen, und sei es zunächst bloß in der Form, dass sie die – natürlich von Außen - drohenden Gefahren übertreiben, um durch Einschüchterung mehr aus ihnen herauszuholen, ein Mehr, das sogleich wiederum gegen die derart Geschützten eingesetzt werden kann.
Letztlich konfiguriert sich längst bevor die religiöse Metaphorik das kannibalische Selbstverhältnis der Gattung zu sich selbst, wie es in den vermehrt auftretenden Eroberertypen begegnet, die an der Spitze von organisierten und bewaffneten Banden über die sesshaft gewordenen Horti- und Agrikulturen herzuziehen beginnen, dieses Selbstverhältnis und seine faktische Konsolidierung in der sublimierten Rhetorik des Verhältnisses von Gutem Hirten und Herde hermeneutisch 'reformulieren', bereits das 'Gewaltmonopol' des säkularen Staats, in dem das Prinzip der Massentierhaltung an der Tierart Homo sapiens zu seiner reinsten, und technisch rationalsten Form ausgebildet erscheint. Das ist das Geheimnis der Entzauberungsthese Max Webers, die in der Tat ein Maximum an 'Sublimierung', an Unkenntlichmachung, eine auf die Spitze getriebene Mystifikation eines kannibalischen Verhältnisses der Art zu sich selbst so gut manifestiert wie verbirgt, in demselben Verhältnis, in dem der latente Traumgedanke durch seinen manifesten Inhalt zugleich dargestellt und verborgen wird.
Das ist auch das 'verborgene Mysterium', das Geheimnis des Christentums, auf das seine Priester stets in Gestalt des Gekreuzigten (also einer vor zweitausend Jahren zeitgenössischen Form des Verfahrens mit 'Terroristen' und 'Widerständlern', wie sie unverändert typisch ist für Imperien, die ihr Gewaltmonopol im Namen des Guten und der besten aller Welten durchzusetzen bestrebt sind, und wer, außer einem Terroristen wollte ihnen das übelnehmen, so als gäbe es dazu eine Alternative, es sei denn man wolle den schon erwähnten Wolf, die einzige Alternative, die den Monopolisten einfällt, an die Stelle des Guten Hirten setzen, der ja selbst schon der Wolf ist, nur, wie er meint, viel berechenbarer als dieser. Und darum geht es ja: Rechtssicherheit in Hinsicht auf die Schlachtungen und ihre Nutznießer.) seit ihrem Anschluss und der endlichen Übernahme des Imperiums öffentlich aushängen lassen.
Aber das Geheimnis hat noch eine zusätzliche Dimension: Die Selbstermächtigung der Priesterschaft zur Herrschaft über die frühkindliche Existenz und alle ihre späteren Abkömmling in der seelisch-geistigen Verfassung des Erwachsenen, so wie der Machtapparat ihn versteht und heranzieht. Exemplarisch dafür ist die Einübung der Gewohnheit eines kannibalischen Akts, in dem der seinerzeitige Terrorist und Widerständler, der in einem politischen Prozess hingerichtet wurde von einer Melange aus regionalen un imperialen Interessenkonstellationen und unter begeisterter Beteiligung des Mobs, symbolisch verzehrt und sein Blut symbolisch getrunken wird.
Das macht alle Nachwachsenden zu Komplizen an dem organisierten Kannibalismus von frühen Kindesbeinen an und lässt die komplexe Identifikation mit dem kannibalischen Opfer sowie die projizierten Aggressionen prägenitaler und ödipaler Art mit einem internen Objekt verschmelzen, das auch Ich-Objekt-Anteile an sich zieht, die ein funktionales Einverständnis mit der strukturellen Gewalt und der im gelegentlich immer noch so genannten 'sozialen Leben' investierten gewohnheitsmäßig normalisierten Aggression und die passive Hinnahme ihrer Todesopfer ermöglicht und zu einer im Wesentlichen sado-masochistischen Identifikation ausreift, die die Grundlage für die Kooperativität der Individuen durch alle Stufen der sozialen Hierarchien sichert und in der Regel keine Konflikte verursacht, wie sie etwa durch einen sozialen Aufstieg verursacht werden können, wenn die sei es auch zunächst potentiellen Opfer in die Funktionen von Tätern einrücken. Es ist zu vermuten, dass diese Identifikation so wirksam sind, dass sie sogar die 'Leistung' ermöglichen und tragen können, die eine Opfergruppe bei einem mehr oder weniger unvermittelten Übergang in eine Tätergruppe quasi kulturell vollzieht, was ja sonst an ein Mysterium, an ein Wunder grenzen müsste. Derart dürften also auch Außenseitergruppen in einer dominanten 'Kultur' des umrissenen Typus viel weitergehend von dem dominanten Prinzip der Sozialisation durchdrungen sein als man meinen könnte angesichts des Narzissmus der kleinen Differenzen, der den kulturellen Unterschied zwischen der 'Kultur' des Außenseiters und der des der dominanten Umgebungskultur zu konstituieren scheint, an dem sich die wechselseitigen Identifikation so oder so entzünden.

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