Traumzeit II.
Teil 2. 2.
Fünfundfünfzigster Traum:
'Der Traum des Pharao'.
“Und der Herr erschien Salomon zu Gibeon im Traum des Nachts und Gott sprach: ‘Bitte, was ich Dir geben soll’, Salomon sprach: ’Du hast an meinem Vater David, Deinem Knecht, große Barmherzigkeit getan, wie er denn vor Dir gewandelt ist in Wahrheit und Gerechtigkeit und mit aufrichtigem Herzen vor Dir, und hast ihm auch die große Barmherzigkeit erweisen und ihm einen Sohn gegeben, der auf seinem Thron sitzen sollte wie es denn jetzt ist. Nun, mein Gott, Du hast Deinen Knecht zum König gemacht an meines Vaters David statt. Ich aber bin noch jung, weiß weder aus noch ein. Und Dein Knecht steht mitten in Deinem Volk, das Du erwählt hast, einem Volk, so groß, dass es weder seiner Menge niemand zählen noch berechnen kann. So wollest Du Deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, damit er Dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dies Dein mächtiges Volk zu richten? Das gefiel dem Herrn gut, dass Salomon darum bat. Und Gott sprach zu ihm: ‘Weil Du darum bittest, und bittest weder um langes Leben, noch um Reichtum, noch um Deiner Feinde Tod, sondern um Verstand zu hören und recht zu richten, siehe, so tue ich nach Deinen Worten. Siehe, ich gebe Dir ein weises und verständiges Herz…” (AT I. Könige 3, 5 ff)
Liebe Rebecca, Donnerstag, 31. Juli 2008
Es mag widersprüchlich wirken, wenn ich Dir nach einer Ankündigung, gewissermaßen verschwinden zu wollen, nach so kurzer Zeit bereits erneut schreibe. Ich meine aber, dass sich der scheinbare Widerspruch noch klären lassen kann im Verlauf der weiteren Mitteilung. Zunächst möchte ich aber einen Scherz wiederholen, den ich mir bereits Annegret gegenüber erlaubt habe, als ich ihr unter Hinweis auf Dein anhaltendes und eigentlich recht lautes Schweigen mir gegenüber einen Vergleich mit der gegenwärtig noch immer nicht eingestellten Suche nach extraterrestrischen Intelligenzen vorschlug, der impliziert, dass der noch immer gesuchte Beweis für die Tatsache der Existenz von fremden Intelligenzen im Universum außer ‚uns’ längst vorliegt, und dass das nur deshalb nicht bemerkt wird, weil die mit der Suche befassten Intelligenzen sich ohne es zu wissen darauf festgelegt haben zu wissen, wie dieser Beweis aussehen müsste, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass sie sich damit den Weg zur Erkenntnis versperren.
Im Kontext ‚wissenschaftlicher Kreativität’ und künstlerischer Phantasie und Produktivität sind derartige Sachverhalte schon des Öfteren erörtert worden. Zum Beispiel wurde die Röntgenstrahlung eigentlich nicht aufgrund einer gezielten Suche entdeckt, sondern der Entdecker wurde aufmerksam auf ein eher zufälliges Aufleuchten eines dazu geeigneten Schirms, als in seinem Labor mit Kathodenstrahlröhren experimentiert wurde, und er ging diesem Phänomen nach und begann es zu untersuchen. Am Anfang der Entdeckung stand also eine bestimmte Art der Aufmerksamkeitsverteilung bzw. eine durchaus nicht unbedingt ungeübte Disposition, die Aufmerksamkeit gewissermaßen nebensächlichen Erscheinungen und vorübergehenden zufällig erscheinenden oder ausgelösten Nebeneffekten zuwenden zu können und sie ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Nun, es gibt diese Art von Effekten und Erscheinungen auch im menschlichen Lebensalltag zur Genüge und es gibt ja auch inzwischen schon Vorgänger in dieser Sache, auf die man sich stützen kann, indem man ihre Methoden untersucht, die die menschliche, scheinbar in sich selbst ganz selbstverständliche Erscheinungswelt in dieser Weise untersuchen und damit durchaus fündig werden, und ich bin völlig sicher, dass diese Erforschung der menschlichen Lebenswelt keineswegs erschöpfend zu Ende gebracht worden ist. Es war eigentlich immer so, dass ich versucht habe, Dich auf diese Zusammenhänge und vor allem Möglichkeiten aufmerksam zu machen, also dass nichts so selbstverständlich ist wie es erscheint.
Das sofort eingängige Beispiel ist ja das Schauspiel des Sonnenaufgangs im Osten, ihre Wanderung über den Himmel und ihr Untergang im Westen, eben wie man das kennt, und alle Wissenschaftsgeschichte schließt auf die eine oder andere Art und Weise oft an diese Selbstverständlichkeit, um zu zeigen, dass dem Vorgang dieser Erscheinung eine Ordnung und Regelmäßigkeit zugrunde liegt, die gerade dieser Erscheinung unmittelbar nicht entnommen werden kann, ebenso wenig wie dem sich daran anschließenden, aber auf den ersten Blick gar nicht ohne Weiteres zusammenstimmenden Phänomen des ‚Umschwungs der Himmelsschale, die man mit ihren ihr angeklebten glitzernden Sternchen, die man sich als gewissermaßen mit Nadeln in eine von hinten beleuchtete und angestrahlte kugelförmige Hülle vorstellte, in deren Mittelpunkt man sich jeweils selbst befand, während diese Hülle sich mit einer je nach der Entfernung, in der man sie wahrzunehmen meinte, größeren oder kleineren Drehgeschwindigkeit um diesen Mittelpunkt und eine durch ihn gehenden Achse herumbewegte.
Das war gewissermaßen ein Versuch, sich die Erscheinungswelt durch eine Projektion unmittelbarer, aus dem Lebensbereich des Alltags entnommener Erfahrungen zu erklären, indem man zugleich meinte, das derart INTERPRETIERTE ganz unmittelbar WAHRZUNEHMEN. Der Vorgang der Projektion, mittels derer dabei die Wahrnehmung INTEGRIERT wurde, verschwand dabei spurlos in dem unter ihrer Herrschaft Wahrgenommenen, das sich einfach als ein vollständig Äußeres den Sinnen, hier dem Sehsinn darstellte, so dass der Schein, es hier mit einem als solchen ohne weitere Zutat gegebenen Äußeren, einem Gegenstand sans phrase zu tun zu haben, mit dem Objekt derart verschmolz, dass die produktive Tätigkeit der die Wahrnehmung strukturierenden Subjektivität diesem Subjekt verborgen blieb. Während es aus zweifellos vorhandenen sinnlichen Daten eine Erscheinungswelt konstruierte, erschien ihm/ihr (das Erkenntnissubjekt hat kein Geschlecht, jedenfalls zunächst und hier ist es nicht zwingend eines zu unterstellen) lediglich das Produkt dieser konstruktiven (‚kreativen’) Tätigkeit (also schöpferischen Tätigkeit, man muss hier nicht Werbefachleute oder Bilanzfälscher vor Augen haben, sondern einen Schöpfer, den es also, das wäre dann schon klar, in jedem Fall gibt, es ist nur noch zu präzisieren, wie seine Konstitution vorzustellen ist, und da das ein unter denselben, schon angedeuteten Prämissen stehender Vorgang ist, ist er in gewisser Weise einer im Rückgriff der Reflexion auf ihre eigenen Voraussetzungen vorzustellen und hier muss das Interesse an einer überaus bemerkenswerten Forschungsmöglichkeit eigentlich mit der erwachenden Neugier zusammentreffen, die sich vereint daran machen, diese Richtung einzuschlagen in der sicheren Erwartung, dass sich hier in der Tat der bedeutsamste, wenn auch von möglichen Hindernissen übersäte und teils noch ungebahnte Pfad zwar zunächst noch in der sich in Nebel und Schneegestöber oberhalb verlierenden Opazität der Landschaft verlieren mag, so dass auch der Gipfel, also die Entfernung zu ihm nicht zu sehen ist, aber die Richtung ist doch wenigstens insoweit klar, wie jeder Bergsteiger fast immer weiß, in welcher Richtung er liegt, obwohl er sich auf einem Plateau auch gelegentlich mit schwierigen Orientierungsproblemen herumschlagen müssen wird. Und der Zwang sich gelegentlich aufgrund der äußeren Umstände länger als einem wünschenswert erscheinen mag, in einem Basis oder Zwischenlager aufhalten zu müssen, kann unangenehm sein, aber er kann letztlich lediglich verzögernde Wirkung haben und dient gewöhnlich einem Sinn, der oft später erst klar wird, und der sich als notwendige Vorbereitung auf das Kommende erweist, nachdem man es aus der Sicht der Vollendung zu sehen bekommt.
Die möglichen Weiterungen der Metapher liegen nun zwar auf der Hand, aber man darf der Verführung, die darin liegt, nicht nachgeben, sondern muss sie im Sinne dessen disziplinieren, worauf man aufmerksam machen will. Man verliert sich sonst in dem Dickicht einer autonom gewordenen Metaphorik, die sich gegenüber der Absicht verselbständigt, und man kann an Menschen, die dann immer zuhören und dann sagen: „Und…dies und das.“ immer erkennen, dass sie den von der Metapher evozierten Bildern und Vorstellungen folgen ohne eine eigene Absicht zu haben (deshalb verlieren sie sich in der evozierten Bildwelt) und ohne eine Absicht zu erkennen. Das ist aber identisch mit dem – nun innerhalb der Metapher – Verlust der Orientierung, und das ist nun wohl hinzuzufügen, dass darin eine wirkliche Gefahr für die Wandernden erkennbar ist, deren innermetaphorisches Korrelat der Verlust des Gefühls für die Richtung ist, allgemein also die Verirrung, die tatsächlich in eine Katastrophe ausmünden kann, die Katastrophe, deren Korrelat jenseits der Metapher ein endloses Herumirren ist, das nie zum Gipfel führt, sondern meist zu einem Verenden, mit dem indessen viele, ich bin so kühn zu sagen, die größte Anzahl der Gattungsexemplare der Tiergattung Homo sapiens zu allen Zeiten, zu denen die wenigen beharrlichen Forscher/innen jeweils unausweichlich innerhalb einer ihnen gemeinsamen Zeitgenossenschaft ihr Leben führen (während andere vielleicht immer nur geführt werden und dieser Führung auch bedürfen, so dass sich das nicht mit Verachtung, sondern evtl. mit Bedauern betrachten lässt, aber auch die Möglichkeit bereitstellt, sich solchem Führungsbedarf zur Verfügung zu stellen, wenn man nicht andere Ziele hat, die das definitiv ausschließen.
Es gibt indessen mit Sicherheit Ziele, die sich mit der Übernahme von Führungsverantwortung vereinbaren lassen und die sogar von den daraus erwachsenden Erfahrungen gestützt und gefördert werden, so dass sich hier aus dem vermeintlich Nachgeordneten durchaus Möglichkeiten ergeben, die zeigen, dass die Nebenordnung der Bereiche (ich lasse das gezielt im Vagen, um Deiner Einbildungskraft einen möglichst großen Spielraum freizugeben) durchaus zu einer wechselseitigen Verstärkung der Produktivität der nebengeordneten Bereiche, also zu einer Amplifikation des Gesamteffekts beizutragen in der Lage sein können.).
Es ist die Fixierung dieser Produktion, die dann als ‚Erklärung’ den nun vorherrschenden Eindruck, den die derart homogenisierte Wahrnehmung als solche hervorzurufen scheint, die dann als – von Priesterkasten bis hin zu ‚Wissenschaftlern’, in der kulturellen Konsequenz ist das dasselbe, wenn auch nicht in Bezug auf die Folgen, von denen die der Institutionalisierung höchst bedeutsam sind, da sie sekundäre Effekte bestimmter Art haben, die ebenfalls in die kulturell verbindlich gemachten Muster eingehen – Kultur imponieren, und den Status eines Weltbildes erhalten, das nun für alle verbindlich ist. Zugleich verwandelt sich die Produktivität der lebendigen Subjektivität in ein äußeres Produkt, das ihm, wenn und wo es sich erneut zu konfigurieren versucht – und das ist mit jedem neu geborenen Gattungsexemplar, das das gesamte Gattungswesen in sich trägt und mit sich führt, also auch alle seine Potentiale und natürlich seine Schwächen, seine Gefährdungen – als ‚Lehre’ fertig entgegen tritt und sich ihm nach Art eines Prägestempels aufzudrängen versucht, vermittelt durch die Kulturträger, die Eltern im weitest möglichen Sinne, die die Gesamtverantwortung dafür tragen, als die jeweils vorangehende Generation, dass die Gesamtheit der Kultur, des Weltbildes, das ja auch die Gesamtheit der jeweils erschlossenen Möglichkeiten der jeweils lebenden Generationen ausmacht und deshalb als Produkt nicht notwendig bereits abzuwerten ist.
Zugleich ist dieses Gesamt durch die jeweils konkreten Erwachsenen, die diese Einführung in eine Kultur zu leisten und die sie übernommen haben, seien sie nun ‚verantwortungsfähig’ oder nicht, und sowohl ihre Persönlichkeit als auch ihren die Grenzen ihres jeweils eigenen Überblicks über die Gesamtheit dessen, was in Kultur und Weltbild investiert ist, vermittelt und in den Personen, die diese Einführung in Kultur vornehmen, so oder so vergegenständlicht, was auch die jeweils festzustellenden Grenzen betrifft, von denen ich gesprochen habe, buchstäblich, wenn auch vielleicht zwingend nur nach der Art von Facetten, die von dieser und von jener Person gewissermaßen perspektivisch ‚verzerrt’ dargestellt werden (display), aber doch ganz buchstäblich ‚verkörpert’. Inkarnation ist insofern – Du hast da ja gute Vorkenntnisse aus Deiner gelungenen Kooperation mit Deiner Religionslehrerin, vermute ich einmal – nicht nur ein theologischer Begriff, der das Heilige, das Exzeptionelle, ja das Einzigartige benennt, sondern, zumal da der Vater Gott ja aus einem guten Grund Mensch (und damit Sohn und von einer Frau jenseits der Grenzen der bürgerlichen Eheregelungen, möchte ich einmal in Übereinstimmung mit den überlieferten Wahrscheinlichkeiten, jedenfalls mit den überlieferten Berichten sagen ‚zur Welt gebracht’) geworden ist, und sich an diese Intuition die hartnäckige Behauptung einer anderen Religionen überlegenen Einsicht knüpft, das zumal in ‚unserer’, also der Kultur, die sich, ob mit Unglauben oder Skepsis, Ablehnung oder Zustimmung bis hin zur religiösen Intoleranz gegenüber jeder Form der Bezweiflung oder alternativen Angeboten, auf dieser Grundlage bewegt und fortexistiert, gerade weil der Streit über die (beiden) ‚Naturen’ dieser Inkarnation heute in den Hintergrund getreten ist – seine mögliche Latenz gründet sich auf einen Mangel an Information und daraus erwachsender möglicher Kenntnis – vielmehr das kulturell eigentlich erwartbar Gewöhnliche, das jedem Gattungsexemplar in einer gewissen Weise sowohl offen und zur Verfügung steht als auch auferlegt ist.
Das Gattungsexemplar wächst zu einer so oder so begrenzten, vielleicht auch einer geschwächten, einer vereitelten oder verfehlten Inkarnation der Kultur heran nach Maßgabe der Inkarnationen (Eltern, Lehrer/innen, Menschen der Lebensumgebung, Freunde/innen, Feinde/innen, Wohlwollende und Überwollende usw.) die es in diese einweisen. Das betrifft aber zunächst nur eine Art von institutionalisierter Automatik, die durch ihre Regelungen sicherstellen soll, dass ein bestimmter Standard in Übereinstimmung mit der organischen Reifung sowie der seelischen Entwicklung zustande kommt. Die Termini ‚Reifung’ sowie ‚Entwicklung’ sind also beziehungsweise den Vorgängen des Organismus und der seelisch-intellektuellen Entwicklung zugeordnet, wobei sich entsprechend bestimmter Einsichten der kognitivistischen Entwicklungstheorie der gesicherte Befund eines Zusammenhangs zwischen Reifungsstufen der organischen Entwicklung und dem Auftauchen intellektueller Funktionen bzw. Fähigkeiten ergibt, an die sich die von der Erziehung bereitgestellten und für die Vermittlung notwendig erachteten Bestände jeweils nur entsprechend dem betreffenden Reifungsgrad herantragen lassen. Die Bildungseinrichtungen richten sich denn auch mehr oder weniger intuitiv nach diesen Bedingungen und Voraussetzungen, von denen unterstellt wird, dass die Objekte der Veranstaltung ‚Erziehung’, ‚Sozialisation’ bzw. ‚Bildung’ oder ‚Ausbildung’ ihnen mit einer zu unterstellenden Durchschnittlichkeit in einem jeweils bestimmten Alter gewöhnlich genügen. Die differentialdiagnostische Betrachtung des jeweils tatsächlichen Entwicklungsstands (bzw. der Retardation oder einer Abweichung, die auf einen Vorgriff der Reifung gegenüber dem statistischen Durchschnitt verweist) ermittelt dann, wenn alles gut geht, die faktischen Abweichungen nach Bedarf und ordnet das jeweilige Individuum dann entsprechenden Verfahren zu. Aber das ist alles im Bereich der bekannten Konkretionen.
Die Wiederkehr der produktiven Potenz des Subjekts, das aller Kultur als einem bloßen Produkt – das ist hier in Erinnerung zu bringen ohne dass damit anderes gemeint ist als eine Trivialität, die indessen den sich als ‚Hüter’ der Kultur fühlenden, instaurierten, promovierten und habilitierten verwaltungstechnischen Verfügern gelegentlich entgeht, was sich indessen verstehen lässt, wenn man erkennt, dass sie sich an den Buchstaben halten, weil sie es zum Subjekt einer Kultur nicht gebracht haben. Es ist klar, dass der Vorwurf Verbitterung hervorruft, aber auch diese Verbitterung ist, als Ressentiment nichts weiter als ein Symptom für dasselbe: dass sie nunmehr mit der Nase darauf gestoßen werden, es nicht zum Subjekt der Kultur gebracht zu haben, die sie mittels eines Machtapparats lediglich verwalten, sich eigentlich nu in den Besitz von Mitteln, toter Materie gesetzt haben, während sie als Inkarnationen kaum mehr sind als Schablonen, Klischees, Stereotype von Aspekten und Ausschnitten schematisch ‚angeeigneter’ Bestände, wobei das Selbstverständnis, das im Terminus ‚Aneignung’ (oder Anerleben, also fortgesetzter Simulation des von der Kultur zu ermöglichenden Lebens) steckt, der in diesem Selbstverständnis unablässig begegnet und einer Selbstcharakterisierung, das fälschlich mit dem Selbst Verständnis identifiziert wird, während es diesem gerade diametral entgegengesetzt ist, just das Verfehlte und letzten Ende im einem umfassenden Sinne pathologisch Symptomatische ganz offen benannt wird.
Es ist das eine Methode, die im offenen Bekenntnis die essentiellen Unterschiede einebnet, indem sie das Abgeleitete zur Norm erhebt und als solches einfach als Massenphänomen zum Allgemeinen macht, indem sie das Allgemeine mit dem Massenphänomen gleichsetzt (eine Rechnung, die letzten Endes nie aufgehen kann, sondern einfach nur eine pathologisch erhebliche Verstocktheit und Rechthaberei, letzten Endes eine systematische und chronische Unterbietung und Verfehlung verallgemeinert und mit mehr oder weniger Gewalt oder Drohungen ein bloß Faktisches zur Geltung bringt, letzten Endes die zum Geheimnis erst dadurch erhobene Grundlage aller Kultur in der produktiven und lebendigen Inkarnation ihrer subjektiven Wurzeln aus der von ihr beherrschten Welt, einer Welt der organisierten Barbarei auszuschließen und verschwinden zu lassen versucht. Eben darin hat das Bild des Gekreuzigten, das dieser Bewusstseinsverfassung vorgeführt wird seine Wahrheit, eine Wahrheit, die sogleich durch die Interpretationen, mit denen das Offenbare umgeben wird, wiederum zum Geheimnis werden muss, insofern diese Interpretation dem Geisteszustand und der Bewusstseinsverfassung und dem Selbstverständnis sogleich so weit wie möglich entgegen kommt, um die Faszination von dem ihr/ihm präsentierten offenbaren Rätsel, das ihm/ihr die eigene Verfassung und Wirklichkeit darbietet und in einem Symbol darstellt, zu einer wenigstens leidlichen Zähmung der Bestie zu nutzen.
Die Intellektuellen folgen längst dem Pfad der Liquidierung des Subjekts der Kultur, verwickeln sich dabei aber lediglich in die unauflösbare Paradoxie, zu dieser Bewerkstelligung, die auf die verschiedenste Art und Weise durchgeführt werden kann, voraussetzen zu müssen, was sie doch erst in einem Vorgang der Erörterung verneinen wollen. Man kann das Subjekt vergesellschaften, es in Sprache auflösen, in Interpretation, in Kommunikation oder Konsens, in Psychopathologie, in Psychiatrie (Vg. zum Beispiel das heute durchaus erheiternde und zum Lachen reizende dreiste Buch das Psychiaters C. Lombroso, Genie und Irrsinn, dessen ‚wissenschaftlich rationalisierter Größenwahn ein völliges Unverständnis zeigt angesichts von ihm völlig unverstandenen Phänomenen, und das ein Beleg dafür ist, dass hier völlig lebensfremde Menschen sich entlang einer ihnen nicht bekannten Furcht und Abwehrhaltung mit dem Mut der verzweifelten Verleugnung und der Entschlossenheit zum vollständig dichten Nichtwissenwollen nach Art von kühnen Helden einem Drachen stellen, dessen Bewältigung sich dann auf die Zusammenstellung von abwertenden Gemeinheiten reduziert, mit denen diese Sieger dann dem getöteten Ungeheuer den Fuß auf die Brust setzen, unter den Augen der Jungfrau Maria vermutlich, deren Reinheit sie das geschlachtete Opfer darbringen.
Diese Methode, sich für diese Geisteshaltungen völlig unzugängliche Phänomene einfach mittels heterogener Nomenklaturen und Klassifikationen zu unterwerfen unter völligem Verzicht auf jedes Verständnis, der sich als die Pointe dieses Wissenschaftsansatzes auch noch aufspielt, hat durchaus aktuelle Nachfolger in demselben Geiste, wobei das dasselbige in einer Anpassung an den herrschenden Zeitgeist des verbreiteten Vorurteils und die ihm entsprechenden Sprachregelungen direkt anschließt, was dann durch die Übersetzung ins Lateinische gewöhnlich etwas unkenntlich gemacht wird. Faktisch bleibt die vorherrschende Methode der Abwehr, die innerhalb des zugrunde liegenden Kollektivs die Phänomene wesentlich mit erzeugt, das mehr oder weniger unmittelbar ersichtliche Leitmotiv auch dieser ‚wissenschaftlichen Forschung’, und bildet mit ihr die Einheit einer kaum wesentlich modifizierten, sondern nur im praktischen Umgang etwas abgemilderten Mentalität, was nicht unbedingt bedeuten muss, dass diese Handhabung der Phänomene nicht gelegentlich auch nützliche Befunde und Ergebnisse aufweist. Man kann aufgrund eines völlig falschen Verständnisses oder falscher Prämissen durchaus zu Ergebnissen kommen, denn ‚ex falsi quodlibet’.
Und nicht jedes gefundene Ergebnis falsifiziert einen ‚Forschungsansatz’, und besonders dann nicht, wenn dieser den Status einer zusammenhängenden Theorie gar nicht hat oder gar nicht erst anstrebt. Auch dafür, für diesen ‚Verzicht’ kann es ja gute Gründe geben. Im Übrigen erzielen auch ‚Teufelsaustreibungen’, die ja nach wie vor praktiziert werden, ebenso wie Hypnose und Beichte, gelegentlich wünschenswerte Ergebnisse. Das ist aber alles einem Suchverhalten gleichzusetzen, das man an vielen Insektenarten beobachten kann, und das gelegentlich in vereinfachter Form in Computerspielen simuliert sehen kann, ebenso wie den geradezu als Notwendigkeit imponierenden Erfolg dieses wohl einfachsten erkenntnistheoretischen Modells.) Neurologie und cognitive science, in Verhaltenstheorie oder Lerntheorie. Die am weitestgehenden ‚ im Eigensinne positiven der ‚wissenschaftlichen’ unter diesen Versuchen (Vg. etwa Ann F. Neel, Handbuch der psychologischen Theorien) haben die pragmatistische Schlauheit oder Gewalttätigkeit, je nachdem wie man das sieht, wahrscheinlich ist es eine Kombination aus beidem und stellt kaum etwas anderes dar als die ‚Verwissenschaftlichung’ schon beschriebenen Mentalität (Vg. Ulrich Raulff [Hg.], Mentalitätsgeschichte) – oder das, was sie dafür halten – so weitgehend von diesen Voraussetzungen abgesetzt ihre wissenschaftliche Konzeption zu formulieren, dass das Liquidierte in seinem mittels der wissenschaftlichen Methode geschaffenen Material, also den Aussagen und Fakten, gar nicht mehr zu einer sei es auch schemenhaften Konfiguration kommen können soll.
Bei genauem Hinsehen erscheint es aber in der Unhaltbarkeit von Konzeptionen, die die unvermeidlich dennoch notwendigen impliziten Vorannahmen, die gewissermaßen einfach in das Forschungssetting verlegt werden, und den materialen Befunden, die ohne die Voraussetzung des Verleugneten nicht zu erzielen wären. Keiner der Versuche kann gelingen, da er Voraussetzungen in Anspruch nehmen muss, die er in der Sache verleugnet oder deren Nichtexistenz er zu beweisen beansprucht.
Worauf alle Versuche der Depotenzierung und endlich der mehr oder weniger vorausgesetzten oder stillschweigend betriebenen Liquidierung der produktiven Subjekts hinauslaufen, ist die Beschreibung und die Untersuchung aller Möglichkeiten der Vereitelung oder der Behinderung seiner stets erneuten Geburt.
Das ist so legitim wie richtig angesichts einer metaphysischen und philosophischen Tradition, die es sich jedenfalls nach Ansicht der in der Form der Kritik, die selbst dort immer noch Kritik an der von ihr postulierten Selbstverständlichkeit seiner Wirklichkeit oder Verwirklichbarkeit bzw. Erneuerung von Generation zu Generation, also in der Folge der Kette der Generationen angesichts eines immer höher sich türmenden Berges von Materialien, eines immer mehr sich verschlingenden Labyrinths von Befunden, Verstellungen und Bedingungen der Möglichkeit, deren umschlagen in Bedingungen seiner Unmöglichkeit in der Tat kaum drastisch genug dargestellt werden kann, angesichts eines immer enger um das Individuum gezogenen praktischen Zwangs zur Verengung seiner Sicht auf die entstandene Welt, angesichts seiner scheinbar immer weiter schrumpfenden Beitrags zum Gesamtbestand der Welt, angesichts seiner Marginalität gegenüber den sich türmenden Bewaffnungen und Machtmittels, die es nicht einmal bemerken, wenn sie über seine Existenz hinwegtrampeln und es oft nicht einmal intentional zermalmen im Namen des Fortschritts, der Demokratie, einer bessren Welt für alle – die dann die Vernichtung des Individuums unvermeidlich werden lässt, und sei es nur als nebenher zu verzeichnender Schaden – angesichts von Verkehrsverhältnissen, deren Nebenfolgen die der Lebensverhältnisse der Azteken nicht nur in der Ausdehnung (als Weltgesellschaft), sondern auch in der Intension in einem Maß und ganz alltäglich überbieten ohne sich dazu noch eigens auf das Heilige berufen zu müssen, vielmehr so, dass sich der ganze Stolz der Säkularisierung auf diese Form des Opfers stützt und daraus darüber hinaus Überwachungs- und Kontrollbefugnisse generiert, die alles in den Schatten stellen, was Unterwerfung und Knechtung historisch unter Pharaonen und Cäsaren oder auch Priesterschaften bisher zuwege gebracht hat, angesichts der Standardisierung von Erziehungs- und Sozialisations-Prozessen (!), die jedem gemacht werden, ob er will oder nicht, die eine Normierung zu erzwingen versuchen, die jede Individuierung jenseits der Norm sofort als Abweichung zu identifizieren und zu korrigieren bestrebt ist, ausgrenzt oder mittels Konditionierungen subtilster Art – im Wesentlichen wiederholten mehr oder weniger schwachen Traumatisierungsmaßnahmen, an deren Horizont der Tod unmissverständlich als das denkbare Äußerste droht, ohne dass dem Opfer die Folterwerkzeuge oder der Galgen oder der Eingang des Konzentrationslagers als einziger Weg in die Freiheit noch eigens gezeigt werden müsste, alles dies sind, zumal angesichts der möglichen und stets drohenden Umwandlung aller möglichen Mittel der Verwirklichung der Freiheit, die Subjektivität ist – sonst gibt es keine, und alles andere ist schimärisch, Ablenkungsmanöver und Irreführung – also aller kulturellen Bestände und ihre Voraussetzungen: Sinnlichkeit, Sprache, Körperlichkeit, Bedürftigkeit, Intelligenz, kulturelle Materialien etc. ebenso viele mögliche Fallstricke für die Verwirklichung, die Geburt des lebendigen Subjekts aller Kultur von Anfang an.
Das hervorgehoben zu haben, ist das unbezweifelbare Verdienst aller Anstrengungen, die darauf gerichtet sind, die Fallgruben und die Möglichkeiten der Verirrung, der Verfehlung und der Verzweiflung an der Aufgabe aufzuzeigen und zu dem Ergebnis zusammenzufassen, das sich bei genauem Hinsehen aus einigen Zeilen eines songs von Bob Dylan ablesen lässt, dessen Textbestand auf beeindruckende Weise dasselbe besagt wie alle diese verdienstvollen Erklärungen des Endes oder der immer schon nur schimärischen Wirklichkeit der produktiven und lebendigen Grundlage aller Kultur in der Subjektivität, die sie hervorbringt, wie immer der scheinbar ins Unübersichtliche anwachsende Berg der Artefakte sich im Labyrinth des Museums und seinen Magazinen anhäuft, zu dem Kultur unter diesen Umständen wird, wo sie nicht der Beförderung und Selektion und der hierarchischen Strukturierung der Biomasse praktisch zu dienen hat, sei es indem sie sie verwertet und nutzt, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, sei es dass sie sie zertritt und vernichtet, einspannt und ausgrenzt oder was immer sich in diesem an Dynamik abspielenden globalen Riesengehäuse abspielt, mit seinen Aufzügen und Fassaden, Kellern und Hinterhöfen, Untergrundbahnen und sweat-shops, seinem Verbrauch und seiner Reproduktion der vorerst noch weiter expandierenden Biomasse der Tierart Homo sapiens auf Kosten der aus der umgebenden Welt gesogenen Energien und Materialien.
Vernunft, hieß es einmal, sei eine Grenzreaktion. Das ist mit Sicherheit nicht in jeder Hinsicht korrekt. Denn erkennbar ist die Grenzreaktion in diesem Fall eindeutig systemfremd, systemextern. Die strukturierte Biomasse des Homo sapiens wird erkennbar von keiner ausmachbaren Vernunft begrenzt und es ist ebenso wenig absehbar, dass es zu dieser Grenzreaktion innerhalb dieser subkritischen Masse kommen könnte. Vielmehr zeichnet sich ab, dass es die thermodynamischen Gesetze sind – nicht sein werden – die die innerhalb der subkritischen Masse, ein Ausdruck, der übrigens hier keinen quantitativen Sinn hat, die diese ausbleibende Grenzreaktion im inneren des Systemzusammenhangs substituieren, und damit ist jenseits von Kant, aber nicht zu dessen Nachteil oder um ihn ins Unrecht zu setzen, vielmehr hat die von Kant noch als ‚Menschheit’ mit dem Großmut des optimistischen Menschenfreunds kontrafaktisch ‚angesetzte’ Biomasse des Homo sapiens diesen ihr offerierten Standard abgelehnt und gefällt sich darin, ihn in einem offenen Bekenntnis vorsätzlich zu unterbieten, unter Anleitung von ‚Wissenschaftlern’, die dazu die Entschuldigungen liefern, indem sie den letztlich trivialen und theologisch unerheblichen Nachweis der Herkunft der Tiergattung zugleich als Beweis und Entlastungsgrund dieser Tiergattung von allen Verpflichtungen und aller Verantwortung für sich selbst oder andere, sei das nun innersystemisch oder im Verhältnis gegenüber der Lebensumgebung zu betrachten ermutigen, dass dieses Tier zu einer die Bezeichnung verdienenden Vernunft gar nicht wirklich fähig sei, was zugleich bedeutet, dass sich die Zumutung als eine unzulässige Überforderung insgesamt ablehnen lasse und damit erledigt sei. Und dies alles müsse dann natürlich auch bedeuten, dass der Anspruch, zu dem Subjektivität nun unversehens wird, als unverschämter und im Übrigen völlig an der Realität vorbei gestellter Anspruch an die eigene Natur, die eigenen Grenzen als organisches Individuum, als erzogenes Individuum mit äußerst begrenzten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen, als von mehr oder weniger gewaltsamen Zufällen leicht zu traumatisierendes organisches Wesen, das kaum einer Folter und dessen Selbstwertgefühl kaum einer angedrohten Ausgrenzung zu widerstehen vermag, wie sehr leicht am überall einsehbaren praktischen Beispiel zu zeigen ist, deren Masse nebenher anfällt und genügend Anschauungsmaterial bietet, das geeignet ist, jeden Anspruch zu belehren über seine Impotenz und Ohnmacht, als überzogener Anspruch gegenüber dem Ganzen, dem sich jede/r einzuordnen hat, und als völlig illusionärer Anspruch gegenüber der Welt als Ganzer angesichts der Größenverhältnisse von Zeit und Raum im Verhältnis zu dem einmal ganz übertrieben und mit einer maßlosen Selbstüberschätzung als ‚Mikrokosmos’ überbewertete Fehleinschätzung zu betrachten ist, die sich auf nur zu leicht erklärbare Voraussetzungen der frühen Genese des Verhältnisses von Selbst und Objekt zurückführen lassen, indem infantile Größenphantasien (dazu bedarf es allerdings eines Rückgriffs auf die Befunde der Psychoanalyse, die als Ganzes zunächst der Forschungen Sigmund Freuds in Betracht zu nehmen ist, woran sich die verschiedenen Weiterungen entsprechend den ihnen zugrunde liegenden ganz unterschiedlichen Motiven anschließen könnten, aber nicht ohne eine ausdrückliche auf die keineswegs einfach als autonom zu betrachtende Wissenschaftsentwicklung in diesem Forschungsfeld, und man wird dabei auf ein weiteres Labyrinth stoßen, in dem sich zu verirren nicht zufällig möglich ist, denn es könnte ja auch darauf angelegt sein!) sich in das überzogene Selbstverständnis des derart nur scheinbar Erwachsenen, und zwar als psychopathologisch erhebliche unerwünschte Abweichungen eingeschlichen haben, um sich in der Form überzogener Rationalisierungen zu möglichst unauffällig zu halten.
Letztlich also kann man auf diese Weise den Versuch einer Selbstbehauptung in der Form des Subjekts, das sich selbst zunächst behauptet, als existent unterstellt, um sich dann praktisch zu behaupten wohl als Abkömmling des Selbsterhaltungsprinzips identifizieren, während man die Resultate seiner Ausformung als pathologisch zu bewertende Aberration negiert. Nun kann man wohl danach fragen, inwieweit diese Anträge bzw. Ermahnungen therapeutischer Art konsequent im Fundus der wissenschaftlichen Betrachtung als Folgen bestimmter Vorannahmen gefunden werden können, aber ebenso kann man fragen, und zugleich sogar, inwieweit diese Wendung zu Anamnese, genetischer Theorie, Diagnose und Indikationsstellung nicht ihrerseits eine Form der versuchten Negation des Subjekts ist, die keineswegs notwendig aus den sei es auch noch so differenziert und exakt sowie komplex aufbereiteten Möglichkeiten einer immerhin in dieser Radikalität auch bewunderswerten Darstellung aller möglichen Hinweise für seine Verhinderung, Verstümmelung oder Gefährdung folgt, insofern alle diese Befunde zwar ganz richtig als Hinweise auf alle diese wirklichen und ernst zu nehmenden Gefährdungen und Fallstricke für jede wirkliche Subjektivität sein dürften, aber doch nicht wiederum so, dass damit im Ernst gezeigt wäre, es sei vielmehr unmöglich. Vielmehr lässt sich unter dem Eindruck dieser imponierenden Befunde, denen sich im Übrigen die Kultur , Geistesgeschichte, die Geschichte der Erfindungen und Entdeckungen sowie die schlicht politische Geschichte als Ganze hinzufügen lassen, womit sich erst das ganze Ausmaß aller dieser denkbaren Hindernisse und Gefahren für die Wirklichkeit der produktiven Subjektivität vor dem Auge, den Sinnen des Betrachters dieses ungeheuren Ringens ausbreiten, aber just in dem Augenblick, in dem alles dies einem Blick zur Betrachtung zur Verfügung gestellt ist, der darüber hingleitet und bei allem zugleich ist, so wie im Unbewussten die Zeit aufgehoben ist, und so wie sich im Traum potentiell unzählige Bedeutungen zu dem verdichten können in einem Symbol, das man dann überdeterminiert nennt, in diesem Moment ist vielleicht nicht eine intellektuelle Anschauung verwirklicht im Sinne Schellings, und auch nicht eine ‚Intuition’ zur ‚Evidenz’ gebracht, die alles umfasst ohne Gegenstand zu sein oder werden zu können, aber unbezweifelbar stellt sich jeder einigermaßen differenzierten, und im Prinzip jedem offen stehenden Übersicht ganz klar heraus, dass sich in all diesen kulturellen Materien, die ja insgesamt vom Begriff der Bedeutung nicht zu trennen sind, ein Subjekt in stets wechselnden Selbstexperimenten immer wieder anders nicht nur einfach zur Erscheinung bringt, sondern vielmehr unzweifelhaft aktiv ist, indem es das unmöglich zu verleugnende Agens und das in jedem vorwärts treibenden Moment auch zur Erscheinung und zur Wirklichkeit kommende Subjekt des geschichtlichen Prozesses der Kultur ist. Im Inbegriff der Produkte erscheint der fließende Umriss des schöpferischen Subjekts so wie der Umriss einer Gestalt in einer zunächst beliebig erscheinenden Konfiguration von Linien und Flächen, Schatten und Licht, hell und dunkel.
Und dieser so als Gestalt erscheinende Umriss ist wiederum nur der Widerschein der betrachtenden und in dieser zugleich aktiven Subjektivität, die sich in alle dem, was sie geschaffen hat, einfach nur so wieder erkennt, wie die Quelle aller Bedeutung sich in den Bedeutungen wieder erkennt und erscheint. Die Betrachtung schlägt aus dem Äußersten, in das sie sich ‚entfremdet’, entäußert hat um in Selbsterkenntnis, zunächst gebunden an das Material. An dieser Stelle setzt nun die in die umgekehrte Richtung umschlagende Analyse an, deren Neugier an der Betrachtung des Materials in dem Moment geweckt wird, in dem sich Subjekt in dem betrachteten Material undeutlich an einem Umriss, einem Schatten einer Gestalt selbst erkennt, wie in einem blinden Spiegel.
Nun ist aber klar, dass dieser sich abzeichnende Schatten oder Umriss kaum mehr sein kann als eine Vorwegnahme dessen, was nun erst noch zu entschlüsseln sein wird. Denn das sich so zuerst gewahrende Subjekt steht sofort vor dem Problem, dass es in dem Moment, in dem es seines Umrisses in der Betrachtung seiner ‚Spielzeuge’, seiner Objekte wie in einem blinden Spiegel, zudem in Fragmente zerstreut gewahr wird, seinerseits sich selbst als Objekt unter Objekten identifiziert, also als Moment einer Welt fragmentarischer, aber durch ihre Bedeutsamkeit zugleich aus einer diffusen Umgebung herausgehobener Gegenstände, hinter denen, um die herum sich ein noch unbestimmter Hintergrund ausbreitet oder zusammenzieht, wie das in dem Abschnitt in der ‚Genesis’ beschrieben wird, in dem sich die Wasser zusammenziehen und das Feste auftaucht. Die Objektwelt, als deren Moment sich das Subjekt anhand dieser zuerst identifiziert, taucht wie ein Archipel aus dem diffusen Hintergrund auf und konturiert sich, indem sie zugleich eine Reflexion auf das sie identifizierende und sich in dieser Identifikation selbst erahnende Subjekt zurückwirft, gewissermaßen den Reflex des Blicks, der auf die Objekte geht indem er sie als Inseln der Bedeutsamkeit für sich konturiert.
Mit dieser Wende von der bereits konstituierten Objektwelt, wie das Bewusstsein des um ihre Kenntnis und ihre Handhabung bemühte Erwachsene oder Heranwachsende in dem Moment vorfindet, in dem sein intellektuelles Interesse, seine Neugier ausdrücklich wird, zu dem eigenen Selbst ist aber noch weit mehr verknüpft als nur gleichsinnig, aber in ‚entgegen gesetzter Richtung’ zu betreibende ZurKenntnisNahme, deren Bearbeitungsprinzipien dieselben wären wie zuvor. Indem das Subjekt sich selbst als auf die Objektwelt fallenden Schatten erkennt, kann sich wohl die Frage auftun, die alsbald in einem gewissheit übergehen wird, dass diese Welt der Objekte zugleich eine Genesis in seiner eigenen geschichtlich vermittelten Aktivität hat, in deren Produkten sich zugleich sein eigenes Werden darstellt, so dass nun der Untersuchung der Bedeutungsschichten nachgegangen werden kann, die sich in dieser Bedeutungswelt übereinander gelagert, legiert, durchmischt und ineinander gefaltet haben: Aber diese genetische oder auch archäologische Untersuchung, die ja keineswegs auf die bezahlte Beschäftigung des als Ausgräber angestellten Angestellten der Archäologie beschränkt ist, insofern es hier um eine Archäologie des Wissens, der Sprache und der Kultur, der Herkunft der Artefakte in einem subjektvermittelten Sinn geht, ist doch nicht, so weit sie auch vorangetrieben wird in die bedeutungsvollen Kompositionen, aus denen eine Kultur sich als Ganzes zusammensetzt, dasselbe wie die mit der Wende des Subjekts von seinem Schatten zu sich selbst. Einerseits geht die Analyse der Artefakte und Bestände und Zusammenhänge, die sich im Weltbild einer Kultur zusammenfassen, an einem jeweils anders, aber dennoch benennbaren Punkt über einer Bedeutungsanalyse, meinetwegen einer Hermeneutik, in Chemie, Physik, Maschinenbau, Technologie. Mathematik, Linguistik, um einige zu nennen. Das Verständnis der als Welt zunächst erscheinenden Gesamtheit eines überall geschlossenen und lückenlosen Erscheinungsbildes, wie es oben anhand des Beispiels des Sonnenaufgangs beschrieben worden war, wird durch ihrer Zerlegung, durch Isolierung einzelner Teilbereiche in eine Analyse überführt, die immer weiter führt und überall an der Stelle der zunächst geschlossenen und zweidimensionalen Oberfläche alles Begegnenden, auch wenn es in einem dem Sehsinn zugänglichen Nahraum in einer durch den Horizont begrenzten und begehbaren Tiefe geordnet ist, die sichtbar wird anhand der verschieblichen partiellen Verdeckung der in der Richtung des Fluchtpunkts des Blicks sich verkleinernden Dinge. Die Wende zum Subjekt der Wahrnehmung und Analyse dieser Welt erfordert dagegen mehr als bloß dies. Ein ähnlicher Übergang ist hier wohl denkbar und liegt in der Organmedizin so gut vor wie in den Varianten der Psychologie, die den Organismus des Tieres Homo sapiens als einer Lebensform unter anderen von der Klasse der Säugetiere sich vornehmen, und so gut mit Hunden, Ratten oder auch anderen Primaten vergleichen.
Die dabei seit mehreren Jahrhunderten aufgeführte Tragikömödie wäre ein Grund zum Lachen, wenn die daran beteiligten Wissenschaftler sich nicht so ungemein erst nehmen würden und dies nicht auch von ihrem Publikum verlangen würden. Im Wesentlichen ist das Problem stets dasselbe: Das Medium aller Experimente und der Formulierung von Forschungsergebnissen, sogar der Fakten, wird stets als Ausgangspunkt aller wissenschaftlichen Arbeit vorausgesetzt, aber von der Definition des Objektbereichs der Forschung nicht wieder erreicht. Anders gesagt ist z. B. die Sprache, das Sprachvermögen der Gattung Voraussetzung aller Forschung, also auch dieser, andererseits will diese Forschung die Gattung aus einem Erklärungsansatz wieder gewinnen, das auf einer Ebene einer Lebensform angesetzt wird, von der aus es keinen Übergang zur Sprachlichkeit gibt, da die Definition des Objekts dazu zu allgemein ist (Säugetier z. B.). Alle Versuche, die ‚linguistische Kompetenz’ im Sinne der von Noam Chomsky gewählten analytischen Definitionen und Ergebnisse, sozusagen aus ihrer Symmetrieasche herauszudrehen, Ergebnissen und Analysen, deren Sinn man nicht vollständig durchdringt, wenn man ihre angeblich ausschließliche Orientierung an der ‚Syntax’ als Defizit im Hinblick auf die ‚semantischen’ und ‚pragmatischen’ Dimensionen der Sprache bemängelt oder eine derartige Kritik nicht ihrerseits untersucht auf die Verfehlungen des von Chomsky Gesagten. Jede aufmerksame Betrachtung zeigt z. B., dass Chomsky in jedem Fall die ‚semantische’ ‚Schicht’ der Sprache gerade von seiner Betrachtung her sehr gut expliziert, und Ähnliches gilt auch für die angeblich so wichtige Pragmatik, die mit ihrer etwas voreiligen Gleichsetzung von Sprache und Handlung möglicher Weise ihrerseits zu weit geht, und Differenzen einebnet, die tunlichst unterschieden bleiben sollten, damit nicht ihrerseits, wie man das bei Jürgen Habermas leicht sehen kann, Soziologie, zunächst als Wissenschaft von der Handlung, auf dem Wege einer verkürzenden Gleichsetzung dieser Art in analytische Sprachtheorie übergeht, die dann mit Hermeneutik aus Gründen legiert wird, die anderswo zur Sprache kommen müssen. Es dürfte so sein, dass Noam Chomsky sich unerschrocken angesichts der schon auf dem Markt beherrschenden Autoritäten um einen Zugang bemüht hat, der das Verständnis und das Erlernen von Sprache sowie ihre Grundlagen als einer ausschließlich der Gattung Homo sapiens eigenen Fähigkeit, dort aber einer allen Gattungsexemplaren als angeborenes Potential mitgegebenen Fähigkeit verständlich machen will, und zwar wiederum potentiell allen.
Der Versuch von Jürgen Habermas (Theorie der kommunikativen Kompetenz, die zwischen einem sprachpragmatischen – Sprache ist Handlung – und einem semantischen – Hermeneutik: Sprache ist Medium von Interpretation/Deutung – schwankt, während Karl Otto Apel eine Sprachpragmatik mit ‚transzendentaler’ Anlehnung an Kant, aber ohne Soziologieanlehnung an den soziologischen Handlungsbegriff von Max Weber und Talcott Parsons bevorzugt, wie Jürgen Habermas das tut.) ist dagegen ganz anders angelegt und im Kern elitär und totalitär, indem er eine ausgesuchte Gemeinschaft von Kompetenten mittels eines bestimmten Wissenschaftsbegriffs zugleich um ein Verständigungsmodell konzentriert, das sich seinerseits durch den Ausschluss der Nicht Kompetenten definiert.
Eine Aristokratie von Wissenschaftlern entscheidet über Wahrheit vor dem Hintergrund einer Instanz namens Konsens, die den Souverän vertritt oder simuliert. Letztlich bleibt das Resultat aller Verständigungsprozesse nicht-reziprok abhängig von einer urteilenden Instanz, von der das Zugeständnis der Kompetenz und des Status der ‚wahren Aussage’ letztlich ‚lizensiert’ wird, ebenso wie die Äußerungen an Kriterien ‚wissenschaftlicher’ Art genormt werden, die zu normieren wiederum letztlich dem hinter dem Paravent der Wissenschaftlergemeinschaft wartenden Zauberer von Oz abhängt, der den Schatten der Versagung seiner Zustimmung über die Gartenidylle dieser ‚Sommergäste’ und Lichtgestalten der wissenschaftlichen Zivilisation wirft (sozusagen die ‚Taylons’ aus der Science Fiction Serie ‚final conflict’ nach Gene Roddenberry, des ganzen Arrangements).
So sinnvoll die ‚analytischen Unterscheidungen’ von ‚Syntax’, ‚Semantik’ und ‚Pragmatik’ auch sind, so sind sie doch nicht einfach, nachdem sie einmal irgendwo gemacht wurden, zu analytischen Zwecken, auf eine andere Betrachtungsweise zu übertragen, die einen ähnlichen oder denselben Gegenstand mittels einer Herangehensweise untersucht, die auf diese Unterscheidung verzichtet und meint, das zu können, und dabei beachtenswerte Ergebnisse erzielt, die man nicht einfach damit entwerten darf, das man der Herangehensweise nun vorwirft, ihr fehlten die Unterscheidungen, die man selbst gemacht haben will, vorausgesetzt, man habe sie selbst nicht erdacht und in einer eigenen Analyse auch angewandt. Denn dann genügt es, die aus der eigenständigen Betrachtung bezogenen Ergebnisse vorzulegen. Im Übrigen genügt es, die Ergebnisse Chomsky’s zu betrachten (z. B. Aspekte der Syntax Theorie bzw. Aspects of The Theory of Syntax.).
Es ist eine Erschleichung einer bestimmten Rezeptionstechnik, die insgeheim massiv interpretativ ist, ohne das allerdings offenbar zu machen, eine Art der kritischen Aneignung zu erfinden, die ebenso eine kritische Erledigung ist, indem sie nach Wunsch mittels einer rezeptiven interpretativen Kritik Lücken und Mängel in der wissenschaftlichen Arbeit Anderer entdeckt, die sich nur ausgleichen lassen, wenn sie zunächst offen gelegt werden, indem man sie durch Rekonstruktion (er )findet, und das dann noch verbleibende per Platzanweisung in das eigene überlegene Konzept integriert. Wenn man das nicht genügend clever tut, kann es sein, dass man das stattdessen auf den Schild gehobene Verfahren diskreditiert (in diesem Fall die Hermeneutik), indem man mehr oder weniger freiwillig zeigt, dass sie nichts ist als die historisch bereits abgelegte Rhetorik, polemisch gesprochen, Demagogie als Wissenschaft. Denn nach den ‚verantwortlich handelnden’ Großmeistern der Kunst kommen die weniger wählerischen Claquere und Mitläufer, die Nachahmer und Leute, die weniger Bedenken haben, die ‚guten Lerner’, die Sprachen leicht aneignen können, und dann ist auf einmal bei richtiger ‚Interpretation’ aus allem beinahe alles andere zu machen, je nach persönlicher Begabung.
Ohne zu weit einzusteigen in die Konzeption von Jürgen Habermas, das er selbst ‚hermeneutisch’ nennt, aber doch an einem transhermeneutischen Wissenschaftsbegriff orientiert, den er den empirischen Wissenschaften entnimmt, ist hier nur auf die Abweichung hinzuweisen – die genauere Ausführung muss anderswo erfolgen – auf die es hier abgesehen ist. Im Unterschied zu Habermas, der die Wende in Richtung des Subjekts wohl vollziehen möchte, jedoch vor dem Problem scheut, den damit eingeschlagenen Weg auch zu Ende zu gehen, indem er sein Konzept gegenüber der Psychoanalyse abgrenzt, indem er sie in die Klinik einweist, wo sie mit ihren Patienten glücklich werden darf mit seiner Erlaubnis, ist zunächst ganz anders vorzugehen, denn es geht nicht um eine formale Abgrenzung von ‚Soziologie und Psychoanalyse’.
Das ist aber die Fragestellung, an der Habermas hängen bleibt, und auch die Frage, warum das so ist harrt natürlich einer Antwort, die sich nicht von ihm die Normen vorgeben lässt, an denen sie diese Untersuchung orientiert auf der Suche nach einer Antwort. Fragt man nach den Erfordernissen für den Erfolg der analytischen Wende von der Kultur zum Subjekt der Kultur, dann kann man kaum daran vorbeikommen, dass alle wissenschaftlichen Mittel und Methoden sowie Befunde zur Anwendung kommen müssen, die dafür zur Verfügung stehen, und es gibt da weder von keine denkbare Borderline, die eine Grenze oder Klasse festlegt für die zur Anwendung kommenden Methoden, mittels derer der durchgehende Zusammenhang der Mirko und der Makrophänomene, der subjektiven und objektiven Konstitutionsbedingungen von Subjekt und Kultur nachzuweisen bzw. herzustellen und zu zeigen ist.
Der Theoretiker, der sich auf dieser Borderline niederlassen will um sie zu hüten, wird zu einem zu untersuchenden Phänomen. Er stürzt ab aus dem Status des Subjekts in den Bereich der durchaus bedeutungsvollen und aufschlussreichen Artefakte, deren Status und Komposition sowie Genese zu klären ist, ebenso wie das damit stets verbundene Phänomen der Bedeutung eines Phänomens oder Symptoms. Denn alle Phänomene sind auch in gewissem Sinn stets Symptome. Beide teilen eine Eigenschaft: dass sie auf (außerdem noch) anderes hinweisen als bloß sich selbst.
Es bedarf für einen skeptischen Leser – und das sollte jeder Leser sein – mit Sicherheit einer genaueren Vorbereitung des Nachweises der Notwendigkeit der folgenden Überlegung. Aber man kann gelegentlich auch so verfahren, dass man zunächst die Lösung präsentiert in der Form eines Postulats um dann die Begründung, die dazu führt nachzureichen.
Eine der kaum durch ‚wissenschaftlichen Fortschritt’ überholbaren oder dem Vergessen zu übergebenden Einsichten von Habermas, an die sich indessen anknüpfen lässt, und die die Frage aufwirft, warum Habermas selbst daraus nicht die radikalen Konsequenzen aus ihren Implikationen zieht, die gewissermaßen auf der Hand liegen, und deren Bedeutung in Hinsicht auf die Konstitution des Subjekts von Gesellschaftstheorie doch nach Möglichkeit mit den bestmöglichen zur Verfügung stehenden und weiter zu entwickelnden Mitteln erforscht und untersucht werden sollten, ist die Bemerkung, wonach das Subjekt durch die Akte des Erkennens hindurch dem erkannten Zusammenhang angehört, den es sich als Gegenstand gegenüber findet. Das bedeutet aber doch zugleich, dass dieser Gegenstand gewissermaßen zwei Seiten hat, so wie das Subjekt einen Januskopf. Denn der Gegenstand ist dann einmal alles an bedeutungsvermittelten Strukturen und Objekten, das sich als Welt dem Subjekt gegenüber findet, wenn es seine Aufmerksamkeit dieser zuzuwenden beginnt, eine Welt, die als geschlossene Oberfläche erscheint (ohne Lücken), und andererseits sich selbst, ebenfalls als eine selbst gegebene Erscheinung, deren Genese ganz und gar rätselhaft sein muss, wenn es sich selbst als Gegenstand nur näher ins Auge fasst.
Freitag, 1. August 2008
Nicht vergessen: Der Anlass ist die Phantasie, eine pharaonische Mumie zu sein, die denkt. Osiris/Isis Mythos: Der zerstückelte Leib des ermordeten Bruders Osiris wird von Isis wieder zusammengefügt. Rebeccas Gestaltung des Eingangs zu meinem Zimmer als Pharaonengrab.
Kurt Eisslers wohl auf einzigartige Weise minutiöse Studie zu Johann Wolfgang Goethe, zweite Lektüre, im Moment in II. das vierte Buch des Wilhelm Meister, zitiert er ‚Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen…’, die Rede ist von Marmorstatuen, und mir fällt blitzartig eine Erinnerung aus meiner Pubertät ein, in der ich mich im Dunkeln im Park in der Nähe des Großen Teichs, nein, am nahen kleinen Teich befinde, neben einem bemoosten und mit Efeu überwucherten kleinen Wasserfall befinde, der unter einem Torbogen einer Brücke hindurchführt, die man vom oberen Weg aus als solche nicht wahrnimmt, und unter der Wasser vermutlich von dem großen Teich in den kleinen fließt, neben einer weiblichen Statue der Venus befinde, die mich auf eine unendlich traurige Weise berührt. Ich möchte mich ihr nähern, berühre sie auch, aber die bleibt stumm, starr und kalt. Ich weiß wohl, dass ich sie nicht zum Leben erwecken kann, aber ich liebe sie und wünsche mir, dass sie lebt. Zugleich bin ich selbst eher noch ein Kind, und die Statue ist die einer erwachsenen Frau. Das erscheint aber nicht als bedeutsam. Die Erinnerung ist zugleich mit der an die Faszination und die geradezu magische Wirkung der Schriften Josef Eichendorffs verbunden (deren bloße Imagination mit der Heraufrufung seines Namens etwas zugänglich macht, dem ich noch nicht auf den Grund gegangen bin, das aber ungemein wichtig sein muss und das Motiv dafür sein dürfte, dass ich später in der Bildung an einer Universität Deutschlands etwas suchte, das dort nicht mehr finden zu können schließlich dazu führte, dass ich mich gegen diese Institution entscheiden musste um das zu retten, was ich dort vergeblich, aufgrund eines Irrtums, den ich nicht zu verantworten habe, suchte, am falschen Platz. Inzwischen geht es nicht mehr darum, den Platz zu finden, an dem ich es suchen müsste.
Der ist gefunden: Ich bin es selbst. Es geht darum, das zu platzieren im Rahmen der vorhandenen Kultur. dass es diesen Platz nicht nur verdient, sondern darüber hinaus vor allem ihr, dieser Kultur dieses Landes, so wie es jetzt ist, ohne Ausschluss dieses oder jenes in sie eingewanderten neuen Elements, versteht sich, denn auch ich bin nur ein Immigrant aus dem Exil eines langen Missverständnisses.), der ja auch eine Geschichte mit dem Titel ‚Das Marmorbild’ geschrieben hat, aber im Übrigen diese Aspekte der Phantasie Goethes geradezu zu seinen Thema hatte. Es zieht sich aber durch alles. Was er schrieb. Im ‚Taugenichts’ habe ich mich blitzartig wieder erkannt, als ich in der Schule auf die Geschichte aufmerksam wurde. Zugleich hat mich die mir darin erscheinende ‚Prognose’ meines ‚Schicksals’ zutiefst erschreckt.
Indessen ist alles das eingetroffen. Leah und Rahel am See in dem Sommer, in dem ‚Tante Leni’ starb, das herzzerreißende daran, das ich niemandem mitteilen konnte und auch gar nicht begriff. Tante Leni’s an mich adressiertes Buch über den Untergang des Abendlandes (Richard Wagner, Friedrich Nietzsche fallen mir ein und die höfliche Indifferenz, mit der sie beide von den ‚Philosophen’ des Giessener Instituts übergangen wurden, die sich gegenüber der bloßen Nennung der Namen schon verhielten als schwebten die alliierten Bomberflotten über ihren Häuptern, diese feigen, gebrochenen Gestalten in den angemaßten Rollen väterlicher Lehrer und verantwortlicher Führer im Labyrinth der zertrümmerten Kultur Europas, in den gelehrten Schwachsinn gebombte, gehirngewaschene impotente Krüppel, Gestalten aus den Geschichten E.T.A. Hoffmanns, Betrüger in den Masken ‚gütbürgerlicher’ Krawattenträger, die ‚Rollenspieler’ Ralf Dahrendorfs und Habermas’. Nicht nur die Rezeption der Rollentheorie durch Habermas zerreißt das ihn angeblich mit der Kritischen Theorie verbindende Band, sondern auch seine Einweisung der Psychoanalyse in die Klinik, von der man sich fragen muss, woher er die Kompetenz dazu eigentlich nimmt. Was man bei Medizinern akzeptiert, weil es einfach nur die Grenzen ihres Fachs und ihrer erklärten Zuständigkeiten formuliert und ihr Berufsgruppenmonopol verteidigt, was man bei einer Interessenvertretung dieser Art kaum verwunderlich finden kann, ist angesichts des Widerspruchs zwischen der Unzuständigkeit Inkompetenz von Habermas in der Sache gegen seinen eigenen Kompetenzbegriff gehalten ein unbezweifelbares Symptom, zumal es gegen die ‚Logik’ seines eigenen Denkens verstößt. Das muss alles zur Sprache kommen.)
Aber vor allem, wie nah Rebecca meinem Geheimnis gekommen ist, als sie diese Gestaltung des Eingangs zu meinem Zimmer vornahm. Sie hat es auch in ihrer Schule ‚verewigt’, indem sie es riesengroß auf die Wand eines Schulraums projizierte. Aber dort hat nichts sich bewegt. Die stumpfe Blödigkeit dieses Betriebs schreit zum Himmel. Ich hatte meine Kinder schwachsinnigen Betrügern auszuliefern, von Staats wegen, der von demselben Abschaum durchweg besetzt und erobert ist. Die Feiern des ‚Widerstands des 20. Juli’ sind eine einzige, völlig gegenstandslose Blödheit, nicht einmal eine Heuchelei, denn dazu gehört ein Bewusstsein des Unterschieds des Richtigen und des Falschen und die bewusste Dissimulation des bewussten Betrugs.
Ich leide indessen nach wie vor an dem vernichtenden Gefühl der völligen Wertlosigkeit meiner schriftlichen Produktion, obwohl ich den Grad ihrer Reife und Belehrtheit auch erkennen kann. Aber irgendetwas wirft immer wieder einen verächtlichen Blick darauf und sagt: Scheisse! Nicht wert, aufgeschrieben oder zur Kenntnis genommen zu werden. Gestern Abend auf ARTE ein arabischer Film über Averroes im spanischen Andalusien. Der Film endet damit, dass Averroes den Soldaten dankt, die gerade seine Bücher verbrennen, und er wirft ein versehentlich nicht ‚den Flammen übergebenes’ Buch noch selbst in das Feuer, denn seine von der Vernichtung bedrohten Schriften sind just durch diese Bedrohung nicht nur gerettet, sondern auch von seinen ‚Kollegen’ und gelehrten Konkurrenten akzeptiert und dadurch gerettet worden, dass sie durch eine Intrige, der der Kalif zum Opfer gefallen war, ebenso wie seinem neidischen Stolz gegenüber dem Gelehrten, der etwas kann, was ihm keine Macht der Erde zu verschaffen vermochte, Denken, gerettet wurden, hinter dem Rücken des Kalifen von einem seiner Söhne, die den Kalifen zur Besinnung bringen über die Intrige und denen er wie für die Rettung der Schriften des Gelehrten, der sein einziger Freund war, dankt, so dass sich die Familie des Kalifen wieder (mit dem Gelehrten) zusammenfindet, in dem noch nicht verlorenen Andalusien. Der Film endete in einem Abspann mit einem ergreifenden Lied, das mir den Zauber der arabischen Kultur wieder erschlossen hat, den ich als Kind gegenüber der ägyptischen empfunden habe, angesichts eines ungeheuren Buchs von Braestedt über Ägypten, das mich mein Leben lang begleitet hat. Die Geschichte dieses Buches muss ich erzählen, wie es in meinen Besitz gelangte und wie es mich mein Leben lang begleitet hat.
Eine Stimme eines jungen Mannes sang ein unendlich ergreifendes Lied, in dem ich meine Sehnsucht wieder erkannte, diese Sehnsucht, die mich mein Leben lang begleitet hat und die unauslöschliche Melodie meiner Existenz bildet, die sich jetzt unter dem ungeheuren Lärm und Geklapper der intellektuellen akademischen und Schriftlichkeiten und Vorlesungen, den trockenen Belehrungen und der Gewalt der an mir vollzogenen Gehirnwäscheversuche, die die Sieger im Verein mit einer gewalttätigen Bande von Kollaborateuren über diese Kultur verhängt haben mittels der von ihnen für Unterworfene und Geschändete erfundenen ‚wissenschaftlichen Theorien’, die ihnen ihre Nichtswürdigkeit als bloße gefangene Tiere stündlich und in jeder Sekunde als eine ihnen aus dieser Belehrung von Innen unablässig entgegenschallende Stimme vorhält um sie am Boden ihres aus nichts aus Worten bestehenden unentrinnbaren Kerker festzuhalten, erneut entgegen klingt, indem sie in Klage über den Verlust Andalusiens für die arabische Kultur ihr Echo findet.
So wahr ich lebe, wird dieses ‚intellektuelle Verhängnis’ über der niedergetrampelten Kultur Europas vergehen, und mit ihr die Gewalttäter und ihr Pragmatismus, der Philosophie von Banditen, Plünderern und Mördern, die uns auch ideell zu vernichten und in ewiger Gefangenschaft festzuhalten trachten, dabei nichts zu bieten haben als eine Kultur, die bei genauem Hinsehen nichts ist als Unterhaltung für eine bedenkenlose römische Soldateska, Lanzknechte (die oft begegnende Schreibweise ‚Landsknechte’ ist eine bemerkenswerte ‚Sublimierung’: Sie verbirgt das unverhohlen Mörderische mittels der Abschwächung eines ‚z’ in ein ‚s’, und fügt dem die Aufweichung mittels eines ‚d’ hinzu, macht also aus dem ‚z’ ein ‚ds’. Tse! Es ist das Vorbild aller weichgespülten politischen und sozialpädagogischen Sprache) und bezahlte dogs of war.
Heimweh kann ich das nennen, woran ich nahezu vergehe. Meine jüngere Schwester, meine Mutter…verloren, alle verloren wie tot.
Die amerikanischen Mörder und Vergewaltiger, die Mädchen schwängerten, die dann als ausgestoßener Abschaum herumliefen, die Tochter des Gefängniswärters, die hochschwanger und mit einem entsetzlich bleichen Gesicht herumlief und dann verschwand. Ihr Bruder war ein gewalttätiger Rabauke, Hansi Wintersdorf, aber einmal kam diese Schwester, noch vor ihrer Schwangerschaft, ein wirkliches Gretchen, still, mit glattem, langem aschblondem Haar zu uns ins Haus und bat mich schüchtern und mit leiser Stimme (das fiel mir auf, weil sie eher im Alter meiner älteren Schwester war, die sechs Jahre älter war als ich. Sie war auch größer und schon recht weiblich anzusehen und mich ergriff eine heimliche, kaum mehr als keimhafte Zuneigung, die ich mir nicht eingestanden hätte, die mir aber heute in der Art ihrer Entstehung ganz deutlich vor Augen steht, weil sie von ihr auszugehen schien um mich für den kurzen Zeitraum zu bezaubern, während dessen wir zusammen in meinem Zimmer unter uns waren) um ein paar Spielsachen oder eine Lektüre für ihren kranken Bruder und in dessen Namen, so dass ich ihr bereitwillig verschiedene Comichefte gab, während ich mich ein wenig darüber wunderte, dass dieser Rabauke nicht nur krank sein konnte, sondern dann auch den Wunsch danach hatte, etwas zu lesen, und dass er mir zutraute, dass ich etwas dazu beizutragen hätte, denn er war nie, so weit ich weiß, bei mir zu Hause gewesen. Wir trafen uns gewöhnlich nur auf der Straße.
Aber was ich als bedeutsam erinnere ist vor allem, dass ihre Art mit mir zu sprechen mich dazu brachte, ihr einen bebilderten Band mit den Märchen von Wilhelm Hauff mitzugeben, in dessen Kunstmärchen ich intuitiv das gesamte Grauen meiner Bad Nauheimer Existenz wieder erkannte. Bis heute sind die die durch verschiedene Maßnahmen der Sanierung und des Umbaus freilich vernichteten Schauplätze meines damaligen Lebens in einem mehr oder weniger großen Umkreis um das Haus in der Parkstrasse, dem auch Züge eines Hauses aus einer Geschichte von Theodor Storm eignen, so wie vielen Charakteren, die mich umgaben, Züge aus Märchen und aus den Geschichten von Hoffmann hatten, unauslöschlich mit den von Wilhelm Hauff geschaffenen Zügen der Kultur und Sozialpsychologie Deutschlands verbunden, die weit genauer als alles psychologische Geschwafel eine seelische und kulturelle Wirklichkeit der Charaktere der Menschen und der Lebensumgebung wiedergeben.
Alle diese sichtbaren Formen des alltäglichen Grauens, das an seinen quasi unmittelbar sichtbar gemachten affektiven Qualitäten und Eigenheiten unmittelbar erkennbar gemacht war, ist durch die Pseudorationalisierungen der Verhaltenstheorie und durch die begriffslose Dissimulation der Sozialtechnologie und ihre gegenstandslosen skelettartigen Gerüstbauten gewissermaßen verdampft worden, um es der Sicht- und Erlebbarkeit zu entziehen, so dass die derart konditionierten und zugleich auf das bloße begriffslose ‚Erleben’ reduzierten seelischen und Bewusstseinsverfassungen auch gar nichts mehr zu Erleben imstande sind, obwohl die darauf reduziert sind. An die Stelle tritt eine Konditionierung, die dem Grauen weder eine Wahrnehmung noch einen Begriff zuzuordnen vermag. Was an die Stelle tritt, sind Reflexe, die in den Stereotypen der jeweils auf die Möglichkeit des Bewusstwerdens des Unsäglichen und Furchtbaren einfach mit einem ebenfalls den Plakatsäulen abgelesenen Bannspruch vergegenständlicht bereit liegen und ebenfalls von Vorbetern geprägt und propagiert werden, die die Medien beherrschen. Die Verbannung des affektiven Lebens aus dem bewussten Lebensalltag dieser Welt ist das gewollte Produkt einer Konditionierung, die jede Wiederkehr dieser unabdingbaren Grundlagen des Lebens nur als Krankheit ‚akzeptierten’ kann, mithin seine Integration in die Existenz und das bewusste Leben systematisch und präventiv bedroht.
Das Kind, das sich vor einem Lehrer fürchtet, der problemlos, bei angemessener Wahrnehmungsfähigkeit als ein brutaler Gewalttäter erkennbar und gerade deshalb, oder jedenfalls auch deshalb überhaupt nur zum Systemfunktionär werden kann, gibt nicht etwa die Wahrheit über den an ihm von Agenten dieses Erziehungssystems an ihm begangene Schändung wieder, die sich als Erziehungsauftrag rationalisieren darf. Der Missbrauch wird aus seiner Normalform auf die dazu nur zu dienlichen Extreme jenseits der deklarierten Erziehungszwecke projiziert und dort kaserniert. Dann treten die Verfolger als Hüter der Ordnung in Aktion, die vor diesem Missbrauch schützen. Zugleich wird der präventive Verdacht auf alle Nicht Funktionäre projiziert, und damit die Zerstörung der Familie weiter rücksichtslos vorangetrieben, indem die gesetzlich erlaubten Eingriffsrechte immer weitergehend ausgedehnt werden. Und ohne Zweifel tut man mit der Aufdeckung und der Verhinderung solcher verborgenen Gewalt im Familienumkreis nicht nur Böses, sondern der Absicht nach auch Gutes.
Aber die von den Agenturen der derart immer mehr zur Verwaltungssache von Großorganisationen mit ihrer unausweichlichen Tendenz zur militärischen Organisation (das hat man dem Kommunismus doch immer so lautstark angekreidet, der diese Praxis des möglichst frühen, vor der Reifung der Urteilskraft einsetzenden Zugriffs auf die frühkindliche Sozialisation freilich nur von der religiösen Praxis seiner Vorgänger in derselben Funktion der sachgerechten Abrichtung von sprechenden Nutztieren geerbt und übernommen sowie – wie auch im Land aller Möglichkeiten problemlos ersichtlich anhand des Extremwerte der ‚Erforschung’ der kindlichen Sozialisation, die keineswegs nur einen Vorteil für die Objekte dieser Praktiken ist, die die Zwecke nicht kennen können, für die sie unter diesen Umständen zu Objekten der Erwachsenengeneration bzw. ihrer professionellen Funktionäre werden. - ) betriebene Zugriff auf die nachwachsenden Generationen hat unausweichlich zur Folge, dass die generativen Quellen der Reproduktion der Nutztiere als Eltern im Wesentlichen zunehmend depotenziert werden, so dass sie am Ende als leere Hüllen einer forensischen fiktiven Restverantwortlichkeit, als eine Art Teilzeitbetreuer ihrer eigenen Nachkommen mit minderer (professioneller) Kompetenz übrig bleiben, während sie für die gesamte Finanzierung des an ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Kriterien – und das sind die kulturell allein und als Kultur übrig bleibenden Kriterien – aberwitzigen Unternehmens der Fortpflanzung verantwortlich gemacht werden, die dann, weil die Einkommen dazu nicht mehr ausreichen, unter unsäglichen Bedingungen von der staatlichen Arbeitslosenverwaltung der stigmatisierten ‚sozial Schwachen’ Almosen gewährt erhalten, auf Anträge hin, die dazu zwingen, dass diese Eltern sich selbst vor der Allmacht dieser Verwaltungsmaschine und ihren auf Sachbearbeiterniveau konditionierten Agenten nackt ausziehen um sich begutachten zu lassen. Wen hier noch immer nicht das nackte Grauen dieser Umwandlung der einstigen Gesellschaft in ein Lager vor Augen steht, in dem nicht einmal mehr die Arbeit frei zu machen imstande ist – was ja der Wahrheit der Konzentrationslager entspricht, über deren Eingang diese hermeneutische Variante des Mottos der Dante’schen Hölle zu lesen steht auf ewig, als ewiges Symbol der Wirklichkeit der Sublimierungen des säkularen Staates – der mag dann meinen, hier handele es sich um das dann notorisch einfallende ‚Jammern auf hohem Niveau’.
Die Replik ist in jedem Fall Ausdruck dessen, dem das dann einfällt. Es gehört in die Gruppe der Abwehrreflexe, zu denen auch die Frage: Was ist Wahrheit? gehört und die Formulierung: Das war doch schon immer so, während demselben Bewusstsein angesichts von Ereignissen, die länger als zwanzig Jahre her sind, der Satz entfährt: ‚Das war doch eine ganz andere Zeit’, und wenn es sich um die Rede über ein Artefakt handelt, es sei ‚antik’, im Kontext mit ‚Flohmarkt’. Der Punktförmigkeit des Bewusstseins entspricht seine fehlende Tiefe. Es ist aber nicht nur flach oder gar eindimensional. Marcuse konnte mit seinen Zeitgenossen aber vielleicht noch ihrer Realität angemessen großzügiger sein. Weise behielt er nachfolgenden Betrachtern die Möglichkeit der Bezeichnung einer weiteren Schrumpfungsstufe vor, der Schrumpfung auf die Dimensionslosigkeit des auf einer 'time line' nach Art amerikanischer Computerenzyklopädien entlang laufenden dimensionslosen Markierungspunktes.
Da ist immer nur Jetzt!, ein Jetzt, von dem aus die Pseudopodien dieser dimensionslosen Bewusstseinsamöbe sich nach allen Richtungen des Raums um diesen Nullpunkt entlang der Kraftlinien triebhafter Strebungen ausbreiten und zurückziehen, dass dabei der Eindruck eines aufgeschlagenen und von Oben betrachteten Spiegeleis entsteht, mit dem Unterschied, dass es ‚lebt’, also um einen vage ausmachbaren Kern herum sich ein schwankendes, auf organisch vermittelte ‚Bedürfnisse’ konzentriertes und sich entlang des Schwankens im Vorherrschen dieser Bedürfnisse in Richtung und Ausgriffsweite modifizierendes waberndes Gewebe bildet, das nur im engsten Belichtungsraum seiner Momentanbewusstheit operiert in dem es von diesen mit seinen Bedürfnissen erhellt und absucht. Diesen Kriterien genügen Börsenmakler, Präsidenten und Proleten, Politiker, Punks und Psychologen und Prostituierte gleichermaßen.
Wie denn die ‚Sozialarbeit’ ‚bemüht ist’, hier alle als ‚Menschen’ gleichermaßen zu rechtfertigen und zu definieren, anhand des niedrigst denkbaren möglichen Maßstabs, und das ist eben der Organismus eines triebhaften Allesfressers, der aus der Erfahrung des Experiments, das die Machtapparate immer schon zumal als Massenexperiment exekutiert, wenn auch nicht so sorgfältig geplant haben wie die Psychologen und Experimentatoren am Menschen mittels des geeigneten ‚settings’ dazu gebracht werden kann, alles zu tun, was von ihm ‚erwartet’ wird.
Das reicht bekanntlich denn auch bis in die Choreographien der als wissenschaftliche Forschung getarnten und weitgehend unkritisch akzeptieren, gar als ‚Befreiung’ gefeierten Experimentanordnungen der ‚Sexualforscher’ Masters et. Al., die eigentlich nur taten, was Zuhälter, Freier und Huren schon immer taten, nur das das nun den Rang der Wissenschaft erhält und die sado-masochistisch legierten Gemengelagen von Voyeurismus und Exhibitionismus sich hier mit allen polymorph perversen Triebstrebungen unterhalb der genitalen Stufe zusammenfinden zu Praxis, Wissenschaft und Theorie, die alle zusammen endlich in den auf diese Weise geschaffenen, propagierten und legalisierten globalen Markt für ein Milliardenbusiness münden, der Fluggesellschaften und Resorts, Urlaubsparadiese endlose Ketten von Spelunken, alle möglichen kriminellen Unternehmen mit Futtermitteln und Zielen sowie Gewinnen versorgt und auf dem sich dann ein paar verlorene Apostel als Missionare und Aufseher tummeln, um die letzte Bastion jedenfalls aller bisherigen und bekannten Kulturen zu verteidigen, das Inzesttabu, während es bereits dem organisierten Großangriff eines globalen Tummelplatzes erliegt, auf dem es längst erledigt ist, indem der gegen es gerichteten Tendenz genügend Spielraum zur Verfügung steht, der erlaubt es im Rahmen kaum mehr kaschierter Formen auszuagieren.
Es sind indessen dieselben Mentalitäten, die sich dann empört als Ordnungshüter aufspielen, die davon leben, dass der Abriss, die flächendeckende Vernichtung aller kulturellen Substanz unter dem Stiefel und den Bombenteppichen einer imperialen Soldateska, die sich immer schon ihre Kampfmaschinen und –methoden von den ihr ergeben zuliefernden Wissenschaftlern in ihren eigenen Reihen aufmöbeln ließ entlang dem jeweils sich ergebenden Bedarf von Mitteln, die die bereits geplanten Eroberungen und Schleifung der Kulturen und sozialen Formatierungen der Angegriffenen zu optimieren oder zu maximieren half.
Wenn das nicht den Eindruck eines gigantischen Stalls macht, in dem ein um seinen inneren und äußeren Halt gebrachte, ihrer Instinkte und ihres Instinktersatzes beraubte Tierart unter die anderen, ihr vermeintlich unterlegenen Lebensformen auf derselben oder auch auf ‚niedrigerer’ Komplexionsstufe des organischen Lebens herabsinkend, im Kontext dieses Verlustes und vorerst (zu hoffen ist hier auf die Anpassungs- und Leistungsfähigkeit der Viren und Bakterien) mangels eines Fressfeindes, der sie begrenzen könnte, dazu übergeht, sie so weit er eben kann, alle aufzufressen oder als (Nahrungs)konkurrenten zu vernichten, und als solcher nicht stört, dann nur deshalb, weil sich das Bewusstsein darin eingerichtet hat als in einem natürlichen und ihm angemessenen Zustand, an dem es nichts Auffälliges zu finden gibt, insofern es der Zustand ist, auf dem sich subjektive Zufriedenheit eben deshalb einstellt, weil alles ausagiert werden darf, das mit dem Rahmen der Ordnung, der diese Verhältnisse erst erschaffen und global durchgesetzt hat, verträglich erscheint. Wenn der ‚wissenschaftliche Fortschritt’ sich in der gleichen Richtung bewegt, einer Richtung prinzipieller Entgrenzung entlang des jeweils Möglichen in der Direktion der Auffindung weiterer Möglichkeiten zu weiterer Entgrenzung des Bereichs des Möglichen, so ist das nur ein Beleg nicht nur für die Synchronizität der Prozesse, sondern einer für ihre prinzipielle Identität.
Die überaus fatale Formulierung, die aus einem Werbespruch zu einer politischen Formel und einer globalen unternehmerischen und politischen Strategie wurde und als ein Versprechen von ‚Freiheit’ auftritt, unterliegt ebenso der organisierten und privatisierten Wissenschaft zugleich, denen die Parallelaktionen einer zugleich imperialen und einer ihr parallel geschalteten Privatarmee im Einsatz für expansive und aggressive imperiale Ziele entsprechen, die sogar von den Kontrollen der internationalen politischen Organisationen ‚abgelöst’, ‚unabhängig’ und ‚frei’ werden kann und daher nicht nur auf eigene Rechnung, sondern auch jenseits der wie eine ältliche unverheiratete Tante abgefertigten internationalen Regelungen für den Kriegsfall operieren, unter der Begleitmusik der Truppenunterhaltung, die als Musik- und Filmindustrie weltweit operierend die von ihrer eigenen Kultur und Sprache längst im Stich gelassenen Jugendlichen die Propaganda verkauft, die ihnen einheitlich zu den T-shirts und den Jeans verhelfen wird, die sie in den sweat-shops für den internationalen Markt herstellt, der sich seit dem Englischen Baumwollmonopol und der Nutzung Indiens als work-bench wohl gelegentlich umgeformt hat, aber kaum verändert in seinen verwirklichten Zielen, deren Durchsetzung die Verwüstungen Europas im zwanzigsten Jahrhundert nicht gern auf ihr Konto schreibt, weil die ‚industriellen Revolutionen’ mit den sogleich aus ‚analytischen Gründen’ und aus Gründen der Notwendigkeit der angemessenen ‚wissenschaftlichen Differenzierung’ erfundenen und dann zu selbständigen Entitäten verabsolutierten ‚sozialen Revolutionen’ und den ‚politischen Revolutionen’ und den ‚kulturellen Revolutionen’ rein gar nichts zu tun haben oder nur ganz vage, entfernt und nur zufällig mit ihnen konvergieren, oder nur mittels kompliziertester Differenzierungen, die nur im Bereich verantwortlichster, d. g. der Kompetenz staatlicher Berufsbeamter mit intimer Kenntnis der Verwaltung und ihrer internen Abläufe Zuständigkeiten überhaupt zur Sprache gebracht werden können, mittels eines eigens dafür geschaffenen Einheitsjargons, der ausschließlich die Segnungen dieses dann letztlich doch im Großen und Ganzen der flugs wieder zur Menschheit nobilitierten Biomasse des von den Herren dieser Berichterstatter als Nutztieren verbrauchten Lebensform Homo sapiens fast nur zu Nutzen ist, obwohl man gern zugibt, dass es auch ‚unschöne Ereignisse’ gibt, die man zu bedauern hat und die man nicht einfach verschwinden lassen kann, aber mittels Schuldzurechnungen leicht erledigt, indem man sie einem im Wege stehenden Gegner aufbürdet.
Die in Europa gar nicht recht aufgefallenen Bestialitäten der US Amerikaner in Südamerika, sind mit denen der Japaner in China durchaus auf eine Stufe zu stellen. Es ist derselbe mörderische imperiiale Wille, der hier wirkt, und der schon die Entstehung der USA bis hinein in ihren Eroberungs und Abrundungskrieg gegen Mexico und den bereits zweiten imperialen Krieg nach diesem in der Form des Sezessionskrieges gegen den aus dem Staatenverband aufgrund von gutem Recht ausgetretenen Süden im Anschluss an die entschlossene und intentional in jedem Stadium bewusste Ausrottung der Amerikaner zusammen mit der Vernichtung des gesamten organisierten System der Lebensformen charakterisiert, zu der sich das selbstgerechte Getue der religiösen Fundamentalisten - die gute Gründe haben, sich an diese Projektionen ihrer Rechtschaffenheit zu klammern, denn in der Realität haben sie ja sonst keine – mit der Begleitmusik der larmoyanten und größenwahnsinnigen Celebrities und der endlosen Reihe der kleinen Flittchen und rosa und knusprig braunen Spanferkelchen formieren, die die Leere der aufgeputzen Hülsen als sinnerfüllendes Lebensprogramm vorleben und dafür mit überreichlich Taschengeld ausgestattet werden um sich all die schönen Accessoirs auch kaufen zu können, vom Lippenstift bis zu einem Ferrari und einer Yacht inclusive einem Lebensunterabschnittspartner, der zur saisonal hippen Farbe des Bekleidungsrests passt, den sie noch am Leibe tragen, so als wäre überall immer Sommer, Sonne und Strandleben.
Diese ewigen Ferienexistenzen halten dann so oder so den Arsch hin als Onaniervorlagen für die in ‚Entwicklungsländern’ gestrandete Soldateska, solange die durch den von ihnen mitgebrachten hochkulturellen ‚way of life’ – der ja schon an den ‚Indianern’, aber seitdem eigentlich weltweit, erfolgreich erprobt worden ist und sich bewährt hat. Warum also sollte man das ändern – noch nicht die in Bezug auf diesen Lebensstil und seine Bedürfnisse etwas rigide Kultur des Landes noch nicht so weit nachgegeben hat, dass sich genügend Nutten auftreiben lassen, die von diesen ‚sons of bitches’ und ‚motherfuckers’ dann gefuckt werden können nach Bedarf. Überhaupt lässt sich diese Mentalität gern den Schwanz lutschen. Das gilt nicht nur für das Verhältnis von Präsidenten und Praktikantinnen. Und zwar entsprechend dem Zusammenhang zwischen den unbewussten Quellen der Objektwahl, in der sich Volk und Führer wie Triebstrebung und Objektrepräsentanz mittels einer Wahl treffen, der dann die Objektwahl zwischen dem so gewählten Repräsentanten und der Praktikantin ihrerseits korrespondiert. So gesehen kann dieses Vierecksverhältnis zwischen Wahlvolk und Führer einerseits, und dessen Frauen andererseits, die die verschiedenen Aspekte der Objektwahldispositionen des Führers darstellen, getrost als Repräsentation des Geschlechterverhältnisses innerhalb des Sozialcharakters der US-Amerikaner gelten und auch so genommen werden.
Mancher wird freilich meinen, da müsse man die Botschaft doch missverstanden haben, und wird das dann in die Form einer ‚wissenschaftlichen Kritik’ an der zugrunde liegenden, das Verständnis leitenden Methode nutzen. Denn für solche Kritik ist dann ja Konjunktur. - Man braucht dann eben ein Gegengutachten, und kennt das gewöhnliche Verfahren aus einer finanziell exzellent ausgestatteten juristischen Abteilung der Konzerne, von denen der Staat der USA nur eine Superstruktur, den Konzern der Konzern von Corporate America bildet, nämlich den Konzern, der die Populationsbewirtschaftung der gesamten Welt reguliert, und dabei inzwischen nicht einmal mehr den Postulaten der Leninschen Theorie von der Privilegierung des eigenen Proletariats im Mindesten entgegenkommen muss. So ändern sich die Zeiten zum Besseren. Was für eine Kostenersparnis gegenüber dem New Deal und der unmittelbaren Zeit nach dem vorläufigen Ende des imperialen Krieges, der dem Imperium zum Durchbruch verhalf, einmal abgesehen von dem Schönheitsfehler der Sowjetunion.
Wie schön hätte alles werden können ohne diesen Makel. Die inzwischen möglichen Kostenersparnisse sind da als historische Fortschritte unbedingt zu würdigen. - Wie denn überhaupt diese Lieblingsausdrücke des Lumpenproletariats der USA geradezu die Hauptworte und Formeln mit dem Status einer globalen Leitkultur längst erfolgreich global geltend gemacht haben, indem sie sie Zuhälter und Kriminellen der Suburbia der USA zum kulturellen Leitbild erhoben und ebenfalls mit Finanzmitteln ausgestattet haben, die die von ihrer Propaganda ‚Verarschten’ aus eigener Tasche mit der Zustimmung der Eltern weltweit zu dieser Verwendungsweise zusammengekratzt werden, aus Gründen, die mit der Identifizierung zu tun haben, die in der vergeblichen Sehnsucht und den Tagträumen von Populationen und Generationen ihren Grund haben, den Verhältnissen in denen sie sich befinden ohne die geringste Anstrengung, etwa intellektueller Art, die die Voraussetzung wäre für bewusstes politisches Handeln, zu entkommen. Das sind erkennbar in keinem Aspekt als rational auch nur ‚einschätzbare’ Vorgänge. Ihnen ist nicht einmal ein Minimum von Verstand zuzuordnen oder zu entnehmen. Die Unmittelbarkeit der halluzinatorischen Wunscherfüllung ist so direkt wie das überhaupt nur machbar ist, wenn man den Umweg über den Markt nehmen will, auf dem die Kühe zunächst gemolken werden, bevor sie in die Realität des Alltags ihrer Stalltierexistenzen zurückkehren.
Kulturtheoretisch ist dieser Massenerfolg der Eigenpropaganda von Kriminellen und Spinnern, zumal als ‚Kunst’ ungemein auffällig, als kollektive Regression. Historisch, als Vorgang in einer Hochkultur mit weitem geographischem organisatorischen Effekten ist dem wohl nur das Zeitalter am Ende des Hellenismus und dem Übergang zum Römischen Imperium, und dann wieder die Spätantike vor der Konsolidierung des Christentums als ‚Staatsreligion’ nach Augustinus zu vergleichen, als Rebarbarisierung unter dem Eindruck anwachsender Anomie und der Unkalkulierbarkeit des Lebens angesichts immer weiter ins Arbiträre abgleitenden Politik und ‚Herrschaftstechnik’ zu vergleichen, bzw. das der Zeit des Peloponnesischen Krieges in der alten Kultur Griechenlands nach den Perserkriegen. Die lange Epoche der Christianisierung Germaniens und Britanniens in Westeuropa ist vermutlich ein faktischer Fehlschlag, der im Zurücksinken des Papsttums selbst in die Barbarei bestand, das sich im Europa nach dem 12. Jh. So benahm wie die USA sich heute global aufführen. Und endlich ist da die USA selbst, von der Theodor Mommsens unheimliche Prognose zu hören ist, die uns aus dem neunzehnten Jahrhundert und von einem Gelehrten zugeht, der die Römische Geschichte aus guten Gründen nur bis zum Untergang der Republik rekonstruiert hat auf der Höhe eines Urteilsvermögens und einer analytischen Fähigkeit, die ihn dazu berechtigte.
Indem er darauf aufmerksam machte, was aus den USA werden würde, wenn ihre Drachensaat gereift sein würde, ein Monstrum, gegen das die alten Kapitalistenstaaten, wie er das unmissverständlich nennt, mit einem Ausdruck, der beim Namen nennt, was sich als ‚Hochkultur’ von Gnaden des Berufsbeamtentums und staatlichen Agenten wie mit den gern inkriminierten Methoden der ‚Koranschule’ in die wehrlosen Gehirne der Zwangsklienten einfressen soll wie ein Brandzeichen, angesichts der Grenzen ihrer Möglichkeiten wie Kinderfunk wirken müssten, während er zugleich mit unbeeindruckbarem Wirklichkeitssinn die Realität der Römischen Hochkultur beschrieb, nahm er vorweg, was sich in die Realität des mit bunten Bilderchen überzuckerten Grauens des vom American way of Life verwirklichten Alptraums global übersetzt hat und dabei ist, die nächste Generation dieser Drachensaat aus der Erde emporwachsen zu lassen.
Die Paranoia der Amerikaner ist berechtigt. Sie ahnt, dass das Gesetz, wonach wer Wind sät, Sturm ernten wird, einer historischen Wahrheit entspricht, einer Regel. Wer nukleare Bomben abwirft, wird seinerseits bereits in diesem Akt legalisiert haben, was er so schon verallgemeinert hat, und kann von diesem Moment an nur noch damit beschäftigt sein, die Inanspruchnahme der Reziprozitätsregeln zu verhindern, aber doch nicht, ohne zugleich zu sehen, dass er selbst das Paradigma der Macht selbst gesetzt hat, dem als einem unauslöschlichen Vorbild nun alle nacheifern müssen. Und welche historische Regel sollte es dafür geben, und wie wäre die zu beobachten, dass die einmal von einem angewandten Mittel nicht allen zur Verfügung stehen, wenn es ihnen nur gelingt, sich in ihren Besitz zu bringen. Und muss es den einzigen, als Singularität dastehenden Täter solch herkulischer Taten nicht doppelt fatal aus der Geschichte heraus heben, indem er der einzige bleibt. Es bleibt jedenfalls vorerst eine Tatsache, dass die Amerikaner bisher das einzige Kollektiv tatsächlich ist, dass die Chuzpe hatte, diese Waffe nicht nur, auf Empfehlung des angeblich erlauchtesten Geistes des zwanzigsten Jahrhunderts, den man dafür lobt, aber weniger gern dafür, dass er überzeugter Sozialist war, herzustellen sondern auch wie selbstverständlich sogleich am lebenden Objekt experimentell zu erproben. Man kann getrost auch hier Gleichsetzung der Mentalitäten vornehmen.
Es ist aus einem Guss, dazu die Experimente amerikanischer Behavioristen und ihrer etwas weicher gespülten Nachfolger in Sachen der ‚Psychologie’ der Nutztierhaltung an der Tiergattung Homo sapiens – man sollte sich innerhalb der Profession doch einmal fragen, ob man sich nicht endlich dazu entschließen soll, bestimmte Formen dieser Fachbeiträge als Faschismus in Wissenschaftsform lieber aus dem professionellen Selbstverständnis der Profession ‚Psychologie’ auszugrenzen, wie überhaupt ein wissenschaftsgeschichtlicher Rückblick auf die Geschichte der Psychologie und der Psychiatrie einmal einen Wissenschaftsbiographen finden müsste, der die Entwicklung dieser neuzeitlichen Säkularisierungen der Menschenführung von einem rücksichtslosen Verbrecher zu einem Scharlatan und Ohrenbläser am Hof der Macht korrekt beschreibt und die Geschichte der Handlungen dieses Triebtäters im Gewand des Menschenfreundes als Geschichte eines organisierten Verbrechens rekonstruiert, deren nützliche Nebeneffekten für die Herrschaftsapparate, die die Tiergattung immer erbarmungsloser unter das wissenschaftlich verbesserte und mit high tech aufgerüstete Joch ihrer Unterwerfungsmethoden beugen, diesem Täter die wohlwollende Huld der Macht sichern, die ihn in einer gut ausgestatteten Pfründe aushält.
Es ist kaum verwunderlich, sondern vielmehr zu erwarten, dass all diese von der Theologie zur Wissenschaft säkularisierte bereitwillige Assistenz der Herrschaft und der Unterwerfung exakt dieselben Funktionen hat, die das historisch an seiner immer unbedenklicher werdenden Kollaboration und daran gescheiterte zur Verwaltungstechnologie umgeschulte Christentum in einem anderen Zeitrahmen annahm, dessen ‚aufgeklärte’, viel menschenfreundlichere Erbschaft die Wissenschaften dann angetreten haben, die sich den Leib des getöteten Feindes in einem kannibalischen Mahl teilten, unter denen die Soziologie und die Psychologie als die Vornehmsten oder jedenfalls die ersten hervorgingen. Die Knechtsgestalten und Krüppel, die ihnen in Gestalt Quasimodos (des Glöckners von Notre Dame) nachfolgten, sind dem allgemeinen Niveau der kollektiven Proletarisierung entsprechend Billigversionen und technisch stärkstens vereinfachte ‚Volkswagen’.
Samstag, 2. August 2008
(bis zum Ende der eckigen Klammer)
(Genauer wäre vielleicht doch die Figur des Doktor Spalanzani aus E.T.A. Hoffmanns Erzählung, Die Automate, wenn man Quasimodo als die verrufene Gestalt des in einer pseudochristlichen Welt, die zwischen einer Population und einem Machtapparat zum Streitobjekt gewordene (theologische) Wahrheit auffasst, die der Mob vor der Macht retten will, gegenüber der die zur Prostitution gezwungene Kirche in die Spitze ihres Turms flieht, an den Ort, an dem sie unter den gegebenen Umständen ihrem Gott am nächsten zu sein vermag, wogegen die verkrüppelte Gestalt der Theologie, die den Turm bewohnt, die Population, die die Kirche zu schützen versucht, als Mob missversteht und mit ihrer destruktiven Rhetorik bewirft, in dem Glauben, damit die Wahrheit zu retten, mit dem Ergebnis, dass die Kirche in Trümmern versinkt, die Population zu einem Mob regrediert, während die Wahrheit zur Revolution übergeht.
Hier wäre Quasimodo die Gestalt einer allerdings verkrüppelten theologischen Wahrheit. Der Buckel das Stigma ihrer Korruption, die glänzende Gebäude bewohnt und die Glocken läutet, sich aber selbst nicht – mehr – sehen lassen kann, weil ihr Anblick unerträglich ist, indem er die Gestalt des Stigmatisierten annimmt, die freilich in der am Kreuz hängenden Gestalt bzw. in der Grablegungsgestalt des Erlösers, des den Zyklus von Tod und Wiederauferstehung hinter ursprünglich repräsentiert ist, nur mit der Kutte des – mittelalterlichen Mönchs verhängt. Zugleich sind die Verhältnisse eigentümlich umgekehrt: Die Grablegung oder vielmehr die Kreuzesabnahme zeigt die Gottesmutter mit dem toten, dem mit dem Stigma der Kastration, der Verstümmelung bzw. Zerstückelung [Stigmata, Brustwunde, Dornenkrone] gezeichneten Sohn und Erlösergott.
Das wiederholt in einer verzerrten Spiegelung die Konstellation Isis/Osiris, wo Isis den ermordeten Bruder aus der Zerstückelung rekonstruiert, indem sie seinen Leib zusammensetzt und mit Bandagen den Zusammenhalt der Teile fixiert, ein Vorgang, der das Urbild der Einbalsamierung des Toten und seiner Vorbereitung auf die Reise durch das Totenreich, die Unterwelt der Nachseite der Schöpfung darstellt im Verhältnis von Mythos und Ritus. Diese Zusammensetzung aus den zerstreuten Teilen des Zerstückelten [in Partialobjekte zerrissenen, regressiv dekomponierten Selbst ist eine Restitution, die das weibliche, das inzestuöse Liebesobjekt der Schwester vollbringt, als Voraussetzung für den nächsten Schritt, der das Ich dem Totengericht zuführt, das darüber entscheidet, ob er passieren kann um zu der jenseitigen Welt des ewigen Lebens zu gelangen.
Das ist von dem Urteil über sein Leben abhängig. In der Handlung der Isis ist indessen die Teleologie des garantierten Ausgangs natürlich schon impliziert: Weil es Isis ist, die den Osiris aus den Partialobjekten rekonstruiert, ist das Urteil des Gerichts schon antizipiert. Denn wie sollten die Totenrichter der Handlung der Isis widersprechen können. Beide Instanzen wirken also zusammen in der Zeitlosigkeit des Unbewussten, der dunklen, der Lichtung des Bewusstseins nicht ohne Weiteres zugänglichen Seite. Es ist nicht entscheidend, ob das die älteste, also die erste Form des Mythos ist. Bedeutsam ist, dass sie sich sowohl im Orpheusmythos, wiederum in einer Verwandlung bzw. Projektion auf eine andere Bewusstseinsoberfläche wiederholt, die die eigentümliche Verzerrung bewirkt, die sich darin abzeichnet. Orpheus wird von den Mänaden zerrissen, die hier die Partialobjekte zugleich in die inzestuösen Objekte zu einer Einheit der destruktiven und regressiven Bewegungsrichtung zusammenfasst, während die Verwandlung der ‚mebrae disiectae poetae’ in Blumen die aus ihnen entstehende Schönheit des vegetativen Lebens der Naturumgebung hervorbringt.
Das wäre dann sozusagen ‚ästhetisch’ umgebogen und als Mythos der Entstehung des Naturschönen, dann aber im Weiteren, seiner Nachahmung in der Kunst aufzufassen und da erklärt dann wiederum den Verzicht auf den Totenritus der mit dem Geschwisterverhältnis des Osiris/Isis Mythos verknüpft ist. Eine weitere Variante ist der Dionysosmythos des Gottes des Rausches, und die ihm verschwisterten Mänaden, die auf eine andere Weise in der Artemis repräsentiert ist, und hier schließen die Muttergottheiten an, die dann auf die Persephone einerseits, aber auf die Gaia im Grunde verweisen, wobei die Teilprojektionen, in die der Mythos selbst zerfällt, und die verschiedenen, jeweils ganz unterschiedlichen projektiven Verzerrungen zu betrachten sind, weil sie sehr aufschlussreich sind. Orpheus und Eurydike ist dann schon ein ins Märchenhafte abgeschwächter Übergang zu ‚einer traurigen Geschichte von einem jungen Mann, der seine Geliebte noch vor der Heirat durch einen Unfall verliert, und ihr in seiner Trauer nachgeht in dem Versuch, das Liebesobjekt zu bewahren und zu retten und sich letztlich gezwungen sieht, die zwischen Leben und Tod gesetzte Grenze hinzunehmen, da er sehen muss, dass seine ‚unwillkürlichen’ Reaktionen, die des Lebenden, der sich vergewissern will, dass die Geliebte lebt, es sind, die zu der gewissheit führen, die zugleich das geliebte Objekt ‚vernichten’.
Das Realitätsprinzip ist aggressiv gegenüber dem Liebesobjekt und verweist es ins Reich der Toten. Das ist schon sehr ‚praxisbezogen’ und hat fast schon die rücksichtslose Hemdsärmeligkeit der modernen Sozialfürsorge, die „Papperlapapp, das Leben muss weitergehen“, sagt, und: „Kopf hoch, das wird schon werden, man muss nur wollen“, und ähnliche gedanken- und seelenlosen, aufs bloße Funktionieren abgesehenen Blödsinn plattester Oberflächlichkeit. Historisch schließen hier dann schon Poesie und Seelsorge an, um den Preis der Verflachung und Versandung der menschlichen Existenz im Tausch gegen eine nur möglicher Weise verbesserten ‚sozialen Funktionsfähigkeit’, sowie den Gewinn einer psychodynamisch für den ‚Betreuer’ seelisch kostengünstigeren und konfliktfreieren Lösung seiner eigenen Lebensführungsprobleme und dies wiederum auf Kosten der produktiven Potenz des derart ‚beratenen’ Lebens der Klientel, die zunächst einmal ihre Arbeit [als Leibeigene auf dem Feld und in der Werkstatt] zu leisten hat.
Man kann sehen, was der Preis des Übergangs von einer aristokratischen zu einer Sklavenreligion, anders gesagt, von einem auf den Grund gehenden Selbstverständnis zu einer seelsorgerischen Betreuung historisch ist, und von diesem Standpunkt aus sind die entsprechenden Berufe und die ihnen per politischem Design zugeordneten Berufe zu beurteilen, sowie die ihnen entspringenden Formen des ‚professionellen Selbstverständnisses’. Wer allerdings schon in seinen eigenen Schuljahren in der Oberstufe einer herunter gekommenen Bildungsinstitution das Bild der Isis in eigentlich unübersehbarer weit übermenschlicher Formatierung an die Wand eines Schulraums projiziert hat, ohne dass bemerkt wurde, was das heißen muss, und indem eine zum ‚Verstehen’ des Bildes gänzlich unfähige Verwaltung sich bestenfalls zu einer ‚väterlichen Duldsamkeit’ aus christlich inspiriertem Geist, aber gänzlich ohne die Fähigkeit zu verstehen sich genügend demaskiert sehen muss, vorausgesetzt, das unbewusst projizierte erhebt sich zum Bewusstsein seiner selbst, der muss eigentlich schon wissen, welche Aufgabe er hat und in welcher Institution er diese aus eigenem Verständnis und aus eigener Erbschaft er diese Aufgabe anzufassen gesonnen ist. Es bedarf bloß des Bewusstwerdens des unbewusst schon längst Getanen, das dem Bewusstsein voraus ist, das eine solche ‚Schule’ geschaffen hat, und das sich als das Unterlegene erweist gegenüber der zum Bewusstsein ihrer selbst drängenden und bereits in der Vergangenheit liegenden Handlung.)
[Editorische Bemerkung: dass das hier in einer Klammer steht, hat mit den Gesetzen der Textentstehung zu tun, über die ich nicht restlos bewusst verfüge. Ich verzichte aber hier nicht nur an dieser Stelle auf eine ‚Bearbeitung’, die das besser lesbar macht, einmal, weil ich Dir den damit gewöhnlichen Einblick nicht verstellen will, und dann auch aus Zeitgründen. Es handelt sich ja um einen Brief. Wie und wo das später einmal erscheint, ist eine andere Frage. Es ist aber in erster Linie für Dich gedacht, und ich meine, dass es nicht viele Menschen auf dieser Welt gibt, die einen solchen persönlichen, nur für sie gedachten und erdachten Brief erhalten, der ihrer Einzigartigkeit aufs genaueste angemessen ist, wie ein einmaliges Kleidungsstück. Ich weiß, dass Annegret gelegentlich ihre Bewunderung für Coutouriers zu erkennen gibt. Aber weder Dior, noch Karl Lagerfeld noch der kürzlich gestorbene Ives St. Laurent können etwas derart. Mir ist das bewusst, und ich respektiere trotzdem die Leistung dieser tertiären Schöpfer, niederen Demiurgen, die sich mitleidig um ein die Riesenmasse einer in sich selbst verschlossenen einsamen Masse von retardierten und von Regression bedrohten Wesen kümmern, indem sie ihr immer wieder kleine Spielsachen hinwerfen, mit deren Reiz sie die Wartezeit eines Lebens verbringen, das wartet ohne jemals über das Warten hinauszugelangen und das Worauf dieses Wartens (in Zorn, Verzweiflung, Resignation, Selbstmitleid, Wut und Apathie usw.) endlich zu erblicken um erlöst zu sein. (Hier lassen sich weiter führende Untersuchungen im Anschluss an Platons Höhlengleichnis anfügen, die um das von ihm nicht behandelte Motiv des Wartens und der Erwartung geordnet sind. Ich will das aber nicht ausführen, weil ich sonst zunächst auch die Grundlage, an die sich anschließen müsste, zunächst darstellen müsste. Ich füge das also nur ein, um eine Erinnerung daran zu markieren, dass es dazu etwas zu sagen gibt. Auch so entstehen Texte.)
Immerhin verbreitet es auf seine Weise durch die Gestaltungsmöglichkeit, die es unproduktiven seelischen und intellektuellen Verfassungen nach dem Ende der religiösen Tröstungen der Seelsorge oder parallel zu dem gerade aus ihrer Eigencharakteristik resultierenden Ungenügen (das schließt die den theologischen nebenzuordnenden institutionalisierten ‚therapeutischen’ Veranstaltungen einer standardisierten Dienstleistungsbranche ein) anbietet, indem es ermöglicht, wenigstens die Oberflächen der seelenlosen Tierexemplare zu ‚verschönern’, indem es sie mit dem ‚Verhängnis der Mode’ bekleidet, das die ‚nackte Wahrheit’ der verhängten Leere verbirgt, indem es Mitleid zeigt mit den orientierungslosen Tieren, die in den Riesengebilden des stählernen Gehäuses des modernen Lebens herumirren auf der Suche nach Futter, Schutz und Tröstung,
Das solltest Du wissen, bevor Du es in den Schrank hängst. Im Übrigen ist die Schaffung einer neuen Mode bestimmt nicht meine Absicht. Das ist ja etwas, dass dann jeder für Geld in einem Kaufhaus kaufen kann. Dies hier gibt es in keinem Kaufhaus. Es ist unbezahlbar und einmalig, wenn auch nicht ohne Vorbild. Natürlich habe ich nicht einfach nur aus Nichts etwas gemacht. Aber ich habe auch nicht nur geerbt, obwohl ich auch geerbt habe, ohne dass ich dabei indessen Jemandem etwas weggenommen hätte. Vielmehr ist dies nicht zu kaufen und nicht zu enteignen.
Es geht nur mittels einer Aneignung, und die geht auf eine eigene Anstrengung zurück, die dann den Besitz und den Gebrauch, auch als Geschenk, das nicht nur Nippes auf dem Kaminsims häuft oder Blechkarawanen in der Garage, sondern den unschätzbaren Wert eines von einer – darin sich als privilegiert erweisenden Person zu einer anderen, sich darin, dass sie es ist, die es erhält, als privilegiert erweisenden Person jenseits der Grenzen der durch den Warentausch und den Markt vermeintlich vollständig und als ‚Arbeitsmarkt’ erschlossenen Lebenswelt, der sich auf diese Weise ein unmissverständlich ganz anderes Modell sozialer Beziehungen wie im Spiel, das sich von dem Anblick und der Faszination des Sklavenmarkts und der Bewerbungsgespräche sowie den damit verbundenen Selbstdemütigungen der durch Dressur verkrüppelten Massenexistenzen nicht einen Moment lang aus der Fassung bringen lässt, ohne indessen die Schlechtwetterperioden und die Eisregen zu ignorieren, die das Erfrieren androhen um Unterwerfung zu erzwingen. Du kannst also nicht sagen, dass ich Dich vergessen hätte, und die Maskenspiele sind wesenlose Oberflächen, die mich kaum irritieren. Eher brauchte ich die Pause, um dem Eindruck des diffusen Lärms zu entgehen, der die inneren Stimmen übertäubt hat, die leise sind. Und ich brauchte und brauche Zeit. Ich mache die Komposition des Texts, den Du als Rohtext verstehen kannst, möglichst durch Datierung durchsichtig, und bezwecke damit auch, Dir eine Mitteilung zu machen über meine derzeitigen Einsichten über das Problem ‚Schreiben’ und ‚Produktivität’. Ich gehe dabei davon aus, dass Du Dich damit ohnehin befasst und dass Dich das mithin interessiert.]
[Das wäre dann die Fortsetzung des bereits am Freitag niedergeschriebenen Texts (im handschriftlich geführten Tagebuch unter dem entsprechenden Datum)]
Sie sind verbilligte Verkehrsmittel für sozial Schwache, deren Urteilsvermögen keine Ansprüche an die Rhetorik der verlangten Anpassung und Unterwerfung stellen, das seinerseits die materielle Grundlage für das Realistische an diesem Verlangen ist. Angesichts der vollständigen Substanzlosigkeit dieser Anpassungsrhetorik, die nicht imstande wäre, die auf wissenschaftlichem Niveau formulierte Antwort auf die Frage nach dem Woran der verlangten Akkommodation und Adaptation oder auch Assimilierung zu erteilen, weil es dazu eines entfalteten und aus eigener wissenschaftlicher Kompetenz, nicht nur der usurpierten oder zugeteilten Zuständigkeit oder Beauftragung heraus wahnhaft als verfügbar unterstellten Wirklichkeitsbegriffs bedürfte, ist genügend ersichtlich, dass die Inkompetenz in Bezug auf die Grundlagen der leeren Rhetorik, die sich im Ungefähren verwaltungstechnischer Wunschvorstellungen und einer diffusen polizeylichen Ordnungsvorstellung bis hinein in die Inkarnationen der ‚Persönlichkeit’ des jeweiligen Innenministers inflationär aufblähen kann mit einem Minimum an Füllung nur deshalb, weil die vollständige Abwesenheit einer kulturellen Atmosphäre das erlaubt – nichts erreicht einen ähnlichen Umfang wie ein beinahe leerer Ballon im Vakuum – sich bequem mit Rücksicht auf das Sprachvermögen einer retardierten Massenklientel, die maximal den jedenfalls phantasierten Umfang der Klientel der staatlichen Arbeitsverwaltung hat, also alle abhängig Beschäftigten umfasst, eine Klientel, die per Gesetz jederzeit um ihre Arbeits , Bildungs und Sozialbiographien gebracht werden kann, auf ein Minimum an Investitionen geistes , sozialwissenschaftlicher oder wissenschaftlich-psychologischer Art reduziert werden kann, und den Aufwand kulturtheoretischer, ethnologischer, historischer, sprachtheoretischer oder ‚anspruchsvollerer’ Konzepte von Mensch und Welt und Gesellschaft gar nicht erst ins Auge fassen muss, um ihre angeordneten ‚Integrationsprogramme’ zu formulieren, denn es geht nur um die einfachsten rhetorischen Mittel der sprachlichen Begleitgeräusche und Mantras politischer Zwangsmaßnahmen. Der als ‚irrational’ erscheinende Widerstand der auf den Status von Organismen reduzierten Tiere hat derart gar keinen ausmachbaren Gegenstand. Er ist einfach ‚pathologisch’.
Die an die Grenzen des Staatsstreichs gehende, jedenfalls als Angriff auf das bisher geltende Kulturverständnis gehende und insofern, wenn es das gäbe, als ‚Kulturstreich’ zu verstehende Reform des ‚Arbeitsmarktes’, die unter dem Titel Harz IV nur noch ungern benannt wird, weil sie erinnert daran, dass ein notorischer Prolet und verurteilter Kleinkrimineller und Betrüger mit extremer Neigung zu Opportunismus und zu Nutten (eine kaum zufällige Kombination) der ideelle Produzent dieser ‚Maßnahmen’ an der Population gewesen ist, und die Millionen von bereits in einem langen innerhalb der Institutionen geführten erbarmungslosen Kampf über Jahrzehnte Ausgegrenzten aus allen Bereichen des sozialen Leben mit einem Schlag um ihre Arbeits , Bildungs und Sozialbiographien brachte, indem sie einheitlich in einen gesellschaftlichen ‚dump’ eingewiesen wurden und ihre Existenzen auf brutalste Weise gleichgeschaltet wurden durch die Überweisung in einen subgesellschaftlichen und subsozialen Raum, in den hinein sich sogleich eine beamtete Masse von Verfolgern ihrer nach Möglichkeit kriminalisierten Selbsterhaltungsversuche ergossen, um ein in dieser Form seit dem Nationalsozialismus und seinen Lagerhaltungs- und Bespitzelungsmethoden nicht mehr da gewesene psychopathologisch kaum zu überschätzende Veränderung des kulturellen Klimas aus diesem ‚in Angriff genommenen’ abgespaltenen Teil der Arbeitsgesellschaft mit stillschweigend normierender Wirkung auf das derart unter verschärften Druck genommene Ganze durchzusetzen, ist der letzte Zug in der im Übrigen konsequenten ‚Entwicklung’ der historischen Sozialdemokratie und dürfte zugleich ihr sich noch etwas hinziehendes Ende bedeuten.
Die Reform, der die der Schulen entsprach, die die bürgerlich auch in Hinsicht ihren überlieferten Bildungsbegriffs orientierten Gruppen der Population zu Recht als Angriff des Proletariats und seines organisierten Ressentiments auf diesen Bildungsbegriff verstanden hat, ohne dass es bei dem Versuch, dieser Scylla auszuweichen hat vermeiden können, mit der des technokratischen ‚Fascismus’ – es ist falsch und unzutreffend, diese politische Programmatik, die die brutale und zwanghafte pathologisch symptomatische und pathogene Kontrollwut von Teilen des Berufsbeamtentums ebenso wiedergibt wie die in Politik übersetzte Psychopathologie des im Moment gegen die zugegeben bösen Aberrationen ‚einiger schwarzer Schafe’ des Finanzkapitals und von börsennotierten Großunternehmen vor allem und wenn’s irgend geht solchen aus Übersee von seinen Interessenvertretern gelobten unternehmerischen Mittelstandes.
Es ist richtig, wenn in jeder Hinsicht Schwachsinnige gegenüber jeder Geltendmachung kultureller Essentials, überhaupt kultureller Normen, zu deren intellektuellem Sinnverständnis ein gewisses Niveau der nicht zuletzt auch sprachlichen Differenzierung, aber auch eine gewisse oberhalb eines bloß den Organismus im Raum orientierenden ‚Selbstbewusstseins’ – evtl. als ‚’Kraftfahrer’ – anzusiedelnde sprachlich gestaltete Differenziertheit gehört – die also mehr verlangt als die Bestellung eines Big Mac oder einer Pizza bei einem seinerseits kaum des Idioms mächtigen Koch – sogleich, mit den Worten ihrer Dompteure, erklären, das sei Jammern auf hohem Niveau. Es ist deshalb richtig, weil das wache Ressentiment tatsächlich sofort erkennt, dass das Niveau, das es selbst verkörpert, mit dem Anspruch überfordert ist, den es ja gerade durch die Aufwandsersparnis der Ersparnis eines Ich bzw. Selbst, das sich der Anforderung an seine Flexibilität in den Weg stellen könnte, also dadurch abgeworfen hat, dass es sich eigentlich alles erspart hat um nur noch mit der Anforderung an seine Flexibilität konfrontiert zu sein,
Die so gewonnene Ersparung erweist sich dann aber angesichts der doch immer eher komplexen Anforderungen einer differenzierten Wahrnehmung der Kultur, die man ist, wenn man und sofern man einer zuzurechnen ist, also auch einer differenzierten Selbst und Fremdwahrnehmung, sogleich wieder als fatal, weil der einmal ersparte Aufwand sich in einen u. U. aufwendig zu bewältigenden sozialen Status und in eine Position im Gefüge der kollektiven Hierarchien übersetzt, für dessen einigermaßen erfolgreiche Bewältigung nun plötzlich Kompetenzen erforderlich wären, über die das derart im Dienste der Aufwandsersparnis vereinfachte Bewusstsein nun nicht verfügen kann, während es sie wenigstens so dringend benötigte wie die oft viel einfacher zu beschaffenden, die immerhin eine einigermaßen verlässliche Verwendungsgarantie wahrscheinlich machen könnten. Man kann das einfacher formulieren, um es übersichtlicher für die geliebten Wiedererkennungsautomatiken und die Bequemlichkeit zu machen, die ungewohnte, das Klischee nicht bedienende sprachliche Formen nicht goutieren, die es vermeiden dazu zu verleiten, dass das Bewusstsein, was es als ‚schon mal gehört’ registriert auch schon immer meint richtig verstanden zu haben und dann nur zu leicht einrastet und den Informationsgehalt der Information auf vermeintlich Null reduzieren zu können meint, im Dienste der schon erwähnten Ersparnisaufwände, die zunächst als Aufwandsersparnis attraktiv waren und umschlagen in ihr Gegenteil, indem die derart sich organisierende Bequemlichkeit sich an die Stelle des Denkens setzt und dann aber auch meint, nicht das nicht funktionsfähige Substitut, sondern vielmehr das derart Substituierte auch wirklich zu sein. Es ist daran zu erinnern, dass jedenfalls in dem hier vorliegenden Bereich neue Möglichkeiten der Beschreibung, einen untypischen, dem Klischee sich entwindenden Sprachgebrauch gerade der Alltagssprache, die mit dem verfügbaren Wissensbestand eines Lebens, dessen Grundlagen wissenschaftlicher Art sind, unbedingt mit zur allgemeinen Entwicklung einer Kultur gehören müssen, die ihre eigenen Vorausposten sprachlich einzuholen haben wird, um nicht eine Lage chronisch werden zu lassen, die einen immer größer werdenden Teil der Population praktisch zwangsläufig sitzen lässt und abhängt, weil es versäumt wird, das allgemeine Verständigungsmedium des Alltagslebens entsprechend dem Stand des verfügbaren Wissens ‚anzupassen’.
Das mag sich so anhören als ginge es nur darum, gewissermaßen einen Abdruck zu nehmen von den Vorposten der Wissensentwicklung, und die Aufnahme und Einführung von ein paar ‚wissenschaftlichen Termini’ in die Alltagssprache. Betrachtet man die Effekte dieser Versuche, dann ist meist zu bemerken, dass die ‚Rezeption’ und durch einen eher experimentellen Gebrauch von Vokabeln und Formulierungen, der sozusagen blind vorgenommen wird, indem einer dem anderen etwas Aufgeschnapptes und Angelerntes einfach so weitersagt – oder so ungefähr – wie er/sie es gehört hat, um an der Reaktion des Adressaten abzulesen, ob das als auffällig und unzulässig oder korrektur- und nachfragebedürftig betrachtet wird oder ob das ‚durchgeht’.
Die gänzlich falsche positivistische und instrumentelle Auffassung Wittgensteins, wonach die Bedeutung eines Wortes sein Gebrauch sei, kann viel dazu beitragen, diesen Irrtum, den er wohl einfach aus der Form eines Vorurteils der von ihm gelernten Sprache in ein sprachwissenschaftliches Theorem zu übersetzen. Nun, die spätere Sprachspieltheorie Wittgensteins distanziert sich wohl von dieser zu einfachen Theorie, die indessen deshalb nicht notwendig auch als soziales und verbreitetes Vorurteil, sozusagen als ‚Alltagsauffassung’ der Bedeutung verschwindet. Betrachtet man die beobachtbare Praxis besonders in bestimmten ‚wissenschaftlichen Fächern’, die sich mit Mensch und Welt befassen sowie mit ihrem Verhältnis und ihrer ‚Natur’, dann kann man allerdings eine ungemein weite Verbreitung dieser Theorie feststellen, und Lernprozesse, die sich auf sie stützen.
Viele Gespräche unter den Adepten dieser Wissensformen spielen sich dann als eine Art Hin und Herreichen der aufgeschnappten Sprachtokens in verschiedenen Zusammensetzungen ab, und es spielt sich dann nach einiger Zeit eine Art von Tradition ein, die viele Studentengenerationen über stabil bleibt, ein eigentlich erstaunlicher Vorgang, wenn man bedenkt, dass eine Studentengeneration bestenfalls die Dauer einer Grundschulgeneration hat, aber z. B. Erik Erikson hat sehr gut bemerkt, dass es in Grundschulen etwas gibt, das jeder selbst beobachten kann, nämlich eine die verschiedenen Generationen der Grundschüler erstaunlich stabil überdauernden Kultur der Spiele und der kommunizierten Inhalte innerhalb der Kindergruppe, die auch die Kontrolle und Disziplinierung der Aufsicht entgeht, wo es sich z. B. um oft auf anzügliche und vulgäre Weise versprachlichte Sachverhalte handelt, die die menschliche Sexualität betreffen, aber es gibt auch die Tradition weiter gereichter Spiele und Techniken, Wissensbestände und sogar Witze, die man selbst mit Sicherheit gehört und längst vergessen hatte. Sie verbleiben offenbar in dem Milieu der Schulgemeinschaft und wechseln von Kindergruppe zu Kindergruppe über, während diese jeweils, älter werdend, die Schule verlassen und diese an das Milieu gebundenen Inhalte und Zusammenhänge vergessen. Einen ähnlichen Vorgang kann man in wissenschaftlichen Instituten der Sozial und Geisteswissenschaften beobachten, oder auch in anderen ähnlichen Fächern.
Die Sprache, die den Wissensbestand wiedergibt und sozusagen den schon erworbenen Kompetenzgrad ablesbar macht – natürlich nur, wenn dieses Ablesen sich an der als korrekt empfundenen Benutzung der entsprechenden Termini in als ‚wohlgeformt’ empfundenen Sätzen orientiert – dient eher mechanischen Aneignung und Kontrolle mittels Versuch und Irrtum anhand von Orientierungen, die um paradigmatische Formulierungen herum in einer bestimmten Technik der erprobenden Erweiterung des Radius der Nutzung der Möglichkeiten zur Anfertigung wohlgeformter Sätze sozusagen Pseudopodien ausbilden, die das Umfeld möglicher offerierbarer und als akzeptabel entgegen genommener Sätze erproben und dabei das sich so durch Versuch und Irrtum bildende Bedeutungsfeld der Termini erproben.
Es ist klar, dass sich dabei einerseits ein Sozialisationsmilieu bildet, das den Sprachebrauch regelt. Was weniger klar ist, ist die Art und Dynamik, die über die auch beobachtbaren Bedeutungsverschiebungen, die sich schließlich auch ausmachen lassen, vor allem langfristig, entscheidet, die im Übrigen mehrfache Wirkungen haben können, indem sie neue Fragen freisetzen, die zuvor nicht gefragt wurden, aber auch so, dass sich endlich eine Verschiebung des Wissenschafts und Gegenstands oder auch des Methodenverständnisses ergeben kann, dessen Ergebnisse man wohl vor Augen haben mag, und die man durchaus auch als produktiv betrachten kann, die aber, wen man sie anhand eines gründlicheren und vielleicht durch eine umfassendere Übersicht, zu der einen auch die Irritation, die man angesichts dieser sonst offensichtlich nicht bemerkten Verschiebungen über dem gesamten Feld der miteinander verwobenen Bedeutungen zwingen kann, sich entweder methodisch, gegenstandsbezogen oder im zeitverschobenen Vergleich der Verwendung der Bedeutungen als Problem erweisen können, weil sie die Einheit des Wissenschaftsfeldes ebenso wie die Einheit des Gegenstandes (zer )stört haben ohne dass das bemerkt wird.
Dann kann man u. U. ebenso endlosen wie ergebnislosen Diskussionen auch in der Literatur beiwohnen, die deshalb kein Ende finden können, weil die beteiligen Diskutanten die oft nach Art von Differentialen sich bemessenden Abweichungen sagen wir, um das zu illustrieren, von kleinen Größen zweiter Ordnung, die man an der Verwendung und dem sich darin abzeichnenden Umriss des Bedeutungskerns und des Bedeutungshalos (wiederum ähnlich der schon erwähnten Amöbe bzw. dem ‚dynamischen Spiegelei’, also einem Kern und einem fließenden Halo), einer Art von fließend vorzustellenden Mengenbegriff also. Ich muss das noch etwas ausführen. M. E. gibt es bisher in der Mathematik der Mengen kein derartiges Konzept, das mit einem derart sich bewegenden Mengenbegriff arbeitet. Es müsste aber interessant sein das zu versuchen. Vielleicht kann man dem Problem näher kommen, wenn man die beschriebenen Schwankungen der Bedeutungen in einem Gefüge solcher Bedeutungen genauer untersucht, etwa, was geschieht, wenn man in ein mehr oder weniger geschlossen konzipiertes sprachliches Konzept eines wissenschaftlich erschlossenen und abgegrenztes Gegenstandsbereichs neue Termini gewissermaßen verpflanzt, die aus einem anderen Bereich entnommen sind, der denselben Gegenstand unter anderen Gesichtspunkten, aus anderer Perspektive beschreibt, aber nicht eo ipso ist mit dem anderen Konzept.
Als Beispiel kann man die Untersuchungen Piagets und Freuds betrachten, oder auch die transzendentale Erkenntnistheorie der Empfindungen Kants und die späteren sprachtheoretisch orientierten Versuche. Aus der Physik sind der Partikel/Welle Dualismus als konstitutive Gegebenheiten des indessen von seinem Beobachter bzw. der Beobachtung nicht zu trennenden Gegenstands ebenso bekannt wie die bislang nicht oder nur mit einem aus dem Bereich des mit dem Wissenschaftsverständnis der Physik als empirischer Wissenschaft mit einem bestimmten, mit Sicherheit auch variablen Verständnis von ‚empirisch’ kaum mehr zu vereinbarenden Aufwand, wenn überhaupt, zu überwindende Uneinheitlichkeit von Quantentheorie und Relativitätstheorie. Das sind aber schon recht plakative und allgemein bekannte Fälle im Makrobereich der bedeutungsvermittelten Wirklichkeits(re)konstruktionen.
Im Bereich des Alltagslebens ist dergleichen von der Familientherapie zu beobachten, und verweist auf grundsätzliche und nicht bewusst werdende, mittels Sozialisationsstilen vermittelte Schematisierungen des lebensweltlichen Selbstverständnisses und des auf ihnen als unbewussten Voraussetzungen des bewussten Denkens aufsetzenden Sprachschemas, vielleicht im Sinne dessen, was Wittgenstein als ‚Sprachspiel’, also doch wohl im Sinne eines irgendwie geschlossenen Bedeutungsfeldes, das die nur zum Teil bewussten Bedeutungen der Worte aus sich entläss eher als das sich die Sprache als System aus ihnen zusammensetzt.
Die Grundlagen der Sprache, des Sprachverständnisses und der Art, wie es sich in der Sprache als Inbegriff von deren subjektiven oder (mehr oder weniger umfassend verstandenen) kollektiven Reflexionen in der Kommunikation einerseits, im Verhältnis des Individuums zu seinen nicht-sprachlichen Konstitutionsbedingungen im kulturellen und geschichtlichen Feld andererseits formiert, scheinen also doch selbst nicht nur ihrerseits sprachlicher Art zu sein und sich in zwei Dimensionen zu erstrecken und aus diesen Bedingungen der Möglichkeit des Verstehens von Sprache zu beziehen, die ihrerseits nicht selbst sprachlicher Art sind, selbst dort, wo sie nur in Sprache und Ausdruck erscheinen (können). Das kann man wohl nur so verstehen, dass der Organismus, als Produkt der Grundlagen der bedeutungsvermittelten Welt, die das sich der Sprache versichernde Gattungsexemplar im sozialen Feld sich erschließt, ist mittels seiner Herkunft aus dieser Grundlage mit dieser verbunden. Er repräsentiert sie, und insofern ist das Rätsel der Erkenntnismöglichkeit schon vorab unterhalb des Bewusstseins, das eine Welt erschließt mittels der Kategorien oder der Sinnlichkeit und der Sprache jenseits von alle diesem und diesem voraus immer so gut ein bleibendes Rätsel als auch seine Lösung im Naturprodukt aus ‚biologischem Anbau’, die die Tiergattung Homo sapiens ist.
Darin besteht der bisher von keiner anderen Lebensform und keiner Maschine auch nur annähernd einzuholende Vorsprung der Tiergattung Homo sapiens vor Maschine und allen anderen Lebensformen. Von diesem Grund hat Kant gesprochen als von der Wurzel, in der Sinnlichkeit und Vernunft zusammenhängen jenseits von Sinnlichkeit und Verstand. dasselbe gilt selbstverständlich auch für eine von Kants Ausgangspunkt auf die einbezogene Sprachlichkeit der Welt, ihre Bedeutungsvermittlung zu Sagende, das zuerst von Ernst Cassirer unter Erweiterung des Einsatzes von Immanuel Kant formuliert hat, und das seinerseits eine Kritik zu überstehen hatte, die das, was daran gewissermaßen zuungunsten der richtigen Einordnung der Bedeutung der Sprachlichkeit noch nicht erreicht war, nachholt und korrigiert (Vg. Paul Ricoeur, Die Interpretation)
Der wohl rätselhafteste und klärungsbedürftigste Aspekt der Welt des Menschen ist der Gegensatz, die augenscheinliche Heterogenität ihrer verdoppelten Existenz in der Form einer sinnlich zugänglichen Erscheinungswelt und ihrer sprachlichen, bedeutungsvermittelten Konstitution zugleich. Einer Momentanpräsenz von geschlossener Flächigkeit ohne Lücke, die prima vista absolut und vollständig, also auch vollkommen ist, entspricht die völlig entgegen gesetzte, nein, in einem ganz anderen Medium sich ereignende, mühsam zu erwerbende, der Gefahr des Vergessen ausgesetzte, linear ausgebreitete und fragmentarische Welt der Schrift und der Sprache. Ich meine, dass diese Eigenarten wohl beide bemerkt worden sind, aber die Betonung und Hervorhebung sowie Analyse der einen, sinnlichen Erscheinungswelt mit ihrer Unmittelbarkeit und deren heimlicher Vermittlung in sich ist einfach nur zugunsten der nach vorne geschobenen ihrer sprachlichen Fundierung entwertet oder in einen unbestimmten Status überwiesen worden. Ich bin der Meinung, dass der Gegensatz und die Heterogenität der beiden Aspekte einer einheitlich bedeutungsvermittelten menschlichen Welt, in der Sprache als lineares Medium und die sinnliche Erscheinung als Momentanpräsenz zugleich und wechselseitig durcheinander konstituiert und fundiert, die analytische Betrachtung erhalten müssen, die diesem Sachverhalt zukommt.
Die Entgegensetzung von wissenschaftlichem Bewusstsein und Lebenswelt hat nur den Anlass dazu gegeben, das Gemeinte zu zerreden, indem man etwa nachwies, dass die Alltagswelt bzw. das Alltagsbewusstsein immer auch das des Wissenschaftlers selbst sei, sofern er an ihr teilnimmt bzw. in ihr lebt, bzw. dass sich im Alltagsbewusstsein wissenschaftliches oder technologisches Verständnis und Wissen immer schon mehr oder weniger mischen mit dem, was man dann noch als ‚naive’ Einstellung eines Dahinlebens im Unbefragten meint unterschieden zu können, und damit mag man dann gemeint haben, man habe den entsprechenden Beweis der Gegenstandslosigkeit der Unterscheidung geführt. Aber die dabei benutzten Termini schwanken eigenartig und lösen das wohl Gemeinte damit auf, dass sie zunächst andere, ungefähr dasselbe oder Ähnliches meinende Termini an die Stelle der kritisierten setzen, bis sie nach einigen Verschiebungen der Bedeutungen hierhin und dorthin endlich den Gegensatz auflösen in Nichts.
Das ist indessen eine kaum beeindruckende Verfallsgestalt einer in Rhetorik zurückfallenden Dialektik, die die Gegensätze vermittelt haben würde, ohne sie dabei einfach zu vernichten. Denn worüber hätte man dann geredet als darüber, dass es keine Zentauren und Chimeiren gibt? Man kennt das von der Nüchternheit Lord Russels, dessen Standhaftigkeit angesichts des imperialen Krieges man indessen nicht vergessen darf, wenn er davon redet, dass es keine Zentauren gibt. Das ist aber ein Missverständnis der Bedeutung der Partikel ‚sein’. Als Folge eines langen Kampfes gegen theologisch aufgezäumte Volksverdummung ist das sowohl verständlich als auch gerechtfertigt.
Es weist einen Anspruch auf Beeindruckbarkeit zurück, auf den eine zur Ideologie und zur Sozialtechnologie verkommene parasitäre Hofreligion meinte ein verbrieftes Recht zu haben. Ungeachtet dessen gibt es Zentauren und ihre Existenz, als ein Kristall, in dem sich verschiedene Linien des affektiven Lebens konzentrieren, sind sie kulturell bedeutsam und nicht ohne enorme Verarmung des Lebens zu vernichten. Es ist Zeit, alle diese Abschaffungen und Aufklärungen als das zu begreifen, was sie sind, nämlich kulturell zugelassene Formen des Ausdrucks und der Darstellung von affektiv geladenen Kristallisationspunkten innerhalb einer kommunikativ erschlossenen Welt einer in sprachlicher Kommunikation sich wechselseitig füreinander verständlich machenden Welt von Lebewesen, die ihrer Innerlichkeit sonst keinen Ausdruck mehr zu geben imstande sind, weil ihnen die Mittel dazu systematisch entzogen werden, um den Preis ihrer Überantwortung an rücksichtslose Salbader, Marktschreier und Scharlatane.
Diese gesamte wissenschaftliche Aufklärung hat bei dem Versuch, sich einer Bande von Gangstern – zu der alle Priesterkasten, ob theologisch oder wissenschaftlich oder einfach säkular verwaltungstechnisch (denn das ist die Zitadelle alles dessen, was sich sonst eingekleidet in die Masken monopolisierter und dann nach Art des ‚Dudens’, einer Parallelaktion dieser Machenschaften normierter kultureller Ausdrucksmittel eingekleidet daher kommt, die man der Population zuerst enteignet, um sie ihr dann um den Preis der Duldung von Parasiten wiedergibt, aber in einer Form, die sie zugleich wirksam derart zensiert, dass die Ausdrucksmöglichkeiten mit dem System der gewaltsamen Kontrolle übereinstimmt, das über zugelassenen Ausdruck entscheidet, und damit über die Ausgrenzung und ihre Methoden) zu rechnen sind – das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und ist an dem Punkt, an dem wir mit Russel spätestens angelangt sind, oder vielmehr mit dem Pragmatismus, der dann etwa ‚theories of mind’ von der Art Ayers vorbereitet wie den Behaviorismus Watsons und seiner eklektizistischen Nachfolger, die die Theorienbestände dann als eine Art Waren in einem Supermarkt mit Selbstbedienung betrachten, übergegangen zwar nicht in das Kostüm des Bekämpften (diese Leute bevorzugten Kittel) aber in seinen angeeigneten Geist bzw. seine Funktion – wem die funktionalistische Ausdrucksweise halt mehr sagt. Es ist denn auch die persönliche - Tragik ist vielleicht zu viel gesagt – Russels, dass er eigentlich seinen eigenen Widerstand, für den er die Verantwortung übernahm indem er ins Gefängnis ging, wohl kaum angemessen verständlich machen konnte, weil er die wirkliche Gewalttätigkeit des vollendeten säkularen Staates, der das Hobbessche System faktisch realisiert auch ohne eine persönliche Repräsentation des Souveräns benötigen zu müssen, gegenüber der inzwischen um ihre Wahrnehmungsfähigkeit für diese Gewalt vielleicht nicht so sehr – der verbreitete Alkoholismus und die übrigen Malaisen der Population sind da hinreichende Hinweise – als jedenfalls um die Ausdrucksmittel gebrachten Populationen, deren Bedeutung ja bekanntlich nicht zuletzt darin besteht, dass sie den organischen Impulsen, die sich als Resultanten im Zusammenwirken mit den Umgebungsreizen formen, einen Kristallisationskern von Bedeutungen erst geben, der sich dann zugleich in Kommunikation einbringen lässt.
Es ist erstaunlich, wie widerstandslos dieser Vorgang der fortschreitenden Enteignung des kulturell vermittelten Bewusstseins durch eine angeblich ‚fortschreitende wissenschaftliche Entwicklung’, der die Verblödung der neomythischen Surrogate in privatem Eigentum, die aus systematischen Gründen zugleich wirksam jede Möglichkeit einer intersubjektiven Verständigung, also einer Kommunikation im Wortsinne unterminieren, weil die noch zugelassenen Ausdrucksmöglichkeiten entweder einander auslöschen (jeder versucht sich mittels einer Neomythologie des letzten Kinofilms oder der letzten gerade vorgeschriebenen Lektüre auszudrücken, und jeder muss darauf antworten mit dem, was ihm gerade zur Verfügung steht, und da nichts davon übergreifend gegen die Zeit und die Mode stabilisiert werden kann, weil alles als beliebig variierbar gilt und nach Belieben einfach durch anderes ersetzt werden kann, das keine Kontinuität ermöglicht oder Anknüpfung, und weil das Prinzip der sogenannten beschleunigten Veränderungsgeschwindigkeiten der modernen Welt, über dessen blinde Unterschreibung es der Abschied von der Geschichtsphilosophie nicht hinausgebracht hat (was ein Witz ist, weil zugleich mit diesem Abschied das von den ‚Kommunisten’ übernommene politische Prinzip der Ausübung von Herrschaft mittels des Prinzips der permanenten Revolution von Oben, durch Geistesverfassungen, die ihrerseits eine innere Kontinuität nur in ihrem blinden Opportunismus und Karrierismus finden, der bedenkenlos diesem oder jenem Totalitarismus dienen, sei der nun offen oder getarnt hinter einer im Großen und Ganzen derjenigen Fassade aufs Haar gleicht, die man dem Gegner als demokratisches Rollenspiel zu Recht angekreidet hatte, ) oder konterkarieren, bloß komplementär korrespondieren. Es handelt sich um zwei Seiten derselben Medaille, deren Materialwert als Kultur gleich Null ist.
Man muss zudem wissen, dass dieser Abschied von der Geschichtsphilosophie sich in Stufen vollzogen hat, die von der Opposition gegen die elfte ‚Feuerbachthese’ zu der These führte, man solle die Welt in Ruhe lassen, um dann in die Erklärung des Abschieds von der Geschichtsphilosophie – sozusagen der Marathonform, dem long-range-approach zur These von den beschleunigten Veränderungsgeschwindigkeiten führte, die man gewissermaßen nur noch zu registrieren und denen man sich anzupassen hatte. Die Perfidie an diesem Übergang ist einfach darin zu sehen, dass man jede Machenschaft des aus unsäglichen, aber bekannten Umständen mit Unterstützung der neuen transatlantischen oder osteuropäischen Herren – ein Umstand, der den politischen Rückzug des dem Westen verbliebenen Teils der bürokratischen Intelligenz nach dem erneuten Desaster verständlich macht von einer in den Torsionen des Weltbürgerkriegs verzerrten und aufgrund der seinerzeitigen Konstellationen und Erfahrungen zu sehr von deren Bitternissen verbogenen und durch die polemische Form entstellten Formulierung ihrer politischen Aspekte als Revolutionstheorie tingiert war, die der Analyse der Vergesellschaftungsformen und ihrer geschichtlichen Entwicklung angefügt worden war - konsolidierten Machtapparats zu akzeptieren sich bereit erklärte, wenn es nur sicher stellte, dass man sich nicht darauf einlassen würde, irgend einem Begehren auch nur einen Hauch von Rationaliät zuzugestehen, das dem nun an die Stelle des von der ja nun mündig gewordenen Population und ihrem Anspruch auf die Realität der Herrschaft in der Form einer Demokratie artikulierbaren Wunsches nach einer Gestaltung der eigenen Lebensverhältnisse tretenden Prinzip der permanenten Revolution von Oben treten sollte, und in einer Weise schematisiert wurde, als würde man es lediglich zu registrieren haben, und sei nicht selbst sein Propagandist, als Teil dessen, was diese beschleunigten Veränderungsgeschwindigkeiten inszeniert und die Propaganda dieser TUI’s (Berthold Brecht, Tui-Roman) bestellt und bezahlt sowie mit Berufsbeamtenpositionen passabel belohnt..
Die einzige im Bewusstsein der ‚Marxisten’ und ihrer Gegner in Erinnerung gebliebene Platitüde, dass die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen ist, meint die Soziologie mit einer Aufspaltung der in dieser Form einer politischen Formel zusammengefasste Gesamtansicht durch eine Aufspaltung in eine Theorie der sozialen Schichtung, eine Theorie des Konflikts, eine Theorie des sozialen Wandels, die dann wieder in einer Theorie der sozialen Evolution zusammengefasst und mit einer evolutionären Erkenntnistheorie unterfüttert wird letztlich vergessen machen zu können durch eine Differenzierung, angesichts deren am Ende vergessen wird, was das ganze einmal sollte, nämlich Klarheit darüber zu verschaffen, wie das alles funktioniert, damit man die Möglichkeiten für vernünftige und überlegte Eingriffe und Steuerungsmöglichkeiten auffinden und an diese Einsichten anschließen kann.
Das wird in einer Flut von für die Intoleranzen des Christentums allgemein typischen wechselseitigen Projektionen erstickt, die so weit unterhalb der griechischen Ansicht der menschlichen und geschichtlichen Welt als einer bis in die Wurzeln des Familienlebens zurückreichenden Konstellationen der fortgesetzten und bisher unbewältigbaren, obwohl in ihren Umrissen längst erkannten Quellen der Tragödie angesiedelt sind, dass man bei einiger Gelassenheit fassungslos sein muss über diesen Kindergarten von in präödipalen Konstellationen hängenden gebliebenen infantilen Führungseliten, die indessen getreulich ihre Untertanen repräsentieren, denn sie sind von derselben Geistesverfassung, die im Wesentlichen, von dem höchsten Verantwortungsträger bis zu den verlogenen Kindern herunter reicht, die als erstes die Sprache einer Ausredenkultur erlernen, die sie dazu befähigt, auf jede kleine Gaunerei eine passende Ausrede zu liefern und die dann zu der inzwischen alles beherrschenden Rhetorik der systematisierten Lüge heranwachsen, bis sie reif dazu sind, in einer derartigen Welt ‚Verantwortung’ zu übernehmen.
Wie weit diese Schematisierung der Welt entlang von Polizeiweltanschauungen und Steckbriefdenken, mit denen schon das Endspiel über die Indianerfrage erfolgreich bewältigt worden ist, unter dem bereits in der Antike auf der Höhe des Trojanischen Krieges erreichte Niveau der Einsicht liegt, auf dem die von athenischen Staatsmännern geschriebenen Tragödien anzusiedeln sind, Gebilden, die von Leuten für die von ihnen geführte Population geschrieben und zur Aufführung bei den jährlichen Panathenäen gedacht waren, die wussten, worin ihre praktische politische Aufgabe bestand und sie auch zu meistern wussten, und dafür sich meist auch der Anerkennung der Population sicher sein konnte – was nicht immer ein Ausweis ist dafür, dass damit auch das Richtige getan ist – ist gar nicht zu bestimmen.
Die Denkweisen sind einfach so unähnlich, dass eine räumliche Metapher zur Angabe eines Abstands gar nicht möglich ist. Es kann unter diesen Umständen kein Zufall sein, dass ‚Das Ende der Tragödie’ von einem US Amerikaner verkündet wurde (George Steiner), Natürlich meint er damit das Hofdrama, das erlauchte Spitzensubjekte bei ihrem Ringen mit der Verantwortung die die Macht ihnen auferlegt und die Notwendigkeit, ihren Imperativen gerecht zu werden ungeachtet der dabei hinzunehmenden Folgen, die das für den armen Menschen hatte, der sich dabei unvermeidlich schuldig machte. Das ist das letzte, das diese zur Hofberichterstattung heruntergekommene Reflexion noch an Anamnesis zu leisten imstande ist: Ihre eigene Unfähigkeit noch etwas zu begreifen, angesichts ihrer eigenen Verkommenheit, auf den betrachteten Gegenstand zu übertragen.
Das ist auch eine Übertragung, und sie hat exakt denselben Sinn wie ihr klinisches Pendant. Nur dass das nicht als solches auffällt, wo es sich in die Form gelehrter Ausführungen ergießen kann, die einen Wissenschaftsfortschritt darstellen. Es geht in diesem Buch nur darum, dem Menschen des Alltagslebens, dem Unterworfenen, dem bloßen Objekt der Macht das Recht abzusprechen, sich und sein Schicksal im Medium der Tragödie wahrnehmen zu dürfen. Das erst garantiert, dass der Weg frei ist für die nun zum Einsatz kommenden Sozialtechnologien, die allesamt ihre innere Verwandtschaft mit der erbarmungslosen Ausrottung der Amerikaner kaum leugnen können, vorausgesetzt, man leidet nicht an den vorgeschriebenen Spaltungen des Bewusstseins, die dafür sorgen, dass man nicht versehentlich einen Gesamtüberblick über einen ‚Gegenstandsbereich’ erhält, der sich bei der Aufhebung der Bewusstseinsspaltungen, die die Widersprüchlichkeiten und innere Inkonsistenz einer mit keiner Logik zu vereinbarenden ‚Gegenstandskonstitution’ – es ist zu erinnern an dessen Vermitteltheit und Konstitution im Medium von Bedeutungen – sichtbar machen müsste, als Produkt einer delirierenden Phantasietätigkeit im Gewand wissenschaftlicher oder sonstiger (politischer, verwaltungstechnischer) Spezialitäten präsentieren müsste, so dass die ganz gewöhnliche Besetzung des Bewusstseins durch den rationalisierten und systematisierten, aber arbeitsteilig aus dem Blick gerückten Wahnsinn in dem Moment, in dem die Einsicht ihren Ort im derart konstituierten Gegenstand erkennt, ohne ihrerseits von der von den Bedeutungsgehalten, aus denen er komponiert ist, überwältigt zu werden – denn sie sind stets geeignet, als Bewusstseinsverfassungen auch in das sie betrachtende Bewusstsein überzuspringen und einzusickern, wie illegale Grenzgänger und Immigranten, die sich dann sogleich als Einheimische gerieren, nur dass es hier nicht um die so genannte menschliche Anteilnahme geht, die man ihnen schuldig wäre, indem man ihnen bereitwillig einen Platz einräumt, sondern sie tunlichst dort ansiedelt wo sie hingehören, im Gegenstand, und nicht im Subjekt des Gegenstandes, das ihn hervorbringt in einem Akt der Schöpfung – aber auch unter den Bedingungen einer erfolgreich im Zaum gehaltenen Gegenübertragungsneigung, die immer auf dem Sprung steht, auf die ihr angebotene Provokation (durch die ‚Liebe’, die Feindseligkeit oder den Appell, die Ausrede, die Lüge, die Unterschätzung des Gesprächspartners, die projektiven Unterstellungen usw.) hereinzufallen, und zwar besonders, wenn das verbunden ist mit einer Insspielbringung der Verlockungen, die die sozial und gesellschaftlich bevorzugt zur Darstellung der machtvermittelten und knapp gehaltenen Privilegierungen und Entzüge – die alle nach dem Muster des Umgang mit Kindern strukturiert sind und in der Zuteilung von Nahrung, Versorgung und Spielzeug bestehen – mit mehr oder weniger deutlich erkennbaren Symboliken derart aufgeladen werden, dass von Besitz oder Nichtbesitz alles abzuhängen scheinen könnte, das sich lebensgeschichtlich als seinerseits symbolisierter Erfolg (besser: Dessen ‚Erlebnis’) zu eignen scheint und gewöhnlich derart mit dem Besitz und Entzug von Artefakten unauflösbar verschweißt zu sein scheint, dass das von diesem Schein geblendete Bewusstsein, das derart mit Sicherheit seiner selbst nicht mächtig ist oder werden kann, auf ewig in dem von ihm selbst aufgrund einer ihm unzugänglichen Dressurfolge imaginierten rein symbolischen Gefängnis aus Gründen nicht zu entkommen vermag, die einfach darauf zurückzuführen sind, dass es die von ihm selbst aufgrund einer Dressur mit den Oberflächen der Artefakte verklebten, ihnen eigentlich gänzlich zufällig und aufgrund undurchschauter subbewusster Vorgänge übertragener symbolischer Bedeutungen, die mit den Oberflächen der Dinge scheinbar verschmelzen, Strebungen und die aus ihnen entstehenden Bedeutungen nicht mehr als eine eigene Produktion erkennt und einfach von ihnen abzieht und zurücknimmt, womit sie in das bleierne Grau einer an sich toten Welt zurückfallen müssten, die übrig bleibt wenn ihnen diese Bedeutung, die produktive Imagination des Selbst entzogen wird und dieses sich in den Besitz seiner schöpferischen Produktivität setzt, die sich eine Welt schafft, die dieser Artefakte bestenfalls im Rahmen zu beachtender Notwendigkeiten bedarf und sich selbst dann nicht fürchtet, wenn auch diese nicht zu ihrem Recht zu kommen vermögen. Es bedarf nicht der Gegenübertragung der von dieser Kontrollwelt ausgehenden mörderischen Zwänge auf sie selbst in der Form einer Reprojektion um diese Welt zu Asche zerfallen zu lassen, sondern nur der unerschrockenen Reflexion auf den Zusammenhang der Angst und der Gewalt, der das Subjekt sich opfern soll, damit nichts sei, das dem Gewaltzusammenhang entkommt und immun ist gegen den von ihr ausgehenden Tod.
Natürlich kann eine ‚materialistische’ Einstellung, die auf der Geschlossenheit des aus Imaginationen erbauten Gehäuses besteht, kaum fähig sein, sich das nicht ihrerseits als bloß spinnertes Gerede vorzustellen. Wie weit das alles wirklich verbreitet ist, zeigt die hartnäckige Einschwörung der politischen Linken auf den ‚Materialismus’ von Marx. Was das Ausmaß des darin steckenden Irrtums bedeutet, kann erst ganz klar werden, wenn man sich die Argumente von Marx noch einmal vor Augen hält, deren Kern darin besteht, dass die gesamte ihm gegenüberstehende Kulturwelt mitsamt allen ihren Einrichtungen zur Knechtung, Täuschung, Vergewaltigung und Gefangensetzung und Ausplünderung von menschlichem Leben auf einer Mystifikation beruhen, die am besten an der scheinbar ganz selbständigen Existenz des Geldes illustriert werden kann, an dessen Existenz sich vielmehr die völlige Verkehrung des Subjekts der Geschichte zu einem Insassen eines von ihm selbst geschaffenen Gefängnis und zum Objekt dieses materiellen Gefüges demonstrieren lässt, das zum Ergebnis hat, dass dieses Subjekt zum Krüppel erniedrigt wird, der als clown und Spielball von organisierten Gewalttätern wird, die sich mittels einer durch die Gewalt dem Bewusstsein oktroyierten Usurpation in den Besitz des gesellschaftlichen Reichtums setzen und die Aneignung und Ausbeutung als natürliches Verhältnis erscheinen lassen können, aufgrund von Gewohnheit, Erziehung Privilegierung bzw. die Verstümmelungen der Gewalt.
Wenn dieses offenbare Geheimnis den Proleten, denen man zugetraut hatte, dass zu mehr taugen könnten als dazu Knechte zu sein oder Aufsteiger, die über Leichen gehen, oder dass sie mehr sein könnten als ein unersättliches und feiges Riesenmaul, an das sich ein langer Schlauch von Darm anschließt, der in ein Riesenarschloch ausläuft, dann ändert das nichts an dem beschriebenen und damit ein für allemal geklärten Sachverhalt. Niemand wird erwarten, dass ein Wesen von der Art eines Wurmes, der aus Maul, Darmschlauch und Arschloch besteht, das verstehen können muss. Und nichts kann sich an der Wahrheit und Richtigkeit eines Sachverhalts ändern, der von einer Intelligenz nicht verstanden wird, die dazu nicht das Format hat.
Niklas Luhmann’s Bemerkungen sind hier oft auf eine feine Weise ironisch, wenn er meint, nun, wenn die Sachen so liegen, wie sich nun herausgestellt hat, das sie sind, dann könne man das Subjekt bis auf den Theoretiker allerdings – streichen aus der Beschreibung des Gegenstands, und im Übrigen bedürfe es eben einer gewissen Entsprechung der Komplexitäten, um Gegenstand und Theorie in das rechte Verhältnis setzen zu können, dann ist es kaum angebracht, das nun gelehrt zu widerlegen, sondern man sollte sich überlegen, warum ein Mann von diesem intellektuellen Format das so zu sagen sich veranlasst fühlt, und warum das eine so feine Ironie zu enthalten scheint, wenn man es sich genauer anhört. Aber es scheint, dass auf einen groben Klotz eben doch ein grober Keil gehört. Wer an einer Betonwand anklopft, muss unter Umständen einen Bohrmeißel einsetzen. Der Reiz muss dem Sinn entsprechen, dem er sich bemerklich machen will. Aber dazu gibt es dann auch wieder keine unbedingte Verpflichtung.
Man kann ebenso gut der Meinung sein, dass es sich nicht lohnen muss, von jedem Organ wahrgenommen zu werden, und von manchen kann man sich nur wünschen überhaupt nicht wahrgenommen zu werden, z. B. von Zecken und Parasiten, Viren und Blutsaugern, Raubtieren und Beutegreifern, und von bestimmten Mitgliedern der eigenen Art. dass ihn ‚die Marxisten’, die ihm immer wieder in seine Überlegungen hineinrutschen, sozusagen als neuronales Implantat verfolgen, kann man ihm anmerken, aber es ist nirgendwo ein substantieller Einwand gegen die grundsätzlichen Einsichten in das Verhältnis von Kultur und Mensch zu erkennen. Was er vor Augen hat, ist ein bestimmter Teil der ihm begegnenden Studentenschaft, die erklärten, marxistische Einsichten zu haben, und das ist sicher nicht falsch, wenn man nur den Marxismus von Marx als einem Ethnologen und Kulturwissenschaftler unterscheidet. Man muss die enttäuschten Hoffnungen des Mannes vor Augen haben und seine soziale Herkunft als kultureller Außenseiter um in den politischen Versuchen, sich einen Bündnispartner zu schaffen, auf den er sich stützen konnte, eine nicht bearbeitete Schwäche sehen, die dem psychoanalytisch Belehrten nicht in dieser Form unterlaufen wird, wenn ihn die historische Erfahrung mit dem Versuch, an eine theoretische Einsicht eine nicht völlig aus der Luft gegriffene Möglichkeit abzuleiten und nach Möglichkeit dazu beizutragen, dass ihre Verwirklichung praktisch befördert wird. Man kann die Formulierung, wonach eine Theorie dann zur materiellen Gewalt wird, wenn sie die Massen ergreift, ja auch als einfachen Bedingungssatz verstehen, mit der Betonung auf dem ‚wenn’.
Das heißt dann doch: „Und wenn nicht, dann eben nicht!“ Dafür ist der Theoretiker nicht verantwortlich und an den durch seine Fähigkeiten einmal gefundenen Wahrheiten über die betrachteten Zusammenhänge ändert das nicht ein Jota. Denn dafür, „dass nicht…“ ist denn doch nicht jeder, der einen Bedingungssatz formulieren kann, nicht verantwortlich, zumal, wenn er sein Bestes dafür getan hat, dass…Für jede Verantwortlichkeit gibt es Grenzen. Die nochmalige Betrachtung lehrt zumal, dass nicht nur gilt: Habent sua fata libri, sondern das gilt auch für die ‚Popularisierung’ von Ideen. Denn da gilt dann, das folgt aus der Erfahrung, dass nicht nur die Idee die Massen ergreift, sondern auch die Massen die Idee, und zwar eben stets nach Maßgabe der Verfassung ihrer Verständnisorgane.
Da kann es dann schon auch einmal vorkommen, dass bei dieser Ergriffenheit die Idee zwar nicht, aber die Massen, die sie ergriffen haben, um sie im Triumphzug durch die Stadt zu tragen, bei diesen Umzügen nicht nur nicht klüger werden, sondern nur stets verstockter und anfälliger für Demagogen, die ihnen diese ‚Idee’ verständlicher zu machen beanspruchen, wobei dann die Idee zwar leidet, aber ohne dass das bemerkt wird, weil sie sich selbst nicht dazu äußern kann, es sei denn sie würde durch die eigene Anstrengung derer, die sie ergriffen hat, wirklich auch in eine körperliche Gestalt gebracht, und das dann in einer Form, die aus der von ihr ergriffenen Masse eine Versammlung von urteilsfähigen Menschen machen müsste, die in ihrem Sinne gemeinsam zu handeln fähig sind.
Wo das nach einer derartig langen Zeitspanne ausbleibt und dann in den jedem aus den entsprechenden Diskussionen belehrten vor Augen stehenden Farcen einer studentischen Subkultur ausläuft, die sich zerfleischen in einem kleinkarierten Karrierismus, der auf die zu besetzenden und zu erobernden Positionen in einem Betrieb aus war, der ist vorsichtiger mit der Idee, für seine analytischen Betrachtungen eines Zusammenhangs, dessen Charakter als stählernes Gehäuse er mit anderen, und unter Umständen ganz anders orientierten oder interessierten Kollegen in der Sache, nicht unbedingt im Amt, denn da hört die Gemeinsamkeit auf und das kann man wenigstens klarmachen, dass man sich dazu nicht hat finden können, komme was da wolle, zumal, wenn man darauf vertraut, dass die Bewährung in der Befolgung der sei es auch undeutlich vorschwebenden Intuition besteht, die den Ausgang auf jeden Fall determiniert, Gefolgschaften unklarer Motivation anwerben zu wollen. Vielmehr sollte man den Preis wieder auf die Höhe des zum Verständnis des Gemeinten unabdingbaren, ohne Zweifel voraussetzungsvollen Niveaus bringen, so wie es aus der Betrachtung von Subjekt und Kulturwelt sowie aus ihrer unabdingbar normativ korrekten Verhältnisbestimmung hervorgeht.
Ich meine, das hat Niklas Luhmann getan und es ist gut nachzuempfinden, dass das auch schmerzen kann bis zur Grenze des Erträglich scheinenden, denn es erzwingt u. U. eine Entscheidung zu einer Trennung von dem, womit man sympathisiert, weil man es auf eine unklare Weise liebt und mit ihm leidet, während sich die Einsicht abzeichnet, dass die in der Haltung des Theoretikers vorgeschlagene Entscheidungsrichtung die unvermeidliche ist, wenn man sich um das bringen will, was dann zugleich immerhin noch möglich ist und sich zugleich erst dadurch eröffnet: Die endlich sich eröffnende Freiheit zu selbständigem Denken, die die symbiotische Anklammerung an regressive Objektrepräsentanzen vereiteln würde. Der Preis für die damit verbundene Enttäuschung, der Verlust des Liebesobjekts, dessen Erhaltung das unerkannte Motiv für die Beschäftigung mit dem Gegenstand, der Theorie, der nicht beschädigten Tradition, die die Rettung der Liebesobjekte verhieß, deren Namen unbestimmt genug Subjekt und Kultur waren, war allerdings eine lange Phase eines sekundären Autismus, wenn es auch nicht zum Äußersten kam,
Samstag, 2. August 2008
sondern nur die allgemeine Richtung und Tendenz der regressiven Bedrohung angibt, indem das Ich am Rand des Abgrunds entlang glitt, immer im Angesicht des Trichters des Mahlstroms, der sich in Abständen einmal links, dann rechts auftat.
In einem Unabsehbaren Ozean der menschlichen Existenz treibend findet sich das Bewusstsein wieder, indem es am Rande der Panik, schwankend zwischen der Furcht zu versinken oder verschlungen zu werden, und der Lust, die ihm die zögernd und zunächst ziellos begonnene Betätigung verschafft, und lernt dabei zunächst, es zu ertragen einfach nur zu sein. Indem es durch die Oberfläche vorstößt in den darüber liegenden Luftraum, und mit dem ersten Atemzug die Umgebung entdeckt und die eigene Körperlichkeit, erschließt sich ihm jenseits der Grenze eine andere Welt, voller klarer Klänge und schärferer Umrisse. Aus den vage vorbei treibenden Konturen tauchen Farben auf und Gestalten, riesige eintönige, perspektivisch verzerrte Flächen und scharf konturierte Bewegungen mit rhythmischem Charakter.
An im Wind und der Strömung treibenden Teilen sich anklammernd erbaut es sich ein primitives Floß, errichtet darauf einen Mastbaum und behängt ihn mit dem Fetzen eines Segels. Nun nennt es sich stolz ‚Sozial Wissenschaftler’ und steuert einen Hafen an um sich als Heimkehrer feiern zu lassen, der den unermesslichen Weltozean umrundet hat. Aber dort findet es eine Welt ebensolcher Heimkehrer, die alle mehr oder weniger dasselbe durchgemacht haben und auf mehr oder weniger seetüchtigen Gefährten in denselben oder andere Häfen eingelaufen sind. Alle sind sie Überlebende und niemand fragt mehr nach der Beschaffenheit, der Güte, der Ausstattung oder der ‚Seetüchtigkeit’ der Gefährte, auf denen sie gekommen sind, wenn nicht einige ohnehin, sich auf ihre eigenen Kräfte verlassend, als entschlossene und gestählte Schwimmer das Land erreicht haben.
Es wimmelt an Land nur so von erfolgreichen ehemaligen Seeleuten, die sich alle am Ende ihrer Reise glauben, wenn sie in den Hafen eingelaufen sind. Das Land ist in der Tat übervölkert von ihnen. Da erinnert sich der Heimkehrer auf einmal an die Tage auf der See, den Horizont, die treibenden Wolken, die Gefahr der Stürme, die Todesangst, den Wunsch nach Erlösung, die unnennbare Einsamkeit, die spielenden Delphine, die prüfend vorbeischauenden Raubfische, den ungeheuren Flug des Albatros, der sich nach einigen weiten Kreisen endlich bei ihm niederließ um ihm eine Weile Gesellschaft zu leisten, und mit ihm die aus dem Meer gefischte Nahrung zu teilen.
Da erkennt es, dass die Reise gar nicht zu Ende ist, sondern erst begonnen hat. Nicht hier, an Land, in der trägen Bequemlichkeit, der oberflächlichen Monotonie des Immergleichen, dem wattierten, gegen den Fluss der Zeit immunisierten Gehäusen, in denen alle Unterschiede auf den von hell und dunkel verschwinden, und dem monotonen Geschwätz der Städte gab es Leben, sondern nur auf dem Wege zu diesem gegenstandslosen Ziel. Der Weg ist das Leben.
Man kann nun meinen, die Wahl dieser Form führe auf etwas, das alle schon lange wissen. Das liegt aber nur daran, dass ich eine Formulierung gewählt habe, die allgemein bekannt ist, so dass zugleich der Schein entstehen kann, ich käme bei etwas heraus, was ohnehin schon alle wissen, die ganze Mühe sei also umsonst gewesen, und enthalte keine Information. Ich überlasse die kritische Prüfung dieses Urteils indessen dem eigenen Rückblick des Lesers und entschuldige mich für die Irreführung. Immerhin kann es witzig sein, sich der Möglichkeit dieser Replik gegenüber zu sehen und sie vor dem Hintergrund, dem ‚back ground’ (die englische Form enthält auch eine zeitliche Konnotation) des Gesagten aufzuzeichnen.
Die richtige Antwort auf diese Art von Replik, die darin besteht, einem kurzen Gedächtnis oder der Gedächtnisunfähigkeit die Schlagfertigkeit zuzuspielen, die diese Unfähigkeit deckt, ebenso wie die Leere des bloß punktuellen Bewusstseins, das sich einfach an den letzten gehörten Satz halten muss, weil das so genannte Langzeitgedächtnis leer ist oder dem Bewusstsein gegenüber der Zugang blockiert ist – denn es ‚enthält’, besser es ist auch mit unbewussten, und vielleicht am ehesten von unbewussten Objektrepräsentanzen erfüllt und aus ihrem Zusammenhang gewissermaßen komponiert, - und sich deshalb erleichtert hilft mit einer auf diesen, in dem es etwas wieder erkennt, das es schon ‚weiß’ repliziert und damit zugleich das Ganze – verdrängt. Man muss sich um die darin enthaltene Aggression gegenüber dem so traktierten Bedeutungsgehalt kümmern um zu verstehen, was das bedeutet, denn es bezieht sich nicht einmal notwendig auf den ‚Sprecher’/Autor und das was er/sie mitteilt, sondern vor allem auf die eigene Befindlichkeit des Lesers/Zuhörers. Die Aufmerksamkeit ist gar nicht auf das Gehörte, Gelesene gerichtet, sondern auf die Aufrechterhaltung des eigenen Gleichgewichts.
Steht das nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, dann wird der Effekt, die Nutzung einer Nebensache als Aufhänger für das Verständnis des ganzen, gar nicht aktualisiert und der Vorgang der aufmerksamen Konzentration läuft gewissermaßen geradeaus weiter ohne eine reduktive Kontraktion des unter dem Reiz erschauernden Selbst, das sich gewissermaßen wie eine Schnecke bei Berührung ihrer Fühlhörner verhält. Wer die entsprechende Alltagskommunikation vor Augen hat und sich damit beschäftigt ihre Funktionsweise und die Gesetze und Regeln der scheinbar zufälligen Abfolgen von aufeinander sprachlich reagierenden Personen besser zu verstehen wird sich damit befassen müssen, bestimmte mit Sicherheit auftretende Stereotype in diesem auf den ersten Blick verwirrend vielfältigen Gefüge zu erkennen und ihren Sinn zu entschlüsseln, der mit Sicherheit nicht auf der unmitttelbar erscheinenden sprachlichen Oberfläche zu finden ist, dort aber oft gesucht oder vermutet oder gar unterstellt wird.
Man hört richtig hin, wenn man mit einem zusätzlich aktiven Wahrnehmungsorgan, das keinem ‚Sinn’= unmittelbar physiologischen Wahrnehmungsvermögen wie Auge, Ohr entspricht, sondern sich aus den Synergien verschiedener sinnlicher Wahrnehmung in Korrespondenz mit einem Resonanzboden konfiguriert, eine Konfiguration, in die verschiedenste kognitive und seelische bzw. affektive Aspekte des Wahrnehmungsvermögens als einer komplexen Form eingehen, die nicht einfach an einem Organ lokalisiert werden kann und auf der Grundlage einer ansonsten im Wesentlichen identischen organischen Ausstattung ganz unterschiedlich entwickelt sein kann oder auch nicht. Es hilft da auch – wie immer in solchen Fällen – zu einer technologischen Analogie zu greifen, indem man von einem ‚Radar’ spricht, oder an die Zusammenschaltung von Parabolspiegeln zur Erzielung eines Lupeneffekts denkt.
Wie gewöhnlich sind mit dem jenseits der Führerscheinprüfung angesiedelte Überlegungen zum ‚menschlichen Wahrnehmungsvermögen’, das ja eben kein bloß tierisches ist, technologische Analogien auch unter Heranziehung komplex zusammengesetzter Artefaktkonglomerationen bestenfalls regressive Primitivismen. Erst von daher wird die Begeisterung für die Computeranalogien, die ‚Mensch’ und Computer gern begrifflich und terminologisch, oft mehr oder weniger ‚spaßhaft’ konfundieren, erkennbar als ein Symptom. Das kann man nun noch eine Weile untersuchen, aber es genügt vielleicht sich einmal zu überlegen, was das bedeutet, wenn man jemanden zunächst nicht mehr von sich spricht, sondern von seinem Gehirn, und dann, mittels einer nochmaligen Verschiebung, davon als von ‚meiner Festplatte’ redet, anderseits von seinem Computer sagt, er sei ‚intelligent’, eine in der Produktwerbung für die Geräte selbstverständliche Üblichkeit.
Das sollte an die etwas ältere psychoanalytische Untersuchung aus dem französischen Sprachraum über das so genannte ‚penseè operatoire’ (in Nummern des Zeitschrift ‚Psyche’ aus den siebziger und achtziger Jahren des zwanzigsten Jh.) erinnern, von dem dann wieder bezweifelt wurde, ob der Bezeichnung ein ernsthaft konturierbares Objekt entspricht, bevor man sich nicht mehr länger darum kümmerte. Vielleicht ist diese Sensibilität für diesen Typus einer von dem affektiven Leben abgeschnittenen schematischen Denkweise, der im Übrigen eine Verwaltungstechnik entspricht, die mit Sicherheit die Konzentrationslager erst möglich gemacht hat und ihrerseits von Max Weber ja hinreichend hervorgehoben, wenn auch längst nicht angemessen charakterisiert und analytisch bestimmt worden ist, als sozialpsychologisches Produkt des säkularen Staates und als ein von ihm zum Massenprodukt erhobener Typus des Sozialcharakters, von dem eine erhebliche Gefahr ausgeht für die Zukunft aller menschlichen Vergesellschaftung, die übrigens der gemeinsame Nenner aller Modernität in Sachen Staat und Herrschaft ist. Aber das ist anderswo genauer zu besprechen.
Zum Vorgang des Schreibens wäre einiges nachzutragen. Es wird mir erst zunehmend klar. Das spiegelt auch der Text selbst wider, wenn man genau hinsieht. Es geht im Grunde darum, das gesamte Material, das Du so gut wie ich vor Augen hast, was immer es auch konkret ist, in den Rang von Metaphern erhebt, und damit zugleich in seinem Rang als Realität depotenziert. Damit entsteht eine Art Raum, ein Zwischenreich zwischen der blanken Realität, in dem Sinne, in dem sie den Gattungsexemplaren gewöhnlich erscheint und wie man sie wahrnimmt, wenn man an einer Ampel abwartet um die Straße überqueren zu können. Wenn ich das als Spielmaterial verwende kann ich die Ampel jederzeit auf Grün schalten und dann die Straße überqueren, aber auch trotz Rot gehen, ohne Überfahren zu werden, und ich kann bei Grün gehen, dann aber gleichwohl beinahe überfahren werden usw., kurz, ich kann alle diese Daten einer mir aus meiner Alltagserfahrung zugänglichen ‚Realität’ handhaben als bloßes Spielmaterial und jetzt ist die Frage, wofür ich dieses Spielmaterial verwenden kann. Was macht da Sinn?
Das ist deshalb eine Frage von Bedeutung für den angehenden wie den geübten Schriftsteller oder Autor, der sich mit dieser Wirklichkeit beschäftigt oder mit ihrer Komposition, als Didaktiker, als Sprachwissenschaftler, Soziologe (ich meine damit keinen mir bekannten Berufsbeamten, auch keine bekannte Berufsbezeichnung, sondern eine rekonstruktive Betrachtungsweise der ‚sozialen’, jedenfalls der Lebenswirklichkeit der Tiergattung Homo sapiens, immer unter schieden vom ‚Menschen’, auch wenn diese Unterscheidung ungewohnt und artifiziell wirken mag. Es ist erst vor dem Hintergrund dieser entschlossenen Rückkehr zu einem normativen kulturellen Standard, der in keiner Weise einer demokratischen Ordnung widerspricht, die das Problem der Nivellierung der begrifflich unbedingt aufrechtzuerhaltenden qualitativen Differenzen sichtbar macht und seinen Sinn, der in einem Verschwinden besteht, das nicht auffallen soll, sondern seinerseits verschwinden. Was den ‚Soziologen’ betrifft, so ist die irreführende Bezeichnung also durch die Beschreibung einer Tätigkeit zu ersetzen, die eine bekannte Berufsbezeichnung ersetzt mit höherem Informationsgehalt und unter Vermeidung der Desinformation, die die Wahl der Bezeichnung bedeuten müsste.), oder um eine Beschäftigung dreht, die sich mit dem Verhältnis von Mensch und Welt sowie mit dem, was da in einem Verhältnis steht. (Ich umgehe hier die verschiedenen Möglichkeiten, mich durch eine irreführende Bezeichnung nach Art ‚Lehrer’, ‚Sozialpädagoge’, ‚Psychologe’, ‚Psychoanalytiker’, ‚Philosoph’ etc. im Missverständnis der mit dem Verständnis dieser Bezeichnungen unvermeidlich verbundenen Irreführungen zu verlieren, und die Möglichkeit, verständlich zu werden – was sich nur jenseits dieser Klischees machen lassen dürfte – zu verspielen, jedenfalls aber dazu beizutragen durch einen einfachen Anschluss an diese institutionalisierten Formen einer Lizensierung eines Ausschnitts aus einem sehr begrenzten Überblicks über das verfügbaren und für meine Zwecke notwendigen und verwendbaren Wissens.
Die Formulierung, die sich darin gefällt Leben und Weg durch einfache Gleichsetzung zu identifizieren, ist informationsärmer als das, was sie damit also nicht resümierend zusammenfassen kann. Und sie ist unspezifisch. Zunächst ist es einfache eine Analogie ohne jede weitere Spezifikation, und sie übersetzt einen zeitlichen und in jedem Moment qualitativen und irreversiblen Vorgang in einen räumlichen und im Prinzip reversiblen. Mit ‚Weg’ ist stets weniger gesagt als mit ‚Leben’. Desto mehr muss auffallen, dass die Formulierung so allgemein bekannt wie als Trivialität akzeptiert ist. Das Leben ist kein Weg, und kein Weg kann besagen, was das Leben ist. Theologen meinen dagegen, mit dieser Analogie einen Beitrag zur Erhellung des Daseins zu leisten und benutzen sie gern.
Auch gehen sie gern in Gedanken oder auch vor Ostern den ganzen Kreuzweg noch einmal ab. Er endet stets am Wirtshaus neben der Kirche. Das nennt man dann gern Weltzugewandtheit, und erkühnt sich gar, zu der Formel zu finden, die dem Kaiser gibt, was des Kaisers ist, und meint dabei den Wanst, den das Volk auch bereitwillig als ‚seinen inneren Schweinehund’ als existent sich unterstellen lässt, von seinen Unteroffizieren. Ich habe das gewissenhaft untersucht: Ich habe keinen inneren Schweinehund. Das schließt nicht aus, dass Andere einen haben. Mir jedenfalls fehlt er nicht. Ich habe ihn auch nie vermisst. Früher hielt ich diesen Mangel für einen Makel. Ich meinte, ich müsste auch einen haben, ich war sogar der Meinung, ich hätte auch einen verdient und man hätte ihn mir vorenthalten, gewissermaßen als eine Strafe für ein Vergehen, von dem man allerdings vergessen hatte mir mitzuteilen worin es bestand.
Das warf ich nun wieder denen vor, die mir den inneren Schweinehund nicht zugestanden, zugleich aber fälschlich behaupteten, ich müsste schon einen haben und vor allem: ihn überwinden. Ich rüstete mich zu Kampf. Etwas muss man ja tun, um wenigstens zu zeigen, was man tun würde, wenn man einen hätte. Außerdem konnte ich durch Nachahmung der allgemeinen Geschäftigkeit zugleich gut verbergen, dass mir etwas sehr Wesentliches fehlte, abhanden gekommen war oder dass ich es nicht wahrnehmen konnte, während allen anderen ersichtlich nichts fehlte, sondern sie sogar einen Spielgefährten vorweisen konnte, der zu allerlei Neckereien und Zeitvertreib gut ist, und für Kurzweil sorgt, Langeweile vertreibt und ggf. an allem schuld ist und deshalb bekämpft und besiegt werden muss. Erst später befiel mich eine Ahnung, dass der Schweinehund gewissermaßen zu reinen Übungszwecken einfach nach Innen verlegt worden war, vielleicht damit er geschont werden kann, nicht nass wird und nicht friert und nicht am Ende schon verbraucht und verschlissen ist, wenn endlich ein richtiger Schweinehund in der Wirklichkeit auftaucht, den man dann auch leicht erkennt, weil man ja schon weiß wie er aussieht, aus langem vertrautem Umgang, wie mein etwas fadenscheiniger Teddybär, dessen Textur unter den verloren gehenden blonden kurzen Haaren zunehmend hervorsah, bis er eines Tages spurlos verschwand. Ich weiß noch, dass ich ihn diffus vermisste, ohne allerdings zu wissen, was ich hätte vermissen sollen, denn ich hätte nicht sagen können, was mir fehlte.
Die Welt um mich herum war so vollständig wie immer. Es gab keine Lücke, an der man mittels der Bestimmung des Umrisses, den ich mir vorgestellt hätte wie den einer aus einem Papier ausgeschnittene Kontur, oder wie einen Scherenschnitt, bloß das ich hätte hindurchgreifen können, wo der Scherenschnitt ein ‚Loch’ bloß simuliert, vortäuscht, während er in Wahrheit eine geschlossene Oberfläche schließt an der Stelle, gewissermaßen bloß androht an der er sich befindet, bestimmt sofort gesehen hätte: ‚Ah, hier fehlt doch offensichtlich mein Teddybär.’
Nein, die glatte, vollständig und ohne Riss geschlossene Oberfläche des Seins umgab mich wie immer wie eine vollkommene, mehr oder weniger sparsam möblierte Kugel, und nirgendwo fand sich die Spur eines Hinweises darauf, dass etwas hätte fehlen können. So verschwand mein Teddybär aus der Welt ohne dass er mir hätte fehlen können. Also konnte mir auch nichts fehlen. Denn offensichtlich war doch, dass nirgendwo etwas zu finden war, das mit hätte fehlen können. Was derart verschwindet, damit kann man nicht ‚Fort/Da’ spielen. Die Welt hielt meinem vage fragenden Blick nach dem ‚ich weiß nicht was hier nicht stimmt, stimmt hier was nicht?’ mit dem ganz und gar unschuldigen Gesicht dessen stand, der ganz gelassen antwortet: ‚Ich weiß nicht was Du meinst!’, und so wusste ich auch nicht, was ich hätte meinen sollen. Ich wusste nicht, ob es überhaupt etwas zu meinen gab. Was blieb ist ein vages Gefühl, ein diffuses Unbehagen, ein Anflug von Verstimmung, Trauer.
Der Schluss von Kleists Amphytrion ist dafür aufschlussreich: Dies Gefühl, ach! Er kann auch etwas anders sein, (ich müsste das noch einmal nachsehen) aber es geht im Wesentlichen darum, dass ein Gefühl über einen an dem/der, der/die das betreffende Gefühl hat, begangenen Betrug (es geht um einen Ehebruch!) sich angesichts einer Wirklichkeit nicht verifizieren lässt als einer Realität entsprechend, wenn und weil die Struktur des Wirklichen selbst das nicht erlaubt, weil sie die realen Grundlagen des Gefühls, das sehr wohl eine Entsprechung hat in dieser Wirklichkeit verdeckt und weil just die selbst ein Strukturmerkmal des Wirklichen ist.
Alkmene hat ja Amphytrion leibhaftig vor sich, in Gestalt der ihr vertrauten Erscheinung, an der nichts anders ist als sonst. Und dieses Erscheinungsbild wiederum stimmt mit ihrer Erinnerung vollständig überein. Sie erinnert sich an dieses Erscheinungsbild, und es ist eine richtige Erinnerung, denn gerade an diesem ist ja alles so, dass es tatsächlich identisch ist mit sich selbst in Erinnerung und Gegenwärtigkeit. Die Nichtidentität des je Gegenwärtigen (in der Zeit) bleibt unwahrnehmbar an der Identität der Erscheinung (in der Zeit). Das war wohl noch vertrackter als mein Problem. Denn hier fehlte etwas, aber ich hätte es sehen müssen, um zu wissen, was es ist, und dann hätte es nicht gefehlt, also auch der vage Hinweis anhand des Unbehagens, das keinen Gegenstand fand in der Erscheinung, und keiner Erinnerung entsprach, um deren Inhalt die präsentische Gegenwart nun ärmer war. Mit seinem Verschwinden verschwand auch die Erinnerung an das Verschwundene. Aber das war denn auch nicht offensichtlich. Vage frage ich mich, ob ihm nicht ein Arm fehlte, der rechte. Sah nicht an einer Stelle schon etwas Holzwolle durch die Textur? Was ist ein Bewusstsein, aus dem mit dem Verschwundenen auch die Erinnerung daran verschwindet?
Ich fand mich mit dieser hermetisch geschlossenen Oberfläche ab. Es gab ohnehin nichts anderes als diese. Alles war immer ganz so wie es jeweils im Moment sich darbot. Eine Frage, ob es einmal ‚mehr’, um etwas reicher oder ärmer, vermehrt oder vermindert war, stellte sich nicht angesichts der glatten Absolutheit und Vollständigkeit der geschlossenen Innenfläche der Kugel in deren Mittelpunkt ich mich eines Tages vorfand. Immerhin war sie wenigstens geschlossen, hermetisch. Das war schon einmal ein Vorteil. Man musste nicht mit allem rechnen. Die Risiken wirkten abschätzbar. Vorerst! Ich bin nicht sicher, ob und ggf, wie ich zur Wartung der Kugel beitrug. Immerhin konnte man dazu beitragen, Absolutheit und Vollständigkeit sowie Geschlossenheit dadurch zu garantieren, dass man die Erinnerung anpasste an die Wahrnehmung. Dann war höchste Perfektion zu erzielen oder in der Zeit zu gewährleisten. Das wurde dann doch irgendwann zu kostspielig. Der Teddybär tauchte wieder auf.
Meine Mutter erklärte mir, ihn weggenommen zu haben um ihn aufzuheben, weil ich ihn nicht mehr brauchte. Das war ein Irrtum und ausgesprochen eigenmächtig, außerdem entsprach es nicht dem, was ich selbst auf einmal deutlich empfand als ich ihn unvermutet wiedersah. Denn jetzt fiel ein riesiger Schatten auf die gesamte Zwischenzeit zwischen seinem Verschwinden und seinem Wiederauftauchen und ich bemerkte jetzt zugleich meine Treulosigkeit und meinen Verrat an dem Verschwundenen, den ich feige preisgegeben hatte, um ihn nicht vermissen zu müssen, und um mich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, was da geschehen war, denn hätte ich mir das im Ernst überlegt, dann wäre es doch gut möglich gewesen, dass auch ich am Ende verschwinde ohne zu fehlen und ohne dass sich jemand an mich erinnert und mich vermisst.
schließlich waren schon andere verschwunden vor mir und vor allem vor meinen Teddybär, und die waren auch zuvor schon etwas fadenscheinig, irgendwie durchsichtiger geworden, bis sie dann schlagartig verschwanden, auch ohne dass das bemerkt wurde. Das waren mein Vater, mein älterer Bruder und dann alle anderen Geschwister und auch meine Mutter. Alle waren verschwunden, und ich musste sie vergessen, damit die mich umgebende Gegenwart und ich nicht in Streit gerieten oder ich in eine schlimme Verwirrung, weil ich nicht mehr gewusst hätte, was nun wahr ist, das, was in meinem Bewusstsein wirklich und wahr ist, oder das, was ich gerade sehe und was ich an anderen sehe oder zu sehen meine, dass sie sehen oder nicht sehen. Jedenfalls redete keiner mehr von ihnen, also hatte es sie auch nicht wirklich gegeben. Es musste mit ihnen gegangen sein wie mit meiner Einsamkeit nach dem Verschwinden meines Teddys, denn von der hatte auch niemand geredet und daher konnte es sie in der Wirklichkeit auch nicht geben. Jetzt aber war alles ganz anders.
Meine Einsamkeit hatte einen Grund gehabt, und war so real wie das Verschwinden meines Teddys und ich hatte ihn auch die ganze Zeit vermisst, obwohl ich mich nicht daran erinnern konnte, oder wusste, was ich dabei fühlte. Und alles das war wirklich, so wirklich wie mein wieder aufgetauchter Teddy. Und jetzt erfuhr ich, dass meine Mutter ihn hatte verschwinden lassen, weil sie der Meinung war, ich hätte ihn nicht mehr gebraucht. Sie wollte ihn aufheben für später, damit ich mich dann an ihn erinnern könnte. Und sie hatte mich nicht gefragt. Ich hatte mich offensichtlich nicht richtig um die anderen gekümmert, deshalb war es zu diesem Irrtum gekommen, ich brauchte sie nicht mehr. Deshalb hatte sie sie alle weggeschafft. Irgendwo bewahrte sie sie auf für später vielleicht, und wer weiß, vielleicht tut sie das ja noch heute. Damit ich mich dann an sie alle erinnern kann, wenn sie sie mir zeigt. Es stimmt wohl, dass sie alle schon mehr oder wenige kaputt waren, aber wenn man immer so mit den Sachen verfährt, die etwas fadenscheinig werden, oder kaputt, dann muss ich mich zusammennehmen, damit ich nicht auch wegkomme. Sie wirkte unberechenbar, und dabei wusste sie nicht einmal, ob ich meinen Teddy vermissen würde, wenn sie ihn mir wegnahm.
Und was ich nicht immer im Arm oder im Auge behielt, das konnte dann leicht verschwinden. Ich sollte also aufmerksamer sein, wachsamer, mich mehr kümmern, mehr Anteilnahme zeigen? Ich stellte lieber keine Fragen. Mein Vater kam nicht zurück, mein Bruder auch nicht. Andere kamen zurück, endlich war auch ich zurückgekommen, von einem Ort, an den ich gebracht worden war, wo es keine Ausgänge gab. Ich hätte auch nicht gewusst wohin ich hätte gehen sollen, an wen mich wenden. Ich durfte auch nirgendwo hin. Das war aber nicht so klar ausgesprochen. Es gab vieles an mir, das nicht so gut war. Die Haare wurden mir abgeschnitten. Ich hatte einen Lockenkopf mit roten Haaren. Das hatte meiner Mutter immer sehr gefallen. Ich erinnere mich vage an ihre Freude darüber. Das war jetzt ganz anders. Ich sah sie vor meinen gesenkten Augen in die Rinne des weit über meine Kopfhöhe gekachelten Pissoirs für die männlichen Kinder des Heims fallen, das eine bequeme Säuberung auch dieses Exkrements erlaubte.
Ich könnte nicht sagen, wie viel von mir, von dem was ich war, mit den abgeschnittenen Haaren in diese Rinne fiel um dann achtlos beseitigt zu werden, als Abfall. Ich rührte mich nicht. Was dann weiter geschah weiß ich nicht. In einem grellen und ungemein schmerzhaften Blitz war ich verschwunden. Für wie lange? Da war keine Zeit. Da ging keine Uhr. Da war alles für immer und endgültig. Die religiösen Märchen von der Hölle und dem Fegefeuer haben mich nie überzeugt. Die Wahrheit ist anders: Die Erwartung wird enttäuscht. Diesem Zweck dienen diese Erzählungen. Die Ankunft enthüllt dann den wahren Schrecken: Die Hölle ist mäßig temperiert, eher lauwarm, und alle Feuer sind längst erloschen. Der Neuling wandert über längst erkaltete Asche in einem diffusen Nebel, der keine Aussicht zulässt. Die Verwaltung ist von der Gleichgültigkeit von Metzgern gegenüber dem hereingetriebenen Schlachtvieh. Da sind nur Momente eines kurzen Auftauchens, so wie ein von einem Geräusch aufgeweckter Mensch ein Augenlid hebt um dann wieder zurückzusinken in den Schlaf. Ich war in meinem fünften Lebensjahr. Der Krieg war noch nicht zu Ende.
Sechsundfünfzigster Traum:
Traum am Morgen des Samstag, 9. August 2008
Ich befinde mich in einem weitläufigen Gebäude, das einen riesigen Innenraum hat, in den eine ganze Kleinstadt passt, weil zugleich Kopfsteinplasterstrassen und Plätze, Gebäude und Straßen alle unter einem Dach sich befinden. Zusammen mit meiner jüngeren Schwester Barbara Friederike zeige ich einem verwahrlosten Gassenjungen aus der nach dem Krieg in unsere Stadt gezogenen Flüchtlingsgruppe aus Schlesien, der mir gelegentlich auflauerte auf dem Schulweg um mich zu bedrohen und zu verprügeln, bis ich mich einmal mit der moralischen Unterstützung von ein paar alten Damen,m die sich darüber aufhielten, wie er mich quälte, derart verprügelte, dass ich danach nichts mehr von ihm hörte, ein Zimmer unter dem Dach des Kirchturms, in dem ich (mit ihr ?) wohnte. In dem Zimmer war besonders das Bett von Bedeutung. Es war nicht gemacht, sondern die bunten Decken lagen zerwühlt und unordentlich durcheinander. Irgendwie war ich freudig erregt und sehr stolz darauf, das Zimmer zu zeigen, besonders weil es so hoch gelegen war, in der Kirchturmspitze. Es ist sehr hell darin und das Licht macht mich froh. Die Höhe erregt mich.
Wir steigen dann die lange Treppe wieder hinunter auf die mit Kopfsteinpflaster bedeckte alte Straße. Dort wartet schon meinen Mutter. Der Junge, den das Gesehene beeindruckt hat, meint ich sollte in dem Zimmer unbedingt etwas mit meiner Schwester machen, aber plötzlich bin ich empört, irgendwie aber doch nur zum Schein, denn zwar rufe ich meiner Mutter laut zu (ich petze, was ich sonst auf keinen Fall tue), was der Junge gesagt hat und deute dabei auf meine Schwester Barbara, die wunderschön erscheint und empöre mich scheinbar darüber, was er mir vorschlägt, indem ich rufe: Aber es ist doch meine Schwester bzw. ich rufe: Mama, der meint ich sollte mit Barbara in dem Bett im ‘Turmzimmer’ (so hieß mein Zimmer in unserem Haus in Bad Nauheim, Parkstrasse 46, in dem wir in der Nachkriegszeit wohnten, bis 1964?) unbedingt etwas machen. Es ist aber meine Schwester. Ich meine, die Bedeutung des Traums ist klar.
Ich laufe dann zu meiner Mutter und schmiege mich an sie. Wir liegen auf dem Boden, auf dem Kopfsteinpflaster und ich schmiege mich an sie, wie ich das gestern von Löwinnen sah, die sich an de Mann, der sie aufgezogen hat, angeschmiegt hatten, indem sie ganz enge körperliche Berührung suchten, die der Mann gutwillig und ohne Angst ertrug und akzeptierte. Sie war auch ihm offenbar angenehm, obwohl die beiden Löwinnen riesig waren und aufgerichtet mit erhobenen Vorderpfoten größer als er selbst, während ich das mit Angst betrachtete und meinte, sie müssten womöglich gleich dazu übergehen ihn versehentlich zu zerreißen wie die Mänaden den griechischen König Lynkeus oder wie die Dienerinnen der Artemis (die Jagdhunde den Alkmaion). Ich bin erleichtert über den Traum, der mir zum nun wiederholten Mal meine libidinösen Wünsche gegenüber Mutter und Schwester zeigt, und sogar die 'analytische Einsicht' enthält, die in die Form einer Empörung gegenüber dem Jungen eingekleidet ist, während ich mich an die Mutter wende um ihn anzuklagen mich aufgefordert zu haben, unbedingt etwas mit meiner Schwester zu machen, was ja eine Untreue gegenüber meiner Mutter wäre. Irgendwie bin ich erleichtert, dass mit das endlich klar werden konnte, was hier vorliegt. Das u. a. wird mich retten.
Der Junge hieß Manfred Lieber!
Leah’s Kleines Bilderbuch
Sie ist geboren am 8. August 1990, und hat es gezeichnet im Jahr 1997.
und Meisterschaft: Von 2008
Menschliches Elende
Andreas Gryphius
Was sind wir Menschen doch! ein Wonhauß grimmer Schmertzen?
Ein Baal des falschen Glücks / ein Irrliecht dieser Zeit /
Ein Schauplatz aller Angst / unnd Widerwertigkeit /
Ein bald verschmelzter Schnee / und abgebrante Kertzen /
Diß Leben fleucht darvon wie ein Geschwätz und Schertzen.
Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes kleid /
Und in das Todten Buch der grossen Sterbligkeit
Längst eingeschrieben sind; find uns auß Sinn' und Hertzen:
Gleich wie ein eitel Traum leicht auß der acht hinfält /
Und wie ein Strom verfleust / den keine Macht auffhelt;
So muss auch unser Nahm / Lob / Ehr und Ruhm verschwinden.
Was itzund Athem holt; fält unversehns dahin;
Was nach uns kompt / wird auch der Todt ins Grab hinzihn /
So werden wir verjagt gleich wie ein Rauch von Winden.
Donnerstag, 18. Dezember 2008
Für Leah.
Die Sprache ist für vieles gut, manchmal möchte man glauben, für zu vieles. Ich habe mich deshalb nie darum gerissen, als großer Redner bekannt zu werden. Aber es ist vielleicht doch Anlass zu Missverständnissen, wenn man, zumal im Besitz der Sprache, anlässlich des Todes eines eigenen Kindes schweigt obwohl es etwas zu sagen gibt, das vielleicht retten kann vor dem, was sich sonst im Schweigen zusammenballen kann. Aber zugleich wäre es ungerecht, nun wieder ausschließlich zu werden dort, wo es noch anderes zu sehen gibt, das mit einem Ereignis wie diesem zusammenhängt, weil es den Tod betrifft.
Kinder in der Blüte ihres Lebens gleichen – man verziehe mir die Erinnerung an die Vielgötterei – oft, und nicht zufällig, griechischen Göttern und Göttinnen. Es liegt ein Glanz über ihrem Dasein, der vielleicht nur aus einem gewissen Rückblick, aus der Entfernung des schon älteren Menschen richtig wahrgenommen werden kann. Nur zu oft geht diese Wahrnehmung, die von Anderen vielleicht geteilt wird, in einem Alltag unter, der inzwischen immer früher darauf abgestellt ist, die sich abzeichnenden Nützlichkeiten, die spätere Verwendbarkeit des jungen Menschen ins Auge zu fassen, zumal mit der Professionalität des an dem Schicksal nicht nach Art der Eltern eines Kindes Beteiligten, denen die nacheinander an ihnen vorbeiziehenden Jahrgänge eher als Mengen begegnen, die aus dem Nebel kommen und im Nebel verschwinden.
Aber das muss nicht so sein. Eltern, die in ihren Kindern ihren eigenen Lebenswunsch erkennen, muss das anders erscheinen und das kann dann wieder ein Anlass dazu werden, ihnen das als subjektive Voreingenommenheit anzukreiden, die man professionell auf den Boden der so genannten Tatsachen zurückzuführen sich bemüht fühlen muss. Mich hat das nie beirren können. Nicht nur Gott hat sie alle gezählet, damit ihm ja auch keines fehlet an der großen, großen Zahl, die ist wie die der Sternlein am Himmel. Jeder kennt ja das bekannte Kinderlied. Es hat mich selbst begleitet seit meiner Kindheit und nichts nehme ich der so genannten Erwachsenenwelt mehr übel bis heute, der der Wissenschaft und der immergleichen Weltverwaltungen zumal, als dass sie meinen Kinderglauben zu zerstören suchte in dem Bestreben, mich mit der Realität bekannt zu machen. Irgendwie ist es mir gelungen, etwas davon als Element meiner tiefsten Überzeugungen erfolgreich zu verteidigen und ich weiß deshalb, dass das möglich ist zugleich mit einem Höchstmaß an wissenschaftlich aufgeklärtem Wirklichkeitssinn. Ich kann dazu also nur ermutigen.
Es ist dieser ‚Kinderglaube’, ein Rest von Wildem Denken, wie Levi Strauss sagen würde, der es mir ermöglicht hat, in meinen Kindern, vier Töchtern, zugleich stets von einem milden oder strahlenden Glanz umgebene Engel wiederzuerkennen, und an dieser Wahrnehmung bin ich nie irre geworden, gegen alle Nutzenabschätzung, denen wir uns so oder so zu beugen hatten oder noch zu beugen haben werden. Ich sah sie stets, wenn ich mir das erlauben darf, als erlaube mir Gott, sie so zu sehen wie er die Schöpfung sah am siebten Tag.
Das ging wohl auch einmal in der Hektik des Alltags unter, aber ich war immer erstaunt von der Art wie sie von Beginn an die Welt in Augenschein nahmen, wie sie die Dinge ihrerseits zu sehen imstande waren wie man sie sieht, wenn man sie zum ersten Mal sieht und es war ein Glück für mich, auf diese Weise teilhaben zu können an etwas, was mir in meiner eigenen Kinderzeit nicht erlaubt gewesen ist, angesichts von Umständen, über die ich hier nicht sprechen will. Sie haben mich gelehrt, die Welt noch einmal wie von vorn zu erforschen. Da kam natürlich nicht nur Gutes heraus, und da war es dann ein Glück, dass ich das eine oder andere dann auch schon in Erfahrung gebracht hatte. Aber das ist nicht von Belang. Das Wunder, das sich ihnen auftat, konnte ich auf diese Weise, durch Teilhabe miterleben. Da waren die Dinge zu benennen und die Verhältnisse, die Blumen im Garten, die Tiere, die Gerätschaften, von denen wir umgeben sind, und ihre Funktionsweise bzw. ihre Funktion war zu erläutern bzw. in Erfahrung zu bringen.
Leah ist meine drittälteste Tochter. Sie ist achtzehn Jahre und etwas mehr als vier Monate alt geworden. Von Anfang an war ihr auf eine merkwürdige Weise eine gewisse Traurigkeit mitgegeben. Ich weiß nicht, wann ich sie zuerst bemerkte, aber als sie fünf Jahre alt war überraschte sie mich einmal mit einem geradezu furchtbaren Satz, den ich aus meinem Munde für das Ergebnis einer langen enttäuschenden Erfahrung gehalten hätte, der indessen aus dem Mund des Kindes erschrecken musste, als sie nämlich meinte, sie wünschte nicht zu leben. Zu meinem Schrecken erkannte darin mich selbst und eine auf Ereignisse zurückgehende Entmutigung bzw. einen grundsätzlichen Zweifel, der auf Erfahrungen mit dem Tod von Angehörigen meiner eigenen Familie in meinem Kindesalter zurückgeht. Die Tatsache, dass Traumen der Elterngeneration sozial vererbt werden, ist in der damit befassten Literatur gut belegt, aber mich überfiel angesichts der unabweisbaren Tatsache doch etwas wie das Gefühl, das ein Vater haben müsste, der entdeckt, dass er am Aussatz oder an einer gefährlichen ansteckenden Krankheit leidet bzw. der Träger eines gefährlichen Virus ist. Das hätte man vergessen können als etwas, das vorbeigeht, wenn sie nicht in der Schule so verloren gewirkt hätte, ein Umstand, der sich eher zu vertiefen schien und sich hinzog bis in die Jahre ihrer Gymnasialzeit, die wir dann beendeten, indem wir uns etwas anderes für sie ausdachten nach der Mittleren Reife.
Sie hatte ein sich vertiefendes Interesse am Zeichnen entdeckt und begann ganz erstaunliche Zeichnungen zu machen, zunächst indem sie sich Vorlagen hernahm, und sie nachzeichnete, dann aber zunehmend indem sie sich selbst Motive wählte und die mit wachsender Ausarbeitung ihrer Techniken zu bearbeiten. Als wir das bemerkten, ermutigten wir sie dazu sich damit intensiver zu beschäftigen und versuchten ihr Hilfen und Anregungen bereitzustellen. Das lenkte unsere Aufmerksamkeit auf ihre handwerklichen Möglichkeiten und wir bemühten uns um eine Schule, die ihr in dieser Hinsicht mehr Anregungen zu geben bereit sein würde. Das erwies sich als eine nicht so leicht zu lösende Aufgabe, aber nachdem wir sie zunächst mit ein paar Praktikern bekannt gemacht hatten, einer Drechslerei in Werlte z. B., und sie dort ein Praktikum mit recht viel Freude absolviert hatte, gab es die Möglichkeit, nicht zuletzt angesichts der großzügigen Behandlung des schulischen Interims, sie in Kassel an einer Schule unterzubringen, die ihren Interessen entgegenkam. Es war eine Freude und enorme Erleichterung, sie endlich aufblühen zu sehen und ihre Freude daran zu bemerken, mit der sie ihr Leben in die Hand zu nehmen begann. Ihre in der Pubertät entwickelte Zurückgezogenheit, und ihre etwas extravagante beginnende Adoleszenz war im Abklingen und begann einer gelösten und mit vermehrter Selbstsicherheit aufblühenden jungen Frau Platz zu machen, die sich praktisch sicher bewegte und deren intellektuelle Interessen endlich auch zu sich selbst kamen und sich in ermutigenden Belegen niederzuschlagen begannen. Ihre Selbstsicherheit wuchs angesichts der erkennbar befreienden Atmosphäre einer Großstadt mit dem Flair einer alten Fürstenresidenz mit einem regen Kunstbetrieb, und ihre praktischen und schulischen Interessen brachten sie mit Menschen aus dem Theaterwesen und der Kultur in Berührung, die sich ihrer annahmen und sie ermutigten und akzeptierten. Das pädagogische Lebensumfeld blieb zugleich dennoch dem Ort und der Familie auch verbunden, in dem sie die bisherige Zeit ihres Lebens verbracht hatte und so behielt sie auch die Verbindung zu ihrer engeren und weiteren Herkunft, ohne sich behindert fühlen zu müssen durch die beschränkten Möglichkeiten, die ihr in ihrem bisherigen Lebensrahmen zur Verfügung gestanden hatten. Anders gesagt: Die Veränderung tat ihr gut und wir alle bemerkten das mit großer Erleichterung.
Ihr Mut war der einer kleinen Löwin und sie begann sich ein eigenes Leben zu erfinden und sich mit seinem Aus und Aufbau zu beschäftigen, so sehr, dass sie manchmal daran erinnert werden musste, dass ihre Hinterbliebenen sich nach ihr sehnten und sich wünschten, an ihrem Leben weiter beteiligt zu sein. Aber was derart sich bemerkbar machen musste, wurde doch vor allem als ermutigendes Zeichen betrachtet und war allgemein Anlass zu erleichtertem Stolz darauf, dass der schwere Sturm nun erkennbar vorüber war. Diesem beginnenden Winter, in den wir alle gerade einzutauchen beginnen, sollte ein Frühjahr folgen, ein Frühling, der auch der ihre und vor allem der ihre hätte werden sollen.
Wie oft ist mir in Gedanken ihr rotgoldenes Haar vor Augen gewesen, und die milchig helle Haut, die so gut dazu passte. Ich sagte ihr immer voller Überzeugung, dass sie das keltische Erbe meiner hessischen Herkunft verkörpere. Es gab also auch Gutes, das ich zu vererben hatte. Rätselhaft ist und das Auftauchen ihrer merkwürdigen Erkrankung. Sie hat begonnen sie in den späteren Grundschulklassen zu behindern, auch angesichts von Medikamentierungen, die sich als wenig geeignet erwiesen und ersetzt werden mussten. Über Jahre hin sind wir damit in ein langwieriges Experiment verwickelt gewesen, dessen Ausgang wir nun kennen. Das ist keine Schuldzuweisung (Doch, es ist wie bei allen diesen Negationen, und der Adressat bin ich selbst.). Anderes ist gar nicht denkbar. Und die Frage, ob sich das einregeln lässt oder sogar verschwinden kann, ist eine andere, von Hoffnungen umflort und nicht erzwingbar.
(Ich habe das geschrieben am Tage, als ich von Leahs Verschwinden Nachricht erhielt und hatte die Absicht, es anlässlich der Trauerfeier in der Kirche vorzulesen, wurde aber von Annegret und ihren Schwestern daran aus unerfindlichen Gründen und mittels einer unbegreiflichen Gewaltsamkeit gehindert. Ich überlasse es dem Leser/der Leserin, ob sich das verstehen lässt angesichts des Inhalts des Textes, einmal abgesehen davon, was es für mich bedeutet hat, von den Harpyien und den Mänaden zerrissen zu werden. Ich bin aus dem Hades, in den ich Eurydike gefolgt bin, deshalb auch nicht mehr zurückgekehrt, sondern dorthin umgezogen und werde dort in aller Zukunft wohnen.)
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Liebe Sarah, Donnerstag18. Dezember 2008
ich schreibe an eine verblassende und vielleicht mit diesem Brief auch vergehende, wenn nicht schon vergangene Person mit dem gleichen Namen und einer identischen Adresse, weil es wieder einmal nicht damit klappt, dass wir uns sehen können und ich mich von der Wirklichkeit Deiner Existenz überzeugen könnte, wie das auch und vielleicht mehr noch für all die anderen Personen gilt, die ich unter derselben Adresse aus meiner Erinnerung zu phantasieren gewohnt bin ohne noch recht zu wissen, ob es sich nicht nur um erträumte handelt, denn ich träume oft von Geschehnissen und Menschen, die ich tatsächlich nie erlebt bzw. kennengelernt habe außer wenn ich träume und mich an diese Träume erinnere. Ich habe wohl versucht, den Zug des Schicksals zu Euch zu nehmen, als mich die Nachricht erreicht hat, dass Leah in der vergangenen Nacht endgültig gegangen ist. Aber da stand wieder einmal dieser unschlüssige Engel mit dem Flammenschwert, der nicht wusste, ob er mich durchlassen sollte, und dabei war von einem Willkommen oder gar einem herzlichen Willkommen erst gar nicht die Rede. So konnte ich in den Zug des Schicksals, der mich zu Euch hätte bringen sollen, und den ich spontan so gern genommen hätte nicht einsteigen und er fuhr ohne mich ab. Zwar sind auf dem Fahrplan der Deutschen Bahn viele Züge vorgesehen, aber ich weiß im Moment nicht, welcher der für mich vorgesehene ist, nachdem ich erfahren musste, dass ich die Absicht gehabt hatte, in den falschen Zug zu steigen, für den ich gar keine gültige Fahrkarte hatte oder bekommen konnte. Der Zug des Schicksals fährt vielleicht gar nicht von einem Bahnsteig der Deutschen Bahn.
Ich weiß also zwar, dass viele Züge auf vielen Gleisen in dichten Abständen abfahren nach wer weiß wohin, aber ich weiß eben nicht, ob überhaupt ein Zug für mich dabei ist, und auch nicht wohin er fahren könnte. Vielleicht ist überhaupt der Bahnhof der falsche Ort, und keiner von den Zügen, die dort abfahren, ist überhaupt in der Richtung und zu dem Zielort avisiert, an dem ich gerne ankommen würde. Ich passe wie immer nicht auf dieses Familienfoto. Immerhin gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen mir und dem Tod: Ich frage nach, ob ich auch willkommen bin. Da ist der Tod freilich nicht so zimperlich mit empfindlichen Seelen. Er braucht keinen Konsens, und bittet gar nicht erst um die Zustimmung derer, bei denen er angemeldet oder unangemeldet erscheint. Das also wäre der Unterschied, jedenfalls ein wesentlicher Unterschied zwischen mir und dem Tod. Vielleicht ist es ganz hilfreich, darauf einmal hinzuweisen. Es gibt wahrhaftig Leute, die das möglicher Weise sogar nötig haben, dass man sie darauf einmal höflich hinweist, sei es auch nur, damit sie nicht behaupten können, das hätte man ja auch mal sagen können.
Ich wünschte mir so sehr, dass Leah nicht ohne mich gegangen wäre. Sie hätte mich doch bei der Hand nehmen können, dann hätten wir zusammen gehen können: Ich wäre so gern für immer mit ihr zusammen geblieben. So hat schon mein Bruder Hans Joachim gehandelt, als er ohne mich ging und ohne Abschied. Wo ist sie jetzt? Ich würde sie so gern noch einmal gesehen haben, noch einmal in den Arm genommen haben und ihr sagen, wie sehr ich sie liebe, und dass es mir so leid tut, wenn ich ihr nicht gerecht geworden bin. Aber das ist nun wohl für immer unmöglich. Warum hat sie mich nicht mitgenommen, dorthin, wo sie jetzt hingegangen ist? Vielleicht ist sie allein dort, so allein wie ich immer bin. Wir hätten zusammen bleiben können und das wäre vielleicht doch auch für sie ganz schön. Warum ist sie ohne mich gegangen? Ich verstehe es nicht. Ich verstehe es nicht, ich verstehe es nicht…
Ich hatte sie so lange nicht gesehen und mich so darauf gefreut sie in den nächsten Tagen wiederzusehen. Ich dachte sie würde mir dann davon erzählen, was sie alles tut und dass sie daran auch Freude hat, und ich hätte ihr wunderbares goldenes Haar streicheln können, und wenn ich sie umarmt haben würde, auch seinen wunderbaren Duft eingeatmet, und das hätte mir sagen können, dass sie Freude am Leben hat und einer Zukunft entgegen sieht, die ihr und mir in derselben Weise als lohnend vor Augen stehen würde. Es sah alles so gut aus in der letzten Zeit. Sie hatte endlich etwas gefunden, das ihr zusagte, und sie mit Leben erfüllte, das ihr eine Aussicht bot auf eine Zukunft, über der nicht der Schatten eines dunklen Verhängnisses schwebte, und nun ist das alles erloschen und zu Asche geworden.
Der Schmerz über ihren Tod hat mich noch gar nicht erreicht. Ich weiß aber, dass es mich einholen wird und ich weiß, wie grausam und furchtbar das werden wird, zumal ich damit auch dieses Mal wieder allein sein werde, wie immer während meines Lebens, wenn mich der Schmerz einer Trennung traf, die ein endgültiges Ende bedeutete, ganz gleich wie man danach nebeneinander her weiter vegetieren mochte. Die Trennung, die Endgültigkeit, das sind Vorgänge mitten im Leben und es ist nicht immer dieses Ende, das den Tod bedeutet. Denn TOD ist eine Bedeutung, nicht einfach gleichzusetzen mit dem Ende des Lebens eines Organismus. Wie immer haben wir uns so leicht voneinander verabschiedet als ginge es um nichts, dabei geht es jedes Mal um Alles, wenn ein Abschied notwendig ist. Immer habe ich dieselbe Furcht es könnte das letzte Mal gewesen sein, dass man sich sieht und immer denke ich, dass ich nachlässig gewesen sein könnte, gedankenlos beim Abschied, so als sei es gar nicht möglich, dass es niemals mehr ein Wiedersehen geben könnte. Sie hat mich nie angerufen, sich nie darum bemüht sich mit mir in Verbindung zu setzen und einmal zu fragen wie es mir geht. Ich hatte ihre Telefonnummer nicht und niemand hat sich darum bemüht sie mir mitzuteilen, selbst als ich darauf aufmerksam gemacht habe, dass ich sie nicht einmal von mir aus anrufen konnte. Ich kann Dir gar nicht sagen, was das für mich jetzt bedeutet und für immer bedeuten muss. Ich muss es mir redlich verdient haben, dass sie mich nicht für wert hielt sich mir einmal mitzuteilen. Kein Wunder, dass sie mich nicht mitnehmen wollte als sie ging. Deutlicher kann man es wohl nicht sagen, meine ich. Ich konnte sie also nie erreichen.
Als sie fünf Jahre alt war, sagte sie einmal zu mir, dass sie sich wünschte gar nicht zu leben. Das hat mich innerlich gefrieren lassen. Ich meine, dass sich darin schon angekündigt hat was sich nun vollzogen hat. Ich wünsche mir selbst, ich hätte nie existiert. Warum musste mir das alles geschehen? Sicher war ich furchtbar böse und habe es mir verdient. Was soll es schon, was das Gesindel plappert, das sich dafür zuständig fühlt, einen mit dummen Sprüchen zu trösten oder einfach dumpf einzulullen? Das alles kenne ich lange, und es ist Blödsinn, der nichts verändert und nichts bewirkt. Sie war so einmalig, und ich habe sie so geliebt. Ich habe mir etwas anderes für sie gewünscht, nicht alles das, womit sie so zu kämpfen hatte. Woher kam bloß das Monster, das sich in ihrem Kopf eingenistet hatte? Ich konnte nichts tun. Es war ungreifbar und hatte keine Gestalt, es war nicht zu greifen und kein kühner Held war da, der es erfolgreich hätte bekämpfen können, weil es sich in ihrem Kopf verbergen konnte, wo es niemand sehen oder entdecken konnte.
Mir fällt das wunderbare Bild ein, das ich von ihr machen konnte in dem Jahr des Todes von Tante Leni, als wir an der Thülsfelder Talsperre baden gingen. Es war ein so wunderbarer Sommer, so heiß und trocken, mit so viel Badewetter und zugleich so erfüllt von dem schweren süßen und betäubenden Blütenduft des Todes. Rahel war zugleich zu einer wunderbaren Blüte herangewachsen und sie und Leah und Du und Annegret wart mir vor Augen an einem der Nachmittage, an dem wir alles zusammen waren wie nie sonst und danach, und ich habe eine so glühende und intensive Liebe zu Euch allen empfunden, dass ich davon sprachlos wurde, während mir zugleich dunkel bewusst war, dass dies ein Augenblick war, dessen lebensgeschichtliche Einzigartigkeit niemals mehr wieder kehren konnte, weil das Leben weiter gehen würde und es keine Möglichkeit gab, einfach alles anzuhalten und zu sagen: So soll es von jetzt an immer bleiben. Ich weiß, dass ich daran verzweifelte, aber mehr als dies bin ich verzweifelt daran, dass ich es Euch gar nicht mitteilen konnte, dass dies ein einzigartiger Moment war. Ich habe noch ein paar Bilder davon, die mit einer schlechten Kamera gemacht und ganz unscharf, überbelichtet und so sind, dass alles ganz undeutlich ist, aber mehr noch: Es ist gar nicht darauf, was ich dabei empfunden habe, als ich sie machte in der Absicht, etwas festzuhalten, was sich der Abbildbarkeit entzog, so dass ich kaum etwas anders vorzeigen konnte als ein paar unscharfe und unprofessionell gemachte Abbildungen, auf denen kaum etwas zu sehen war. Um so glücklicher war ich dann angesichts des Bildes, das wohl Rahel von sich und Leah gemacht hat, das so wunderbar zur Erscheinung brachte, wie ich sie immer sah, als dieses herrliche leuchtende Wesen mit der goldenen Gloriole.
Jetzt ist diese wunderbare Sonne untergegangen und es wird keinen neuen Tag für sie und durch sie und mit ihr geben. Über meine Seele senkt sich das endlose Dunkel einer arktischen Polarnacht. Ich fürchte mich im Dunkeln. Schon immer hatte ich Angst im Dunkeln. Und das hat nichts damit zu tun ob man das darf oder nicht. Ich werde sie niemals wieder sehen und bin damit unendlich allein, inmitten dieses Universums, das sich um mich nicht kümmert, das keinen Trost für mich hat und keinen Morgen, keine Zukunft und kein Fenster oder eine Tür, durch das man hinaussehen könnte auf eine eine ein Versprechen wispernde, ins Freie lockende Landschaft, oder eine Tür in eine Freiheit, die zu ergreifen sich lohnen würde.
Warum ist sie ohne mich gegangen und ohne sich zu verabschieden? Sie hätte mir noch einmal winken können, wenigstens.
Was immer irgendwer unter ‚Gott’ versteht, es ist niemand, der sich um uns kümmert, Wir sind dazu einfach zu lächerlich. Und es wäre eine Verleumdung, einen Gott dafür verantwortlich zu machen, dass wir sind, weil er uns geschaffen hätte, zumal bei klarem Verstand. Gott ist entschuldigt und freigesprochen von diesem Verbrechen, denn man müsste ihn einen gewissen und verantwortungslosen Verbrecher nennen, falls man ihn tatsächlich als ‚Schöpfer’ dingfest machen könnte. Er ist einzig entschuldigt und freigesprochen – wegen Nichtexistenz! Wir sind auf uns selbst gestellt. Und daran muss ich jedenfalls verzweifeln. Empörend diese parasitischen Sprücheklopfer, die all dieses Unglück und Elend mit ihrem salbungsvollen Gequassel überziehen und sich damit mästen, dass ihnen niemand den Mund verbietet und die Subsidien entzieht, die diesen elenden Unsinn fortzusetzen ermöglicht. Mir klingeln schon die Ohren von dem Gerede, das am Ende das Andenken an meinen Goldenen Engel nur verdunkeln kann.
Es hat mir manchmal eine unaussprechliche Freude bereitet sie zu sehen, obwohl die allseits verbreitete Vorschrift, immer schön cool zu sein, das meistens der Lächerlichkeit preisgab und ich daran verzweifelte, nicht ankommen zu sehen, was ich sagen wollte weil ich es empfand. Diese elenden ständigen Beschmutzungen ihres Daseins durch einen Alltag, der darauf abgestellt ist, ständig den puren Geldwert von Nutztieren festzustellen und zu taxieren, dauernd Bewertungen auszusprechen und Maßstäbe anzulegen, die man dann versucht wird zu übernehmen und zur eigenen Perspektive zu machen, mit dem man selbst am Ende entwertet, was man jenseits ihrer durch die Wirklichkeit erfährt, der man sich gegenüber sieht, einer Person, die man auf eine geradezu magische Weise als Wunder erlebt, in einem geradezu unbegreiflichen Gegensatz zu dem Elend des Alltags der Maßstäbe des Nutzens, dies alles war stets ungemein störend und versuchte sich ständig zwischen meine Wahrnehmung von ihr und sie selbst zu stellen, und das Schlimme ist, dass ich oft den Eindruck hatte, dass sie selbst nicht imstande war sich mit meinen Augen zu sehen, sondern dass diese Taxierungen sie mehr beeinflussten als ich mir jemals hätte wünschen können. Und es hat mir furchtbare Schmerzen bereitet, sie nicht ganz davor bewahren zu können, sie so schutzlos zu sehen und in den Kampf mit diesen Schatten der Bewertung verwickelt zu sehen, bei dem ich ihr so wenig hilfreich beistehen konnte.
Es kam mir deshalb kaum verwunderlich vor, dass sie sich nicht meiner Sicht anschließen konnte, denn wer bin ich schon, die gegen alles dies in Schutz nehmen zu können, zumal angesichts einer Propaganda, die dies ausdrücklich diskreditiert als unangemessenes Verhalten von ‚überbesorgten Eltern’, immer natürlich im Dienst einer Vorschrift, die zu dieser Art des verordneten Kampfes um das Leben von frühen Kindesbeinen an über den Kopf der bloßen Eltern hinweg ausdrücklich verurteilt. Ich erkannte viel zu spät meine wirkliche vollständige Ohnmacht gegenüber dieser allgemeinen Gewalt und als ich sie erkannte, war es zu jeder Vorsichtsmaßnahme zu spät. Sie hätte ja auch nur darin bestehen können, darauf zu verzichten, Kindern das Leben zu ‚schenken’, die nicht gefragt worden waren, ob sie es auch geschenkt haben wollten. Hier, auf diesem Bild versucht sie, dem Monster Angst zu machen, das in ihrem Kopf war. Aber es hat sich nicht einschüchtern lassen. Jetzt hat es gegen und alle gewonnen. Oh wie gern würde ich sie jetzt in den Arm nehmen und mich und sie über unser Schicksal trösten. Aber es geht nicht, nichts geht.
P.S.: Gerade (15:10 Uhr) habe ich einen Anruf von Annegret erhalten, in dem sie mir mitteilt, dass sie terminlich überlastet ist und im Übrigen der Ansicht, dass meine eventuelle Anwesenheit Schwierigkeiten bereiten wird, was zumal angesichts all ihrer Verpflichtungen im Zusammenhang mit Leah’s Tod ihre ohnehin schon sehr hohe Belastung als allein verantwortliche Person mit einem gewissen Monopol auf Rücksichtnahme nur weiter erhöhen müsste, so dass es ihr richtiger erscheint mich von ‚dem ganzen Rest’ auszuschließen. Als Vater eines toten Kindes hört man nichts lieber als dies. Ich habe dem nichts hinzuzusetzen als dass ich Euch allen ein recht frohes Weihnachtsfest und ein glückliches Neues Jahr wünsche und uns allen, die wir füreinander so hilfreich zu sein vermochten, noch viele ähnliche.
Ich habe gern von Euch allen so viel gehört in der zurückliegenden Zeit und vor allem gelegentlich des Todes meiner Tochter Leah erfüllt mich Eure rege bekundete Anteilnahme zutiefst mit dem reichen Trost, den sich ein Vater unter diesen Umständen nur wünschen könnte, und erwarte sicher, dass es weiter so geht, fühle mich vor allem als Vater aufs Ausdrücklichste respektiert und kann mir kaum eine Familie wünschen in der ich mich mehr aufgehoben gefühlt hätte als jemals in dieser, und vor allem in der ich mich durch meine ausdrücklich als das Wünschenswerteste erscheinende Abwesenheit auf eine derartig unvergessliche Art und Weise habe nützlich machen können, indem ich darauf wert lege, dass es eine Zustimmung Eurerseits dazu geben sollte, wie ich mich angesichts schwieriger Lagen am besten verhalte. Ich hoffe Euren Wünschen derart entgegengekommen zu sein, dass sich die Schwierigkeiten, mit denen alle zu kämpfen haben, für Euch auf das wünschenswerte Minimum reduzieren ließen und verbleibe, wie es unter diesen Umständen nicht anders sein kann angesichts einer Welt von mit Entgegenkommen zu behandelnden Wünschen natürlich, wie kann es auch anders sein:
Mit den besten Wünschen
Vielleicht, nein: sicher war auch meine Tochter Leah, die nur achtzehn Jahre und circa vier Monate alt wurde, nur einer meiner verzweifelten Träume von Sehnsucht, liebevollem Umgang und einem lebenswerten Leben in Gemeinschaft mit Menschen, die sich im Geist dieser Liebe miteinander vereint wissen. Ich werde nicht ruhen sie zu lieben wie ich sie immer geliebt habe und das wird erst mit mir selbst vergehen. Ich wünsche mir nur, dass das nicht mehr so lange dauert. Gut wäre es wenn es mich einfach umbrächte. Das entspricht am meisten dem, was ich fühle und ich weiß, dass dieses Gefühl mich kaum mehr verlassen wird. Es ist das Furchtbarste, das sich überhaupt denken ließ für mich und ich habe immer gezittert dass es mich nicht verschonen würde, angesichts der Erinnerungen einer Mutter, die mir diese Gefühle mitteilte als ich drei Jahre alt war, ohne sie erkennbar selbst jemals zu haben (wie sie meinen mag). Auf eine bestimmte Weise tritt nur das Grauen aus dem Alptraum des im Gedächtnis niemals Vergangenen, das mich immer begleitet hat, in die Wirklichkeit einer nun unabweisbar von ihm erfüllten Zukunft über.
Ghfkjh Pfft!
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Liebe Sarah, Donnerstag, 26. Februar 2009
Heute Morgen habe ich mit Annegret telefoniert, und dabei hat sie mir erzählt, dass Du noch auf eine Beantwortung Deines letzten Briefs an mich wartest. Den hatte ich ja Anfang Januar erhalten, und es ist mir im grauenhaften Wirrwar meiner Gefühle angesichts von Leah’s Tod zunächst nicht gelungen, eine Vorstellung davon festzuhalten, wie ich Dir schreiben kann. In der Zwischenzeit habe ich Dich dann auch nicht mehr telefonisch erreicht und die allgemeinen Nachrichten waren so ungünstig für mich, dass ich ratlos gewesen bin darüber, ob Du überhaupt noch eine Antwort erwartest.
Es hat mich deswegen wirklich sehr gefreut zu hören, dass Du eine Beantwortung Deines letzten Briefs durch mich erwartest, und ich konnte mir dann auch sofort vornehmen, die Beantwortung zu beginnen. Ich wüsste auch tatsächlich nicht, was ich im Moment lieber täte. Unsere zunächst verabredete Begegnung hat sich ja nun nicht realisieren lassen. Das hat mich sehr traurig gemacht und ich habe mich sehr einsam gefühlt, weil ich Dich auch so sehr vermisst habe. Außerdem hätte ich gern auch gewusst, wie es Dir geht. Und auch wenn ich vielleicht bloß an meine eigenen Gefühle denken muss, um in gewisser Weise zu wissen, was Du dazu sagen könntest, ist es doch ein Unterschied das dann auch wirklich von Dir zu hören, weil Du etwas darauf antwortest. Alles kann man sich doch eben nicht selbst denken, sonst bräuchte man sich ja um niemanden mehr zu kümmern.
Ich denke immer an Leah. Manchmal versuche ich an etwas anderes zu denken, aber weil ich sehr viel allein bin, und ich mich nur wenig ablenken kann, steht sie mir immer wieder ganz plötzlich vor Augen. Einmal gehen wir durch den Garten, spielen mit Cora und Dir vor der Küchentür, oder ich bin mit ihr auf einem der weiten Spaziergänge, die ich mir ihr einige Male in der Umgebung gemacht habe. Dann habe ich wieder etwas vor Augen, was im Haus stattgefunden hat, wenn sie mir, wie sie das gern tat, in den Bauch boxte, um ihre Kraft auszuprobieren. Der einzigartige Sommer und verzauberte Sommer, währenddessen wir so viel Zeit an der Thülsfelder Talsperre verbracht haben, der mich mit einer tiefen traurigen Sehnsucht erfüllt hat, die ich gar nicht richtig verstand, und die mich zutiefst beunruhigte, als ich erkannte, wie schön ihr alle seid, und wir diese wunderbaren Bilder gemacht haben, und dass diese Zeit vergehen würde.
Der letzte Abschied bei einem Aufenthalt in W. im Spätsommer des vergangenen Jahres berührt mich besonders, weil er so leicht erschien und sie so fröhlich war, als sie sich auf den Weg nach Kassel gemacht hat, wo ich meine, dass sie so glücklich gewesen sein dürfte angesichts der neuen, für sie so positiven Entwicklung, auch wenn sie sicher Heimweh nach ihrem Paradies mit Garten hatte, das für sie immer in W. bei ihrer Mama war, und von dem sie gesagt hat, dass sie schon dort ist. Sie wird für immer mein goldenes Sternchen sein.
Lange habe ich gar nicht gewusst, wie ich jetzt mit Dir sprechen soll, denn einfach fröhliche Beteuerungen auszutauschen ist natürlich so nicht denkbar. Es wäre einfach nicht wahr. Andererseits wusste ich gar nicht, und weiß das auch jetzt noch nicht wirklich, wie ich damit zurechtkommen soll, dass ich, zu meiner eigenen Verwunderung eigentlich, einfach weiterlebe, und sich ein weiterer Tag an den anderen reiht. Natürlich ist das nicht anders zu erwarten, aber ich muss doch erst eine Einstellung dazu finden, und das fällt mir nicht leicht, zumal ich nicht recht weiß, was ich nun sagen kann, so dass ich mich nicht am Ende selbst nicht mehr mögen kann.
Die Benutzung der ‚Schreibmaschine’ – wegen der leichteren Lesbarkeit, also weil ich der Entzifferbarkeit meiner Handschrift doch nicht so recht traue, und obwohl Du immer sagst, das sei kein Problem – erscheint mir schon eine ganz ungeeignete Ablenkung, fast wie eine Untreue gegenüber Leah. Aber das geht mir fast bei allem, was ich tue so, als sei es eine Untreue ihr gegenüber, überhaupt noch weiter zu leben. Natürlich ist das nicht angemessen. Es ist einfach eine Folge des Umstandes, dass ich nach ihrem Tod weiterlebe und nicht einfach beschließen kann, nun nicht weiterzuleben, weil Leah nun nicht mehr lebt.
Ich bin sicher, dass Du auch sehr oft an sie denkst, denn das kann man sich nicht einfach aussuchen, wenn man seinen Gedanken überlassen ist. Sie kommt einfach wann sie will und erscheint dem inneren Bewusstsein. Ich denke gern an sie, auch wenn es noch immer, und vielleicht immer wieder, sehr weh tut, weil ich sie umarmen möchte, an ihrem Leben teilhaben, mit ihr lachen oder einfach zusammen sein. Es tut sehr weh zu wissen, dass das nun niemals mehr so sein kann.
Ich stelle mir vor, wie Du mit Deinen Erinnerungen an Leah jetzt zurechtzukommen versuchst. Nach dem Tod meines Bruders Hans Joachim (und meines Vaters) hat niemand darüber gesprochen. Er war einfach eines Tages verschwunden und es war, als hätte ich nur geträumt von seinem Dasein, so dass ich nicht sicher war, ob er überhaupt jemals existiert hat. Sehr viel später wurde dann darüber in einem Ton geredet, als hätte das niemanden wirklich betroffen. Alle waren mit etwas anderem beschäftigt und es war als zuckten sie die Achseln, weil es Wichtigeres gab als sich damit zu beschäftigen, zumal es nun schon länger zurück lag. Das hat etwas Unwirkliches über mein Leben gebreitet.
Es war als sei etwas Ungreifbares zugleich da und nicht da und bestimmte mein Leben mit ohne dass ich wusste, was es war, weil ich zu dem Zeitpunkt des Todes meines Bruders ja erst etwa drei Jahre alt war. Und da ich zwischendurch kriegsbedingt in einem Kinderheim untergebracht war, ist mein Verhältnis zur Zeit ganz durcheinander geraten und vieles ist einer unguten Vergessenheit verfallen, so dass es mir über Jahrzehnte nicht recht gelungen ist, diesen frühen Abschnitt meines Lebens bzw. die ihn betreffenden Ereignisse überhaupt zeitlich richtig anzuordnen.
Dazu war meine Mutter darüber nicht wirklich anzusprechen und hat mir im besten Fall gelegentlich zeitlich nicht richtig zuzuordnende Splitter angeboten, wie sie ihr halt so oder so einmal oder ein anderes Mal einfielen. Und Nachfragen behandelte sie bestenfalls nachlässig und eher unwillig, und wenn sie etwas darüber erzählte, dann war das so, als hätte es sie selbst gar nicht betroffen. Deshalb passten meine Gefühle von Angst und Traurigkeit, die ich empfunden habe während sie das erzählte, überhaupt nicht zu dem was sie dabei zu empfinden schien, so etwa, als sei das halt einmal so passiert und nicht zu ändern und eigentlich nicht mehr wichtig.
Ich verstand damals und später noch lange nicht, dass ‚Erwachsene’ oft meinen, sich diese Gefühle nicht erlauben zu dürfen, weil das Andere stört, aber das Verhalten meiner Mutter hatte sicher auch seinen Grund darin, dass mein Bruder zu einem Zeitpunkt mitten in einem Krieg als ein Kind gestorben ist, während dessen einundvierzig Millionen Menschen auf die eine oder andere Art infolge gewalttätiger Einwirkung um ihr Leben kamen. Sein Tod war eine nebensächliche Episode in einem Meer von Blut und Gewalt und selbst keine unmittelbare Folge von Gewalt, sondern mit Sicherheit – er starb an einer ansonsten in meiner Familie nicht vorkommenden ‚Leukämie’ – an den Folgen der von den Röntgengeräten in der Praxis meines Vaters, die damals noch viel gefährlichere Strahlenkanonen waren als sie es heute sind, freigesetzten Strahlung, denn die Praxis befand sich in den an die Wohnung anschließenden Räumen, wie das heute auch in Arztpraxen üblich ist. Auch mein Vater starb vermutlich an dieser damals noch unzureichend bekannten Verstrahlungsfolge.
Und auch er ‚verschwand’ einfach auf eine unbegreifliche Weise und erst viel später wurde dann über ihn gesprochen auf eine Weise, die mich sehr verstört hat. Da wir damals – für uns als Kinder war das nur greifbar anhand der ‚Nervosität’ meiner Mutter – mehr oder weniger vom Verhungern bedroht waren, ging es für meine Mutter um Anderes als darum sich damit noch weiter zu beschäftigen. Sie versuchte auch nur am Leben zu bleiben und uns am Leben zu halten, und dabei hatte sie wenig Hilfe, denn sehr viele Menschen hatten dasselbe Problem, und derart kümmerten sich alle nur um sich selbst, und was von Außen kam war nicht hilfreich, sondern eher auf eine undurchsichtige und unklare Weise gefährlich.
Aber das führt dann in ein ganz anderes Terrain, Ich sage das nur, um Dir einen Eindruck davon zu geben, was mir damals geschehen ist, und dass ich alles dies nie wirklich ‚verstanden’ habe, so dass ich wirklich fühlen könnte, was diese Erwachsenen damals für einen Eindruck auf mich gemacht haben, ohne dass es jemanden gegeben hätte, der das hätte erklären können oder sich auch nur die Mühe gemacht hätte, einem Kind etwas zu erklären.
Damals glaubten ‚Erwachsene’ meistens noch mehr als heute, dass Kinder nicht ernst genommen werden müssen. So habe ich den eigenartigen Schatten über meinem Leben nie richtig erkannt, und auch nicht wie er eigentlich entstanden ist. Erst jetzt sehe ich das etwas besser. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass euch nicht Ähnliches auf eine solche Weise unklar bleibt wie das bei mir der Fall war. Denn das Schlimmste ist, wenn man das gar nicht recht versteht und es einfach nicht bewusst werden kann, aber allgegenwärtig ist und alles beeinflusst.
Ich glaube, dass ich erst jetzt richtig erkenne, dass alles dies einen immerwährenden Schatten über mein ganzes Leben geworfen hat, nicht weil dies alles geschehen ist, sondern weil mir niemand half dabei, das zu verstehen. Ich möchte auf keinen Fall, dass Dir das auch widerfährt, und sei es auch nur aus Versehen, Nachlässigkeit oder Achtlosigkeit, oder weil wir Dich nicht ernst nähmen. Ich weiß auf meine Weise was es bedeuten kann, ein geliebtes Geschwister auf diese Weise zu verlieren und bin nicht nur meinetwegen darüber sehr traurig, sondern auch weil ich weiß, dass Du auch sehr traurig bist und es lange brauchen wird, bis wir alle gelernt haben, mit dem Unabänderlichen dennoch weiterzuleben. Ich muss immer wieder ganz plötzlich weinen, weil mir etwas einfällt, dass mich derart traurig macht, dass ich meine ich vergehe an dem Schmerz darüber, Leah verloren zu haben.
Und wenn ich verzweifelt darüber nachdenke, dass ich Dir vielleicht etwas anderes sagen sollte als dies, dann fällt mir nichts wirklich bedeutendes ein, und das bringt mich Dir gegenüber auch in Verlegenheit, denn ich will Dich ja nicht am Ende noch trauriger machen als Du sicher ohnehin schon bist. Leah ist nun einmal auf diese Weise so allgegenwärtig wie sie sonst nicht gewesen ist, aber ich meine, dass sie es dann nicht verdient hat, dass ich mich von ihr abwende, indem ich angestrengt versuche sie zu vergessen um mich ‚besser zu fühlen’ oder ein lustigerer Gesprächspartner zu sein. Ich muss einfach an sie denken, um nicht das Gefühl zu haben, dass sie vergessen wird unter so vielen Menschen, deren Zahl sich schon den sieben Milliarden nähert (es sind genauer etwa zurzeit 6,7 Milliarden, und die Zahl wächst unaufhaltsam, noch immer, und es wird bedenklicher, wenn sich diese Tendenz umkehren wird, denn das heißt, dass die Lebensbedingungen allgemein schlechter geworden sein müssen), während nur wenige von ihnen sich wirklich gegenseitig so kennen, dass sie etwas füreinander bedeuten, und dazu gehört für mich eben Leah, und außer Euch kaum andere, jedenfalls nicht in derselben einzigartigen Weise. Niemand kann wirklich mehr als ein paar wenige Menschen wirklich lieben in der Weise, wie man eben nur seine ‚Lieben’ lieben kann. Das muss ja nicht heißen, dass einem die anderen schnuppe sind. Sie sind nur weiter weg und bedeuten nicht dasselbe.
Ich fürchte sehr, dass meine Gewohnheit mich auszudrücken, angesichts der langen ‚wissenschaftlichen’ Beschäftigung, so ‚unterkühlt’ erscheinen kann, dass es mir nicht wirklich gelingt, Dich mit dem was ich sage zu berühren, so dass Du fühlen kannst, wie sehr ich Dich liebe. Aber es wird mir angesichts dessen, was geschehen ist auch noch mehr bewusst, dass es ganz falsch ist, einfach so zu tun, als verstünde sich dies so sehr von selbst, dass es nicht mehr lohnen würde es auch noch, oder noch einmal zu sagen, so als sei schon der Umstand, dass man es zweimal sagt, als bloße Wiederholung von etwas längst Bekanntem sogar langweilig, weil man das ja nun schon weiß bzw. gesagt hat.
Am klarsten kann ich eine genaue Übereinstimmung meiner lebendigen Gefühle mit dem Ausdruck in bestimmten textlosen Klaviermusiken erfahren. Fast alles andere kommt mir immer schon fast wie ein Krampf vor, ein mehr oder weniger vergeblicher Kampf mit einer abgenutzten Sprache. Deshalb höre ich Dir immer so gern zu, wenn Du Klavier spielst. Und ich würde mich sehr freuen, wenn Du es Dir noch weiter eroberst, für Dich und Dein eigenes Leben, als eines, vielleicht des einzigen so fähigen Ausdrucksmittels und Instruments, mit dem Du auch denen, die Du selbst liebst, Dich mitteilen kannst. Ich kann da ja tatsächlich wenig, aber schon die wenigen, ganz einfachen Volkslieder, mit denen uns ein kluger, und von der reichlich barbarischen Schulklasse wenig geschätzter und sogar lächerlich gemachter Musiklehrer bekannt machte, sind, wenn ich sie auf dem Klavier spiele, einfach nur die Melodie mit ein paar Bassnoten, sind für mich sehr erlösend. Und ich wünschte man hätte mich mehr davon lernen lassen, das Klavier zu spielen, und muss nun versuchen mir selbst etwas anzueignen, soweit ich den Mut dazu habe.
Manchmal aber passt sogar der Text eines der Lieder sehr gut zu dem was ich fühle oder lässt es mich eigentlich erst empfinden, besonders der der Kinderlieder, die ich auch immer einmal für euch gesungen habe zur Gitarre, so gut ich das eben kann. Eigentlich passen alle meine wirklich wichtigen Empfindungen und Gefühle in eines dieser ‚Kinderliedchen’. Und dort, oder in einem Märchen, sind sie alle am besten aufgehoben. Der Rest ist, damit ich auch Eindruck machen kann, taugt aber sonst zu wenig wirklich Wichtigem in meinem Leben. Und wie lange habe ich gebraucht um darauf zu kommen, dass das so ist, und dass es wirklich und wahr ist, und dass es mehr nicht braucht oder gibt.
Ich bin dann wohl manchmal traurig, aber ich fühle mich mit mir selbst in Übereinstimmung und weiß dann am genauesten wer ich wirklich bin, ohne das mit dem Gefühl verbinden zu müssen, es gegen jemanden durchsetzen oder durchhalten oder verteidigen zu müssen, einfach indem ich für einen Moment ganz genau weiß und fühle und es ist dasselbe. Es ist also nicht so, dass ich ‚weiß, was ich fühle’, sondern ich weiß, ich bin, ich fühle und alles ist eins und auch eins mit meiner Liebe zu Euch allen, mit deren Mitteilung ich so oft auf eine so schlimme Weise gescheitert bin, mit ganz ungewünschten Folgen, angesichts deren ich ganz fassungslos bin, denn ich kann kaum so tun als hätte ich gar nichts damit zu tun. Ich fände es katastrophal, wenn alles bliebe bei den derzeitigen Ergebnissen, aber ich weiß auch, wie schwer es sein kann, die eingefahrenen Spuren wirklich zu verlassen und nicht aufgrund von unleugbaren Erfahrungen auch immer wieder auf dieselbe Weise zu reagieren, also von der Vergangenheit eingeholt zu werden.
Im Moment bin ich nicht sicher, was von dem, was ich Dir so schreibe Dir wirklich etwas sagt, in dem Du etwas von Dir wieder erkennen kannst, oder mich. Ich versuche eben mich erst wieder heranzutasten, weil ich im Chaos der Katastrophe die Orientierung und vielleicht auch die Fähigkeit zur Wahrnehmung meiner engeren Umgebung verloren habe, und das gilt vor allem natürlich für euch und für Dich, weil wir uns ja auch lange nicht mehr unterhalten haben.
Es gibt keine Flucht vor dem Schmerz über Leahs Tod. Ich möchte gerne flüchten, mich verstecken, ausweichen, entkommen, so wie man einem physischen Schmerz auszuweichen versuchen würde, aber es geht nichts. Er kommt von Innen, aus der Erinnerung, und geht überall hin mit. Außerdem müsste man ja alles vergessen, um ihm auszuweichen, und ich will Leah ja nicht, niemals vergessen. Dazu habe ich sie viel zu lieb. Ich wollte ohne wenigstens die Erinnerung an sie zu haben, und insofern auch Leah selbst, nicht weiter leben. Andererseits lebe ich ja weiter, und Du ja auch, und dass ihr da seid tröstet mich sehr, und ich vermisse euch jetzt umso mehr als Leah nicht mehr da ist.
Vorgestern wanderte ich beinahe den ganzen Nachmittag ziellos durch die Stadt. Überall war Leah. In einem Geschäft war es der Geruch, mit dem die Luft aromatisiert ist, die mich an meine Verzweiflung während des Januars innerlich zerrissen hat. In einem Schaufenster sah ich eine Uhr, bei der ich immer überlegt hatte, ob sie nicht Leah gefallen könnte. In einem anderen Laden waren es Mal und Zeichensachen, die mich an sie erinnerten, oder große Kerzen wie eine von denen, die ich zu ihrer Erinnerung am Fenster aufgestellt habe und abends entzünde, neben einem Bild von Leah und einer roten Rose von ihrem Grab, sowie einer weißen von der Trauerfeier in Kassel. Beide Blüten sind mehr oder weniger vertrocknet, aber die weiße, die Rebecca mir gab in Kassel ist nicht vollständig verblüht und hat drei Wochen lang gehalten und ist noch immer schön. An einer Druckerei ging ich vorbei und überlegte ob ich nicht ein Bild von ihr ausdrucken lassen könnte. Überall begegnet mir Leah und überall begegne ich meiner Trauer um sie und meiner Verzweiflung über ihren Tod. Immer ist sie da und ich wende mich nicht von ihr ab, sondern beschäftige mich mit ihr.
Ich weiß nicht, welche Beziehung Du zu Gedichten hast. Mir sagt nicht alles in gleicher Weise etwas, aber Josef von Eichendorff hat mir immer viel gesagt, weil er so bescheiden ist und nicht auf ‚Dichter’ macht. Jedenfalls ist es eine sehr alte Übung, Gefühle in Gedichte zu fassen, also in die Form der Lyrik zu bringen. Ich habe nach einem Beispiel gesucht. Ich schreibe es für Dich auf:
Im Herbst.
Der Wald wird falb, die Blätter fallen,
Wie öd’ und still der Raum!
Die Bächlein nur geh’n durch die Buchenhallen
Lindrauschend wie im Traum,
Und Abendglocken schallen
Fern von des Waldes Saum.
Was wollt ihr mich so wild verlocken
In dieser Einsamkeit?
Wie in der Heimat klingen diese Glocken
Aus stiller Kinderzeit –
Ich wende mich erschrocken,
Ach, was mich liebt, ist weit!
So brecht hervor nur, alte Lieder.
Und brecht das Herz mir ab!
Noch einmal grüß’ ich aus der Ferne wieder
Was ich nur Liebes hab’,
Mich aber zieht es nieder
Vor Wehmut wie in’s Grab.
Es gibt viele dieser Gedichte von ihm, die mit dieser Art von Trauer zu tun haben und dafür sanfte Bilder haben, die sie der umgebenden Natur entnehmen. Ich kann vieles sagen über die verwendeten Metaphern (Bilder) sagen, die hier eingesetzt werden um Gefühle auszudrücken, aber das kannst Du ja auch selbst sehen: Herbst, Blätter fallen, alles wird kahl, die Vögel singen nicht mehr, alles stirbt ab, alles erscheint vereinsamt, das Leben zieht sich zurück, das Rauschen der Bäche, die Abendglocken von fern erinnern an längst vergangene Kinderzeiten und die rufen die Erinnerungen zurück, die damit verbunden sind.
Auf einmal sind die Liebsten alle so weit und unerreichbar geworden, und die Sehnsucht nach ihnen erfüllt das Herz mit einem großen Schmerz. So ist meine Erinnerung an Leah nun und immer wieder breche ich ganz plötzlich in Tränen aus. Wenn ich versuche es zu vermeiden indem ich mich angestrengt abzulenken versuche, dann überfällt mich mit Sicherheit eine immer schlimmer werdende Angst und endlich fühle ich mich davon bedroht ins Leere zu fallen, als täte sich unter mir ein gähnender Abgrund auf wie am Anfang der Erschaffung der Welt, und ich müsste in ihn auf Nimmerwiedersehen darin untergehen. Daran kann ich jetzt auch sehen, dass ich Angst, Panik und Trauer offensichtlich gar nicht richtig unterscheiden kann. Das fließt alles zu einer sehr drohenden Wolke über mir zusammen, und so bin ich mit einer schwarzen Wolke über mir und einem noch schwärzeren Abgrund unter mir in meinem Unglück eingeschlossen.
Aber die Gedichte fangen das etwas auf. Immerhin. (Ich hoffe sie sind Dir nicht völlig fremd, vergleichen mit den Texten der englischen Popmusik, mit denen sie doch viel gemeinsam haben, wenn man genauer hinsieht, auch mit den Liedern, die Leah geliebt hat.) Und trotz allem wird es ja Frühling werden, und ich weiß noch nicht wie das sein wird, denn es wird anders sein als in den vergangenen Jahren. Aber irgendwie weiß ich auch schon, dass es so sein wird wie der Frühling nach dem Tod meines Bruders und meines Vaters, als meine Mutter mich in Begleitung ihres neuen Freundes vor Ostern aus dem Kinderheim abgeholt hat, als ich nichts mehr dieser Art erwartete, denn sie war ebenso wie meine Schwestern verschwunden und nichts deutete darauf hin, dass ich irgend jemanden von allen jemals wieder sehen würde, weil man das als Kind in diesem Alter nicht wissen kann. Aber was das betrifft ist nicht alles gleich, denn Annegret hat mir am Telefon gesagt, dass ich euch im März eine Woche lang sehen kann. Darauf freue ich mich deshalb auch schon. An Ostern werde ich aber wohl wieder allein sein, und ich muss dann sehen, ob es etwas gibt, das über die bloße Wiederholung des alten Schreckens hinausgeht, der sich zur endlosen Strecke eines von ihm unterschwellig beherrschten Lebens gedehnt hat.
Das Wirtshaus
Wilhelm Müller
Auf einen Totenacker hat mich mein Weg gebracht;
Allhier will ich einkehren, hab' ich bei mir gedacht.
Ihr grünen Totenkränze könnt wohl die Zeichen sein,
Die müde Wand'rer laden ins kühle Wirtshaus ein.
Sind denn in diesem Hause die Kammern all' besetzt?
Bin matt zum Niedersinken, bin tödlich schwer verletzt.
O unbarmherz'ge Schenke, doch weisest du mich ab?
Nun weiter denn, nur weiter, mein treuer Wanderstab! ________________________________________________________________________________
Siebenundfünfzigster Traum:
Freitag, 27. Februar 2009
Heute Morgen bin ich aufgewacht mit dem Text eines englischen Liedes, das mir durch den Sinn ging:
„Something in the way she moves attracts me like no other lover,
Something in the way she moves me. I don’t want to leave her now…”. Damit bricht meine Erinnerung an den Text ab und nur die Melodielinie ist noch in meinem Gedächtnis. Es ist so eine Art Fertigprodukt, an dem sich die nicht bewussten Empfindungen festmachen um bewusst werden zu können. Natürlich ist der Fertigtext nicht genau. Natürlich bin ich es, der nicht verlassen werden will, aber das ist, als Trennung, der Trennung von Leah, ja dasselbe. Es kommt nicht darauf an, wer sozusagen am Ort stehen bleibt und wer geht, wenn es um Trennung geht, und der Schmerz ist derselbe, sogar dann, wenn man es selbst ‚will’. Auf den Willen kommt es nicht an. Er entspringt vielleicht nur einer Notwendigkeit und ist eine Selbsttäuschung, die das Unabänderliche akzeptabler machen soll. Denn es ist eines, etwas zu wollen oder zu tun, und ein anderes, was man dabei empfindet, wenn es zu einer Trennung kommt, die sich als unvermeidlich erweist, an der niemand etwas ändern kann.
Etwas, das zu einem gehörte und mit dem man eins ist, wird durch die Trennung auseinander gerissen. Deshalb macht das Unbewusste das schon richtig mit seinem Hinweis. Denn der Grund des Bewusstseins ist das Unbewusste, durch das unser Leib – das ist mehr als nur ein Körper oder der Organismus oder ‚das Nervensystem’ – sich mit dem Bewusstsein mitteilen kann.
Und auch alles andere an der Heraufrufung dieses Textes ist ganz richtig: Es ist die Art, wie ein geliebtes Wesen sich bewegt, eine Geste, eine Art zu lachen oder einen anzusehen, eine Art zu antworten, an der die Liebe sich festhält, an die sie anknüpft um die Erinnerung an ein geliebtes Wesen festzuhalten. Es kann auch ein Parfüm sein. Das Band, an dem Leah das Hexagramm trug, duftet noch ein wenig nach ihrer Haut, dem Duschmittel oder dem Parfüm, das sie gebrauchte. Das hat mich sehr berührt, auch weil er so flüchtig ist und bald vergeht. Jedes Mal, wenn eine Melodie ausklingt, überwältigt mich der Schmerz, wenn ich dem Verklingen des letzten Tones lausche. Und oft muss ich dann einfach weinen, weil die Lebensmelodie von Leah nun leise verklingt. Und ich lausche ihr nach, so lange ich sie noch hören kann. Und dann versuche ich sie mir in Erinnerung zu rufen um sie dort zu bewahren.
Diese Erinnerung hat etwas sehr Zartes, das sich anfühlt wie weicher, dunkler Samt, und Leah’s Lachen ist darauf wie ein blitzender Lichtreflex, der sich an einer Unebenheit, einer Welle des Stoffes bildet und mich anstrahlt. Wie gerne würde ich danach die Hand ausstrecken um sie zu berühren, mich zu vergewissern, dass sie da ist, das in der Mitte, das kaum begonnene Gespräch mit ihr fortsetzen, um immer nichts anderes mitzuteilen als wie sehr ich sie liebe und wie viel sie mir bedeutet.
Es ist merkwürdig, dass ich das in einem englischen Text träume. Aber diese Lieder prägen sich eben ein. Es ist aus einer Zeit, als ich wenig älter war als Leah und schon große Sehnsucht hatte nach einer Gefährtin, und nachdem sich meine Schwestern nach Amerika verabschiedet hatten und ich nichts mehr von ihnen hörte. Sie verschwanden einfach in einem unbekannten Kontinent unter zweihundert Millionen unbekannter Menschen, von denen ich nur kannte, was sich seit meiner eigenen Kinderzeit von ihnen um mich herum zeigte und einfach anwesend war, so als sei das ganz selbstverständlich.
Zu dem Zeitpunkt war längst verblasst was ich aus einer früheren Zeit im Gedächtnis hatte und was erst jetzt wiederkehrt um mich an etwas zu erinnern, das mich immer sehr bestimmt hat, obwohl ich es meist nicht wusste. Da ist ein altes Dorf, das sich an einen Hügel anlehnt, die Felder im Frühjahr und im Sommer, dann im herbstlichen Wind, die Laubwälder mit ihren weiten Wiesenbuchten, die wie grüne Seen aussehen, auf die ich hinaussegeln möchte in einem kleinen Boot nach unbekannten, verheißungsvoll am Horizont sich abzeichnenden gegenüberliegenden Waldesufern.
Über den Wipfeln ein Kirchturm, und am Nachmittag das Läuten der Abendglocken, das über dem Land hängt wie eine luftige wärmende Decke, wie der Duft nach gemähten Wiesen und frischem Heu, von denen in der Dämmerung des Abends noch die bei Tage aufgenommene Wärme der nun untergegangenen Sonne abstrahlt, während am Himmel im Westen noch die Abenddämmerung heraufleuchtet und über mir schon die ersten Sterne zu sehen sind und mir, während immer mehr von ihren Brüdern und Schwestern sich zu ihnen gesellen, auf eine Weise zublinzeln, die mir sagt: Hier bist Du zu Hause, Du bist zu Hause und alles ist jetzt gut.
Hier sind alle, die Du liebst und alle die Dich lieben, die Nachbarn sind freundlich, Du kennst sie alle schon lange, Du bist mit ihnen aufgewachsen und sie sind Deine Freunde, sie freuen sich, wenn ihr euch wieder seht und begrüßen Dich freundlich, während immer der Klang der Glocken über dem Land liegt, und in der Nacht über das mondbeschienene Land die Hof und Hirtenhunde sich gegenseitig zurufen, dass sie da sind und sich ein wenig unterhalten, die Tannen schweigend ihre weiten Arme ausbreiten als wollten sie den Mond ergreifen, der hinter ihren gezackten schwarzen, gegen den Himmel sich abzeichnenden scherenschnittartig aus der Nacht ausgeschnittenen Silhouetten langsam vorbeiwandert, während ihn eine vor seinem alten, sehr weisen und milde von hoch oben herab blickenden leuchtenden Antlitz vorbeiwandernde kleine Wolke an der Nase kitzelt und er sich das gutmütig gefallen lässt und sogar etwas, wenn auch sehr versteckt dabei lächelt.
Und während sich dieses verzauberte Paradies, in dem natürlich Deine Kaninchen und Cora nicht fehlen können, das diese Welt immer für mich gewesen ist – nur die Mücken und die Zecken stören, aber das ist gedacht zur Erinnerung daran worum es geht - so dass ich aus dem Staunen eigentlich nie wirklich herausgekommen bin, sich um mich ausbreitet, fällt mir wieder eines der Gedichte ein, die mich immer darin bestätigt haben, dass dies alles, so wie ich es wahrnehme und erkenne, auch ganz wirklich ist und auch richtig wahrgenommen, ganz gleich was andere dazu sagen. Nur dass ich lange nicht mehr den Mut hatte, das auch zu sagen und mich nicht irre machen zu lassen, während es immer, heimlich, das war woran ich festhielt, weil es in Wirklichkeit anders niemals ist und niemals war oder sein kann.
Und während ich langsam schläfrig werde und mir die Augen zufallen wollen, geht es mir noch durch den Kopf und erinnert mich wieder an Leah und daran, dass sie auch meinte, dass sie in das Paradies nicht noch kommen könne, weil sie schon darin ist. Und dass das nun auch nicht ganz anders ist als zuvor, sondern nur anders. Es ist ein Gutenachtgedicht:
Gute Nacht
Die Höh’n und Wälder schon steigen
Immer tiefer in’s Abendgold,
Ein Vöglein frägt in den Zweigen:
Ob es Liebchen grüßen sollt?
O Vöglein, du hast dich betrogen,
Sie wohnet nicht mehr im Tal,
Schwing’ auf dich zum Himmelsbogen,
Grüß’ sie droben zum Letztenmal!
Es ist eine goldene Welt am Abend, mit Höhen (und Tiefen) und Wäldern, in denen ich mich geborgen fühlen kann, und wenigstens ein Vöglein ist noch zu hören und es redet mit mir, so wie immer alles mit mir geredet hat und ich immer alles verstanden habe, auch wenn ich, weil das angeblich ‚erwachsen’ ist, versucht habe nicht mehr zuzuhören oder so tat als verstünde ich nicht, alles Dinge, die ich inzwischen zutiefst bedauere und niemals wieder tun werde, denn ich höre jetzt hin und verstehe alles und bin damit in Wirklichkeit sehr glücklich, oder jedenfalls auf keine andere Weise glücklich sein kann.
Hätte ich nur immer zugehört und mich nicht so verschlossen. Es hat meine Verzweiflung nur vermehrt, die mich taub und blind hat werden lassen. Und es trifft mich zutiefst, wenn ich daran denke, dass Liebchen nun deshalb nicht mehr im Tal wohnt, weil ich taub und blind war, versunken in einem langen und schweren Traum, aus dem ich nicht zu erwachen vermochte bevor meine Liebe aus dem Tal verschwand.
Ich habe diesen Mond, diese Tannen und diesen Abend- und Nachthimmel, diese kleine Wolke über diesem Jahrhunderte alten Haus bei der Kirche unmittelbar bei dem Kirchhof oft im Garten in Werlte wirklich gesehen und es ist unauslöschlich in meine Erinnerung übergegangen, als ich erkannte, dass diese Erinnerung viel älter war als die Wirklichkeit des Anblicks, bei dem mir bewusst wurde, woran er mich erinnerte. Aber ich konnte nie darüber sprechen, ich war einfach sprachlos, trotz dem vielen Gerede. Ich fürchtete mich einfach, es zu sagen, weil ich Angst davor hatte, mich ausgelacht zu sehen oder bespöttelt. Aber es tat sehr weh damit allein zu sein, so als wäre ich der letzte Mensch auf dieser Welt, vielleicht der letzte deutsche Mensch. Aber das was ich sah, ist in Wahrheit auch sehr viel älter als die Sprache, mit der ich hauptsächlich aufgewachsen bin.
Ich habe nur sehr lange gebraucht bis ich mir sicher sein konnte, dass die Welt, so wie ich sie wahrnehme tatsächlich ganz alt ist und immer dieselbe solange es Menschen gibt. Schade, dass ich mir so lange so wenig sicher war. Das muss sehr irritierend gewesen sein auch für Dich und ich hoffe ich kann es noch gut machen. Manchmal haben wir ja davon gesprochen, aber ich war mir eben nicht ganz sicher.
Jetzt schäme ich mich nicht länger: Kühe sind kluge und freundliche Gefährten, ohne die wir nicht wären, was wir sind, und dasselbe gilt für das Pferd und den Hund und die Schafe, und natürlich für Kaninchen. Mit einem Pferd würde ich mich jetzt sehr gerne beschäftigen, wo ich so viel mehr Zeit habe als vorher und nicht mehr verfolgt werde, so dass ich mich langsam beruhigen und erholen kann.
Es sollte ein Haflinger sein, also nicht zu groß und etwas größer als ein Pony. Und ich hätte gern einen Hund, den ich so behandeln dürfte, wie mir das richtig scheint, als Freund und Meinesgleichen. Am besten wäre, wenn ich es schon als Fohlen kennen lernen könnte um sicher sein zu können, dass es nicht durch falsche Behandlung verstört worden ist und damit es mit mir von Anfang an vertraut wäre. Aber auch Schafe würde ich gerne haben und versorgen. Aber das alles wird nicht gehen. Die Voraussetzungen dazu fehlen eben.
Jedenfalls haben alle Wesen verdient als Unseresgleichen behandelt zu werden, sofern sie nicht wirklich gefährlich sind, wie z. B. Zecken und insofern ‚wir’ keine Zecken sind. Und auch diese Überzeugung ist viel älter als ich oder die deutsche Sprache oder irgendeine andere der zurzeit gesprochenen Sprachen. Schade, dass man, um sicher sein zu können, dazu erst lange studieren muss, und meist anderes als gelehrt wird. Aber das ist jetzt eigentlich gleich. Es ist gut, dass ich jedenfalls eigentlich nur wiedergefunden habe was ich schon wusste und was mir wenig verantwortliche Leute angestrengt und wenig freundlich, aber vergeblich auszureden versucht haben, indem sie mich zu täuschen versuchten. Die Wiederauffindung meines Kinderglaubens hat mich mit der Erkenntnis beschenkt, dass es gar kein Kinderglauben (gewesen) ist, sondern die alte Wahrheit über die Wirklichkeit, die niemand, sei er noch so klug, aus der Welt schaffen kann, sondern nur aus der Welt des Geredes, auf die nichts ankommt.
Ich bin der Wahrheit des Gedankens näher, was es wirklich bedeutet nach Hause zu kommen. Der Umweg kann aber lange sein, und es gibt kluge Leute, die meinen, er gehöre zum Nachhausekommen, aber das kann auch eine dieser Tröstungen sein, die man lange Verirrten anteilnehmend zuteil werden lässt, um ihnen einzureden, dass ihr langes Umherirren einen Sinn haben müsste, indem man vermeidet ihnen ihre Verblendung als persönliche Verantwortung in Rechnung stellt. Ich jedenfalls meine, es dürfte auch ohne den Umweg gegangen sein, oder es könnte auch kürzere Wege geben, oder so gehen, dass man sich erst gar nicht verirren muss bzw. es dazu erst gar nicht kommt, und dass dies das Beste ist, wie selten es auch sein mag. Denn so geht es eben nicht Jedem.
Und mancher verirrt sich im tiefen Wald und findet niemals wieder nach Hause, weil man ihm vormacht, es handele sich um Fortschritt, je weiter von zu Hause er ist und darauf komme es an: Fort zu schreiten und nicht nach Hause, und ohne darüber nachzudenken, ob es sich nicht um Flucht handelt. Dabei wollen alle, die ausziehen auf der Suche nach ‚Sie-meinen-sie wissen nicht-genau wonach’ in Wahrheit nur nach Hause.
Aber sie fürchten sich am Ende und es wird ihnen unheimlich, und sie erkennen im Unheimlichen nicht das ihnen nur unbekannt gewordene Bekannte, nach dem sie tatsächlich suchen, aber das zu finden ihnen verboten wurde, so dass sie zu schließlich zu Helden werden, die sich in der Suche auf Irrwegen erschöpfen müssen bis sie endlich entweder im Kampf gegen die von ihnen gewähnten Hindernisse umkommen oder erschöpft zu Boden sinken und an einem fremden Ort als Unbekannte verenden, von denen niemand mehr erzählt, und die niemand mehr kennt, und auf deren Grabstein kein Name steht, der bezeichnet wer da liegt, woher er kam und wie er dahin gekommen ist wo er nun liegt, oder von denen man am Ende nicht einmal weiß, dass sie da gewesen sind.
Ich habe solche Sehnsucht noch Leah, danach, sie wiederzusehen, sie in den Arm zu nehmen und ihr zu sagen, wie sehr ich sie liebe. Ich kann nicht aufhören, mir zu wünschen sie wiederzusehen, ich möchte mit ihr zusammen sein, und mich niemals wieder von einem Menschen den ich liebe und der mich liebt trennen müssen, nicht einen Augenblick lang. Am schönsten wäre es, wenn ich wie sie einschlafen könnte um erst wieder zu erwachen wenn wir uns wieder sehen und in den Arm nehmen können. Für immer und immer und immer. Ich möchte nicht mehr darunter leiden müssen, getrennt zu sein von meiner Liebe, und meine Sehnsucht soll sich endlich erfüllen.
Für sie habe ich gelebt und es war immer das Furchtbarste für mich, von denen, denen meine Liebe galt getrennt sein zu müssen. Und deshalb hoffe ich auf ein baldiges Wiedersehen und darauf, dass mein einziger Wunsch schon ganz bald in Erfüllung gehen soll, vereint sein zu können mit meiner Liebe und dem einzigen Gegenstand meiner Sehnsucht. Bis ganz bald also meine Liebe. Warte auf mich. Ich komme bald. Dann sehen wir uns wieder und bleiben für immer zusammen und nichts mehr wird uns trennen können. Bis dahin warte ich. Und ich werde nicht mehr lange warten müssen.
Dienstag, 3. März 2009
Jetzt habe ich doch noch ein paar Tage lang warten wollen, um ein wenig Abstand zu diesem vielleicht nicht so leicht zu lesenden Ausdruck meiner tiefen Trauer und Verzweiflung über Leahs Tod zu erhalten, damit ich noch etwas zu Dir sagen kann, das zwar nichts von dem, was ich mit dem Brief sagen will und muss, weil ich gar nicht anders kann, einfach Abstand nimmt, so als sei das nun erledigt. Und jetzt achte ich vor allem darauf, nicht mit einem ‚aber’ fortzufahren, denn das liefe dann doch darauf hinaus. Ich weiß einfach nicht was weiter wird mit mir, und kann nichts anderes erkennen als das womit ich im Augenblick beschäftigt bin. Und gerade was das betrifft widerstrebt es mir sehr so zu tun als könnte ich aus dem Abstand von, sagen wir: drei Jahren auf die Gegenwart zurückzublicken und mir dann meine eigene überlegene Gelassenheit vor Augen zu stellen. Alles das sind Formen einer ungemein asozialen und bedenkenlosen Gleichgültigkeit, die sich einfach nur in die Form einer ‚Überlegung kleidet. Leah und ihr unverdienter Tod in diesem wunderbaren Alter, in dem eigentlich alles erst beginnt, ist nun einfach etwas von mir selbst und ich kann wieder nichts anderes tun als darüber weinen, und zugleich sehe ich aus dem Fenster auf diesen wunderbaren, sonnigen Tag dieses Frühjahrs, auf das ich mich vor Weihnachten mit dem Gedanken an Leah’s und euer aller Zukunft so sehr gefreut hatte und das ich zusammen mit Euch und natürlich Leah selbst erleben wollte, so wie sie und ihr es erleben würdet.
Nun sind alle diese Tage von dem Gedanken daran überschattet, dass Leah sie nicht mehr erleben kann, und das macht mich unendlich traurig. Was soll ich tun? Es ist nicht anders als es ist und von dem, was sein wird, weiß ich nichts als dass alles für immer ohne Leah sein wird, und ich bin darüber traurig und muss es beweinen. Und worauf auch immer ich warte, ich werde vergeblich auf Leah warten, und wohin immer ich auch gehen würde um sie zu suchen, ich kann sie nirgendwo mehr finden als in Deiner und meiner, in Eurer Erinnerung.
Mich hat es sehr getröstet, dass Du mir geschrieben hast, dass wir uns ja bald sehen. Das ist nun leider bisher nicht wirklich geworden und Du kannst Dir denken, dass mich das sehr verwirrt und enttäuscht hat, aber dass das nicht möglich war, liegt ja nicht an Dir, sondern hat andere Gründe, die auch ihr Richtiges haben. Inzwischen sind die Aussichten besser geworden, dass wir uns im März einmal für ein paar Tage sehen können, aber ich will mich nun nicht voreilig freuen bevor ich sicher bin, dass das auch wahr wird. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich das verwirklichen lassen wird. Und da niemand verhindern kann, dass es nun Frühling wird, wird vielleicht auch der Schmerz über Leahs unfassbares Schicksal etwas gemildert ohne dass dabei das Andenken an sie einfach nur verblasst um zu verschwinden. Denn davor, dass sie vergessen würde, fürchte ich mich für sie am meisten. Und mich beschäftigt, wie ich dem Umstand Rechnung tragen kann, dass die Zeit nicht nur das Verhängnis mit sich führt, in dessen Folgen sie uns einfach unbarmherzig hinterlässt, sondern auch weiter führt und Neues mit sich bringt ohne dass dabei das zu Bewahrende, das Andenken einfach ausgelöscht werden. Denn dann müsste Leah noch einmal sterben, im andenkenlosen Vergessen.
Und ich denke, ich weiß auch schon wie das sein kann. Tatsächlich ist Leah nun auf eine Weise, die sich nicht so leicht beschreiben lässt, einfach überall und in Allem. Die Osterglocken, die Veilchen, die nun bald blühen, Tulpen, die Maiglöckchen, die Ringelblumen, die Rosen, die später kommen, die Blüte der Bäume im Garten, an allem war Leah ja beteiligt und es war ja ihr Paradiesgarten, den sie mit uns, mit Dir teilte und den sie selbst als das Paradies erkannt hat, in dem sie schon lebte, als ihr Zuhause, wohin sie sich sehnte, wenn sie unterwegs war, und dort ist sie nun in allem und wir können alles dies in gewisser Weise mir ihr teilen und ihr Dasein als in dieses alles übergegangen verstehen. Vielleicht, dass sich dadurch das Unfassbare und das Unbegreifliche des Geschehenen etwas abgemildert werden. Auch in diesem Sinne hoffe ich Euch und vor allem Dich bald wiederzusehen und immer und immer wieder. Ich hab’ Dich sehr, sehr lieb und freue mich darauf.
Bis bald
Dein Papa
Achtundfünfzigster Traum:
Träumerei am Samstag, 9. Mai 2009
Jetzt hätten wir alle Zeit der Welt. Im Prinzip. Du musst Dich nicht mehr beeilen. Niemandem mehr gefallen, Dich niemandem mehr andienen. Keine Bedenken mehr haben, jemandem, der für Dich wichtig wäre, nicht zu gefallen. Aber geht das wirklich, was ich vorhabe? Ertrage ich es? Ich weiß es nicht. Es kommt auf den Versuch an. Kommt es denn darauf an, dass Du mich so lieben solltest wie ich Dich liebe? Nein! Ich stelle ja keine Bedingungen. dass ich Dich liebe, darauf kommt alles an. Jedenfalls in unserem Fall. Du hältst mich nicht für einen blinden Egoisten, der Dich belästigt ohne nach Dir zu fragen. Das kommt von Außen, ist eine fremde Perspektive. Ihr Inhalt fällt zurück auf ihren Ausgangspunkt, als unausgeglichenes Selbstverhältnis, das sich verbreiten möchte, durch eine Art von Ansteckung, nach Art einer Epidemie, einer Pest vielleicht. Es geht uns nichts an, nicht Dich und mich.
Vieles will mich zu ständiger Ablenkung verführen. Vor allem eine Unruhe, die darauf beruht, dass ich nicht weiß, wie Du alles dies finden wirst. Sollte ich lieber schweigen, alles ungesagt lassen, oder sogar ungedacht. Unempfunden kann ich es nicht lassen. Ich bin einfach unablässig mit Dir beschäftigt, jetzt erst recht, viel mehr als jemals zuvor, und wie immer das möglichen Modulationen unterliegen wird, es wird niemals aufhören oder sich grundsätzlich ändern können. Denn dies ist einfach wie es ist, und vor allem ich werde das anzuerkennen haben, obwohl ich noch zu lernen versuchen muss, das zu verstehen, in meiner mir noch verbleibenden Existenz unterzubringen und sie so mit Dir zusammen zu gestalten, denn ohne Dich wird das unmöglich sein.
Ich bin oft sehr unglücklich darüber, dass Du nicht hier bist, denn Du fehlst mir uns das wird wohl kaum jemals anders werden können. Es mag an mir liegen. Immer schon habe ich diese Sehnsucht in mir gefühlt nach einer Erfüllung, nach einer Ergänzung, nach etwas, das mir fehlte, und nun hat es Deine Gestalt, Dein Antlitz, Deine Gesten, Dein Lächeln. Die Sehnsucht hat sich festgelegt und sie hat ein Objekt, auf einmal. Es überrascht mich und ich muss erst noch herauszufinden versuchen, was das bedeutet. Es ist eine Frage auch der Zeit, wie so vieles, das zunächst vielleicht nicht auf den ersten Blick so aussieht als hätte es mit der Zeit zu tun.
Immer stehst Du mir vor Augen. Meine Liebe und Zuneigung zu Dir hat keine Grenze, kein Ende und keinen Anfang. Sie ist unendlich. Du wirst mich ironisch einen Romantiker nennen. Ich werde das aber nicht als Schimpfwort verstehen. Ich sehe aber auch keinen Grund mich dazu zu bekennen. Es kommt ja immer darauf an, was gemeint ist mit einem Wort, und da Du es sagst, ist es nicht problematisch, es zu akzeptieren. Wir sind da auf jeden Fall miteinander einverstanden, weil ich weiß, dass unsere Liebe gegenseitig ist. Du hast es mir ja gesagt, und das ist sogar schon eine Weile her. Ich lebe davon, das zu wissen, zu wissen und mich immer wieder dessen versichern zu können, dass Du mir dies gesagt hast, ohne dass ich Dich hätte darum bitten müssen. Denn ich selbst neige zu zweifeln ob ich liebenswert bin. Du bist die einzige, die es mir in dieser Weise mitgeteilt hat, so wie ich es mir immer gewünscht hatte. Vielleicht habe ich das zuvor nie angemessen gewürdigt. Hat es mich zuvor wirklich erreicht? Blieb ich nicht immer ungläubig, mit Zweifeln an mir selbst so sehr befasst, dass ich es nicht wirklich verstand?
Du bist mein erster Gedanke am Morgen, ich begegne Dir überall wohin ich auch gehe, Du bist der letzte Gedanke, bevor ich einschlafe, Du bist der Inhalt meiner Träume, immer Du, und diese unendliche Sehnsucht nach Dir, Deiner Anwesenheit, Deinem Anblick, Deinen goldenen Locken, Deinem ironischen, spöttischen Lächeln.
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Neunundfünfzigster Traum:
Traum am Morgen des Montag, 8. Juni 2009
Ich befinde mich auf einem Berg, der offensichtlich aus den Ruinen eines riesigen Gebäudes entstanden bzw. übrig geblieben ist. Ich kann mich nicht daran erinnern, auf irgendeine Weise zuvor auf den Gipfel dieses Berges ‚aufgestiegen’ zu sein. Eher bin ich auf ihm abgesetzt worden. Jetzt bin ich auf dem Wege nach unten, auf dem Abstieg. Einen anderen Weg gibt es nicht, denn ich weiß zwar nicht, wie ich auf den Berg gelangt bin, aber da ich nicht fliegen kann, ist der einzige, jeder mögliche Weg ein Weg abwärts, und offensichtlich will ich nicht einfach oben sitzen oder stehen bleiben. Als erstes fallen mir riesige Quader auf, rechteckig, wenn ich durch Verwitterung eines offensichtlich harten Gesteins durch die Zeit bzw. Niederschläge gerundet, die auf quadratischer Grundfläche aus dem begrasten, stark abschüssigen Gelände ragen ohne dass ein sich irgendwie andeutender Grundriss oder eine klar erkennbare Regelmäßigkeit ihrer Aufstellung eindeutig auszumachen wäre, während ich die Gebilde, die unterschiedlich hoch und mit verschiedenen leichten Neigungswinkeln gegen die Senkrechte aus dem Boden ragen, ohne dass man ihre Basen sehen könnte, auf denen sie aufruhen, so dass sie sowohl natürliche Bildungen sein könnten, wie sie von verwitterten Vulkanschloten übrig bleiben mögen, oder eine Anordnung andeuten, die auf eine überlegte Intelligenz hindeuten könnten, die ihre Aufstellung zu tragenden Teilen des Daches eines Gebäudes vermuten ließe. Ich meine nun, in diesem Gebilde die Reste eines einmal an diesem Ort stehenden Schlosses zu erkennen, von dessen Existenz ich weiß, so dass es ungeachtet des uneindeutigen Aussehens der Gebilde keinen Zweifel daran geben kann, dass es sich um die Reste dieses Schlosses handeln muss. Das alles bemerke ich gewissermaßen mit einem flüchtigen Blick der Vergewisserung im Vorbeigehen, während meine Aufmerksamkeit darauf gerichtet ist, einen Weg zu finden, auf dem ich einen sicheren Abstieg nach unten finde, ohne dass sich etwa ein sei es auch noch so schwach ausgetretener Pfad nach unten im Gras und zwischen den quadratischen Säulen hindurch abzeichnete.
Als ich aus dem Gefüge der Reste der aus dem Boden ragenden Säulenhalle herauskomme, erkenne ich auf stark abschüssigem Gelände eine Art Garten, durch den gewundene Wege führen, die eine undeutlich sich abzeichnende komplexe konzentrische Anordnung von Wegen zu einer geometrischen Figur erkennen lassen, in deren Zentrum sich eine Art von kreisrunder Platte von erheblichen Ausmaßen befindet, auf die strahlenförmig von der Peripherie her Wege hinführen, die durch Steinplatten und aus dem Boden ragende, regelmäßige Abständen markierende Quader so etwas wie eine große Sonnenuhr zu bilden scheinen.
Das Gebilde ist nicht klar zu erkennen, da sich Lücken finden sowohl in den Steinplatten, die die Wege bilden, wie auch nicht alle Markierungen – in der Form senkrecht aufgestellter Quader – noch zu stehen bzw. abgebrochen oder auch hier und da zu fehlen scheinen, ohne dass sich sagen lässt, dass die ‚Lücken’ vielleicht doch Teil des Sinnes der ursprünglichen Anordnung und Teil des einstigen Zwecks der Anlage gewesen sein mögen. Während ich auch dies eher im Vorbeigehen auf dem Abstieg bemerke, indem meine Aufmerksamkeit dem nun stark abschüssigen Weg gilt, den ich über den Hang suche, richtet sich meine Aufmerksamkeit auf ein Rinnsal aus Wasser, das an einer Stelle innerhalb der Anlage eher zufällig aus dem Hang tritt und hangabwärts breiter auseinanderfließend in verschiedene Zweige nach Art eines Deltas, auch weiteren Zufluss aus dem Boden hangabwärts zu erhalten scheint, denn die Menge des abfließenden Wassers scheint hangabwärts zuzunehmen. Ich achte besonders auf diesen Wasserabfluss, da ich beim gelegentlichen Kreuzen der benetzten Oberfläche auszugleiten drohe, sei es weil die steinernen Platten, über die das Wasser fließt, glitschig sind, oder weil der mit Gras bewachsene Boden an diesen Stellen weich und nachgiebig ist, so dass ich auszugleiten drohe.
Ich halte mich indessen in dieser Gartenanlage mit dem vielleicht astronomischen Gerät so wenig auf wie mit den Resten des Schlosses weiter oben, sondern bemerke das eher nebenbei während ich auf die Suche nach einem sicheren Abstieg konzentriert bin, also gewissermaßen aus den Augenwinkeln und ohne eine besondere Aufmerksamkeit oder ein Verweilen, das eigens diesen Gebilden oder ihrem ‚Sinn’ und ‚Zweck’ gilt. Bestenfalls kann man sagen, dass die ‚Gartenanlage’ unmittelbar ersichtlich eindeutiger einen intelligenten Baumeister gehabt haben muss, so dass, was mir angesichts der weiter oben, auf dem Hang dicht unterhalb des Gipfels gewissermaßen nur mittels eines schlusses oder aus Vorwissen sicher erschien, an der Art der Anlage des ‚Gartens’ selbst jedem Beobachter unmittelbar auch dann klar werden musste, wenn er nicht auf ein solches Vorwissen oder einen Schluss aus Indizien zurückzugreifen imstande war.
Dies alles spielte aber offensichtlich für mich gar keine Rolle, denn ich war beschäftigt damit, einen Weg hangabwärts zu finden, ohne dass ich hätte sagen können warum, oder dass ich ein Ziel gehabt hätte. Es ging einfach nur darum, einen Weg hangabwärts zu finden, und ganz vordergründig je nur um den folgenden Schritt, von dem nur feststand, dass seine Richtung hangabwärts gerichtet sein würde. Ich folgte zwar dem Lauf des Wassers nicht absichtlich. Dennoch blieb es stets irgendwo am Rande meines Sehfeldes gegenwärtig, und es lief nun links von mir durch ein kreisförmiges Beet, in dem ein paar fast vertrocknete niedrige Pflanzen standen, die eine buschige Form hatten, so weit man das an den nahezu zu Skeletten entblätterten Gebilden erkennen konnte. So weit ich sehen konnte, hatten sie vielleicht gerade noch rechtzeitig Wasser bekommen, das mithin noch nicht lange fließen konnte, denn ich konnte noch keine Regeneration an den Pflanzen bemerken, und der Boden um die Pflanzen herum war teils noch knochentrocken. I
m Vorbeihasten bedauerte ich dieses Schicksal der Pflanzen sehr, und die offenbar lange Abwesenheit einer pflegenden Hand war dem Grad der Vertrocknung und der Vernachlässigung der einmal mit Bedacht vorgenommenen Pflanzung anzusehen. Wie überall war die Hand und die Überlegung eines einstigen Baumeisters zu sehen, nur offenbar mit zunehmender Deutlichkeit der Absicht und offensichtlich auch in Hinsicht des Abstands der Zeit, die vergangen sein musste seit eine Hand oder eine Überlegung sich hier jeweils betätigt haben mussten, denn die Pflanzen konnten kaum länger als einen Jahreszeitenzyklus lang derart vernachlässigt worden sein, vermutlich war der Zeitraum, seit dem zuletzt Hand angelegt worden war, aber noch kürzer, während das ‚Schloß’ ganz oben am Hang unterhalb der Bergspitze schon von sehr langer Zeit in Trümmer gesunken sein mochte, und quasi zeitlich und räumlich auf halbem Wege die ‚Sonnenuhr’ lag. Mit wachsender Gewissheit der unmittelbar sichtbaren einstigen Gegenwart einer überlegten Hand schrumpfte also der zeitliche Abstand zu ihrem schon vergangenen Verschwinden.
Während ich mit alledem noch beschäftigt war, hatte ich einen beinahe senkrechten Abbruch des Hangs zu überwinden gehabt, unterhalb dessen, mit der Apsis fast an die Felswand gelehnt, eine Dorfkirche stand, verputzt und bunt, mit ockerfarbenem Mauerputz, grauem Schieferdach und roten Sandsteineinfassungen der Fenster und des Eckmauerwerks, ein wenig Barock oder Rokoko, und einem Hahn auf der Turmspitze.
Die Kirche war offenbar noch in Gebrauch, wirkte aber verfallen, Putz war hier und da abgebröckelt, und der Platz um die Kirche machte den Eindruck der Vernachlässigung der Pflege, die eine lebendige Gemeinde oder auch eine Pfarrei gewöhnlich auf ein derartiges Gebäude und seine Umgebung aufwenden würden, wo es einen lebendige Mittelpunkt des Lebens bildet. Aber es gab hier offensichtlich noch Menschen.
Das Wasser, das hinter mir über die Felswand abfloss, lief über Teile des ebenen Platzes, auf dem Kirche stand, und stand, erheblich aufgestaut an den Stufen des vorderen Eingangs, so dass ich, zumal ich niemanden sehen konnte, der sich darum gekümmert hätte, Sorge hatte, dass es in den Kirchenraum hineinlaufen könnte, zumal es ja auch über die Felswand ab- und eventuell von der an sie angelehnten Rückseite her in den Kirchenraum hineinlaufen mochte. Ich öffnete die vordere Tür der Kirche, die eher einem alten, schief in den Angeln hängenden schweren Scheunentor glich, und ging über eine abgetretene Holzschwelle in den Innenraum, während mir plötzlich ein Golden Retriever folgte, in dem ich Cora, unseren Hund erkannte.
Der Innenraum der Kirche war überreich mit Farben in den wärmsten Ocker , Gelb- und Rottönen ausgemalt, aber auch Blau und Grün und Braun, alles jene milden pflanzlichen Farben einer Umgebungsnatur im Bereich des bäuerlichen Lebens. Über den tiefbraunen alten Bänken lagen hier und da bunt gewirkte Tücher, durch die bunten Fenster fiel ein Licht, in dessen warmen lebendigen Strahlen kleine Staubteilchen tanzten, während hier und da Teile des Innenraums wie von einem Scheinwerfer beleuchtet waren.
Die reiche Farbenfülle und die Unzahl der Details, die miteinander um die Zuwendung der Aufmerksamkeit wetteiferten verwirrte mich. Aber ich bemerkte dennoch sogleich in der Mitte des Raums bzw. des Mittelgangs, auf einer der Bänke der linken Bankreihe eine weibliche Gestalt einer offenbar älteren Frau, die mir den Rücken zuwandte und sich auch nicht umdrehte als ich den Kirchenraum betrat, wie das nicht anders zu erwarten ist, denn die Aufmerksamkeit gilt ja in einem solchen Raum nicht den anderen Menschen und Neugier zu zeigen wäre gleichbedeutend mit einem Mangel an Ernst. In der Nähe des Altars bemerkte ich einen weiteren Hund, ebenfalls einen Golden Retriever.
Er hätte ein Doppelgänger oder Zwilling meines Hundes sein können, der auf dem Boden lag, und auch den Kopf auf seinen Pfoten gelegt uns zunächst entgegensah, um angesichts von Cora sofort aufzuspringen um auf sie zuzulaufen. Ich befürchtete zunächst einen Angriff, aber die beiden Hunde begannen einfach ein etwas wildes Spiel mit Verfolgungsjagd und Gebell, und ich war nun einerseits erleichtert, weil es nicht zu einem Kampf gekommen war, und war mir andererseits nicht sicher, ob ich das nicht unterbinden musste angesichts des Ortes und seiner kulturellen Bedeutung, mit der das nicht vereinbar zu sein schien, obwohl es ja eine Dorfkirche war und ich und die Besitzerin des anderen Hundes, des Zwillings von Cora, die, weiblich, offenbar einen männlichen Hund hatte, während ich, männlich, einen weiblichen Hund hatte, denn sonst hätten sich die beiden Hunde nicht so spontan angefreundet – wie ich mir habe sagen lassen – offenbar die einzigen weit und breit anwesenden Vertrauten des kulturellen Paradigmas waren, das mit dieser Kirche wie mit jeder anderen verbunden und sozusagen die Ursache des Gebäudes ist.
Bleibt noch hinzuzufügen, dass die Tageszeit auf dem Gipfel des Berges eher ein sonniger früher und noch kühler Morgen war, die Durchquerung der Gärten auf unbestimmte Weise einfach ‚über Tag’ vor sich ging, unter einem sonnenlosen Himmel ohne eine bestimmte sichtbare Kontur, während um die und in der Kirche einer jener magischen Sommernachmittage war, der sich zwischen drei und sechs Uhr manchmal um das eigene Dasein schließt, und dessen Magie sich an dem eigenartig leichten und seltenen Glücksgefühl bemerkbar macht, dessen man sich erst im Nachhinein ganz versichern kann, wenn man sich plötzlich des Umstandes bewusst wird, dass dieser Nachmittag einzigartig war und nun schon für immer vergangen ist, während man in Tränen ausbrechen möchte angesichts des Wunsches, die Zeit möge stehen geblieben sein an diesem Punkt und auch, dass man es nicht wusste, dass man glücklich war, jedenfalls nicht so brennend, so glühend wie in dem Augenblick, in dem man sein Glück als ein schon für immer vergangenes erkennt.
So ist auch der Moment des Aufenthalts in dieser Dorfkirche wie ein flammendes Bild, das in den glühenden Farben und dem sonnendurchfluteten Licht italienischer Maler unter einem Himmel, der auch hier gelegentlich mediterrane Helle hat, die in erst der Brechung durch den Dämmer eines Kirchenraums und die Engführung seiner Fenster zu jenem Zugleich der Präsenz und des Gegensatzes von Licht und Dunkel zusammenkommen, in dem jenes Strahlen erscheint, das die Gegenwart jener einzigartigen Augenblicke des Glücks verkörpert und sichtbar macht in einem Anblick, in dessen Bild es sich als klar erinnerbares, als zurückrufbares wirkliches Ereignis festhalten lässt und als ein unvergängliches Immerwähren, das nie ganz wirklich ist ohne die Trauer über den darin dennoch unverkennbaren Moment, in dem alles das anwesend war, was nötig war, damit es wirklich würde, in einer Konstellation, einem nunmehr vergangenen Zugleich aller seiner Momente in einer gegenwärtigen Wirklichkeit und Wahrheit, die den Augenblick des Glücks bindet an das Ganze, das nicht ohne die Gegenwart aller seiner Momente als notwendigen Voraussetzungen und damit an den ausgezeichneten Zeitpunkt bindet, der zurückbleibt, verloren für immer.
Es gibt daher auch keinen anderen als den inneren Übergang dieses Moments in der Dorfkirche und dem Folgenden. Denn unvermittelt befinde ich mich mit einem Mädchen zusammen auf einer Straße unterhalb der Schule, des Gymnasiums, das ich in dem Ort besuchte, in dem ich aufwuchs, zwischen dem alten Gaswerk und dem Schulhof. Während ich zuvor, von dem Moment, in dem ich mich auf den Gipfel des Berges vorfand, auf der Suche nach einem Abstieg, unbestimmten mittleren Alters war, bin ich nun so jung wie das ‚Mädchen’, und das müsste zwischen sechzehn und achtzehn Jahren sein. Wir sind beide nackt und unsere Haut schimmert so weiß und bleich, wie sie ist, bevor sie in Jahren der Sonne des Schwimmbades ausgesetzt wurde, wie wenn man zum ersten Mal nackt in das Licht der Sonne tritt, das die nackte Wahrheit erscheinen lässt. Wir waschen uns mit Wasser ohne indessen darin einzutauchen und ich erkenne deutlich die Unterschiede der Umrisse des weiblichen Leibes mit seinen weicheren Konturen, das Andere daran, und seine milde Anziehung zwischen Interesse und dem Wunsch nach einer Berührung dieses weiblichen Mädchenleibes.
Diese Waschung findet vor dem Haus auf offener Straße statt, ein ungewöhnlicher Ort, der mir das auch im Traum so erscheint, aber ich fühle weder eine Scham noch erscheint jemand, der unser Tun missbilligen würde. Wir sind wie allein und unbeobachtet von einem ‚bösen Blick’, und ich kann weder bei dem Mädchen noch bei mir etwas spüren von der Art eines unmittelbar zur Befriedigung drängenden sexuellen Verlangens, und auch in meine Betrachtung und Selbstbetrachtung geht nichts davon ein.
Ich meine nun zu erkennen, wo die Kontinuität zu sehen ist zwischen dem Kirchenraum einerseits und meiner und der Anwesenheit der ‚älteren Frau’, die mir den Rücken zuwendet, während ihr rechter Arm auf der Lehne der Bank liegt, auf der sie sitzt, dem Altar zugewandt, vor oder auf dem der zusammengerollte männliche Golden Retriever liegt, während ich mit einem ebenso aussehenden weiblichen Hund derselben Rasse den Raum betrete, bzw. dieser mir in diesen Raum folgt, und dieser Szene auf der Straße: Wir haben uns beide unvermittelt in diese miteinander ohne Rücksicht auf den kulturellen Ernst, den das Gehäuse um uns schließt, und das uns zur Einhaltung einer bestimmten Disziplin mahnt, die mir der Würde des Ortes vereinbar bleibt, zum Spiel miteinander übergehenden Tiere verwandelt, die keine Kleidung, auch dies Merkmal und Symbol der Kultur, die uns umgibt und einkleidet, tragen. Daher die Unschuld dieser Waschung, diese Waschung in Unschuld.
Der Traum, der ein Traum von einem Abstieg war, ist ein Traum, der eine Rückkehr realisiert, die zum – in der Wirklichkeit meiner Biographie verdorbenen – Anfang in Unschuld und Unbefangenheit, die immer darauf wartete, erkannt zu werden als der richtige Beginn des Weges, der hinauf führen würde zu dem Schloss und daran vorbei zu dem Wovonher, das auch das des Traums ist, der wiederum dort seinen eigenen Beginn findet, wo dieses Schloss und alles, was ihm abwärts so gut folgt wie voraus liegt bis zu dem Endpunkt, der der des Anfangs ist, wo die einander erkennenden Tiere ihr unbefangenes Spiel miteinander in Unschuld beginnen, als längst verlassene, in Trümmer liegende Vergangenheiten, als verlassene Stufen der kulturellen Existenz eines in materiellen Befangenheiten und Forschungen oder Willensbestimmungen erscheinen, die beim Abstieg, der Suche nach dem Anfang nur im Vorbeigehen am Rande ins Auge fallen, indem die Richtung ohnehin klar ist durch den Neigungswinkel des Hangs, auf dem der Traum seine Bahn beschreibt, indem er sie sucht um zum Anfang zu gelangen, dem Beginn vergangenen Glücks und Unglücks, der Erkenntnis so gut wie des Irrtums, aus dessen Komponenten sich dieser Berg der Trümmer eines ihn hinter sich lassenden Lebens aufgetürmt hat. Ist das die Skizze eines möglichen Neuanfangs, und wenn, welchen Weg müsste dieser nun beginnen und wohinein müsste er seine Spur einzeichnen? Denn es könnte nicht derselbe Weg noch einmal sein. Welcher Gedanke ist Grund und Gegenstand des Traums? Der Traum von einem Leben in Unschuld, in dem das Versprechen des Glücks eingelöst ist.
Woher weiß ich eigentlich von dieser Unschuld, von der Wirklichkeit ihrer Existenz jenseits oder diesseits von Gier nach triebhafter Aneignung des Äußeren, des Anderen schlechthin? Woher weiß ich vom Dasein der Liebe?
Der Deserteur
Anastasius Grün
Auf der Hauptwacht sitzt geschlossen
Des Gebirges schlanker Sohn,
Morgen frühe wird erschossen,
Der dreimal der Fahn entflohn.
Heute gönnten mit Erbarmen
Sie ihm Wein und Prasserkost;
Doch in seiner Mutter Armen
Gibt und nimmt er letzten Trost:
»Mutter, seht, die närrschen Leute
Heischten Treu und Eid mir ab,
Die ich doch, und nicht erst heute,
Meiner lieben Sennin gab!
Soll mein Blut dem Fürsten geben,
Mag wohl sein ein guter Mann;
Doch er fordre nicht mein Leben!
Was blieb' Euch, o Mutter, dann?
Eures Hauptes Silberflocken,
Acker schirmen, Hof und Haus
Und der Liebsten goldne Locken,
Füllt's nicht schön ein Leben aus?
Hoch von langen Stangen wallten
Fetzen Tuchs, drauf sie recht fein
Ein geflügelt Raubtier malten;
Und da sollt ich hintendrein!
Dem Gevögel Adlern, Geiern,
War ich doch mein Lebtag gram;
Schoß manch einen, der zu Euern
Und der Liebsten Herden kam!
Über eine blanke Schachtel
Spannten sie ein Eselsfell:
Weich Gedröhn, statt Lerch und Wachtel,
Die im Korn einst schlugen hell!
Trommellärm trieb mich von dannen,
Alphorn rief mich zu den Höhn,
Wo die grünen, duftgen Tannen,
Meine echten Fahnen, wehn!
Unserm Küster lauscht ich lieber
Mit dem tapfern Fiedelstrich,
Während vom Gebirg herüber
Süßrer Klang mein Ohr beschlich!
In zweifarbig Tuch geschlagen,
Knebelten mich Spang und Knopf,
Einen Höcker sollt ich tragen
Und als Hut solch schwarzen Topf!
Besser lässt, das sieht doch jeder,
Mir der grüne Schützenrock,
Auf dem Hut die Schildhahnfeder,
Stutzen auch und Alpenstock!
Wachtstehn sollt ich nachts vor Zelten!
Lullt mein Wachen sie in Ruh?
Legt der Herr den mir geschmälten
Schlummer wohl dem ihren zu?
Besser als durch mich geborgen
Stellt in Himmels Schutz ich sie;
Und vor Liebchens Haus am Morgen
Stand als Ehrenwacht ich früh.
Morgen, wenn die Schüsse schüttern,
Mutter, denkt, dass fern von Euch
Im Gebirg bei Hochgewittern
Mich erschlug ein Wetterstreich!
Besser will mir's so behagen!
Kann doch auf den Lippen treu
Euren, ihren Namen tragen,
Wie der blühndsten Rosen zwei!«
Und der Morgen stieg zur Erde;
Unter laubgem Blütenbaum
Ruht die Sennin; ihre Herde
Weidet rings am Bergessaum.
Horch! Im Talgrund Büchsenknalle,
dass, aus seinem Morgentraum
Aufgeschreckt vom rauhen Halle,
Bang und zitternd lauscht der Baum!
Aus der Krone losgerüttelt
Taumeln Blütenflocken hin,
Tropfen Taus, wie Tränen, schüttelt
Er aufs Haupt der Sennerin!
Und entsunken sind zur Stunde
In dem Tale, grün und frei,
Einem roten Jünglingsmunde
Wohl der blühndsten Rosen zwei.
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Da war immer diese Sehnsucht
Da ist immer diese Sehnsucht gewesen, mit einem anderen Menschen, dem einzigen, der dafür in Frage kommt, und den man intuitiv findet, den man sich nicht aufgrund von bedächtigen Überlegungen zunächst ausdenken und dann aus einem Angebotsdefilee herauspicken kann, zu einer Einheit zu werden, die sich nie wieder in Teile auflösen lässt, weil sie aus Teilen einfach nicht besteht, und innerhalb deren kein Zwischenraum ist für irgendetwas oder irgendwen, der oder das sich dazwischen drängen könnte.
Ich habe mit meiner Suche kein Glück gehabt und meine Intuition hat mich im Stich gelassen. Dabei habe ich ihr immer die Treue gehalten. Ich habe sie nicht betrogen. Ich habe ihr vertraut. Ich ging ihr nach, wohin immer sie mich führte. Was ich zunächst nicht wissen konnte, und später nicht wirklich glauben, war, dass die keine Grundlage (mehr) hat in der zerstörten Welt, in der ich zu leben hatte, ohne gefragt worden zu sein, ob ich auch damit einverstanden bin.
Wäre ich zuvor gefragt worden und hätte die Sache prüfen könnten, dann wäre meine Antwort ein eindeutiges Nein. Dieses Nein ist meine Antwort auf eine Welt, die den einzigen wirklichen Wunsch, den ich in meinem Leben hatte, auf diese ihre Art und Weise verneint und betrogen hat. Daher ist alles, was ich ‚geschaffen’ habe – denn der Mensch ist ein Schöpfer, der auch ‚nicht-schöpfen’ kann – ohne einen erkennbaren Wert, ja darüber hinaus auch Produkt unverantwortlichen Handelns. Es dürfte und sollte besser nicht sein.
Ich hatte weder vor, noch könnte ich mir das jemals vornehmen, mich selbst oder Kinder, die aus meinem eigenen Willen mindestens mit hervorgegangen sind, einer rücksichtslos mit ihnen als einer Art von Nutzvieh verfahrenden Sklaverei unter dem Verhängnis totalitärer Gewalten auszuliefern und sie derart geschändet zu sehen vor meinen eigenen Augen und noch ehe ich vergangen bin, so dass ich den Schmerz erleben muss, nicht nur selbst getäuscht worden zu sein von verantwortungslosen Erziehern, deren ganze Anstrengung darauf bezogen ist, die vorsätzliche Täuschung als lebbares Leben akzeptabel erscheinen zu lassen auch und gerade dann, wenn man täglich mit Füßen getreten wird, und ohne den ohnehin nur schwachen Schutz der Liebe erleben zu dürfen, die wenigstens ein anderer Mensch unter den vorhandenen fünf Milliarden Gattungsexemplaren einer von Gott verlassenen Tierart für einen erkennbar und derart empfände, dass einen wenigstens diese Liebe auszeichnet und als Mensch überhaupt erst existent macht. Denn sonst ist das Gattungsexemplar nur ein Nutztier, dem man das Fressen hinstellt, weil es brav das Korn drischt oder den Wagen oder den Pflug zieht. Kein Stalltier verdient das Schicksal der lieblos zurechtgewiesenen und verächtlich vernachlässigten ‚Haustiere’, die sich dieselben Kinder so wünschten, die sie stupide vernachlässigt haben, unter meinen Augen, die sahen, was da geschah. Ihr Tod auf der Straße und ihr elendes Verrecken in ihrem eigenen Kot war eine nur zu verständliche Metapher meiner eigenen Existenz.
Was ich angerichtet habe, ist greifbare Geschichte einer sich fortzeugenden Tragödie, der Tragödie der Unwissenheit, der vom tierischen Überlebenswillen getäuschten Urteilskraft, die weder dem ersten noch den zweiten Teil des Kompositums genügt, sondern nur der Bewertung im Sinne einer Rationalisierung, der Begründung des nicht zu Rechtfertigenden.
Was ich für die legitime Erwartung einer meiner Bemühung zur Verfügung stehenden Zukunft meinte halten zu dürfen, war nur der Widerschein eines animalischen Selbsterhaltungstriebs, der dazu die gemeine Benutzung ermöglicht, der ich mich hätte entziehen können, wenn ich den Sinn der von der Schimäre einer Kultur zu kalkulierten Zwecken unterhaltenen Täuschung hätte kennen können.
Dabei hätte ich es wissen können und habe es gewusst noch ehe ich fünf Jahre alt war. Aber alles hat sich nur in die Furcht vor einem Fall verwandelt, der längst hinter mir lag, so als hätte ich ihn noch vor mir. Sah ich aus großer Höhe von einem Turm über den Mauerrand, dann fürchtete ich mich vor der Höhe. Es war meine Sehnsucht mich hinunter zu stürzen, vor der ich mich fürchtete aus Gründen, die lächerlich sind, weil es Gründe sind, die Lebende haben, die sich das Resultat einer physischen Zerstörung betrachten, das das derart Zerstörte nicht betrifft, und faktisch nie betroffen hat oder haben wird, weil es außerhalb der Zeit ist.
Wie glücklich sind die Toten. Glücklicher könnten nur die sein, die nie geboren wurden, denn sie habe nicht die Erfahrung des Lebens. Unverständlich ist der Krampf, mit dem alles Leben an sich selber hängt, an seinem elenden Zustand, der Existenz heißt. Was ich tat, war keine verantwortliche Handlung. Sie könnte es sein, wenn die Welt anders wäre, Leben wirklich oberhalb des Modus der vergewaltigten und Nützlichkeitskalkülen von immer aberwitziger sich auftürmenden Machtapparaten möglich wäre. Aber alles was diese sich immer wieder als Fortschritt feiernde Geschichte liefert ist die progressive Abschaffung der Bedingungen der Möglichkeit des Lebens.
Als sei es den Besitz von Dingen gegangen, um Privilegierung, um Auszeichnung oder um Siege, geschweige denn um Kriege. Nicht der bescheidenste Wunsch war zu realisieren, nicht einmal das, was dem Anschein nach in ganz unmittelbarer Reichweite des bewussten Tuns und der bewussten Entscheidung von zwei Menschen gelegen hätte, die sich nur dazu bewusst und gewollt verabreden mussten, sonst nichts. Aber dass dies nicht in der Reichweite des Tuns einer einzigen Person allein lag genügte schon um alles zu vereiteln und zu schänden.
Lange wollte ich einfach nicht wahrhaben, dass dies so ist, dass dies die Welt, das Leben selbst ist und dass es offenbar kein anderes gibt. Überall wird die recht zweckmäßige Täuschung – als Inbegriff der ‚Kultur’ – aufrechterhalten, es könnte ein menschliches Leben wirklich geben. Dieser Täuschung lief ich hinterher. Ist es hier nicht realisierbar, dann war das ein Missgriff. Man kann es anderswo versuchen, und noch einmal und noch einmal, bis sich endlich die Endgültigkeit des Elends einer wertlosen Existenz mitsamt ihrer Fortzeugung als ‚empirische Realität’ faktisch macht und alles derart zustande Gekommene dem Verhängnis ausgeliefert ist, unter dem die Gattungsexemplare sich verzweifelt gegenseitig zerfleischen, weil der animalische Konkretismus, auf den sie endlich unter dem Druck der ihnen aufgezwungenen Knechtung zurückfallen, nichts mehr leistet, das ermöglichen würde, die Abstraktionen, denen sie zum Opfer fallen, und unter deren Durchgriff durch ihre fleischliche und nervöse Existenz sich in Qualen winden, als Quellen dieser Qualen zu identifizieren, so dass sie sich gegenseitig angreifen in dem Wahn, der jeweils andere müsse daran schuld sein, wie er sich unter diesen Umständen aufführt. Brennendes Holz platzt im Feuer, reißt, Papier krümmt sich während es verkohlt, aber Individuen, Menschen, haben Bewusstsein und wissen deshalb, was sie tun und meinen, wenn sie etwas tun oder meinen. Wenn sie schreien, weil sie verbrennen, sind sie beleidigend, unakzeptabel, benehmen sich nicht. Treib man sie zur Raserei, dann ist das solange in Ordnung, wie man nachweisen kann, dass man sie nicht mit Benzin übergossen und angezündet hat, während sie sich so aufführen, als habe man das getan. Alles ist erlaubt, wenn man nur nicht Hand anlegt. Gewalt ist, was Spuren hinterlässt, die sich als Indizien für Beweise nutzen lassen. Aber jede Handlung darf so mörderisch sein wie sie will, sie muss nur an den Gesetzen vorbei legitim sein, dann sind ihre Folgen nicht Sache der Verantwortung dessen, der sie übt.
Im leer gelassenen Raum, den einst die Kultur mit ihren Regeln strukturierte, um die Natur der Bestie Homo sapiens zu zähmen, prallen unter dem Vorzeichen der befreienden Überschreitung der angesichts ihrer Unzulänglichkeit denunzierten Traditionen die zu Tieren herabgesunkenen Gattungsexemplare unter den Bedingungen der Käfighaltung zusammen, die nur dafür sorgt, dass außerhalb der Käfige niemand zu Schaden kommt. Was in den Käfigen geschieht, verdankt sich mangelnder administrativ zu regelnder Domestikation, die dafür sorgt, dass sich die Individuen mit dem Leben im Stall abfinden und resignieren.
Was übrig bleibt, bevor alles an der Ernüchterung stirbt, ist die Sehnsucht, eine Abart der zu intellektuellen Hoffnung, die niemanden lange trägt. Das ist an der Ohnmacht der Religionen zu sehen, die schon einen Kompromiss mit dem Gefühl, der ‚Seele’ machen müssen, um nicht als Theologie zwischen Buchdeckeln zu vertrocknen. Aus dem verbleibenden, schrumpfenden Lebensraum immer weitergehend ausgewiesen in das Niemandsland der ‚privaten Existenz’, von Professoren der Medizin, Theologie, Soziologie und Psychologie unter gebetsmühlenartigem Murmeln wissenschaftlicher Formeln an den Rand des Grabes geleitet, ist sie auf einem sich in die Länge ziehenden Weg zu ihrer eigenen Beerdigung unterwegs. Alles kommt darauf an, den Weg zu verlängern, damit sie nicht ankommt. So meint man auch ihr eigenes Leben in die Länge ziehen zu können, weil wohl klar ist, dass mit ihrem Tod, sei es gegen die Bemühung auf dem Wege oder weil man trotz aller Umwege und Verlängerungen, Spring-Prozessionen usw. endlich doch an der schon lange ausgehobenen Grube ankommt, und in ein sinnloses Loch im Boden starrt, in dem das anlangende Nichts dann der Form halber untergebracht werden muss, damit alles seine Ordnung hat und auf diese Weise erneut eine Täuschung an die Stelle der Wahrheit treten soll, dass das Leben – zumal als menschliches – nicht mehr lebbar ist, wenn es dies jemals war, ist die Sehnsucht das Letzte, das stirbt und sich vom Leben abwendet, das sich ihr unter dem Deckmantel einer Täuschung anbot, als Möglichkeit eines realisierbaren Glücks, das niemandem Kosten verursacht, niemandes Reichtum oder Besitz schmälert oder angreift bzw. verschleudert, sondern diesem eher das Ornament verschafft, das die einzige mögliche Wahrheit seines Sinnes ausmachen könnte, als Schein einer Nebensache, die in Wahrheit die Hauptsache ist.
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, das ist die einzige Definition eines gänzlich Immateriellen, das immer bereit stünde, ganz ohne Gewalt sich darböte ohne sich aufzudrängen, und das man nicht aneignen kann auf die übliche Art und Weise, mit der Gewalttätigkeit, mit der man der Gleichgültigkeit gegenüber allem derart Angeeigneten seine Zerstörung im Moment seiner vermeintlichen Unterwerfung und Einordnung in das worüber man verfügt hinzufügt, mit dem Ergebnis, dass man nichts besitzt, gar nichts, was immer man zu seiner Manipulation in der Hand behält, in jedem Falle totes Material oder biologisches Gewebe, sonst nichts.
Pornographie ist das, was so sich in der Existenz einrichtet. Sie breitet sich über alles und ist die Wahrheit des Ganzen, auch der Kommunikation. Zugleich wandelt sich Wissenschaft vom Menschen in die Verkündigung dieser triumphalen ‚Wahrheit’ des Gattungslebens in die biologische Theologie dieser Pornographie, mit ihr Kultur in Truppenunterhaltung, menschliche Beziehungen in Lagerleben mit Marketendertross, die Liebe zu einer der vielen Formen der Prostitution, und sei es auch in gegenseitigem Einvernehmen. Das Absinken zur ‚Sexualität’ nach Art ‚menschlicher Bedürfnisse’, die bekanntlich auch in ‚Bedürfnisanstalten’ ‚befriedigt’ werden, ist hier terminologisch nicht zufällig. Es ist nichts als die Wahrheit der Sprache von Management und Verwaltung, die hier ihre Zerstörungsgewalt der veranstalteten Sache nach auf der Ebene der Terminologie lediglich wiederholt und verdoppelt, um den angestrebten Gewöhnungseffekt zu konsolidieren. Nichts ist verräterischer als die Einwanderung von Terminologien des Produktionsapparats in menschliche Verhältnisse, die derart die Zerstörung der kulturellen Grundlagen der Existenz des MENSCHEN in die Form einer wissenschaftlich unwiderleglichen Vorweisung des Umstandes kleiden, dass der Homo sapiens lediglich eine weitere Tierart ist. Als sei nicht alle Kultur just angesichts des klaren Bewusstseins dieser Tatsache und gegen sie gebaut und geformt und bewahrt worden, seit es den Menschen gab, den die Wissenschaft vom Menschen in Übereinstimmung mit ihrem Auftraggeber, dem säkularen Staat, dem furchtbarsten Monster, das diese Welt, dieses Universum jemals gesehen hat, abgeschafft hat, unter Hinterlassung von ‚Menschenrechten’, zu denen es keinen Menschen mehr gibt, insofern dieser kein Staatskonzept ist, und schon gar nicht das eines ‚säkularen’, der auf seine Haupterfindung, die Abschaffung aller kulturellen Rücksichtnahmeverpflichtung mit Ausnahme der zur Dressur und Nutzung der Biomasse des Homo sapiens notwendigen und nützlichen ‚Werte’, so stolz ist, das seine Protagonisten längst vergessen haben, wozu das dient: Dem Absolutismus der Verfügung über das unterworfene Gattungsexemplar jenseits jedes Menschenrechts, das in jedem Fall in einem kulturellen, und daher unvermeidlich auf Werte bezogenen und von Werten strukturierten Konzept von Kultur her, im Sinne einer Begrenzung aller Verfügungsmacht, gründet oder gar nicht ist, auch wenn man, angesichts des (Selbst)Täuschungsbedarfs dann einfach dem ‚im Duden’ noch stehenden Wort angesichts seiner materiellen Sinnverlassenheit eilends einen von Staatsbeamten zusammengestoppelten ‚Bedeutungsgehalt’ auf dem Wege der Neudefinition ‚verleiht’. Das hat seinen Sinn wiederum nur in der absolut gemachten Entmachtung des Einzelnen, dem keinerlei Einspruchsrecht bleiben können soll, das den Absolutismus der gegen es in Anschlag gebrachten Verwaltungs- und Machtapparaturen aus einem ihm zustehenden, nicht verletzbaren Eigenrecht beschränken könnte.
Kein Machtapparat, aus Gründen seiner internen Zwecksetzungen und Ziele, wird jemals von sich aus ‚Kultur’ und in diesem Sinne den ihr entsprechenden Menschen auch nur einen Augenblick lang existieren lassen, geschweige denn ihm gar zur Existenz verhelfen, und daher stets der Todfeind des Menschen sein und bleiben im Interesse der Nutzung der Biomasse der Gattungsexemplare der Tierart Homo sapiens. Und genau darin liegt die einzige nennenswerte Wahrheit der ‚Humanwissenschaften’, insofern sie allesamt einer Formation von Wissen aus der Sicht der organisierten Verfügungsinteressen über die Nutztierart Homo sapiens zuzuordnen sind, und nicht einer Wissenschaft vom Menschen. Die gibt es derzeit gar nicht und man kann fragen, ob der Wissenschaftsbegriff, soweit er als ‚Paradigma’ seiner gegenwärtigen Selbstauskunft und seinem ‚Selbstbewusstsein’ zu entnehmen ist, denn auch darüber ist nicht automatisch schon deshalb und dann entschieden, weil und wenn ‚Wissenschaft’ über sich selbst zum Fenster hinaus und auf Fachkongressen unter beifälligem Nicken der ‚Wissenschaftlergemeinschaft’, also unter Ausschluss aller derer, die vielleicht nicht nicken würden oder auch, die weniger zufällig zustimmen würden als ‚Wissenschaftler’, die mindestens intuitiv wissen dürften, wann es richtig ist zu nicken, egal was der Kopf denkt, bevor er nickt, und zwar damit er verbeamtet wird oder bleibt.
Kultur ist somit gar nicht existent unter den Bedingungen des säkularen Staates, sondern vielmehr das, was ihm entgegen wäre, als ihm gleichgewichtig entgegen gesetzte reale Macht. Da dies nicht ist, als Form, sondern unter dem Eindruck der organisierten Gewalt der Herrschaft der Predatoren über die von ihnen genutzte Herde zum Rückzug gezwungen wurde auf die Form der Virtualität, ist sie zunächst nur noch existent im Modus der sich unvermindert und unbeirrbar mitteilenden Sehnsucht. Diese verlangt zunächst nach dem, was sich mit den bescheidensten Mitteln und gegen jede Behauptung, der Wunsch habe prinzipiell nur Möglichkeiten der Vergegenständlichung im Bereich der ihm von einem System materieller Produktion angebotenen materiellen Objekte oder entspreche dem Wunsch nach dem Unmöglichen und Unerfüllbaren, realisieren lässt, wo und wenn zwei Menschen sich darauf verständigen können, was Liebe unter Menschen ist, nämlich das, was sie zu Menschen macht und darin über das bloße Exemplar einer Tiergattung erhebt. Vor allem deshalb ist das Hauptangriffsziel der Arbeits- , Freizeit- und Lifestylegesellschaft diese Form der Selbstbestimmung des Tiers Homo sapiens zum Menschen. Indem sie ihm einerseits Forderungen seiner unbedingten prinzipiellen Verfügbarkeit für jedes ihm von seinen potentiellen Nutzern gemachte ‚Angebot’ vor-schlägt, und andererseits ‚Ausgleich’ verspricht durch das ebenfalls seiner Nutzung dienende Angebot auf Selbstverwirklichung, das lediglich voraussetzt, dass er die ‚Produktion von Beziehungen’ als einen arbiträren Akt seiner freien Selbstverfügung ‚begreift’, stellt sie ihm die Selbstbeschränkung einer menschlichen Bindung an einen anderen Menschen als einen in jeder Weise zugleich karrierehinderliche und seine Lebensgestaltungsmöglichkeiten unnötig beschränkenden Verzicht vor, den ihm ein als arbiträre Privatsache behandeltes ‚gewissen’ einredet, das in die Lebensrealität als solche einen Zaun zieht an einer Stelle, wo gar keiner ist oder sein müsste, insofern hier lediglich eine beliebige ‚Wertvorstellung’ Grenzen zu setzen scheint, wo ‚das Leben’ oder die – als wissenschaftlich erschlossen vorgeführte – ‚Realität’ gar keine setzen oder als gesetzt erkennen kann.
Der Akt der Vergewaltigung wird im staatlich sanktionierten Sozialisationskontext derart untergebracht, die die Verführung in dem Briefroman von Choderlos de Laclos: Sie bedient sich einer Rhetorik, die sich der Zustimmung des Vergewaltigten versichert, den sie zu benutzen unternimmt, bevor dieser, aus dem Schaden klug geworden, sich gegen die von ihm gar nicht als solche erkannte Absicht verwahren könnte. Einmal gefallen, wird der Verführte zum Träger einer ansteckenden Krankheit, die er epidemisch verbreitet.
Die Rede ist nicht von AIDS, sondern von der Pest der systematischen Zerstörung des Menschlichen an den Beziehungen unter den Gattungsexemplaren, also der vorsätzlichen Zerstörung von Mensch und Kultur zugleich – es sind voneinander abhängige und sich wechselseitig voraussetzende KONZEPTE, und nicht einfach gegebene ‚physische’ oder ‚biologische’ Realiäten, denen eine ‚Forschung’ auf die Sprünge hilft, indem sie sich nur ganz ‚wertneutral’ aufführt, um ihren Auftraggebern zu gefallen, die ihr vornehmliches Interesse daran haben, dass ‚Realität’ wird, unter aktiver Mithilfe der von ihnen beauftragten und bezahlten ‚Wissenschaft’, was sie als Realität zu realisieren bestrebt sind – und das Hauptmittel dazu ist zunächst die Reduktion von Kultur und Mensch auf ‚privatem Belieben’ ohne sonstige Wirksamkeit reduzierte ‚Vorstellungen’, denen sich dann die organisierten Nutzungsinteressen mitsamt den ihnen entsprechenden ‚wissenschaftlichen Formationen’ entgegensetzen, in der Form der staatlich gelenkten Erziehung und den ‚objektiven’ Gegebenheiten des ‚Arbeitslebens’ einerseits, sowie den denselben Imperativen (der Nutzung der Herde) dienenden Entgrenzungen der ‚Lebensgestaltung’ des Individuums, das sich in diesem Bereich als ‚Herr seiner selbst’ oder als ‚frei’, als souverän fühlen darf und soll, einerseits, um die Zerstörung von Kultur und Mensch auf dem Wege und mit den Mitteln der progressiven, initial in Gang gesetzten Selbstzerstörung des Menschen selbst zu vollenden und andererseits um die Nutzungsmöglichkeiten der Herde weiter auszudehnen, eine ‚Entwicklung’, die sich mit der Kapitalisierung der ‚Bildung’ und ‚Erziehung’ angesichts des Umstandes, dass sie bereits weitgehend zu einer Form der Gehirnwäsche und zur Systematik der sozialtechnologisch in die Individuen, in das Konzept des Individuums importierte Selbstzerstörung des menschlichen Lebens in der Form der Existenzführung des Gattungsexemplars der Tiergattung Homo sapiens auf eine ebenso heimtückische wie hinterlistige und intrigante Art und Weise zynisch vollendet.
In der Sprache der ‚modernen Demokratie’: Wie in einer Shakespeareschen Theaterintrige wird der unmündige Souverän von seinen machtgeilen Beratern und Vormündern zu ewiger Unfähigkeit erzogen, sein Urteilsvermögen derart einzusetzen, dass er imstande wäre sich von ihrer Vormundschaft zu befreien, selbst dann, wenn ihm das Recht dazu angesichts seiner physisch erlangten Volljährigkeit zustünde, ja die Möglichkeit der Ausbildung dieses Vermögens wird ihm systematisch vereitelt und just darin besteht seine vollständig von den Palastintriganten kontrollierte ‚Erziehung und Bildung’. Zwanglos geht das Resultat dieser Erziehung über in die bekannten Formen der Selbstzerstörung, die zugleich die Notwendigkeit beweisen, dass er der Leitung weiter bedarf, die diese ‚Ratgeber und Erzieher’ an der Macht hält.
Die Entfaltung einer Kritik an einer postkulturellen Anthropologie, die den Namen der Kultur nach ihrem Tode weiter benutzt zu Zwecken einer Täuschung, die mit den an den Selbsterhaltungstrieb gekoppelten Erwartungen spielt, um ihre Nutzungskalküle gegenüber zu bloßen Gattungsindividuen einer Tierart herabgewürdigten Existenzen zur Geltung bringen zu können, ist gegenstandslos. Sie hätte keinen Adressaten. Es kommt also nichts auf sie an. Als intellektuelle Leistung entspräche sie einer sinnlosen Anstrengung, etwa so wie Löchergraben und wieder zuschütten in Strafanstalten, die sich sadistische Beschäftigungstherapien ausdenken um die Gefangenen zu quälen und ihnen ihre Wertlosigkeit unmissverständlich werden zu lassen indem ihre Lebenszeit vorsätzlich verschwendet wird.
Weder der Sehnsucht nach Menschwerdung noch der in jeder Erziehung unvermeidlich mit erzeugten Erwartung der Einlösung des in ihr stets mitgedachten Versprechens der Belohnung für die Unterordnung unter den Erzieher sind noch in ihrer Bedeutung berücksichtigte wesentliche Momente der postkulturellen Technik der Ausbrütung und der Aufzucht von Hominiden der Gattung Homo sapiens. Gleichwohl wird die stillschweigend genutzte und genährte Erwartung allüberall Gegenstand wirtschaftlicher Nutzung. Tatsächlich ist diese Nutzung Motor alles Wirtschaftens. Mit dem erklärten Ende dieser wie immer verformt weiterhin unterhaltenen Erwartung als einer notwendigen Täuschung, von der das gesamte Gefüge abhängt, seine pure Existenz, wäre aller Aktivität ein Ende gesetzt.
Das Herz des postkulturellen Nutzungsbetriebes der Biomasse Mensch ist die Sehnsucht nach Menschwerdung, abgeleitet auf die Erwartung zur Verfügung über ein Bankkonto, einen Computer, eine Kücheneinrichtung, eine Wohnung wenigstens von der Größe einer Zelle, ein Auto, das Recht oder gar den Anspruch, ‚in Urlaub zu fahren’, einen DVD-Player, Kleidung nach der neuesten Mode usw., kurz: Gegenstände ohne Wert und Bedeutung, in deren Existenz Kalkulationen eingegangen sind, die einen wie immer verteilten Gewinn vorsehen, der nichts ist als dieser Gewinn. Als hätte man etwas verloren, wenn man diesen ‚Gewinn’ nicht macht. Aber noch weniger hat in Wahrheit verloren, wer seine Erwartungen nicht an den Besitz dieser Kisten, Kästen und Wundertüten klebt als gehörten sie dorthin. Es sind nichts als Etiketten, die der auf der Suche nach der menschlichen Welt von Intriganten und Hofschranzen in die Irre gesteuerte Wunsch den wertlosen und bedeutungslosen Dingen anklebt. Man kann sie von ihnen abziehen, wenn man sich schon die Mühe nicht erspart hat, sie ihnen erst anzukleben, und siehe, sie stehen nackt, als rostende, versagende wertlose Spielzeuge in vollkommener Sinnleere, starr, tot, unendlich hässlich, ohne eine einzige nennenswerte Fähigkeit, wie sie das Leben auszeichnet, das vom Lächeln eines Menschen ausgehen kann, von der Freundlichkeit eines Blicks, der Hand, die sich auf eine Schulter legt.
Unter den Bedingungen einer in die Erziehung eingebauten Täuschung, die den Wunsch nach Menschwerdung benutzt – solange sie ihn nicht mehr oder weniger offenkundig abbaut und durch das leere Versprechen der Möglichkeit des Besitzes von Gegenständen oder Vorteilen ersetzt, die zu erlangen angeblich die Mühe lohnt – um ihn vorsätzlich zu missbrauchen, wird das Leben zur Täuschung, subjektiv zum Irrtum. Die um der Aufrechterhaltung des Scheins einer menschlichen Lebensumgebung willen immer wieder frisch gestrichene Fassade der Menschenwürde und ‚Kultur’ und dergleichen, die kaum das Papier wert sind, auf das die Machtapparate sie in ihrem Namen schreiben lassen, zum Zweck des erzwungenen Auswendiglernens durch missbrauchte Kinderseelen, die auf einen wirklichkeitsfremden Glauben dressiert werden, der ihrem Missbrauch, ihrer beliebig verfügbaren und ganz alltäglichen Schändung dient, sind mitgeschleppte Reminiszenzen an eine längst liquidierte Idee der Gesellschaft, die keinerlei reale Grundlage in der Wirklichkeit der Gegenwart irgendwo auf dieser Welt hat, und wo sonst sollte sie sie haben.
Selbst die Science-Fiction-Märchen, mit denen die Welt überzogen wird von der Industrie, die die Nutzungskalküle propagandistisch verbreitet, die sie zugleich realisiert durch die ‚Bedienung’ ihrer ‚Kunden’, in Wahrheit entrechtete Opfer, die in unbewachten Momenten bei ihren noch verbliebenen Sehnsüchten und Lebensenergien ergriffen werden um sie zu infiltrieren mit der ‚Erleuchtung’, der momentanen Evidenz: Ja, das ist es, und um sie sogleich in den nächsten Laden zu lenken um sie ferngesteuert und berührungslos abzumelken, kann gar nichts anderes mehr denken als dass das ganze von Stephen Hawking persönlich in einer Nussschale – seinem hohlen Schädel – untergebrachte Universum ausschließlich von den Regeln der militärischen Führung auf einem Flugzeugträger der US-Armee – die so gut ist wie jede imperiale Armee sonst – regiert und beherrscht wird. Es ist tröstlich zu wissen, dass das ganze Universum unter der Herrschaft eines US-Aircarriers steht. Da herrscht eine faszinierende Ordnung und Disziplin. Da schlägt das Herz aller dieser kleinen Diktatoren und absoluten Herrscher höher, in deren Amtsstuben wie Arbeitsteilungsformen sich der Große Führer zurückgezogen hat nach seinem Abgang von der historischen Bühne, aus Gründen des Entkommens in die Unbelangbarkeit ‚objektiver Verhältnisse’, die den unschätzbaren Vorteil haben, keiner persönlichen Verantwortung mehr zugerechnet werden zu können. Die fällt vielmehr ausschließlich – welch ein großes Wunder – in die Pflicht des vollkommen entrechteten und restlos zugerichteten Individuums, das zu sich ‚Ich’ sagen darf, damit man es juristisch verantwortlich machen kann unter Umständen, die faktisch diese Verantwortlichkeit längst erledigt haben. Nur wer ein selbständiges Urteilsvermögen hat ist verantwortlich, und auch nur dann, wenn er ihm folgen kann. Denn es ist nichts als ein Hindernis – als private Idiosynkrasie am Rande des Irrsinns – wo es Imperativen entgegentreten müsste, die anderes bereits verfügt haben noch bevor es sich, als subjektives Vermögen, dessen Bildung Zeit braucht, geltend machen könnte. Es wäre Karrierehindernis und würde nur bemerkbar als versagende ‚Anpassung’, als stubbornness, Begriffsstutzigkeit, Blödheit, Mangel an Intelligenz, wo nicht Schlimmeres, das die Psychopathologie zu diagnostizieren hätte, am besten als ‚genetischen Defekt’. Und das ist instinktsicher geurteilt, vom Standpunkt des Tierzüchters nämlich, der die noch verbliebenen Merkmale der ‚Wildheit’ durch Zuchtwahl und Selektion auszumerzen bestrebt sein muss und entsprechend verbleibende ‚Programmierungen’, die unter den Bedingungen des Wildlebens sinnvoll sein mochten, aus den Genen der Art aussterben lässt.
Es ist also lediglich eine Frage beharrlich betriebener fortgesetzter Selektion durch den aufmerksamen Züchter, die unerwünschten Merkmale des Verhaltens einfach auf lange Sicht auszumerzen, indem er sie negativ ‚sanktioniert’, mit welchen Mitteln auch immer, bis jene gefügigen und gut verwertbaren Formen gelungen sind, die auf den Ausstellungen die Preise gewinnen. Politik und Erziehung sind damit problemlos als Formen der Massentierhaltung identifiziert, deren ständig weiter vorgetriebenes Zuchtziel eine immer weitergehend gelungene Domestizierung des Nutztiers Homo sapiens ist. Das ist zugleich der Sinn der übergreifenden Einrichtungen des ‚modernen Wirtschaftslebens und der politischen Administrationen, es ist der wo nicht offen legitimierende, so heimlich, implizit führende Gesichtspunkt hinter aller organisierten Drohung mit oder der Anwendung von Gewalt oder manipulativen technologischen Führungsmitteln gegenüber der hominiden Biomasse.
Kein orientalischer Despot, kein Diktator oder Eroberer, kein Cäsar oder Autokrat hätte davon träumen können, Derartiges realisieren zu können. Und die Frage ist, ob er es hätte wollen können, impliziert es doch das Ende des souveränen Individuums mit, dessen Idee der selbst nur repräsentierte. Im kleinen Führer in jeder Amtsstube ist indessen die Souveränität sowohl vernichtet als wiederum aufgerichtet, als der Kompromiss, der die unpersönliche Amtsausübung mit der Befriedigung der Partizipation an der Machtapparatur verkoppelt und derart einen Kompromiss anbietet zwischen den sadistischen Impulsen, zu denen der Mordinstinkt des Predators mediatisiert wird, und der Entpersönlichung der Macht in der Form der Maschine, an deren Werkbänken ihre Funktionäre lediglich die Verschaltungen vornehmen, die dem jeweiligen Programm entsprechen. Bürokratien sind eine Form der Software, deren Hardware das System der miteinander verschalteten Funktionäre ist, deren Funktionieren von dem jeweils implementierten Betriebssystem und den über ihm fungierenden anderen Teilsystemen gesteuert wird, entsprechend einem in sich selbst rückgekoppelten Kontrollmechanismus, der Anfang und Ende, Bedarf an bestimmten Funktionen und Teilprogrammen einerseits derart anmeldet, dass die Teilsysteme sich selbst ggf. neu oder anders programmieren, und dabei andererseits die jeweils implementierten Funktionen und Teilprogramme auf ihre bedarfsgerechte Funktionstüchtigkeit hin testen, Lücken der Kontrolle oder Verfahrenslücken bzw. ‚-mängel’ feststellen und entsprechend Nachbesserungen oder den Austausch von Teilprogrammen nahe legen etc.
Die Bürokratie der vermeintlichen Demokratien ist der integrierte Gesamtdespot eines in der Tat und Absicht totalitären Systems der Kontrolle der Populationen bis in die letzte Faser ihrer nervösen Innervation.
Zu diesem System hatte ich nichts beizutragen. Ich habe ihm niemals zugestimmt und meine Zustimmung dazu wäre unter keinen Umständen jemals zu erlangen. Nur um den Preis einer von diesem System selbst ausgehenden und von ihm vorsätzlich unterhaltenen, jedenfalls ihm zuzurechnenden Täuschung konnte es gelingen mich dazu zu bewegen, nicht nur ein Leben in dieser Länge zu führen, sondern darüber hinaus darauf zu vertrauen, dass es ein menschliches und menschenwürdiges Leben unter den angegebenen Bedingungen auch nur als Möglichkeit überhaupt gibt, und dem entsprechend dazu beizutragen, vier weitere Menschenleben einer folgenden Generation zu Zwecken der Aufrechterhaltung und den gänzlich unvorhersehbaren Ausbau dieses Systems bis nahe an die Grenzen der ihm immanenten Logik der Liquidierung des Menschen zugunsten eines Kalküls der globalen Nutztierhaltung gegenüber der Gattung Homo sapiens zu realisieren, eine Kalkulation, die sich auf das Gelingen der Täuschung stützen muss, die die Fassade einer menschlichen Kultur vor dieser Wirklichkeit der Nutztierhaltung einer Herde durch eine Bande von Fleisch fressenden Predatoren in Menschengestalt aufrecht erhält, um den Eingang zum Schlachthof zu kaschieren, und die den Blutgeruch der Massenschlachtungen mit dem Duft von künstlichen industriellen Waschmitteln und dem noch verfügbaren Weihrauch sinnleerer Traditionsrituale zu überlagern bestrebt ist, und die verbleibenden ‚Fragen’ mit den verfügbaren ‚wissenschaftlich’ erfolgreich erkundeten und getesteten Konditionierungsmethoden in der Form der schulischen und universitären Massenausbildung beantwortet, die die erwünscht erscheinende Antwort assoziativ (durch ‚Lernen’!) mit der auftauchenden Frage derart verkoppeln (das wird ‚geprüft’!), dass sich mit der Frage stets sogleich die automatisch assoziierte Antwort einstellt um die Frage als beantwortet schon erledigt zu haben noch bevor sie richtig zu Bewusstsein gelangt ist, als aufgetauchte Frage. Wünschenswert erscheint aber anderes: dass die Frage gar nicht mehr erst auftaucht, bewusst wird, dass da die Möglichkeit einer Frage überhaupt sein könnte. Der perfekte ‚Lernprozess’ ist der, der dieses Ziel realisiert hat.
Unter diesen Umständen ist jede ‚Schöpfung’ – und die Zeugung von Nachkommen ist eine solche – unverantwortbar. Sie ist nichtig angesichts einer hinter der Maskerade einer längst vergangenen oder nie wirklichen Fassade von Kultur, einem Bühnenbild, das einen Palast zeigt, wo eine Hinrichtungsstätte ist, um der Verfügbarkeit von Opfern willen, die für das endlose Schauspiel der Macht und der Gewalt genutzt werden können, um der Verfügbarkeit von Menschenopfern willen, die noch je jede Macht gebraucht hat, um sich selbst angemessen zur Darstellung bringen zu können, und deren Zahl noch stets gerade dann ins Ungemessene steigt, wenn die Veranstaltungen der Macht ihr mögliches Scheitern an einer sich unter ihren Füßen verändernden geschichtlichen Wirklichkeit indiziert. Dann gelingt ihre Selbsterhaltung u. U. nur wie in einem Kaleidoskop eine Änderung eintritt; entsprechend dem schlagartigen Umkippen einer starren Ordnung in eine andere, die im Wesentlichen dieselben Bausteine oder Bruchstücke in einer anderen Konfiguration zeigt.
Was all die Jahrhunderte betrifft, die die Vorfahren der jetzt lebenden Generation durchlebt haben, so verliert sich die Spur im Dunkeln einer immerhin zugänglichen Geschichtskenntnis, jedenfalls was die Spur der individuellen Leben betrifft. Aber die letzten beiden Jahrhunderte sind überschaubar, auch als individuelle Geschichten. Was meine Urgroßeltern erlebt haben, was meine Großeltern, meine Eltern und ich, das ist mir bekannt als mehr oder weniger akkumulierende, und in einen Untergang auf offener Bühne auslaufende Katastrophe, aus der es keinen Wiederaufbau geben wird. In meiner Person inkarnieren sich die Traumen zweier Jahrhunderte bis hinein in die letale kulturelle Katastrophe. Das ist meine wirkliche Erbschaft. Es gibt sonst nichts zu erben.
Man muss sich die ‚Weisheit’ Goethes noch einmal vornehmen angesichts dieses Ausgangs einer kulturellen Entwicklung: „Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es um es zu besitzen“. Die bewusste, aus eigener Bemühung resultierende Aneignung der Traumen von vier Generationen ist unmöglich, menschlich weder zumutbar noch überhaupt realisierbar. Man muss sich vor Augen halten, dass diese Formulierung für Goethe möglich war, sie hatte einen erkennbaren Sinn, der nicht mit dem offenkundigen Wahnwitz gleichzusetzen sein kann, zu dem dieser Sinn unter den gegebenen Umständen gerinnt, umschlägt. Das zeigt nicht nur den ‚Abstand’ der Goetheschen Kulturwelt zur ‚modernen’, sondern es zeigt die Bedeutung dessen, was der Ausdruck ‚postmodern’ bedeutet - der einer architektonischen Wahrnehmung entnommen ist, ein Umstand, der die begriffliche Ratlosigkeit und Impotenz der sogenannten Sozialtheorie hinreichend anzeigt, wenn auch nicht ihren Grund: Ihre akademische Institutionalisierung als Staatsangelegenheit durch Berufsbeamte, deren Existenz auf einem der ersten Gesetze der Nationalsozialisten beruht, dem Gesetz zur Wiedereinführung des Berufsbeamtentums in Deutschland, dem sich die Einführung von Meldebehörden und Personalausweiszwang anschlossen, auf denen bis heute stillschweigend alle wissenschaftliche Diskussion über ‚Identität’ und verwandtem aufsetzt ohne auf diese Existenzvoraussetzungen ganzer Wissenschaftsformationen der ‚Moral Sciences’ einen Gedanken zu verwenden – der tatsächlich heißen müsste: postkulturell, postgesellschaftlich und postsozial, ebenso postindividuell und postdemokratisch usw.
Niemand wenigstens in Europa oder dem angelsächsischen Sprachbereich kann heute im Ernst darauf auch nur Anspruch erheben, in diesem Sinne des Satzes von Goethe eine Erbschaft antreten zu wollen oder auch nur zu können. Die Aneignung der unvermeidlichen Erbschaft des Traumas ist undenkbar, gar aus eigener Anstrengung. Es wenigstens nicht weiter zu vererben konnte das einzige Ziel sein. Das setzt aber neben der bewussten Beschäftigung mit dem Unvermeidlichen eine kulturelle Umgebung voraus, die nicht entweder auf einer fassadären Kultur oder auf einem in der Tat postkulturellen Zustand gründet, in dem nicht nur keinerlei Regeln mehr gelten, in deren Medium man sich mitteilen könnte derart, dass man verstanden wird, weil es etwas gibt, das sich von selbst versteht und dessen Verständnis nicht erst erarbeitet werden muss – in der Form der ‚Produktion menschlicher Beziehungen, ihrem ‚Aufbau’ etc. – oder nach Belieben unter Stützung auf das subjektive Belieben oder die blanke Insuffizienz, den moralischen Schwachsinn verweigert oder einfach ignoriert werden kann. Wer etwas ‚produzieren’ oder ‚aufbauen’ will, muss die Voraussetzungen auch im metaphorischen beachten, damit die Metapher überhaupt greift. Etwas herstellen, setzt Materialien voraus, die nicht ihrerseits hergestellt sind, auch wenn sie ‚beschafft’ sein mögen, was nichts anderes bedeutet als dass sie gegeben, vorhanden sind. Wer etwas ‚aufbauen’ will, kann das nur auf einer Grundlage tun, selbst wenn es eine Raumstation ist. Auch dann hat alles einen oder mehrere Standorte – am Boden. Wer sich der Logik beider Metaphern einfach entzieht, auf welchem Wege auch immer, belegt nichts anderes als das Faktum eines postkulturellen Zustands der Anomie, in der nichts mehr geht, weil vermeintlich alles geht. Es ist der Zustand transkultureller Verwahrlosung, gegen den Kultur von Anfang an deshalb gebaut wurde, weil der Instinktmangel der Gattung, ihr Vorteil und ihre Achillesferse zugleich, die Kompensation dieses Mangels durch Kultur erzwang. Dieser Zustand ist nicht prä kulturell. Denn Kultur fängt ihn von Anfang an ab noch bevor er eintreten kann.
Der postkulturelle Zustand ist ein Spätprodukt einer von der Unersättlichkeit von hypertroph gewordenen Machtapparaturen - die sehr viele Gattungsexemplare ernähren und damit auch korrumpieren (im Sinne der bedingungslos eingekauften Bereitschaft sich für jeden von dem Apparat gesetzten Zweck verwenden zu lassen gegen die Garantie der Lebenssicherung, anders gesagt: Der wenigstens vorläufigen Garantie einer ‚Karriere’, wobei ‚Karriere’ nichts anderes ist als die Koinzidenz von Verwendungs- und Verfügbarkeitsbereitschaft und allgemein sichergestellter Belohnungsgarantie bei Befolgung der Anordnungen und Befehle und der artikulierten, der stillschweigenden und der nicht einmal ausgesprochenen, geschweige denn denkbaren Erwartungen an den mit der Wahrnehmung der Interessen des Machtapparats Beauftragten, eine Komposition von Konditionen, die sich am wirksamsten im obersten Amtsträger und im Typus des Wissenschaftlers darstellt, die man nicht nur völlig frei agieren lassen kann, sondern die ein Übersoll der Erwartungserfüllung erbringen, indem sie die Erwartungen des Machtapparats und seine wirksamen Kontrollmechanismen nicht einfach befolgen, sondern weiter entwickeln und erfinden, durchaus im Sinne kreativer Neuerungen, die man bei genauem Hinsehen der erfolgreichen Auseinandersetzung mit dem, aus einer Erfahrung mithin entnimmt, die man dem Entgegenstehenden verdankt, dessen Prinzip sogar an bestimmten signifikanten Wendepunkten der Entwicklung übernommen wird, weil es einen ‚Fortschritt’ bedeutet, wenn man es aus einem Entgegenstehenden in ein Moment des Funktionssystems selbst ‚integriert’) - hervorgerufener und erzwungener Zustand des kollektiven Lebens, stets auch das Symptom einer aus den Fugen geratenen Lebenswelt, ja deren faktische Auflösung, insofern es einer Gemeinsamkeit bedarf, um eine Lebenswelt zu konfigurieren, und dies sind nicht ‚gemeinsame Überzeugungen’, sondern gemeinsame kulturelle Grundlagen für die Ausbildung von Überzeugungen, die eine Garantie für ein lebbares Minimum von überlappenden Vorstellungen bietet, in deren Rahmen unproblematische Verständigung möglich bleibt.
Wo sich die Erzieher als korrupte Agenten verwaltungstechnischer Verfügung über eine Population erweisen, mit deren verantwortlicher Erziehung sie zugleich beauftragt sind, einer Erziehung, die sich als stellvertretend für die Eltern agierende Einführung in die geltende Kultur zugleich beauftragt fühlen zu können glaubt, wo sich endlich deren freigelassene life-style ’Bedürfnisse’ diffus mit einem pädagogischen Entgegenkommen im Namen modernerer Erziehungsprinzipien zu einer ununterscheidbaren Mischung von triebhaften und Entlastungs- mit Rechtfertigungsbedürfnissen und dem Gehorsam gegenüber den Oberen einer in geheimen Kammern residierenden Politik gar zu ‚wissenschaftlichen’ Grundsatzprogrammen verdichtet, die sich etwas darauf zu gute halten, alle diese rationalen, rationalisierenden, triebhaften und verwaltungstechnischen mit den wirklichen ‚Erfordernissen der Gesellschaft’ und des Lebens sowie der Kultur und diese mit den tatsächlichen Motiven von Menschen Nachkommen zu haben, in denen sich ihre Existenz fortsetzt, da ist endlich jeder Betrug mit dem Titel des Wissenschaftlichen und des wissenschaftlichen Fortschritts gar nicht nur vereinbar, sondern unvermeidlich, insofern die Wahrheit in diesem Gefüge nicht vereinbarer Elemente auf der Strecke bleiben muss, mindestens deshalb, weil der für die Lösung solcher Aufgaben gar nicht vorbereitete Verstand (und die seelisch-geistige sowie die Bewusstseins-Verfassung) der Generation, die auf diese Aufgaben stieß ohne ihr von ihren eigenen Bildungs- und Erziehungsvoraussetzungen her überhaupt gewachsen sein zu können, an der Lösung dieser Aufgabe scheitern muss(te).
Es ist dem Größenwahn – und damit der gänzlichen kulturellen Verantwortungslosigkeit dieser Generationen - zuzurechnen, dass sie sich dazu ermächtigte, nur einmal mehr im Geiste eines unbewältigten Erbes, das mangels Bewusstsein davon einer aktiven Aneignung oder Zurückweisung, jedenfalls einer Bearbeitung gar nicht verfügbar werden konnte. Kaum verwunderlich ist, dass der Größenwahn dieser Kulturschöpfer, die selbst als aktive Zerstörer aller Kultur und als Produkte dieser ihrer Zerstörungswut zugleich zu betrachten sind, sich sogleich in verschiedene, miteinander verfeindete Lager spaltete um sich auf diese Weise zu Protuberanzen einer Art von Produktivität aneinander empor zu steigern, die man leicht, besonders unter den Akteuren und Agenten, als wissenschaftliche Leistung, als Forschung und Fortschritt zu feiern geneigt ist, während es sich lediglich um die unvermeidlich mit derartigen Aktivitäten, im Wesentlichen Kampf um knappe Ressourcen, verbundene ‚Veränderung’ handelt, die sich ab der sich herausbildenden Resultante in einem mechanischen Kräfteparallelogramm ablesen lässt, das sich zur Geschichte der menschlichen Kultur so zufällig verhält wie sonst ein Naturvorgang im Weltbild der Physik sich zu ihr verhalten mag, der in genügend großer zeitlicher und räumlicher Nähe zu ihr als einem Existierenden stehen mag, dass er einen bemerklichen Einfluss auf ihre Form ausüben kann, vorausgesetzt, sie existiert überhaupt (noch). Was derart an ‚Rollen ‚ oder ‚Verhaltens ‚Theorie’’, Familiensoziologie und ‚Kommunikations-‚ oder ‚Interaktionstheorie’, Pädagogik und Therapieformen auf den Markt drängte, hatte seinerseits bereits nicht mehr die Form der Kultur, sondern die eines Industrieprodukts, das vorwiegend im Auftrage von Verwaltungen und Erziehungsfabriken ‚generiert’ wurde vorwiegend zum Zweck der Rechtfertigung, der Legitimierung und der Begründung der angewendeten Formen der Gewalt, jedenfalls aber der Bekundung des entschlossenen Bekenntnisses zur Anwendung der entsprechenden Verfahren und der damit verbundenen Normen und ‚Anforderungen’. Denn gerade wenn die Zahl der möglichen Bewerber um ‚Positionen’, um die es zunächst noch hinter der vorgehaltenen Hand mehr und mehr ausschließlich ging, wuchs, musste die Begründung der Selektion sich umso entschlossener verwissenschaftlichen, anders gesagt, gegen Widerspruch von Seiten der Objekte der Selektionsverfahren immunisieren.
Das zwingt erstlich zu einer entschlossenen Entwertung und ‚Relativierung’, also einer Suspendierung von Traditionen, auf die sich ‚Ansprüche’ gründen lassen, an denen eine Verwaltung nicht vorbeikommt, und andererseits zu einer wachsenden sprachlichen Verschlüsselung der Absichten und Verfahren, die faktisch angewandt werden, und hier haben die genannten ‚Wissenschaften’ in der Tat eine Reihe von vorbildlichen Produkten und sogar ein paar Meisterdenker hervorgebracht, die als Saurier ihrer Fächer in deren Geschichte eingehen werden, zugleich diese Geschichte aber auch beendete haben, insofern sie ein letztes Mal den Auftrag übernahmen, eine Generation von hinreichend Gebildeten zu disziplinieren, denen sich die ihnen auferlegte Gewalt in der Gestalt einer ihnen selbst einsehbaren Vernunft aufzuzwingen hatte, wenn sie erfolgreich sein wollte, während aus dem Hintergrund bereits die zynische Melodie der Rechtfertigung der Systeme der organisierten Gewaltanwendung gegen die Populationen aus ihrer eigenen Theorie, der Systemtheorie sich als Kontrapunkt der Kulturfassade eines an ein Vernunftkonzept und an eine Urteilskraft des gebildeten Einzelnen appellierenden Sirenengesangs nach vorn spielte, der das Ende der Bildung ankündigte, an die auch diese Theorie sich noch wandte, wenn auch mit dem offenen Hohn des durch alle dunklen Flure der Großverwaltungen und alle Aktenschränke gekrochenen Praktikers, der auch die informellen Praktiken des Apparats auf eine Art und Weise offen legte, die den, der das zu lesen vermochte, davor warnen musste, einerseits noch länger der Autonomie seines gebildeten Urteilsvermögens im Anschluss an die europäische Vernunft sowie den zu ihrem Lob gesungenen Gesänge zu lauschen, und andererseits darauf aufmerksam machte, auf welche Art und Weise, gemäß welchen kompositorischen Grundsätzen die Neue Musik der postkulturellen Verwaltungs- und Machtapparate tatsächlich komponiert wurde, die es sich nicht nehmen lassen würde, die Früchte der von ihr selbst inszenierten und veranstalteten kollektiven Traumatisierung der von ihr unterworfenen Populationen nun auch zu ernten, und nicht etwa eine Rückgängigmachung der von ihr veranstalteten Anstrengungen zuzulassen oder gar selbst zu betreiben.
Da war immer diese Sehnsucht. Wie langweilig ist die mir ständig unterlaufende Aberration in die Erörterung des Weltzustandes. Als ob er von Wichtigkeit wäre. Einzig dazu wäre es gut von ihm zu wissen, um sagen zu können, dass er kein Objekt dieser Sehnsucht sein kann. Er kann bestenfalls Objekt eines unbeschreiblichen Ekels und Abscheus vor dem Monstrum sein, das ihn zu verantworten hat. Ich habe diesen Weltzustand aber mit zu verantworten. Ich habe ihm zu vier weiteren Bedingungen seiner Möglichkeit verholfen.
Als ich mich meinte entschließen zu sollen, darauf zu bestehen eine Familie zu haben, war diese längst im Zustand der fortgeschrittenen Erosion in Richtung auf ihre alsbaldige Unmöglichkeit. Alles stand schon dagegen. Ich meinte der Wunsch sei stärker als das was ihm entgegen stand und es könne ein Durchkommen geben, wie man von dem Windstoß, den eine Lawine vor sich her schiebt, auf einer Art Polster getragen werden kann, wenn man etwas Glück hat, und die Lawine das Luftkissen nicht schließlich überholt. Die Lawine war schneller, in der Endgeschwindigkeit. Die Kalkulation war ungenau. Außerdem habe ich ein Trauma geerbt, eine Reihe von solchen, dem ein weiteres oder mehrere weitere hinzugefügt wurden, als sei es nicht genug gewesen, zu viel, viel zu viel für eine Person zu tragen. Auch hier war meine Rechnung falsch. Ich hatte sie ohne den Wirt gemacht, so als sei das Haus mein eigenes.
Meine Befürchtung, dass diese Vorbelastungen, bereits von einer Person eingebracht, Probleme schaffen können, eben weil ich weiß, dass Traumen selbst dann weiter vererbt werden, wenn sich alle Beteiligten in sorgfältig gehütetes Schweigen kleiden, weil die Leerstelle dann eben die Kontur des Traumas kenntlich werden lässt und als Defekt, als Deformation, als Taubheit, als eine Art von steinerner, von der Sprach nicht zu durchdringender Block weiter gereicht wird. Aber was durch die Überlegung und Kenntnis vielleicht ein wenig gemildert, und durch einen verständnisvollen Partner, der nicht auf ähnliche Weise gezeichnet ist, mit oder ohne sein Wissen, aufgefangen werden kann, ist in der Multiplikation, zu der sich das akkumuliert, angesichts der traumatischen Beschädigung beider Partner nicht mehr zu bewältigen. Daher meine Erkundigung: Woher kommst Du? Ich hätte wissen müssen, dass die Auskunft nichts besagen muss. Als ich erkennen musste wohin ich geraten war, stockte mir der Atem und es war klar, dass nun keineswegs alles vorüber war. Dazu war es zu spät, nach der Geburt des ersten Kindes. Das Verhängnis musste nun seinen Lauf nehmen und erst an seinem erwartbaren Ausgang war zu beweisen, was sich abzuzeichnen begann von Anfang an und was mich zur Verzweiflung trieb, weil ich wusste, wie es aller Wahrscheinlichkeit nach ausgehen musste.
Mehrere, unter anderen Umständen mit Sicherheit tödliche Entwicklungskrisen des erstgeborenen Kindes, ein schwach getarnter Selbstmordversuch des zweitgeborenen, mit nebenbei begleitendem erheblichem Vermögensschaden, eine Krampferkrankung des drittgeborenen, und lediglich das kleine Geißlein im Uhrkasten scheint dem bösen Wolf bisher entkommen, der hinter jeder Tür und in jeder Ecke des Hauses lauert. Das kann kaum vorbei sein. Denn man hätte selbst dann annehmen können, dass, alle Möglichkeiten der Entspannung der aufgrund der Enttäuschungen zustande gekommenen Todfeindschaften in Anspruch genommen, die gehobene Bildung der folgenden Generation, die immerhin als Verbesserung gegenüber dem senkrechten Absturz der vorhergehenden verzeichnet werden konnte, dazu beitragen konnte, die unmögliche, blockierte Reflexion im Gespräch unter Generationen noch ein wenig aufzuarbeiten, zumal angesichts der sich so oder so nicht zufällig ergebenden Studiengegenstände. Aber wieder betrog der Wunsch, es möge doch anders sein, die sich mit der Logik einer Dampfwalze entwickelnde Realität dieser gar nicht zustande gekommenen Familie. Ich hätte wissen müssen, dass die blinde Destruktivität, die da wirkte, vor nichts haltmachen würde und dazu ein Bewusstsein nicht braucht.
So ist nun auch die Verbindung zwischen dem Vater und den ältesten Kindern an einer chronischen Vergiftung verendet. Das kann ich nicht gewollt haben und ich habe es nicht gewollt. Warum sollte ich wollen, dass etwas existiert, dessen Existenz von meinen Entscheidungen abhängt, und das sich gegen mich wendet um mich verächtlich zu machen, mich auszuschließen und mich zu hintergehen, sei es auch nur mit seinem Opportunismus, wenn nicht mir bewusstem Vorsatz und Absicht. Es liegt aber in der Logik der Vererbung des Traumas, das just dies geschieht, und es belegt seine gelungene Vererbung. Hätte ich die Wahl, dann hätte ich lieber bösartige Kinder als Kinder, deren Wahrnehmungsfähigkeit und deren Soziabilität ein Defizit aufweist, weil das Erstere ihre Überlebensfähigkeit vielleicht sogar stärken könnte, das Letztere dagegen ein Handicap darstellt.
Aber die Frage stellt sich so nicht. In keinem Fall kann ich veranlasst werden, der Existenz von etwas zuzustimmen, das sich gegen mich wendet um mich zu verletzen oder mir zu schaden. Ich wünsche seine Nichtexistenz! Es gibt genug, das ich nicht (mit) geschaffen habe, das sich täglich gegen mich wendet. Es bedurfte nicht meiner Beihilfe zur Vermehrung meiner Todfeinde. Die vererbte Traumatisierung ist aber gleichbedeutend mit dieser Vermehrung, und ihre Potenzierung durch zwei solche aus der Kultur gefallene Personen macht das Ergebnis nicht kleiner. Und das ist schon genug. Schon eine Person dieser Art ist in einer Familie als Erwachsener zu viel. Meine Entscheidungen waren falsch. Sie haben vor allem auch mir geschadet und meine letzten Möglichkeiten vernichtet, einen anderen Weg zu nehmen.
Inzwischen nehme ich den Ausgang der Entwicklung für die beiden äußerlich noch intakt wirkenden Verständigungsverhältnisse mit Leah und Sarah vorweg. Sie werden unvermeidlich dasselbe Ende nehmen. Es ist sicherer, die Dinge so zu sehen. Was bereits vergangen ist, kann mich in Zukunft nicht mehr beschädigen. Der Schaden liegt hinter mir. Sarah habe ich bereits die diesbezüglich gültige Mitteilung zukommen lassen auf dem Wege unserer Verständigungsmöglichkeiten. Die Dampfwalze, die vor nichts Halt macht, wird auch dies überrollen. Nehmen wir also an, das sei bereits geschehen. Was ich will ist einfach sicher sein, auf jeden Fall ausschließen zu können, dass es noch je irgend jemanden geben kann auf dieser Welt, der imstande sein könnte mich zu verletzen. Niemand, an dem ich in dieser Stadt vorübergehe, kann mich verletzten. Ich unterhalte keinerlei Relationen, die das überhaupt ermöglichen könnten.
Das ist Sicherheit. Solange ich niemanden kenne, mit niemandem rede, niemanden beachte, bin ich in Sicherheit. Ich kann mich dann mit meiner Sehnsucht unterhalten, wie töricht sie war, wie sehr sie mich getäuscht und irregeführt hat, in dieser Teufelsmühle, in einem akademischen Puff, unter Kindermörderinnen, die einen in den Dreck ziehen, wenn man ihnen die Hand reicht, um sie aus dem Loch zu ziehen, in dem sie sich eingerichtet haben, bloß weil man meint, sie müssten der Ansicht sein, dass es für sie noch etwas anderes geben könnte als dies. Und die darauf bestehen, das zu erneuern, ganz egal wie weit man zu ihnen auf betonte Distanz geht um ihnen klar zu machen, dass man nicht gewillt ist, dem Umgang zuzustimmen, zu dessen Gegenstand einen das Unschuldslamm macht, das seine ungeborenen Kinder im Mutterleib ermordet hat, aber darauf besteht, ein akzeptabler Mensch zu sein, ein Kulturwesen.
Faust hat Gretchen verführt. Er hat sie verlassen und damit zur Kindermörderin gemacht. Aber ich habe Dich weder verführt noch verlassen. Ich habe versucht, meine Mitschuld zu tilgen, in die Du und diese verkommene akademische Hure mich verwickelt haben, indem sie mich um Rat baten. Wie konnte ich annehmen, dass Deine Gewissenlosigkeit so weit gehen konnte, angesichts der Konfrontation mit dem möglichen Tod des Kindes nicht zurückzuzucken und zu Verstand zu gelangen, indem Du Dich verantwortlich machst für Dein Tun. War es nicht Dein freier Wille, Dich mit dem Vater Deines ermordeten Kindes in ein Bett zu legen und ein Kind zu zeugen? Ist die Konsequenz der geschlechtlichen Vereinigung nicht die Zeugung des aus ihr hervorgehenden Dritten, des neuen Lebens, das den Bund zwischen den Liebenden besiegelt und bestätigt? Welches Recht zum trotzigen Aufbegehren, zum ignoranten und störrischen Widerstand einer zur Reue unfähigen mörderischen Seele, die darauf besteht, das Recht war was sie tat, weil keine weltliche Gewalt mehr ihr in den Weg tritt um sie als Mörderin zu brandmarken, hat eine Frau, der man ihr anhaltend und uneinsichtig fortgesetztes verwahrlostes, moralisch entgleistes ‚Verhalten’ vorwirft dazu, andere anzuklagen, die ihr schließlich ihre eigene Melodie vorsingen um sie zum Tanzen zu bringen? Und welche Frechheit gehört dazu sich darüber zu beklagen, anstatt einzulenken und zu sagen: Das tut weh, ich hatte davon keine Vorstellung (mehr), es tut mir leid, ich habe meine Lektion verstanden, laß’ uns unseren Garten bestellen?
Ich habe Gretchen nichts getan. Aus eigenem Willen hat sie sich auf ein Lager gelegt mit ihrem Geliebten. Das war nicht ich. Wir waren durch Welten getrennt.
Aus eigenem Willen hat sie ein Kind gezeugt. Mir erklärt keine schwanger gewordene Frau, sie habe DAS nicht gewollt, und es sei irgend wessen Schuld sonst, nicht unter den Umständen. Es gibt und gab Antikonzeptiva, sie waren und sind frei verfügbar, es gab und gibt keinen anderen Anlass für einen Kindermord (der so oder so ein Trauma hinterlässt, das man Dir auf Meilen ansah) als den des mörderischen Impulses, der das Kind dann auch umbringt. Das ist Fakt, und alles andere ist eine schmutzige Lüge, die man sich vom Sozialarbeiter abnehmen lassen kann, der man selbst ist, damit man die Lüge, die Ausrede, die Verantwortungslosigkeit und die moralische Verwahrlosung zur wissenschaftlichen akademischen Form bringen kann. Meiner Mutter ist ein Sohn, mein älterer Bruder gestorben und sie hat ein Leben lang darunter gelitten. Sie war zeitweise taub und stumm und als sie wieder aktiv wurde, hatte sie vergessen, was eine Mutter sein sollte, mit dem Schmerz verschwand ihre Fähigkeit Gefühle anderer empfinden zu können und zu verstehen.
Sie machte einen gelungenen Versuch sich den verlorenen Sohn zu ersetzen, aber als die Feindschaft der um sie versammelten Familienmitglieder beider Familien über ihr zusammenschlug, gab sie den Mann auf, um ihn nicht unglücklich zu machen. Er erholte sich nie mehr von seinem Unglück, aber sie auch nicht. Jetzt wurde sie oberflächlich, böse und zynisch, und schlug erbarmungslos um sich. Das übernahm ihre älteste Tochter dann für sie in ihrer Abwesenheit. Sie warf mich die Treppe hinunter und stieß mir eine Gießkanne in den Hals, und schlug mich mit einem Knüppel auf den Kopf. Sie hat sich nie davon erholt, an mir drei Mordversuche ausgeführt zu haben. Es hat ihre eigene Familie und alle ihre ‚sozialen Beziehungen’, ihre erste Liebe und auch ihre folgenden Versuche scheitern lassen. Wäre meine Mutter nicht eine älteste, zugunsten eines um drei Jahre jüngeren Bruders schwerstens vernachlässigte (mit einer ihrem Bruder überlegenen Intelligenz) gewesen, so hätten alle diese Schicksale der Kriegsereignisse sie nicht so schwer beschädigen können, zumal wenn sie nicht einen verantwortungslosen Menschen als Mann gehabt hätte, zu dessen Möglichkeiten es gehörte, für die erwartbare Zeit nach seinem Tode für die Witwe und die Kinder zu sorgen. Aber er neidete ihr das Leben und das ihr nach seinem Tode mögliche Glück und sorgte derart für unseren Untergang. Was von uns übrig blieb, war schon Schrott auf dem Wege zum Shredder, da war der Krieg noch nicht vorbei und er war noch nicht tot.
Ich habe mit Gretchen das Kind nicht gezeugt, das sie umgebracht hat. Ich war nicht sein Vater. Der ging gleich mit denselben Weg, in den Mülleimer. Dieses Mädchen nahm ich in den Arm um es zu trösten, versuchte ich zu lieben wie eine Frau und wie meine jüngere Schwester, um deren Leben ich fürchtete während ihrer ganzen Kindheit, durch allen Streit hindurch, bis sie sich verwandelte in ein Wesen, das mir fremd wurde und mich nicht mehr beachtete, zu meinem Leid. Und es fand keine anderen Worte als die einer Betrügerin, die mich vorsätzlich täuschte, keiner Mitteilung zuhörte, die ihr sagen wollte, dass sie mir wehtat, keine Bitte um ein wenig Respekt erhörte und die elenden Verbrecherseelen, unter denen sie es sich bequem gemacht hatte, als sei es gewöhnlich, in einer Hölle mit Vipern und Ratten zu leben, ins Haus schleppte, damit sie meine Nächte zur Hölle machten, indem sie nicht gingen, und sich erlauben durften, mir Unverschämtheiten ins Gesicht zu sagen, ohne dass sie ihnen widersprach. Dieses Mädchen, ohne Orientierung und auf dem Weg zur Hölle paktierte aktiv mit dem Gesindel, über das ich ihr mein Urteil unmissverständlich mitgeteilt hatte, und offensichtlich ohne überhaupt zugehört zu haben. Dieses Mädchen weigerte sich unter allerhand Vorwänden, den Umgang mit einer kleinkriminellen akademischen Unterwelt und den Verkehr als Bar- und Animierdame in einem akademischen Puff aufzugeben, in dem sie meinte eine Rolle spielen zu müssen. Dieses Mädchen fuhr ihren betrunkenen Liebhaber in meinen Auto in der Nacht nach Hause und erzählte mir, dieser Liebhaber, zu dem sie angeblich keinerlei ‚Beziehungen’ mehr unterhielt, habe sie eingeladen mit ihr zu kommen und sie meinte, das alles ließe sich in aller Unschuld einem Mann zumuten, der seinerseits deutlich erklärt hatte, dass dies alles nicht in Betracht komme.
Und dieses Mädchen ist weder älter geworden noch klüger und besteht darauf, wie sehr es verletzt worden ist, als der derart behandelte Mann zum Angriff überging, um ihr über ihre Töpfe zu reiten. Nicht einmal aus der Märchenmetapher wurde sie klug, wie die Jungfer im Märchen, die immerhin endlich begriff, worum es ging. Nein, dieses Mädchen meint sich angesichts von vier erwachsen werdenden Töchtern, ihre derart verfassten Grundlagen ihrer moralischen und kulturellen Wertvorstellungen aufrechtzuerhalten und jede Gelegenheit zu nutzen, sich erneut darüber zu beschweren, wie schwerstens sie beleidigt worden sei. Und sie besteht unablässig darauf Ursache und Wirkung zu vertauschen gemäß einer Logik, die nicht nur ihr, sondern, sofern sie andere darin erfolgreich unterweist, auch die derart Unterwiesenen ihren Verstand rauben muss, und damit ihre Selbstbehauptungsaussichten in einem Leben, das keinen Fehler verzeiht, ganz gleich was man da so glaubt. In diesem Verhalten setzt sich das der Kindermörderin einfach fort, die im Übrigen ja auch den Vatermord mit impliziert, denn der Mord des empfangenen Kindes ‚tötet’ ja auch den potentiellen Vater und stuft ihn zurück auf einen Hurenbock.
Ich habe J. verlassen,– oder war es anders, ich wurde verlassen, weil das zwei Fliegen mit einer Klappe schlug? - jedenfalls weil sie das Kind umgebracht hat, das sie von mir empfangen hatte. Es war ein Mord und ich empfand ihn als solchen. Was daran so bedeutsam war, ist der Umstand, dass sie mich ganz offen und absichtlich zum Zeugen der Gründe für ihre Entscheidung gemacht hat, indem sie ganz unmissverständlich machte, dass sie das Kind ihrer rasenden Wut auf mich opferte. Der Grund dafür war mein offenes Eingeständnis einer ‚Affäre’ mit G., nachdem diese mir von der Mühle nach meiner Heimreise glühende Briefe geschrieben hatte. Oder wollte sie einfach zuerst noch einmal den Amazonas herunterfahren , den Machu Pichu besuchen und nach China reisen? Ich war seinerzeit nicht imstande dazu Jutta die ekelerregenden Umstände zu erklären, unter denen es zu dieser Tatsache gekommen war. Ich kann eben nur sagen, dass Gisela eine Hure ist. Und das ist es. Wie geht man mit einer solchen Person um, wenn man vermeiden will sie zu kränken, und sie ist nicht imstande, das nicht als Zustimmung misszuverstehen, bloß weil man die Zurückweisung mit der Vorsicht darstellt, die vermeiden soll, einen Menschen zu verletzen, von dem man voraussetzt, dass er so viel Abstand von seiner schamlosen Gier hat, dass er einen anderen nicht missbraucht, wenn dieser nicht um sich schlägt, schreit und den Angreifer beschimpft? Ich habe nicht gelernt gehabt, sexuelle Angreiferinnen zurück zu weisen, wie man das macht. Das war in meiner Erziehung einfach nicht vorgesehen. Was soll das Gerede von der Angst vor der sexuell offensiven Frau. Diese Personen sind zur Gewalt übergegangen und leisten sich dann die Lächerlichmachung ihrer Opfer.
Der Gipfel ist, dass sie auf die sonstigen Praktiken des Mannes (natürlich im Allgemeinen) hinweisen, der sich das ja auch stets gegenüber den Frauen geleistet habe. Goethe lässt wiederum grüßen, aber was hier verschwiegen wird, ist der Umstand, dass es nicht die Vergewaltiger sind, die diese Frauen ‚sexuell aktiv’ angreifen, sondern diejenigen Männer, die eben dies nicht im Traum zu tun vorhaben. Ich war immer, was meinen Umgang mit Frauen betrifft, eher passiv, abwartend. Man kann das auch als schüchtern oder zurückhaltend je nach Bedarf qualifizieren oder verächtlich machen, als ‚unmännlich’. Jedenfalls wurde ich in diesem Fall überwältigt um das Mindeste zu sagen. Der Vorfall ist derart beschämend, dass ich das kaum darstellen kann. Als ich J. das, weil ich es für sinnlos hielt, mit Lügen mit ihr zusammen zu sein, dann auch mitteilte, brach ein Krieg aus. J. war nicht imstande, ihre Ambivalenz, diese Mischung aus Zuneigung zu mir, und dem reaktiven Hass, der auf die Verletzung reagierte zu kontrollieren und ich war nicht imstande ihr auf irgendeine Weise zu helfen. Wir versanken in einem Strudel. Der Aberwitz bei dieser Geschichte war, dass J. zu ihrem Freund A. auf just dieselbe Art und Weise gekommen war. Sie spazierte einfach in die Wohngemeinschaft, die Tag und Nacht offene Türen inmitten der Stadt hatte, und begann ohne Umstände damit mich für sich in Beschlag zu nehmen, und das endete dann auf dieselbe Weise. Ich war in einer Tradition erzogen, in der Werbung um einen Partner lange dauert, unter Umständen ein Jahr. Man kennt sich allgemein aus einer gemeinsamen Kindheit in derselben Gegend. Man hat sich hier oder dort schon einmal gesehen, ist sich gegenseitig aufgefallen. Man hat schon einmal miteinander geredet. Man hat übereinander nachgedacht.
Das alles teilt man sich stückweise so mit, dass sich daraus langsam ein Gewebe von Erinnerungen an Gesten, Blicke, Gesprochenes bildet, das sich mit anderem, das man gehört hat oder das man ausdrücklich in Erfahrung zu bringen versucht hat verbindet, andere Personen tragen etwas hin und her, etwa: Also, er/sie hat sich nach Dir erkundigt, hat dies oder jenes gefragt. Man kennt die Eltern, weiß was der/die andere tut, kennt Freundinnen oder Freunde aus dem Kreis der anderen usw. So kann sich langsam eine komplexe Vorstellung bilden, die anzieht, warnt, Übereinstimmung und Nicht-Übereinstimmung bewertbar macht, man kann sich weiter erkundigen, wenn man sich begegnet, etwas zu verabreden versuchen, miteinander sprechen usw. und dann immer wieder Distanz gewinnen, Zeit, die nicht einfach mit Zögern vergeht, sondern mit der Überlegung, wie und ob man sich weiter darum kümmert oder ob anderes sich stärker in den Vordergrund stellt, eine andere Person sich aus dem Hintergrund abzuheben beginnt und warum das so ist. Kleine Zurückweisungen können Verschiedenes bedeuten, man selbst reagiert ebenfalls mit Nähe-Distanz Spielen, die die Reaktionen des anderen erkennbar machen, seine Reaktionsneigungen, seine evtl. Gefährlichkeit im späteren Zusammenleben bloßlegen können, seine temperamentbedingten spontanen Antworten auf typische eigene Handlungsneigungen…Alles das benötigt Zeit und dient vor allem der erkennbaren Bezeugung des später erwartbaren Respekts vor dem anderen, aber auch der Darstellung der eigenen Empfindlichkeiten und dem Versuch, herauszufinden, wie der andere damit umgeht, weil das alles ungemein wichtig ist. Was man dabei herausfinden muss, ist, ob es ein Zusammenspiel geben kann, das auch Spannungen erträgt, möglichst aber nicht aus sich heraus erzeugt und vermehrt.
Aber vor allem steht der Respekt vor dem anderen, und dass er/sie das nicht nur versteht, sondern dass ihn/sie das näher bringt. Um alles dies bringt einen der Kurzschluss. Die Sache wird umgekehrt. Als ich dergleichen zur Sprache brachte, machte ich die Erfahrung ausgelacht zu werden. Es fehlte noch, dass das herumerzählt wurde. Giselas glockenhelles lachen angesichts solcher ‚Einlassungen’ war beleidigend und bösartig. Es qualifizierte einen Clown, nach Hurenart eben. Ihre Verwahrlosung war auch zu erkennen, wenn man die Vorgeschichte dieser Kokotte nicht gekannt hätte.
Ich versuchte mich auf die Situation einzustellen. Zunächst wollte ich versuchen, die Lage zu klären. Die Intellektualität und die Bildung von Gisela hatten immerhin auf mich Eindruck gemacht und ich erkannte, dass ich mir eine Partnerin dieser Art auch gewünscht hatte. Sie erinnerte mich sowohl in ihren negativen Eigenschaften (die Überwältigung durch die vergewaltigende Mutter) als auch in ihren positiven (sprachliche Bildung, in vieler Hinsicht jedenfalls ein Urteil, wenn auch nicht durchweg ein mit meinem übereinstimmendes, aber das war nicht zu erwarten, und dann hatte sie auch etwas Mütterliches, das man eben von einer Frau mit Lebenserfahrung und einer Professur und einem akademischen Beruf erwarten kann. Ihre Arbeit über eine jüdische Dichterin, die im KZ umgekommen war, berührte mich. Ich konnte erkennen, wie und wo die Romantik umgekommen war: Im KZ eben. Im KZ Deutschland.
Da kannte ich ihre eigene familiengeschichtliche Verwicklung in den Nazismus noch nicht, und die Art, wie der sich hinter dieser akademischen und intellektuellen Maske als das andere verbarg. Ich nahm – was konnte ich anderes tun – die intellektuelle Maskerade als ihre Identität. Mag sein, dass da auch viel Trauer ist um ein verlorenes Leben eines seinerseits traumatisierten Kindes. Es ist einer der Gründe, warum ich Gisela nie konfrontiert habe mit dem, was sie tat. Ich verstand es auf dieselbe Weise, wie ich die Verzweiflung und die rasende Wut meiner Mutter auf ihren Bruder, ihre Eltern, ihren Mann und endlich auf ihre gesamte soziale Umgebung verstanden hatte, die ihr jeden durchaus klug überlegten Versuch eines erfolgreichen Durchkommens vereitelt hatte, und ich war irgendwie auch glücklich zu sehen, dass die Möglichkeit durchzukommen bei G. verwirklicht vorlag, die war Tatsache.
Das ließ mich angesichts G's auch Momente des Glücks erleben, das ich meiner Mutter zugedacht gehabt hätte, aber das hat G. nie erfahren. Sie genoss diese ihr nicht ganz zu verbergenden Momente als ihre persönliche Leistung, und auf eine ästhetisierende Art, die einer Perversion entspricht, die Gegenstand von Literaturen geworden ist. Das warnte mich vor ihrer Gefährlichkeit, ihrer rücksichtslosen Manipulativität im Umgang mit Männern, die die genau zu beobachten und zu taxieren gelernt hatte, und ich war endlich sicher, dass das auch das Geheimnis ihres intellektuellen Erfolges ist. Woran sie offensichtlich nicht gedacht hat, weil sie das gar nicht für möglich hielt, war, dass Männer auch Söhne von Müttern sind, und ich hatte lernen müssen, ein ebenso unberechenbares wie intellektuell brillantes Monster während meiner eigenen Kindheit zu beobachten und einzuschätzen, womit ich es gerade zu tun hatte, denn meine Mutter, mangels Gesprächspartner, machte mich zum Zuhörer ihrer inneren Dialoge, mit denen sie ihre Lage zu bewältigen versuchte, und ich geriet dabei in alle Rollen, die die Übertragung an ihrem Objekt zu erzeugen imstande ist. So war ich, um den Preis des sonstigen Schulversagens angesichts des täglich aufgeführten Dramas auf der Bühne unserer Wohnung längst ein ausgebildeter Analytiker bevor ich die Psychoanalyse überhaupt kennen lernte, von der übrigens auch meine Mutter oft sprach. Sie wusste, dass sie auf ihre Weise davon Gebrauch machte und es ist ja auch eine Patientin Freuds gewesen, die ihn das Entscheidende gelehrt hat, indem sie ihm sagte er solle den Mund halten und zuhören.
G. hat wohl gespürt, dass es ihr gelang, solche Erlebnisse in mir auszulösen, etwa gelegentlich eines Spaziergangs in einem nahe gelegenen Wald, ich glaube es war der Deister, und es ergriff sie selbst sichtlich zu sehen, dass sie Momente einer wirklichen Zuneigung zu erregen imstande war, aber alles das zerstörte sie selbst immer wieder, indem sie entweder M. S. oder Ch. B. ins Spiel brachte, gemeine und arrogante Äußerungen von sich gab, gelegentlich kippte das auch um in Selbstbeschuldigungen oder Verdächtigungen wie, ich hielte sie vermutlich für zu dick oder etwas derart, aber was mich immer wieder ganz brutal beleidigte, war, dass sie mir stereotyp bei jeder Begegnung erzählte, mit wem sie gerade wieder geschlafen hatte, und als sie darauf die Sahnehaube setzte, mich zu beschuldigen, ich sei ja auch nie da, mit der Andeutung eines Schmollmunds usw., erinnerte sie mich an die Kokotten französischer Romane der Belle Epoche und ich ekelte mich vor ihr.
Dazu passte ihre immer wieder klar zutage tretende insgeheime Verachtung des Mannes, die sie auch mir antrug indem sie recht klar zu erkennen gab, dass sie sich mir überlegen fühlte. Das machte dann auch ein Element der Länge meiner Untersuchung, in die ich das schließlich überführte, indem ich es analog der Situation des Ausgeliefertseins gegenüber meiner unberechenbaren und zur Gewalt neigenden Mutter verstand und mich in Geduld fasste und die Maske meiner Kindheit gegenüber der Gewalt erneut aufsetzte. Dazu kam endlich die bei Tisch vor ‚versammelter Mannschaft’ – ich weiß nicht mehr, wer das alles war, gemachte Erklärung, dass sie kein Kind (mehr) haben wolle, was dann meine Entscheidung jedenfalls besiegelt hätte, wenn es nicht sonst schon genug Gründe gegeben hätte, sich von einer derart gespaltenen und sozial verwahrlosten Person auf jeden Fall nicht zu einer Gemeinschaft überreden zu lassen. Wenn ich der Sache nachgehe, stoße ich aber auf ein Lügengebäude, das als Ganzes darauf angelegt gewesen war mich zu täuschen. Ich bin lediglich missbraucht worden.
Jutta war indessen von ihrer Verzweiflung nicht mehr zu heilen. Ich konnte nichts tun. Einerseits konnte ich G’s rücksichtslose und gewaltsame Interventionen durch ihre Briefe nicht ignorieren, obwohl ich weder ihre sexuelle Wahllosigkeit und rücksichtslose Promiskuität nicht verstand. Wenn sie mich damit provozieren wollte, dann ist ihr das gelungen, aber es kann sein, dass sie etwas anderes provozieren wollte als das was sie provozierte, meine Verachtung und eine innere Verabschiedung, die an den Anfang anknüpfte. J. dagegen sah wohl ein, dass sie auf eine ähnliche Weise zu ihrem Geliebten gekommen war, nämlich durch einen sexuellen Angriff, den ich nicht abzuwehren gelernt hatte, für den einfach keine soziale Form vorhanden war (Später habe ich das bekanntlich durch die entschlossene Verwandlung meiner selbst in eine mörderische Bestie im Kampf in einem Dschungel um mein eigenes Überleben erfolgreicher gehandhabt, aber zu dieser Form hätte ich unter den gegebenen Umständen lange vorher schon greifen müssen. Aber die Voraussetzungen für diese Lösung habe ich in der Erfahrung mit diesen Umgangsformen unter lauter verrückt gewordenen Huren und Zuhältern und Freiern erworben. So war das also angelegt und meine leisen Erkundigungen waren schon die Maske einer ganz neuen bereit liegenden Entschlossenheit, den nächsten, der versucht mich ‚aufs Kreuz zu legen’ erbarmungslos niederzumachen, weil ich endlich erkennt hatte, wie der Todfeind in diesem Gefüge der Freiheit zu jeder Beliebigkeit aussieht, und dass er auch die Erscheinungsform einer Frau haben kann, was in meiner kulturellen Bildung keinen Platz hat, insofern bis dahin die Frau an Objekt eines gezielten und überlegten Angriffs nicht vorkam), aber es brachte sie nur zusätzlich zur Verzweiflung, denn es nahm ihr jede Möglichkeit, sich mit der Angreiferin, die sich ihrerseits derselben Methode der Überwältigung bedient hatte, überhaupt etwas entgegen zu setzen. Wie gewonnen, so zerronnen. Sie war einfach Opfer ihrer eigenen Methode geworden, und hatte keine moralische Handhabe, sich auch nur erfolgreich zu unterscheiden. Sie war so schuldig, wie sie die Angreiferin sich denken mochte. Was sie erobert hatte im Handstreich hatte sie verloren durch den Handstreich einer anderen, die das eben mit demselben Recht genauso handhabte. Das musste sie erkennen lassen, dass sie gar nicht wissen konnte, ob hinter meiner Beteiligung an alledem überhaupt eine nennenswerte Willenshandlung gestanden haben konnte, also Zustimmung, erklärte Übereinstimmung unter Liebenden. Es brachte sie zur Verzweiflung und dabei konnte ich nicht hilfreich sein. Ich war das Objekt des Zweifels und sie erkannte schließlich auch, was mir tatsächlich fehlte und sprach es auch richtig aus, und zugleich wusste sie, dass sie das mit ihrem eigenen Leichtsinn, ihrer angeblich durch die Peergroup bedingten ‚Anpassung an die modernen Verhältnisse’ verspielt hatte.
Das ehrt ihre Intuition. Meine Sehnsucht, anders gesagt, meine Vorstellungen von ‚Liebe’ und ‚Zuneigung’ sind gänzlich traditionell und in diesem Sinne vormodern, amodern oder antimodern. In der Tat sind sie das, was kulturell gesehen die Liebe immer ist und bleiben wird, Sodom und Gomorrha mag nun blühen oder untergehen. Sie richten sich also mitnichten gegen anderes als die Infiltration mit Vorstellungen, die zunächst ein wenig entschuldigen, und dann immer mehr und endlich alles, mit der Folge, dass jedes Verbrechen an anderen möglich wird und als solches nicht einmal mehr thematisierbar ist. Das wäre gleichbedeutend mit der Identität von Kultur und organisiertem Verbrechen, denn noch und vor allem die gänzliche Anomie ist geregelt und organisiert. Denn wenn Verwaltungen und Propaganda die Menschen derart zurichten, dass dies alles möglich und legitim wird, dann herrscht nichts anderes als die derart organisiert hergestellte Anomie, die keinen Widerstand duldet und jede Geltendmachung anderer Vorstellungen vorsätzlich ad absurdum führt.
Die Wahllosigkeit und die Promiskuität, die Prostitution und die Kokotten sind das ganz Andere zu dieser Vorstellung und wie es die Verführung dazu allgegenwärtig gibt, gibt es auch den ebenso allgegenwärtigen Widerstand dagegen. In keinem Fall wird sich die Wasserscheide zwischen den ‚Lösungen’ einebnen lassen. Und als Bedingungen der Möglichkeit einer Familientradition scheidet die eine ‚Lösung’, besser ‚Praxis’ jedenfalls aus, und es ist auch sinnlos, auf die angebliche Verlogenheit der Ehe hinzuweisen usw. Alle diese Anklagen sind die Einwände des schlechten gewissens gegen die Zumutung, die die in jedem Fall, als kulturelle Einrichtung kontrafaktische, gegen das durch die Regelung zu Beherrschende und zu Zügelnde Gebaute deshalb als gegenstandslos abzufertigen versucht, weil sie normativer Art ist.
Das ist eine der herausragenden Leistungen einer Wissenschaftskonzeption, die endlich auch die sexuelle Perversion zur Wissenschaft erhebt, zur Sexualwissenschaft unter anderem, aber vor allem zu einem Typus der ‚Moral Sciences’, denen vor allem die Moral, als bloße Wertvorstellung abgeht und die sich etwas darauf zugute hält, den Menschen aus wissenschaftlichen Gründen reiner Objektivität auf eine instinktverarmte Tierart zu reduzieren und dies als Fortschritt in den Humanwissenschaften zu feiern, also einen verwissenschaftlichten senkrechten Absturz entlang der Falllinie der modernen Kunst und Ästhetik vor allem und ihres Überschreitungswahns ins reine Nichts als ultima ratio aller wissenschaftlichen Aufklärung zu feiern und damit die derart zur Biomasse reduzierte Gattung an eine totalitäre Verwaltung auszuliefern, die sie unter den Gesichtspunkten ihrer Nutzbarkeit sortiert und siebt sowie nach Belieben verschwendet, während sie es den im Nichts zurückgelassenen Gattungsexemplaren überlässt, sich gegenseitig zu zerfleischen, solange es im Rahmen des gesetzlich erlaubten bleibt, als Privatsache.
Ich habe versucht, in diesem irren Wirrwar meine Entscheidungsmöglichkeiten zu finden und fand sie endlich auf dem Wege reiner Orientierung am Faktischen, am Ergebnis. Ich habe das angesichts einer Situation, in die mein Bruder Henry geraten war, mit ihm auf dieselbe Weise besprochen. Wenn die Art der Werbung, die Art der ‚Gewinnung’ des Partners, durch Überredung, Überwältigung, Einverständnis usw., endlich die Art der wechselseitigen Beteuerungen sämtlich täuschen konnten oder zur Täuschung benutzt werden konnten, dann schieden sie als nennenswerte Orientierungspunkte für die Zukunft einer Verbindung aus. Entscheidend war dann nicht mehr, was gesagt oder wer wen wie behandelt hatte und ob das den Erwartungen entsprach, ob man sich gekränkt fühlen durfte oder musste, Eifersucht war kein Thema, sinnlose Zeitverschwendung, man suchte sich einfach einen anderen Partner, gleichzeitig oder nacheinander, alles ganz egal, und das einzige, was zählte war das Ergebnis.
Meinem Bruder Henry riet ich angesichts seiner Verwirrung im Gefüge dieser Unklarheiten, nicht lange zuzuhören, und sich einfach daran zu halten, welche der Partnerinnen schwanger wird, also derart, dass ich ergebnisorientiert wurde, und sagte: „Die, die das Kind kriegt, ist Deine Partnerin. Alles andere kannst Du vergessen“. Soweit ich sehe hat er sich daran gehalten. Was ich noch nicht sah, ist dass eine weitere Bedingung dazu gehört: dass das Faktum der eingetretenen Schwangerschaft die Vorgeschichte abzuschließen imstande ist derart, dass der Krieg beendet wird. An dem Punkt setzt dann wohl auch an, was sich nicht klären ließ, und was sich in der Form geltend macht, dass auch nach der Geburt von Rebecca noch die Dame von einen Stock tiefer ständig mehr oder weniger direkt präsent blieb. Nun, sie war nur so präsent wie Deine Weigerung, Deine Verhaltensweisen mir gegenüber auf eine Weise zu qualifizieren, die geeignet sein konnte, mich davon zu überzeugen, dass Deine Vernunft sich mir eindeutig zuwandte und sich entscheiden konnte für den Respekt, den man seinem Mann schuldet. Dabei war immerhin meine mögliche Zukunft in Hannover schon zu Ende angesichts der Ereignisse, und ich hatte Grund, Dir das übel zu nehmen. Wie weit man sich aber versteigen muss, um annehmen zu können, dass ich, nachdem ich so viele Männermörderinnen verabschiedet hatte ohne ihnen anderes zu tun als sie bei dem zu unterstützen, was sie ohnehin auszufertigen vorhatten, mit Ausnahme meines Totenscheins, nun gerade mit der Mutter zweier Kinder, die gerade ihren Mann und den Vater dieser Kinder umgebracht hatte, und sich darüber gesprächsweise auf eine Art ausließ, die mich angesichts der Kinder und ihrer Zukunft zittern ließ, und dass das bis heute nicht klar werden konnte, dass das doch der Logik der Sache nach gar nicht in Frage kommen konnte, das kann man sich doch fragen.
Wie ist denn mit Vernunft anzunehmen, dass ein Mann, der sich daran erinnern kann auch einmal ein Kind in dem Alter des Jungen gewesen zu sein, das einen Vater verlor, und der auch eine jüngere Schwester hatte, sich einerseits in eine solche Situation mehr oder weniger ungewollt hineingeraten und zum Zeugen und Mitschuldigen eines derartigen Ergebnisses einer Auseinandersetzung gemacht sieht, sich freiwillig einer solchen Person anvertraut und mit ihr verabredet. In keinem ernst zu nehmenden dramatischen Stoff, der jemals auf dieser Welt bearbeitet wurde, ist etwas derart denkbar, ganz einfach, weil es jeder Logik nicht nur entbehrt, sondern bedeuten müsste, dass man sich freiwillig in Lebensgefahr begibt.
Das Lebensgefährliche, das geradezu Mörderische an all diesen Vorgängen scheint Dir bis heute völlig zu entgehen. Und in dieser Hinsicht gibt es Unklarheiten in allen Deinen ‚Beziehungen’, von denen ich Kenntnis habe. Ich bin unfähig, die Logik des Scheiterns deiner ersten Liebe zu diesem Jungen zu verstehen, der später – aus ganz anderen Gründen natürlich – Selbstmord begangen hat. In jedem Drama kann man die Gründe erkennen, die Liebende trennen, und zu unter Umständen tödlichen Verletzungen führen. Aus Deinen Erzählungen ist dieser Zusammenhang gestrichen, zensiert, nicht präsent. Ein junger Mann, von dem Du erzählst, sprang eines Tages einfach so aus dem Fenster. Kein Zusammenhang, nichts sonst, unverstehbar. Das Scheitern Deiner ersten Liebe: unverstehbar. Da fehlt überall etwas, das Entscheidende, das das platte Faktum erst zu mehr macht als diesem Nichts, bei dem es sonst bleibt. Warum fehlt da immer etwas, in dieser Zusammenhanglosigkeit bloßer Augenblicke, in denen die Katastrophe sich zum endgültigen Phänomen verdichtet, ohne dass ihre Konfiguration, der dramatische Vorgang, das langsame Aufziehen der Wolken, die Verdunkelung der Sonne, die ersten fernen Blitze, das noch schwache Dröhnen, das dem Wetterleuchten in großem Abstand folgt, sichtbar, hörbar, wahrnehmbar werden, bevor der Blitz schließlich in das Haus schlägt und es in Brand setzt? Wieso bekommt man immer nur die verkohlten Trümmer zu sehen, aber nicht die Vorgänge, die diese Zeugen kosmischer Katastrophe hinterlassen, diese taumelnden Trümmer, diese Kraternarben, diese Supernovaenebelschleier in ihren blutigen Farben und ihren Strukturen zerrissenen Gewebes, zerfetzter Formen und zerstörter Integrität?
Ich bin als Junge auch verliebt gewesen und habe die Ausgänge und die Gründe für sie klar vor Augen. Alles daran ist mir verständlich anhand einer beschreibbaren Entwicklung. Aber hier ereignet sich einfach das gänzlich Unerklärliche. Das worum es geht, verschwindet aus der Wirklichkeit. Wo ein Text stehen müsste, unbedingt, sind schwarze Flächen, Reste ausradierter unentzifferbarer, verschmierter Zeichen, Löcher im Blatt oder einfach fehlende Blätter. Wo war das Subjekt dieser Erzählung im Moment dieses Geschehens? Was tat es, was ging in ihm vor, was hat es geantwortet, auf welche seiner Handlungen und Äußerungen wurde da reagiert? Keine dieser Fragen ist jemals auch nur mit dem Versuch einer Antwort, auch nur einer Rationalisierung mit Scheingründen an ihrer Stelle bedacht worden, aus denen sich der Urtext hätte rekonstruieren lassen. Was ist da verborgen, was vertuscht, was verleugnet und was ausgelöscht? Und neben dem Selbstmord des Jungen steht deine weitere Lebensgeschichte, in deren Verlauf wir uns begegnet sind und uns endlich auf eine Distanz gegenüberstanden, die mich informiert hat darüber, was Du einem Menschen stur und immer mit einer verharmlosenden Rechtfertigung zur Hand, mit einem Zynismus, einer Entwertung, einer Lächerlichmachung und einer gleichgültigen Abfertigung, anzutun imstande bist. Dabei scheinst Du, wie das immer in diesen Fällen ist, noch den Vorbehalt, den man dem eigenen Urteil gegenüber aus Vorsicht hat, dazu zu nutzen, durchzusetzen, was Dir als Ergebnis vorschwebt, nämlich das Urteilsvermögen des anderen kurzerhand zu überwältigen, dann aber wiederum Deine Gekränktheiten nach vorne zu schieben- wie immer als pure Fakten, außerhalb jedes Zusammenhangs - ohne Deine möglichen Bestialitäten auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Gut, es mag sein, dass man sich nicht immer so verhalten hat, wie man das aufgrund einer langen Erfahrungsgeschichte schließlich tut. Ich übernahm endlich, in dem allerdings kaum langfristigen Glauben, etwas dazu gelernt zu haben – es ging in der Tat darum etwas zu verlernen und auch zu vergessen, mitsamt den dazu gehörenden Urteilsgrundlagen – das mir vorgemachte und als realitätsangemessen vorgeschlagene Verhalten meiner Umgebung.
Ich ging ja auch gegen meine Überzeugung und nur wegen der Möglichkeit des Zusammenseins mit ‚zum Italiener’ essen, bewunderte den ‚life style’ der Herren und Damen Essengeher, ihre Genussfähigkeit und ihre Lebensart, um ihnen nicht unhöflich zu erscheinen. Wenn ich heute daran denke, wird mir übel, und das war auch meine damalige Empfindung: Aufzustehen und davonzugehen, einfach in der entgegen gesetzten Richtung zu verschwinden, was ich dann ja auch entschlossen tat. Beim bloßen Gedanken an das (akademische und andere) Gesindel und Gelichter in der/n ‚Szene’ Kneipe/n habe ich das Gefühl, meinen Kopf in einen Schraubstock eingeklemmt zu haben und mir stockt der Atem. Beim Gedanken an die lockeren Gespräche unter Nutten und Zuhältern und Freiern dreht sich mir der Magen um. Bei der Erinnerung an die freundlichen Angebote mancher Damen könnte ich mich übergeben. In erster Linie war ich aber und bin angesichts der Erinnerung starr vor Schrecken über den ungeheuerlichen seelischen und intellektuellen Status dieser Gattungsexemplare nach dem Untergang der Kultur des Landes, die hier im Ergebnis, als ungezählte Masse von Individuen vorliegt, die angeblich einer Enkulturation unterzogen worden sind. Da ist weder Sozialisation noch Erziehung in irgendeinem kulturellen Sinne. Die Bedeutung der technischen Termini der ‚Sozialwissenschaften’ kann keinen auf Kultur bezogenen Sinn überhaupt haben.
Der unnennbare Schrecken, der alles dies begleitete, während ich dem mit unbewegter Miene zuhörte wie Der Letzte Mohikaner am Marterpfahl, war beherrscht durch eine Disziplin, die ihn verbarg, wie auch mein Urteil verborgen wurde, aber das heißt nicht, dass ich es nicht hatte. Und darüber bist Du bestens informiert. Sofort als ich der Meinung sein konnte, dass wir eine verlässliche Verabredung haben, habe ich begonnen Dich unter großer Anstrengung und mit großer Eindringlichkeit ganz unzweideutig und ohne einen Vorbehalt, ohne jedes Taktieren über mein Urteil, nicht meine ‚Ansichten’ über diese ganze Szene zu informieren. Du hast darauf nicht reagiert. Es hätte mir auffallen müssen, als Du mich gegen meinen Willen in den Autounfall hinein manöveriert hast, indem Du erzwungen hast, dass wir nicht den Weg zu Fuß machen, sondern den Mercedes benutzen, und ich hätte das verstehen müssen, nämlich dass ich dabei war, eine Kuh ins Horn zu petzen. Ich erinnere mich daran, dass andere Leute aus dem Kreis um das Zentrum dieses Orkans der moralischen Verwahrlosung zu Tode erschrocken sind, als ich sie unvorhergesehen damit konfrontierte. Du warst so reaktionsschwach wie ein auf der Leine hängendes Betttuch bei totaler Windstille, und auch das hätte mich warnen müssen, mehr noch aber, dass Du mir in keinem Punkt zugestimmt hast, sondern das alles mit Schweigen angehört hast, so als beträfe es weder Dich noch eine auch in Deinem Bewusstsein sich abzeichnende gemeinsame Zukunft. Du hast einen Plapperhans reden lassen. Aber es ging ja darüber hinaus. Du hast sofort begonnen, meine Willenserklärungen als Luft zu behandeln und meinen Willen zu brechen, indem Du mir andere ‚Lösungen’ eingeredet hast, denen ich schließlich zustimmte, weil ich keinen Prinzipienstreit herausfordern wollte. Das hat aber nur die Konsequenz seiner Verschiebung gehabt, auf den Punkt, an den ich klarzustellen hatte, dass Du Dir keine Hoffnungen darauf machen kannst, Dich darin einrichten zu können.
Wenn ich anlässlich Deines Besuchs bei mir kurzerhand unter Übernahme der mir inzwischen vertrauten Üblichkeiten des Kennenlernens ebenfalls den kurzen Weg wählte, war das nicht, weil ich davon überzeugt gewesen bin. Ich dachte mir die Sache nunmehr einfach umgekehrt und meinte, dass das der Sinn des Ganzen sei. Man macht aus ‚der Sexualität’ keine große Sache, die des Beweises langer Zurückhaltung bedarf, und großer Vorsicht und lernt sich nunmehr auf dem umgekehrten Weg kennen, indem man zunächst Sexualität als ganz unproblematisch behandelt, um sich dann, nachdem das einvernehmlich geklärt ist, kennen zu lernen, also nachdem man sich gegenseitig zunächst sein grundsätzliches Interesse auf diese Weise mitgeteilt hat. Ich habe dann noch einen ‚Lernprozess’ machen müssen, nämlich, dass das vielmehr gar nichts bedeutet, und ganz schuppe ist. Man kann sich auf diese Weise treffen und dann erneut verabreden oder auch nicht. Paradigma ist der ‚One night stand’. Ich habe mich speziell für diese Art der Begegnung, die sich wohl im Umkreis der Rockmusik eingespielt haben muss, nie wirklich erwärmen können und es grundsätzlich schon der ‚anderen Seite’ zugerechnet.
Das Problem war nur, dass man nie vorher wissen konnte, von welcher Seite die Partnerin war und wie sie die Sache verstand. Ich kann mich erinnern, dass ich mehrmals bei dem Versuch, das ‚vorher’ herauszufinden, im Nebel tappte, und nicht in Erfahrung bringen konnte, worauf das hinauslaufen sollte im Verständnis der Partnerin, die sich anbot, und ich handelte mir auch empfindliche Verletzungen ein, an denen ich dann lange litt.
Merkwürdig daran war, dass sich dieses Gefühl des Leidens an einer Trennung zunehmend an die Stelle des primären Gefühls der Zuneigung und einer freudevollen Zukunftsaussicht zu setzen versuchte, und sich derart die Dinge zu verkehren begannen, indem sich in Begegnungen, die eine gewöhnlich auf die ‚Liebe’, also die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunftsgestaltung bezogene Vorstellungen und Gefühle zunehmend die Erwartung (!) des Leidens an einer Enttäuschung und Trennung, letztlich ein Erlebnis des Todes zu setzen begann, in dem ich die eigentliche Gefahr erkannte, und vor allem das Symptom der Pest, die als Epidemie in diesen Szenen, aus denen Du kamst, grassierte und aggressiv fortgepflanzt wurde. Was also gezeugt und fortgepflanzt wurde ist der Tod, und u. a. Du warst vor allem damit schwanger, und hast andere damit geschwängert. Als ich Dir begegnete, begegnete mir der in Dir hausende Tod, mit dem Du schwanger gingst. Das stellte sich sehr schnell heraus, aber obwohl ich die unübersehbaren Symptome vor Augen hatte und sie sich erneuerten, ich sie also hätte als solche erkennen müssen, und sofort darauf reagieren müssen, ging ich gegen ausdrückliche Warnungen, das zu tun dennoch in die Falle, die sich unter der obendrein unübersehbaren Adresse der GRETCHEN-Straße für mich konfigurierte.
Es ist im Nachhinein geradezu unglaublich, wie unübersehbar diese ganze Symbolik, zu der der ‚Zufall’ als einer Form der Mitteilung greift, sich bemüht hat mich auf die Lebensgefahr aufmerksam zu machen, in der ich schwebte. Aber ich litt an der Verblendung einer ‚wissenschaftlichen Ausbildung’, die mich einfach sehenden Auges übersehen ließ was ich dennoch sah und was sich mir brennend ins Gedächtnis grub, unvergesslich und in seiner Bedeutung nicht zu übersehen. Aber alles bot sich auch literarisch oder noch anders verstanden auf einem zweideutigen Hintergrund, der im Falle Gretchens eben festlegte und voraussetzte, dass der Mann ggf. der Schuldige ist, und das lag ja auch in der Tendenz der von der weiblichen Emanzipation, die für alle diese Machenschaften mit als Vorwand benutzt wurde, gerade erst entdeckten neuen Form der bisher rein männlichen Gewalt, die dem bisher schon gefährlich genug bewaffneten der mütterlichen Erziehung in der Form des nunmehr offenen Bekenntnisses hinzugefügt wurde, so als sei das etwas für die Frau gänzlich Neues überhaupt, die ein zuvor recht und wehrloses Wesen nun erstmals auch zur Anwendung von unter Hinweis auf ihren gewohnheitsmäßigen Gebrauch durch den Mann legitimierter Gewalt im öffentlichen Umgang durch die Frau berechtigte. Meine Verantwortung reicht in der Tat so weit, wie mein Mangel an innerer Überzeugtheit mich Formen des sozialen Umgangs in der Partnerwerbung übernehmen ließ, von denen ich selbst gar nicht überzeugt war, oder die ich meinte, auf dem Weg etwa eines Verständnisses, das meint, hier sei lediglich die Reihenfolge umgekehrt zu denken und das sei so auch gemeint, mit meinen vorherigen Verständnis in Einklang bringen zu können glaubte.
In Wahrheit fand nichts dergleichen statt. Ich fand mich in einer gemeinsamen Wohnung eingeschlossen mit einer Person, die sich keinerlei Mühe gab, mich ‚kennen zu lernen’ und die sich für mich gar nicht interessierte, sondern vielmehr so tat, als hätten wir uns schon lange nichts mehr zu sagen. „We said goodbye before we said hello“, lautet eine mir bekannte Liedzeile. So stumpf war das. Ich sollte also lernen mich damit zufrieden zu geben. Das war und ist sachlich unmöglich. Es gehört zum Minimum dessen, was ich noch ertrage, dass es eine Zeit des vertieften Interesses, einen erkennbaren Wunsch des anderen gibt, zu wissen, wer der Partner ist. Natürlich ist die Praxis z. B. des ‚One night stands’ mit starker Abnutzung dieses spezifischen Interesses verbunden, zwangsläufig, und in der gewerbsmäßigen Prostitution schrumpft die Fähigkeit dieses Interesse überhaupt zu haben auf eine geschäftsmäßige Routine, die man als Teil einer bezahlten Dienstleistung mechanisch erbringt, wie die eigentlich sexuelle auch. Unweigerlich gerät damit die Praxis des HWG (häufig wechselnder Geschlechtsverkehr) in die Nähe der Erlebnisunfähigkeit der gewerbsmäßigen Prostitution, und hier liegt denn die systematische Nähe beider ohne Rücksicht auf die Grenzlinie, die das eine und das andere voneinander trennen mag. Die Grenze wird am Ende rein formaler Art sein, während die Erlebnisqualitäten über diese belanglos werdende Grenze hinweg miteinander zu einem Persönlichkeitstypus miteinander verschmelzen. Es kommt dann nicht mehr auf die formale Zurechnung an, insofern die Erlebnisspezifität das Wesentliche ausmacht, die Abstumpfung, die Ertaubung, die Anästhesie.
J. hatte ihrer Wut auf mich, in der Tat ihrer eigenen Ambivalenz (erst noch mal den Amazonas hinunterfahren, auf den Machu Pichu klettern usw.) und Erlebnisorientierung geopfert. Ein weiteres Menschenopfer. Das machte die Sache auch dann klar, wenn die entstandenen Gefühle noch existierten, die eben mit der sei es auch unbewussten Hoffnung verbunden sind, die den/die Erlöser/In erwartet, anders gesagt: Das gemeinsame Kind. G: hatte sich ihrerseits erklärt. Das war auch nicht kommentarbedürftig. Also nächste Runde. Ich kann das kurz machen, ohne den Umweg über das Grauen, das auch hier mit dem Tod eines Mannes verbunden war, den ich recht gut kannte. Die Vorzeichnung war von der unheimlichsten Art. Ich will das hier nicht niederschreiben, die Anstrengung ist mir zu groß, die mich das kosten würde. Da harrt noch vieles der ersten Artikulation, aber die Wiedererinnerung ist mit der an die begleitenden Gefühle verbunden und das ist immer noch und vielleicht für immer an der Grenze dessen, was dem bewussten Erleben zuzumuten ist. Die Runde führt hier über das Versprechen des Kindes zu seiner Negation und programmiert damit das indizierte Ende, das sich hinzieht, wie gewöhnlich. Irene hast Du einmal gesehen, als ich auf der Teufelsmühle Sachen abholte und meine Rechnung bezahlte, für eine abgerissene Zwischenwand. Da sahen wir uns auch einmal wieder. Und das schien es dann gewesen zu sein.
Auch an diesem Kindermord war die große Hure aus der Teufelsmühle wesentlich und verantwortlich mit beteiligt, dem Milieu, in dem ich Dich antraf, in dem das freudige Experimentieren (an Ende auf deine Kosten und auf Kosten der Selbstmörderin, die gewissermaßen anstatt des Kindes, das sie hätte bekommen können, ihrerseits als Menschenopfer dem Monstrum dargebracht wurde). Es ist zwar möglich unablässig zu wiederholen, dass man die betreffende Person kaum gekannt habe usw., aber das ändert nichts daran, dass ich weiß, was für ein Milieu das war, nicht zuletzt auch, weil ich die seinerzeitige ‚Freundin’ des Zuhälters der großen Hure, eine Germanistin aus Friedberg, die zuvor mit Herrn S., ebenfalls aus Friedberg zunächst nach Giessen und dann nach Hannover gekommen war, wo sie das Glück hatte, mit dem ihr sogleich zugetanen Herrn B. Bäumchen-wechsel-Dich zu spielen, eine Handlung, die sie rettungslos in der Schuld versinken lassen sollte, die sich später so grausam an ihr rächte, dass sie, wie alle, die sich auf diese Spiele einließen, im Verstummen verschwinden musste, denn sie hatte die Regeln der Regellosigkeit und der Untreue nach Belieben freiwillig unterschrieben. Ich habe nie unterschieben und ich werde nie unterschreiben, und genau dies habe ich Dir mit hinreichender Deutlichkeit sogleich eingangs ausdrücklich erklärt. Wenn ich Dir endlich Deine eigene Melodie, die der Gosse, in der Du lebtest, endlich vorgesungen habe, so nicht, weil ich nun doch zu diesem Spiel mit überzugehen bereit und willens gewesen wäre, sondern um Dir klar zu machen, was Du tust, und welche Folgen es hat, wenn es jemand auf Dich anwendet, der sich stark genug fühlt, das seinerseits zu überleben, und dabei ggf. auch die Schuld auf sich zu nehmen den Tod anderer Menschen dabei mit zu verschulden.
Das ist denn ja auch geschehen, und ich lege Wert darauf, dass Du auch zu einer wesentlichen Mitursache des Todes des Vaters von zwei Kindern geworden bist, einem Mädchen, über das Du Dich gerade erst wieder beschweren zu dürfen meintest, und eines Jungen, einmal abgesehen von dem Schaden, den das bei noch anderen in unserer Umgebung hinterlassen hat. Wenn ich mich mit der Mutter dieser beiden Kinder nicht zusammentat, dann einerseits deswegen, weil ich ein eigenes Kind wollte, und weil die moralische Verwahrlosung dieser Person die Deine noch um ein Mehrfaches überstieg indem sie keinerlei gewissen bewies in Bezug auf den Tod des mit mir namensgleichen Mannes, der mir sagte, das das gerade so gut ich selbst hätte sein können aufgrund Deiner elenden Machenschaften, und weil sie diese Lebenshaltung bewusst bejahte und sich aus ihrem Spiel mit Männern noch ein viel gewissenloseres Vergnügen machte als die große Hure Babylon, die sich immerhin gelegentlich mit der Vorzeigung von Gewissenresten einkleidete. Weder die eine noch die andere haben jemals erfahren, was ich von ihnen hielt, und für mich war es trotz des schier unaushaltbar erscheinenden Schmerzes, den ich während alledem erlebte, lehrreich mich damit zu befassen, was meine Mutter getrieben haben musste während der letzten Jahre meines Vaters und nach seinem Tode.
Es war das, was ihre Mutter ihr so erbittert vorwarf, was ihr Vater schweigend, und mit schweigendem Rückzug stumm begleitete, was ihren Bruder verbitterte und uns alle als Hurenkinder diskriminierte und preisgab, während meine Mutter ihre Souveränität gegen alle Regeln verteidigte mit dem Recht einer betrogenen Medea.
dass ich Dich nicht gewaltsam und ohne Rücksicht auf Deine ‚Sicht der Dinge’ aus dem Haus warf und Dir den Zugang verwehrte – einmal abgesehen von Deinem Recht, Deine Sachen abzuholen – dass ich nicht auf dem sofortigen Ende bestand, sondern Dir nur Deine eigene Melodie vorspielte, ist Dir bis heute Anlass Deine trotzigen und eigensinnigen Gemeinheiten mir gegenüber aufrecht zu erhalten. Stereotyp hältst Du mir Handlungen vor, die den Zeck hatten, Dir etwas mitzuteilen, was Dir anders, indem ich mit Dir sprach, nicht mitteilen ließ, weil Du nicht wahrnahmst, was Dir oder dass Dir überhaupt etwas mitgeteilt wurde.
dass ich zu der Mitteilungsweise bewusst griff, die Dir jedenfalls verständlich wurde, weil sie nicht nur eine Kuh ins Horn petzte, sondern traf, wo es nur eine Statue nicht hätte bemerken müssen, das wirfst Du mir vor. Als sei es nicht die einzige Art und Weise gewesen, wie ich Dir meine Existenz überhaupt in den Bereich Deiner Wahrnehmung rücken konnte. Es ist nicht meine Sache, die Ursache dieser Anästhesie aufzusuchen. Ich habe auf sie schließlich reagiert, indem ich durch die Panzerung eine Lanze in Dein Herz stieß und ich wusste was ich tue. Es ist geradezu eine Aufforderung es erneut zu tun, wenn Du immer wieder stereotyp plapperst Du verstündest mich nicht, und Dich damit einem Angriff von ähnlicher Form geradezu anbietest. Denn was sollte daran unverständlich sein, dass ich Dich angriff, dass ich Dich angriff, weil Du erkennbar keine Reaktion auf meine Existenz gezeigt hast, während Du Dich zu Handlungen ermächtigt hast, die nicht im Bereich dessen lagen, was ich erwarten konnte. Du musst nun nur dieses ‚konnte’ aus dem Wege räumen, um Dir die Frage einzuhandeln, warum Du Dich dann nicht entsprechend der Aufforderung, die in den Dir nur als laut und larmoyant zu beklagende Verletzungen Deiner nun plötzlich ungemein empfindlichen Seele imponierenden Vorführungen meinerseits doch deutlich genug zu erkennen waren, gehandelt hast entsprechend dem, was diese Aufforderungen doch kaum missverständlich besagten, einmal abgesehen von dem, was ich aussprach: Dich von einer derart grausamen und verletzenden, rücksichtslosen und asozialen Person auf dem schnellst möglichen Wege zu entfernen.
Deinen den meinen weit überlegenen Mitteln und angesichts des Rückhalts in Deiner Familie stand das alles doch offen. Es waren ein paar organisatorische Probleme zu lösen, aber das ist doch etwas, das Du geradezu ausgezeichnet beherrschst, viel besser als ich, da warst Du mir doch überlegen. Wieso hast Du hier wiederum nicht verstanden, was gemeint und hinreichend deutlich mitgeteilt worden war: Dich nach Belieben zu entfernen. Sogar die Schuld des Bösewichts war ganz auf meiner Seite, es gab nicht einmal etwas zu verantworten. Überall hättest Du für den Rest Deines Lebens herumerzählen können was für ein ruchloser Schurke ich war. Stattdessen hast Du Dich entschlossen, für den Rest MEINES Lebens überall den Standpunkt darzustellen, was für ein ruchloser Schurke ich bin. Ich habe Dir nahe gelegt Dich auf dem schnellsten Wege zu entfernen. Aber ich wollte nicht Deinen Untergang, Warum eigentlich hätte mir daran liegen sollen? Was ging mich eine Person noch an, die sich entschlossen hatte, mich nach ihrem Belieben zu missbrauchen und die nicht hörte, wenn ich leise mitgeteilt wurde, ohne Erhebung der Stimme, das das nicht gehen würde? Die eine derartige Demonstration brauchte und sich allein damit als Partnerin ein für allemal disqualifizierte?
Und die endlich nicht einmal die Energie und den Mut aufbrachte, Nägel mit Köpfen zu machen und zu gehen, nämlich auf einem Wege weiterzugehen, der sich an dieser Stelle gegabelt hatte, in ihren und den eines anderen, Wege, die sich zufällig überschnitten und zu einer unmöglichen Verwicklung geführt hatten, die sich auf diesem Wege in die Vergangenheit einer gewesenen und vielleicht nicht einmal beabsichtigten Verletzung verwandeln ließ, anstatt sich zu einer lebenslangen, jedenfalls mehr als zwanzig Jahre langen Hölle zu verlängern? Bis heute habe ich nicht ein einziges auch nur entferntes Anzeichen dafür an Dir entdecken können, dass Du überhaupt der Ansicht bist mich verletzt haben zu können, auch nur als Möglichkeit, geschweige denn dass ich gehört hätte ob dies einer Absicht oder einer Unkenntnis oder anderem entsprach, und was davon zu halten wäre, gesetzt den Fall, dass es dergleichen überhaupt gegeben haben könnte. Nichts davon, nicht ein kleinstes Zeichen dieser Art ist in dieser brutalen und dreisten Panzerung zu entdecken gewesen, in zwanzig Jahren der unablässiger Erkundung. Das legt einfach nahe, dass sich in einer derartigen Verfassung das Verbrechen, der Mord eingerichtet haben als Normalform. In jedem Fall ist das alles jenseits jeder moralischen Verpflichtung gegenüber einer Kultur, die auf einer geteilten Gemeinsamkeit beruht, die in niemandes Belieben steht.
Ich habe nicht ein einziges Mal in meinem Leben aktiv um eine Partnerin geworben. Das wird mir im Rückblick erst bewusst, als Besonderheit. Es ist nicht typisch männlich. Es entspricht meiner Verweigerung von Konkurrenz bei der Verfolgung meiner Interessen und Wünsche. Ich will in meinen privaten und meinen Lebensverhältnissen, soweit das intellektuelle betrifft, nicht mit anderen, Männern oder Frauen, konkurrieren müssen und reagiere auf jedes Angebot zu einer solchen Konkurrenz mit dem Abbruch des Kontakts, nach bestenfalls ein oder zwei Versuchen, verständlich zu machen, dass das meine letzte Antwort sein wird. Wer das dann nicht verstanden hat und auch dann nicht aus dem Wege gehen will, wenn ich nunmehr keineswegs das Angebot einer Konkurrenzbeziehung doch annehme, sondern vielmehr das Ende aller Beziehung definitiv ausspreche, ohne dabei um Zustimmung nachzusuchen, der muss zur Gewaltanwendung übergehen, um die ‚Beziehung’ aufrecht zu erhalten und kann das nur gegen meinen Willen tun. Und er/sie wird das niemals mit meiner Zustimmung tun können.
Das entspricht den mir zustehenden Freiheitsrechten, und es ist doch reichlich unverfroren glauben zu können, die ließen sich einfach und gerade dort, wo man sie am freiesten ausüben darf, in der privaten Existenz, einfach übergehen. Es ist Ausdruck einer totalitären Gesinnung, das nicht einmal wahrnehmen zu können, und dreist auch noch nachzuschlagen, wenn jemand die Zumutung zurückweist, sich einem Gewalttäter auszuliefern, der gegen den eigenen Willen Handlungen ausführt, denen man nicht zuzustimmen bereit ist, und denen gegenüber man erklärt hat, dass man ihnen unter keinen Umständen zustimmen wird, ganz egal wie einem das ‚erklärt’ wird. Ich betrachte die Auseinandersetzung mit anderen Gattungsexemplaren als überflüssige Zeitverschwendung. Angesichts dessen erst ist zu beurteilen, wie viel Geduld ich mir Dir hatte damit ist nicht mehr zu rechnen.
Unglücklicher Weise haben sich die Kinder möglicher Weise angesichts dessen, was sie täglich zu sehen und zu hören bekamen darauf eingerichtet, sich soziale Beziehungen auf diese Weise zu denken. In dem Kontext will ich darauf hinweisen, dass ich mich niemals als Mitglied dieser Familie betrachtet habe, so wenig wie ich mich als dieses Systems betrachtet habe. Ich habe an der Tür gestanden und gewartet, ob sich eine Möglichkeit dazu ergibt, mit meiner Zustimmung einzutreten, weil dort erkennbar ein Platz für mich ist. Das zu wiederholen ist das einzige, was ich tun kann um darauf aufmerksam zu machen, nicht, dass ich im Jahre 1982 einundvierzig Jahre alt war, die ich ohne Dich und Deine Familie gelebt hatte und in einem Dir vollkommen unbekannten Lebenszusammenhang, in dem sich Entwicklungen vollzogen, an die im Emsland zu derselben Zeit kaum zu denken gewesen wäre, und ich erinnere mich an den schlafmützigen und zurückgebliebenen Zustand der Gegend, als ich sie zum ersten Mal sah.
Der zeitliche Verzug, die Ungleichzeitigkeit ist aber nicht das Entscheidende. Man kann immer einwenden, dass Dir ja eine entsprechend Erfahrung aus Hannover zugänglich war usw., den Altersunterschied als bedeutungslos überplappern und endlich alle Unterschiede in einem assoziativ funktionierenden Gedächtnis – wie das so Gewohnheit geworden ist unter dem Einfluss der Allgegenwart der gruppenspezifischen Sozialtechnologien der siebziger Jahre, deren Erfolg in der systematischen Destruktion der Denkfähigkeit ganzer Generationen unter Einfluss der ‚Verwissenschaftlichung’ der Ausbildungen zugunsten assoziativer, erlebnisbezogener Aneinanderreihung von Erlebnissen nach den Gesetzen der Analogie und der Kontiguität geführt haben – zu einem qualitativ unterschiedslosen und logisch unzusammenhängenden Identischen machen. Das mag darauf hinauslaufen, dass man Recht behält im Sinne seiner eigenen Beruhigung, an der man abliest, dass man Recht hat, und in dem Sinn, dass man sich der Zustimmung seiner signifikanten Umwelt sicher wissen kann. Man muss aber wissen, dass damit die Brücken verbrannt sind, über die der Weg weiter und zurückführen könnte. Das Bild von den verbrannten Brücken ist ja meist so konturiert, dass die auf dem Weg hinter dem Tross liegen, der vorwärts weiter strebt. Aber was, wenn man zwischen den Strömen sich befindet und auch in der Blickrichtung auf verbrannte Brücken stößt, einfach deshalb – surprise – weil die Welt rund ist und ihre Oberfläche zwar endlos, aber begrenzt, so dass man am Ende auf dem unaufhaltsamen Vormarsch auf die Brücken stößt, die man selber gerade erst selber verbrannt hat, wie es dann scheinen muss, besonders wo alles nun so schnell geht und Zeit und Raum angesichts der globalen Möglichkeiten immer weiter schrumpfen auf pure Gegenwärtigkeit aller Orte?
Und welchem Gedanken entspricht dieses bewegte Bild? Wie auch immer das beantwortet wird – man muss hier die Absicht des Künstlers sehen, aber vor allem die Struktur des mehrdeutigen Bildes selbst im Auge behalten oder vielmehr zuvor schon haben – die einundvierzig Jahre meiner vorherigen Existenz entziehen sich vollständig wenn nicht Dir, dann auf jeden Fall jedem der Kinder mindestens. Weder Du noch eines der Kinder kann wissen, wer oder was ich bin. Ich lausche und höre: Das Echo wiederholt sogleich: „…kann wissen wer ich bin“. Ich aber weiß, wer Echo ist: Das Gegenbild, nein noch anderes, von Narziss. Aber warum kein Gegenbild? Lassen wir Echo auch dies wiederholen: „…ein Gegenbild“. Da hat Echo wiederum recht - oder? - und damit könnte man es gut sein lassen. Echo scheint lernfähig zu sein. Sie kann etwas wiederholen, so oft man es ihr vorsagt. Ja nach der Entfernung aber, in der sich Narziss befindet, wiederholt sie unterschiedlich lange Sequenzen des ihr Vorgesprochenen, indem sie an unterschiedlichen Stellen einsetzt. Das ergibt zufällig einen richtigen, und ebenso zufällig einen entgegen gesetzten Sinn. Die Wiederholung genügt dem Gesetz des Widerspruchs und des ausgeschlossenen Dritten nicht („…Dritten nicht, Dritten nicht, Dritten nicht.“) Wie? Tritt ihn nicht? Das könnte richtig sein. Noch ein Versuch: „Du tust mir weh!“ („… tust mir weh“).
Natürlich kannst Du mir vorwerfen, dass ich nicht selbst aktiv die Trennung herbeigeführt habe. Aber der Vorwurf wäre dann ja, dass ich das nicht aktiv genug getan hätte, denn was soll das angesichts dessen, was ich tat eigentlich noch heißen? dass ich zum Mörder werden sollte, um meinem Willen die notwendige Nachdrücklichkeit zu verschaffen, meinen Erklärungen den notwendigen praktischen Erfolg zu sichern. Du kannst mir vorwerfen, dass ich mich nicht selbst völlig zerstören wollte, denn was blieb denn von meiner noch verbleibenden Zukunft übrig nach diesem erneuten Desaster? Auf der Flucht vor einer mörderischen großen Hure rannte ich in die offenen Messer ihrer kleinen Schwester, und auf der Flucht vor dieser rannte ich in die Arme einer Mörderin ihres Mannes und Vaters zweier ihrer eigenen Kinder, die nicht einmal das Format einer Medea hatte, und auch keinen anderen Anlass hatte als dass es sie irgendwo juckte, also einfach ein gedankenloses Flittchen war.
Nun war ich zwar hinreichend belehrter Sohn einer Mutter, die einen toten Sohn und Mann, wer weiß das schon, am Ende gar auf dem gewissen hatte, und deren läppischen Umgang mit Männern ich erbte ebenso wie ihren Hass auf ihren eigenen Bruder, aber, zurückprallend von den Schimären, Sirenen und Harpyien, fand ich wieder nur eine nicht aus dem Wege gehende Schänderin meiner Existenz vor, die mich dafür beschimpfte, dass ich mich vor ihr zu Tode fürchtete, zumal angesichts einer immer unklarer erscheinenden fragwürdigen Vorgeschichte voller Schmutz, Gewalt, Missbrauch, Tod und Mord und Selbstmord, Handlungszusammenhänge, unter denen einer ganz unzweideutig war: Der Mord am eigenen Kind, dessen Zeuge und Mitschuldiger ich ohne mein Wollen und Zutun geworden war.
Und diese Gegenwart war nun zu ertragen, mit ihr sollte ich mich versöhnen, ich sollte mich ungefährdet fühlen können, leben sollte ich gar unter dem Verhängnis der überall wehenden schwarzen Fahnen, auf denen mit Blut der Mord geschrieben stand, der mir seit meinen ersten bewussten Tagen gedroht hatte. Denn war diese Gefangenschaft nicht nur eine der Wiederholungen, denen zu entkommen alle meine Anstrengungen gegolten hatte, aller Einsatz, alle Klugheit dessen, der seinen Ausbruch aus einem Gefängnis, in dem er sich findet, planen und verbergen muss vor den Wächtern, die an allen vergitterten Türen und Toren stehen? Was soll hier ein Vorwurf bedeuten anderes sein als eine dreiste und unverschämte Verhöhnung des Gefangenen, dem man täglich seine Unfähigkeit vorhielt sich entschlossen zu befreien, und dessen Gefangenschaft sich dazu nutzen ließ ihn täglich zu verhöhnen?
Kein Versuch Deinerseits, mir den Sinn meiner Verabredung mir Dir zu ‚erklären’, hatte jemals die geringste Grundlage. Den Sinn meiner Verabredungen mit wem auch immer kann ich mir nur selbst erklären und das ist unnötig. Wenn mir aber jemand den Sinn seines Tuns dann, wenn ich ihm erkläre, das ist nicht im Sinne der Verabredung, damit erklärt, dass er mir erklärt, wie ich diese Verabredung zu verstehen habe, damit seine Handlungen dazu passen, dann ist es wiederum meine Sache, dem erst zuzustimmen, und wenn ich das nicht kann, und nicht tue, dann ist keine weitere Erklärung mehr nötig oder möglich als die, dass damit alle Verabredungen gegenstandslos geworden sind. Man kann dann neue Verabredungen treffen, aber wer wird das, bei Verstand unter diesen Umständen nicht als Versuch betrachten, einen hinters Licht zu führen, aufzuhalten, zu täuschen, denn wie soll denn nun noch möglich sein, überhaupt zu einer Verabredung zu kommen, nachdem das doch ersichtlich gescheitert ist? Es gibt auf dieser ‚Grundlage’, des Zusammenbruchs jeder Gemeinsamkeit eines unbefragt bleibenden (!) Sinnes überhaupt keine Chance mehr zu irgendeiner Verabredung! Und ich habe niemals zugestimmt missbraucht zu werden, niemals in den zwanzig Jahren, in denen Du mich auf schamlose Weise missbraucht hast und nichts als missbraucht und verächtlich behandelt.
Warum ich diese Exzentrizität und Exterritorialiät betone. Nicht weil sich nicht in einem Echo wiederholen ließe, sondern weil es mich charakterisiert. Ich weiß wer ich bin und benötige dazu nicht die Zustimmung von Leuten, von deren Existenz ich einundvierzig Jahre lange nicht einmal wusste, und denen ich nicht das – auch gar nicht durchsetzbare – Recht einräume, oder die ‚Kompetenz’, darüber zu befinden, wer ich sei, indem sie mit mir irgendwie umgehen oder mir unter Voraussetzungen, die es nur in ihren nervösen Systemen gibt, dieses oder jenes zu sagen oder sich zu dieser oder jeder Handlung zu ermächtigen. Es bedarf zu alledem meiner Zustimmung, und Vorbehalte, die ich anmelde sind zwar ignorierbar, aber nicht ohne Folgen. Und diese Folgen sind zunächst Folgen, die ich zu tragen habe, und zwar ganz gleich wie ich mich dazu einstelle, ob ich das hinnehme oder ob ich mich dagegen wende und - zunächst – widerspreche. Denn in jedem Fall werde ich dabei genötigt zu etwas, das sonst gar nicht existierte. Ich muss mich zurichten bzw. ich werde zugerichtet dazu, entweder etwas gegen meinen Willen hinzunehmen oder mich dagegen zu wenden. Die angemessenste Handlung, die sich dazu denken lässt, wenn man weder das eine noch das andere für akzeptabel hält, ist der Austritt aus dem Umkreis der Zumutungen, der einen auf diese Weise in Anspruch zu nehmen versucht.
Angesichts der Versuche, die von diesen Zumutungen ausgehen, einen zur Beugung unter sie oder zum Widerstand gegen sie zu nötigen, weil es ein Drittes nicht gibt, ist zu erwarten, dass auch die Mitteilung, dass man austritt, Reaktionen auslösen wird, die darauf hinauslaufen, dass man sich ihnen wiederum beugt, jedenfalls soweit und solange der Sinn der Mitteilung nicht verstanden wird, der nun ja nicht einen Widerstand gegen etwas anmeldet, sondern den Austritt in ein von diesen Zumutungen unbehelligtes Dasein, das einem die Reaktion auf das nicht Akzeptierte erspart. Bleibt man auch nur in der Hörweite des Umkreises eines solchen Systems, dann wird dieses dazu neigen, dies stets wiederum als eine grundsätzliche Zustimmung zu seinem Regelwerk und seinen Funktionsgesetzen misszuverstehen und immer wieder stereotyp dieselbe prinzipielle vorweg vorgenommene Einordnung des Angesprochenen vornehmen, der man durch die Mitteilung des Austritts in ein von ihm unbehelligtes Dasein gerade dadurch grundsätzlich, in der Form einer grundsätzlichen Verweigerung der Übernahme oder der Übernahmebereitschaft widerspricht, dass man seinen grundsätzlichen Austritt einmal erklärt hat. Alles Weitere ist dann Sache einer Dramatik, die sich unter diesen Umständen entwickeln kann, also durchaus eine ‚Entwicklung’ hat, die aber bei genauerem Hinsehen auf der Stelle tritt, indem das umgebende System, aus dem man seinen grundsätzlichen Austritt erklärt hat, dem man also per Willenserklärung nicht angehört, ganz gleich ob man ihm angehört hat oder nicht, stereotyp darauf besteht, dass man doch dazu gehört und zwar entsprechend den Regeln, denen man zunächst widersprochen hat, und auf deren Anwendung trotz Widerspruch man mit der Grundsatzerklärung des Austritts begegnet ist, also mit einer Willenserklärung antwortet, die das durch das System oder eine andere Person definierte Verhältnis zu dem gesamten System im Grundsatz verweigert, so dass sich die Situation einer systematischen Vergewaltigung ergibt, der man sich unter Umständen nicht entziehen kann, der man deshalb aber nicht zustimmt oder zugestimmt hat oder jemals zustimmen muss. dass die Definition von ‚Vergewaltigung’ hier nicht an die Anwendungsvoraussetzung männlicher Agenten gebunden ist, wird damit klar. Vergewaltigung ist, was mit mir gegen meinen Willen, gegen meinen erklärten Widerspruch und ohne meine Zustimmung mit mir trotz dieser Willenserklärungen ergibt. Das ist auch unabhängig davon, ob die vergewaltigende Macht die Mitteilung erhalten hat oder wahrgenommen.
Eher ist ja wahrscheinlich, dass eine Umgebung, die dazu disponiert ist, eine Person gegen ihren Widerspruch auf eine bestimmte Weise einzuordnen und auf dieser Grundlage zu ‚behandeln’ solche Mitteilungen nicht wahrnehmen oder als erhalten registrieren wird, und sogar den Widerspruch als eine Form der Zustimmung umdeuten wird, oder als Legitimation der fortgesetzt gegen den Widerspruch angewandten Gewaltsamkeit umdeuten wird, also zum Angriff übergehen wird, nunmehr nicht mehr aus Eigenträgheit, sondern unter Bezug auf die Reaktion, die zur gewaltsamen Durchsetzung dessen berechtigt, was man zuvor meinte einfach so geltend machen zu können ohne überhaupt auf Widerstand zu stoßen. Wenn und wo eine solche Verfassung ‚aus allen Wolken’ der von ihr vorausgesetzten Selbstverständlichkeiten fällt, geht sie deshalb, gestützt auf die Reaktion des ihr Widerstehenden, sogleich im Bewusstsein der Verteidigung ihrer legitimen Rechte, gar dessen auf Selbstverteidigung, gegen einen durch nichts zu rechtfertigenden Angriff, ihrerseits zum Angriff über. Die in der Selbstverständlichkeit und der Unschuld der einfach in Anspruch genommenen und zur Geltung gebrachten, ausagierten Handlungen implementierte potentielle Gewalt wird zur manifesten und gerechtfertigten erst recht am als Angriff verstandenen bloßen Widerspruch dessen, was sich mit den Konditionen der Kooperation und Gemeinsamkeit, die man ihm meint unvermerkt in der Form von Selbstverständlichkeiten überstülpen zu können – und dazu bedarf es keines Bewusstseins dessen, was man tut.
Das entsteht ja erst anlässlich des Widerstandes, auf den es stößt, und hat nicht selbstverständlich den Inhalt und die Form des Widerspruchs, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach zunächst eher die der nunmehr bewussten Rechtfertigung dessen, was zuvor ohne Bewusstsein bloß geschehen sollte, wenn es überhaupt zu mehr reicht als zur bloßen mechanischen Aufrechterhaltung der einmal eingeschlagenen Richtung, in die die Massenträgheit und der Impuls des Systems weiter treiben. Das dem entsprechende Bewusstsein besteht in der Umdeutung des Entgegenstehenden in einen Angriff, auf den man angemessen antworten muss, um Richtung und Impuls beibehalten zu können.
Ein Mensch, der in einer Situation festgehalten wird, der er nicht zugestimmt hat, der also gefangen gesetzt wurde, bleibt ein Mensch mit Wünschen und Bedürfnissen. Wäre er darüber hinaus, dann wäre er tot. Wäre er davon verschont, dann wäre er nie geboren. Er wird derart, zwischen seinem erklärten Willen und seinen Existenzbedingungen eingeklemmt in einer nicht akzeptierten Lage, zum Opfer seiner Wünsche und Bedürfnisse selbst dann, wenn er sie aufs äußerst mögliche zurücknimmt, auf ihr noch ohne Aufgabe des Lebens mögliches Minimum.
Die Demütigung der Gefangenschaft und der Brechung seines Willens schlägt um in die Selbstdemütigung, die darin besteht, dass er seinen Bedürfnissen nachgibt und weiterhin Wünsche hat, also darin, dass er von dem, was ihn gefangen hält Angebote annimmt, diese Bedürfnisse zu befriedigen, und zwar ganz gleich auf welchem ‚Niveau’. Je niedriger dieses ‚Niveau’, desto schlimmer ist diese Demütigung und sie ist eine Selbstdemütigung angesichts des Umstandes, dass der Gefangene sich überhaupt erlaubt ihnen nachzugeben, und selbst das ihm angebotene ‚Niveau’ dieser Befriedigung und das damit gebotene Leben dem Tod vorzuziehen, der in der geraden Linie der erfolgreichen Verteidigung seiner Willenserklärungen konsequent folgt. Die Rebellion gegen die Gefangenschaft vertieft diese Selbstdemütigung. Sie beraubt den Gefangenen seiner Menschlichkeit, seiner kulturellen und sozialen Identität. Er versinkt in einer so gut prä wie postkulturellen Existenz jenseits von Raum und Zeit, insofern dies kulturelle und soziale Kategorien der menschlichen Lebenswelt und in dieser Form erst auch Voraussetzungen erkenntnistheoretischer Art für die Grundlegung einer Welt sind, dem Dasein unter dem Lebensniveaus des gefangenen Tieres noch.
In der alltäglichen Hölle der geschauspielerten oder gedankenlos abgeleierten Scheinrealität einer Normalität, die sich über den verlassenen Gräbern von Toten und den Trümmern von untergegangenen Hoffnungen aus Fetzen einer untergegangenen Kultur zum Bühnenbild der Familie zusammensetzten, wurden Kindergeburtstage und Weihnachtsfeiern abgehalten, bei deren Gelegenheit ich mich erinnere an das, was das einmal versprochen hatte und was sich an menschlichen Formen darin einmal wirklich dargestellt haben mochte, ohne dass ich dieses Sinnes jemals in anderer Form als in der einer nachlesbaren Überlieferung ihrer ‚Bedeutung’ habhaft geworden wäre. Schon meine Mutter log, wenn sie lächelte, nicht wenn sie lachte. Dann waren die Beschädigungen, die das Leben an ihr angerichtet hatten, sichtbar und auch wie sie damit umging. Aber wenn sei lächelte, lächelte liebevoll der Tod. Und ich sollte mich nicht vor Deiner Gewalttätigkeit fürchten, die Du mir auch noch zu ‚erklären’ versuchtest? Das hatten schon andere vor Dir vergeblich versucht. Ich bin zwar ein misshandeltes Kind, aber ich habe sie wahrgenommen und ihr nicht zugestimmt, obwohl ich mich nicht immer davor bewahren konnte, dass sie versucht hat, von mir Besitz zu ergreifen.
Hier ist also alles anders als in Goethes Faust. Wenn das das geltende Muster für einen Mann war, und die Lehre, dann man Gretchen nicht verführt und nicht zum Kindermord treibt und dann in den Selbstmord, so wäre dem nun das Gretchen hinzuzufügen, dass den Liebhaber hintergeht und das von ihm empfangene Kind ermordet und den Liebhaber in den Selbstmord treibt. Die Umkehrung in die genau entgegen gesetzte Richtung ist hier ganz und gar klar. Was bedeutet also unter diesen Umständen OSTERN?
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche…“ Soweit Goethe. Nachdem er auch den Bruder Gretchens im Duell getötet hat, ist es erst mal genug und er versinkt in Trauer. Ich habe niemanden getötet, obwohl ich, über Tische und Bänke und Töpfe reitend, den Tod eines Mannes wenigstens mit verursacht habe. Er brachte sich in derselben Nacht um, in der wir uns in der Wohnung von Frau Alves begegnet waren und nachdem sie mich ein paar Tage zuvor zusammen mit ihrem Sohn (mindestens) zur Arbeitsstelle ihres Mannes mitgenommen hatte. Auch sie hatte mich um Rat gebeten, was sie tun solle, bezüglich einer Scheidung und ich ‚riet’ ihr, wenn sie das wolle, doch die Scheidung einzureichen. Man kann Leuten nur raten, was sie ohnehin zu tun vorhaben, und man kann das sowohl daran sehen, was sie tun oder sagen, wenn man ihnen zurät oder das Gegenteil rät. Es ist gleich. Insofern hat man in Wahrheit gar keinen Anteil an der Entscheidung selbst. Die wird dem, der sich entscheiden will nur selbst klarer, ganz gleich was man sagt. Aber die Ursache meines Parforcerittes war Dein Glaube, mit mir nach Belieben verfahren zu können und dabei mit meiner Furcht kalkulieren zu können, über die dem Kulturmenschen gesetzten Grenzen hinweg gehend einen strategischen Angriff planen und ausführen zu können. Deine Erwartung war ganz offensichtlich, dass ich bei meinen furchtsamen Beschwerden, also in einem kalkulierbaren Rahmen bleibe und sich derart dies alles mit den entsprechenden ‚Begründungen’ fortsetzen ließe. Darin steckte der Fehler, zu glauben, dass der Kulturmensch konditioniert ist auf die Regeln, die er befolgt. Die Wahrheit ist eine andere. Es ist der Kulturmensch, der auf die geltenden Regeln aufmerksam macht als Vorschlag zur Güte, wie man so sagt, und der damit sagen will, dass der Kriegsfall gegeben ist – der casus belli – wenn diese Regeln einseitig und gegen die getroffenen Verabredungen überschritten oder nicht eingehalten werden. Bereits die Rückfrage: Welche Regeln, welche Vereinbarungen ist der casus belli, löst den Krieg aus. Man muss verstehen, wozu eine Kultur Regeln überhaupt hat. Wer dies nicht weiß, steht außerhalb der Kultur und ist nicht als verantwortliche Person zu betrachten. Er/sie muss wissen, dass sie, wenn sie sich unter Kulturmenschen begibt und dort dann ihre Verwahrlosung agiert, sie den Krieg auslöst. Das ist der Grund, warum ich umgeschulte Huren in Altenheimen unzumutbar finde, ganz gleich was der zuständige Minister meint wozu sie ‚qualifiziert’ seien.
Ich hätte mir diese Auffassung nicht nur früher zu eigen machen müssen, sondern sie auch konsequent anwenden müssen und wir wären uns niemals begegnet. Es ist auch zu verstehen, in diesem Kontext, was eigentlich eine Mutter, Frau, Schwester von Schwestern und eines Bruders, Tochter eines Vaters und einer Mutter damit sagt, dass sie in Gegenwart ihrer Töchter und des Vaters ihrer Kinder von der größeren Ekeltoleranz von umgeschulten Huren redet, wenn man einfach einmal von der Vorstellung einem intakten kulturellen Lebensmedium ausgeht und von der zu unterstellenden kulturellen Integrität der Anwesenden. Welche Notwendigkeit besteht da, den Fall zu rechtfertigen, ja, überhaupt auf ihn zu sprechen zu kommen, und wer hat das Recht, derartige Themen in ein Gespräch einzuführen? Und das sollte ganz motivlos sein? Einfach so, als ‚Einfall’, weil angeblich alles zum Thema werden kann? Das eben ist falsch. Mag sein, dass therapeutische Gesprächskontexte diese Möglichkeit zulassen müssen, in einem sorgfältig eingehegten Arrangement und zu einem bestimmten Zweck. Aber eben dies ist deshalb so, weil dies ein kultureller Kontext eben nicht zulässt, ohne dass dabei nicht mehr zu klärende Unklarheiten entstehen. Im Übrigen habe ich diese Kühnheit ansonsten noch nicht an Dir bemerken können, wenn die ‚’wichtigen Verwandten’ zugegen sind, die dergleichen niemals tolerieren noch gar verständnisvoll abnicken würden. Nur der Vater der vier Töchter wird von der Mutter in Gegenwart eines Familienfremden mit dergleichen konfrontiert und soll das durchgehen lassen. Bitte, gegen Bezahlung und unter der Bedingung, dass er keine sozialen (!) Beziehungen unterhalten muss zu dem, was sich so ergeht.
Ich jedenfalls habe meine Maßstäbe nirgendwo jemals in Frage gestellt, auch wo ich darauf verzichtet habe sie ausdrücklich geltend zu machen. Das ist mein Mangel an Fanatismus und mein Verständnis für Menschen, die sich gelegentlich nicht an die geltenden Regeln halten, oder auch überhaupt nicht. Ich habe kein Interesse daran, dass diese Menschen verfolgt werden, aber ich habe ein definitives Interesse daran, dass sie mir nicht zu nahe kommen und dies u. a. dadurch erreichen, dass sie ihren Zustand verbergen und einen anderen simulieren, indem sie so tun, als teilten sie kulturelle Normen, die sie tatsächlich ständig und sei es fahrlässig, sei es vorsätzlich verletzen und sogar als Blödsinn verachten zu können meinen. Diese Menschen leiden an einer Pest, die sie epidemisch zu verbreiten versuchen und sind daher gefährlich. Aus geordneten sozialen Verhältnissen muss man sie deshalb nolens volens ausschließen. dasselbe gilt für Menschen, die in unglücklichen oder in Auflösung begriffenen Familienverhältnissen leben. Sie sind grundsätzlich aus jedem Versuch auszuklammern, in die eigenen Verhältnisse Ordnung zu bringen. Denn der Neid macht sie zu Voyeuren und sie stehen auf dem Standpunkt: Warum soll meine Schwester haben, was ich nicht haben kann, glückliche Familienverhältnisse?
Das ist es gut sich gleich gegen den Willen wenigstens eines der Beteiligten gewaltsam Zutritt zu verschaffen und hineinzudrängen und auf diese Weise Todfeindschaft und unheilbare Konflikte schon anzulegen, wenn gerade erst die ersten Keime einer kaum begonnenen Zuneigung wachsen wollen und sie erbarmungslos zu zertrampeln. Dazu ist die gemeinsame Familienpathologie von Familienangehörigen untereinander besonders gut geeignet, weil sie die Gewohnheit der Verletzung der Privatheit des Lebens des Anderen und den Respekt den es durch den Außenstehenden genießen müsste, unter Gebrauch des einen Partners nutzen kann, um den Einbruch zu legitimieren, denn dem kooperierenden Teil fällt das als gewaltsame Handlung gar nicht auf und andere ‚Kommunikationsgewohnheiten’, die z. B. das Geschwisterverhältnis betreffen und die darin herrschende Hierarchie, ob das nun bewusst ist oder nicht, lassen sich problemlos sogar dazu nutzen, in das gerade erst beginnende Verhältnis mindestens versuchsweise die familienstrukturell stabilisierten Herrschaftsverhältnisse innerhalb der Geschwisterreihe auf den neu hinzukommenden Partner zu übertragen, und wehe, wenn der nicht auf die erwartete Weise kooperiert. Dazu brauchen nicht erst arrogante und blinde und taube Cousins anzureisen, die zwar selbst aus guten und erkennbaren Gründen nie Väter geworden sind, dann später die Rolle des Vaters in der Familie von Cousinen übernehmen und zum Abitur der ältesten Tochter vor den Ohren des in der Sache überlegen gebildeten Vaters und vor versammelter Mannschaft einer Großfamilie, die den Vater ganz offen verachtet, und mit der Zustimmung der Mutter der Kinder schwachsinnige, aber mit dem Anspruch des Größenwahnsinnigen aufgeblasene Vorträge über Gegenstände zu halten, die sie zwar auswendig lernen können, aber nicht zu verstehen imstande sind. Die als ‚Naivität’ und Unkenntnis ganz missverstandene Kooperationsbereitschaft der zur Partnerin auf diese Weise niemals werdenden Mutter ist gerichtet auf die Vernichtung des Mannes, seine Kastration.
Darin setzt sich die vom Gesetzgeber inzwischen ohne Legitimation geduldete Handlung des Kindermordes lediglich fort, als soziale Interaktion und ‚Kommunikation’, beides Begriffe, die auf die übliche Weise, die die soziologische Begriffsbildung zur gewohnheitsmäßigen Perversion bzw. deren ausdrücklicher Konzeptualisierung hat aufrücken lassen, das ihnen entgegen gesetzte, also die sozial destruktive Handlung wie der kommunikative Perversion als ‚Modi’ von ‚Kommunikation’ oder ‚sozialen Handlungen’ in ihr Begriffsinventar aufnimmt, indem sie die soziale Handlung mit der anti und der asozialen zusammenfasst, und die Kommunikation mit ihrem Gegenteil, weil einfach auch dabei etwas vorgeht, das sich auf das ‚Soziale’ bzw. auf ‚Kommunikation’ bezieht. Die Betrugsmanöver haben die Bewusstseinsverfassungen inzwischen derart vergiftet, dass es den ‚Nutzern’ dieser Verwirrungen gar nicht mehr zu Bewusstsein kommt, das ihnen die Begriffe fehlen.
Ich erinnere mich auch nicht, jemals eine Einladung zu einem Fest angenommen zu haben, das uns mit Frau Alves bekannt machte. Es war einfach nichts zu machen. Du hast dem Gesindel selbst die Tür weit offen gehalten, vermutlich um es vermeiden zu können, Dich mit mir überhaupt beschäftigen zu müssen. Als ich Dich endlich, angesichts Deiner obstinaten Dreistigkeit, mir ständig erklären zu wollen, warum dies alles ganz normal ist und Du gar nicht verstehst, worüber ich mich da aufhalte, und angesichts der Summe zu der das ersichtlich auflief, unter beliebigem Gebrauch der sich dazu mit zur Verfügung stehenden Umgebung angriff – so wie Du Deine Umgebung als Angriffswaffe gegen mich einzusetzen begonnen hattest und in einer exakten Kopie Deiner Aufführung – war das ganz und gar eindeutig gemeint und das hast Du auch an einem bestimmten Punkt verstanden. Hättest Du vor der Konzeption mit Rebecca daraus die einzig richtige Konsequenz gezogen, dann hättest Du heute weder einen Anlass noch eine Gelegenheit, Dich unablässig weiter zu beschweren und dabei vor allem Deine Unfähigkeit zu beweisen, überhaupt einzusehen, welcher Art die von Dir nicht nur an mir begangenen Verbrechen eigentlich sind.
Es ist dieser Punkt, der die Sache aussichtslos macht. Denn ich werde hier unter keinen Umständen einen Kompromiss machen können. Ich wollte Dich vertreiben und habe Dich angegriffen nachdem Du mich massiv angegriffen und verächtlich behandelt hast, und wie immer Du es mit Deinen Beschwerden hältst, jetzt oder in Zukunft, ich wusste was ich tat und ich tat es mit einer eindeutigen Absicht. Als Du erkennbar dem wirklichen Zusammenbruch nahe warst habe ich eingelenkt, weil ich nicht für Deinen Untergang unmittelbar verantwortlich sein wollte. Der Weg in Deinen Untergang war von Dir selbst lange beschritten worden, bevor ich mich mit Dir zusammentat, und Du kannst mir glauben, dass ich Dich schon recht deutlich sehen konnte, ich war nur nicht darauf gefasst, dass Du versuchen würdest, mich mit in den Abgrund zu reißen, an dessen Rand Du hingst als ich Dir die Hand reichte, weil ich dachte, dass Du einen Anlass dazu erkennen würdest, dafür auch dankbar zu sein, weil Du eben erkennst, was ich für Dich zu tun bereit war, obwohl Du es in keiner Weise verdient hattest, und auf dem Weg zur Hölle, zu Deiner eigenen, versteht sich, unterwegs warst.
Ich dachte im Ernst, Du wärst für meine Bereitschaft, trotz des von Dir begangenen Mordes Dir eine Chance zu geben, dankbar. Bis heute versuchst Du dagegen gerade diese Bereitschaft und den Sinn meiner Handlung Dir gegenüber ebenso hartnäckig wie verzweifelt in den Schmutz zu ziehen, in sein Gegenteil zu verkehren, auf jede Weise zu verleugnen und aus der Welt zu schaffen. Du setzt das Verhalten gegenüber dem von Dir ermordeten Kind unausgesetzt an mir fort. Es ist der Generalbass von allem, was Du mir gegenüber unablässig inszenierst.
Ich habe Gretchen nicht verführt, ich habe sie nicht zum Kindermord des von mir empfangenen Kindes angehalten. Wie leicht wäre das doch möglich gewesen, angesichts der Lage und vor allem angesichts meiner deutlich genug bekundeten Absicht eine Trennung zu erzwingen, Dich dazu zu veranlassen Dich zu verabschieden. Welchen Sinn sollte das denn machen, dass Du einen Menschen NICHT verlässt, der Dich vorsätzlich angreift und Dir das auch noch mitteilt in der klaren Absicht, Dich zu vertreiben aus seiner Gegenwart, und der nicht gesonnen ist, den Terror in eine Wohngemeinschaft zu überführen? War das eine erneute Abtreibung nicht die Methode der Wahl. Oder war es nicht vielmehr richtiger noch, die gemeinsame Wohnung zu verlassen und nicht wieder zu kommen außer zur Abholung der eigenen Sachen, oder dergleichen? War Dir mein Zorn nicht genug? War der etwa unverständlich? Wie konntest Du Dich einem Mann erneut anbieten, der Dich aus dem Hause geworfen hatte, nachdem Du mit Deinem Liebhaber telefoniert hattest, mit dem Du nach wie vor, entgegen der eigens eingeholten Auskunft engste ‚Beziehungen’ unterhalten hast. War das alles nicht klar genug, dass Du die Klugheit aufbrachtest, mir aus dem Wege zu gehen, und einer erneuten Schwangerschaft unter den von Dir bevorzugten Formen des sadomasochistischen Beziehungstyps auszuweichen? Und sollte ich Dir nun erneut zu einer Abtreibung raten, zumal als ich erkennen konnte, dass es Dir diesmal darum ging nicht nur schwanger zu sein, sondern das Kind auch zur Welt zu bringen? Und war das nicht großmütig von mir, einzulenken nachdem Du Dich derart abscheulich aufgeführt hast und alles versucht hast mich in den Dreck zu ziehen, in dem Du Dich gewohnheitsmäßig gewälzt hast? Hast Du jemals jemandem die wirkliche Geschichte erzählt, die sich hier ereignet hat, eine Geschichte, die mich nicht verzweifelt zu erniedrigen und zu demütigen und in den Schmutz zu ziehen versucht, damit Du bloß nicht anerkennen musst, was ich für Dich getan habe, indem ich Du den Rest meiner Zukunft zum Opfer brachte, wohl wissend, was mich erwartete? Könnest Du jemals Deinem Vater oder Deiner Mutter, nehmen wir an sie könnten überhaupt ertragen zuzuhören, erzählen, was Du da überall getrieben hast, wo ich jedenfalls weiß, dass Du Dich herumgetrieben hast, bloß alles das, dessen Zeuge und Opfer ich wurde, und ohne Dich selbst auf schamlose Weise zu belügen über die elende Wahrheit Deiner Existenz?
Nein, als es darauf ankam, habe ich Gretchen weder zur erneuten Kindermörderin gemacht noch habe ich sie im Stick gelassen. Ich habe sogar versucht, das Unmögliche doch noch zu verwirklichen, sie zu lieben, wo sich auch nur der Schimmer einer Möglichkeit dazu bot, und sie zu unterstützen wo immer ich eine Chance dazu sah, ohne jemals etwas für mich selbst zu beanspruchen. Darüber ist keine Verhandlung möglich. Wenn Du nicht ausdrücklich anzuerkennen bereit bist, dass Du der Angreifer gewesen bist, dass Du es warst, die sich an mich wandte, und um Hilfe bat, dass Du es warst, die sich an mich erinnerte, obwohl ich kaum wissen konnte, welchen Eindruck meine Existenz in Deiner Seele hinterlassen haben mochte und das vielleicht auch nicht so wichtig fand wie Du, zunächst, und wenn Du nicht dazu kommst, Deine eigene Vorgeschichte zunächst einmal als das zu erkennen, was sie ist, eine Geschichte progressiver Verwahrlosung der Maßstäbe, oder die Konsequenz ihres Fehlens überhaupt, und wenn Du nicht willens und fähig bist anzuerkennen, das ich das wohl wusste, und dass meine Entscheidungen vor diesem Hintergrund bewertet und verstanden werden müssen, wenn sie überhaupt verständlich werden sollen, dann werde ich mich auf Nimmerwiedersehen verabschieden und den Rest meiner Existenz sowie deren Spuren nach Möglichkeit, soweit sie nicht eingebaut sind und insofern nicht beweglich und auslöschbar, auswischen. In keinem Fall mache ich in dieser Hinsicht den kleinsten Kompromiss. Du wirst Dich entschließen das Format des Vaters Deiner Kinder anzuerkennen und ausdrücklich zu respektieren oder auch die Kinder werden auf diesen Vater verzichten müssen.
Ohnehin sind die Folgen der Traumatisierung der Kinder nur zu deutlich. Für den unausgesetzten Streit mache ich Dich verantwortlich. Er drehte sich stets um dasselbe: Die korrekte Rekonstruktion des Hergangs, ohne die sich eine Befriedung der Verhältnisse nicht erreichen ließ, während ich ganz unbezweifelt ließ, dass nichts mich an einer erfolgreichen Selbstverteidigung würde hindern können. Du hattest jederzeit die Wahl es Dir auszusuchen und hast stets die Fortsetzung des Krieges bevorzugt. Darin war meine ältere Schwester leicht wieder zu erkennen, und das angesichts des Umstands, dass Du dreizehn Jahre jünger bist als ich. Wie viel blinde und unverschämte Frechheit gehört dazu, auch nur den Versuch ins Auge zu fassen, das zu einem Erfolg zu führen, und das angesichts meiner Bildungsüberlegenheit ausgerechnet auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Kompetenzen, um die sich hier alles dreht. Wie ich mit der Wiederkehr dieses Früchtchens verfahren bin beim ersten Anzeichen auch nur der Möglichkeit der Erneuerung ihres Betriebsschemas im Umgang mit Männern, in denen sie doch lebensgeschichtlich, vergiftet durch den Geschwisterkonflikt zwischen ihrer Mutter und deren Bruder, nur den kleinen Bruder zu sehen imstande war, den man die Treppe hinunterwerfen, dem man eine Gießkanne in den Hals stoßen und den man mit einem Knüppel niederschlagen kann, das ist Dir bekannt. Wie ich mit der letzten Endes von dem selben Konflikt zerstörten ‚Mutter’ umgegangen bin ist Dir bekannt. Nur Dich habe ich immer wieder verschont. Aber wenn ich Dich besuche, zumal dann, wenn mir ein Brief mitzuteilen scheint, dass sich da ein Schimmer von Einsicht abzuzeichnen beginnen könnte, und ich sogleich die Chance ergreife das zu untersuchen, dann lerne ich, dass Du Dich zu Unrecht angegriffen fühlst, nach dem Ich Dir erneut ausdrücklich sage, dass ich Dich bewusst und vorsätzlich angegriffen habe, und das ganz unverzeihlich finde, vor dem Hintergrund meiner Maßstäbe, aber nicht vor dem Hintergrund meines endlich doch geltend gemachten Überlebenswillens und meiner Lebensenergien, die eben durchaus dazu taugten, was Dir nicht klar zu sein scheint, die aber sinnlos verschwendet sind an dergleichen Unsinn, wie das ja auch jede berufliche Betätigung endlich wirksam vereitelt hat.
Ich antizipiere hier den wahrscheinlichen, jedenfalls einen möglichen Ausgang: Das Trauma der Kinder ist evident. Die Kommunikation mit Rebecca ist mit dem letzten Osterspaziergang zerstört worden. Was liegt mir an Ostern? Goethe liegt mir an Ostern. Zeit sich an die schönen Zeiten des Kindermordes zu erinnern, an Gretchen und ihr Benehmen auf der Teufelsmühle und in Hannover, nachdem wir in eine gemeinsame Wohnung gezogen waren und ich erleben musste, was für ein Früchtchen ich mir da eingefangen hatte, mit meinen von Oberstudienräten konditionierten Vorurteil darüber, was eine junge Frau aus einer guten Familie aus dem ländlichen Raum sein müsste.
Der gerade heraus vorgetragene Angriff von Rahel auf meine Person, die sich gefälligst zu entschuldigen hätte dafür, sich ausgeschlossen und verächtlich behandelt zu sehen, zumal dann, wenn die drittälteste (und nun auch die viertälteste) mit keinem Wort zu erkennen gibt, dass ich überhaupt existiere, und ich das als ‚asoziales Verhalten’ korrekt anmahne, allerdings ohne sie verletzen zu wollen, sondern um sie auf ihr Verhalten aufmerksam zu machen, und auf die unvermeidlichen Folgen, die das haben muss, in the long run, auch das Bekenntnis von Rahel, dass sie hier durchaus als handelnde Person verstanden werden will, ist ehrlicher, jedenfalls bewusster als der stillschweigende Opportunismus von Rebecca, die sich hinter diese elenden Ausreden zu retten versuchte, die so in dem ewigen Stil des feigen Klischees zu verstecken versuchen, das auf eine untolerierbare Weise Äußerungen in Anspruch nimmt, die man gemacht hat, also in dem Stil der stubbornness, die sich aufs Wörtliche versteift, entsprechend der Einleitung: „Du hast doch gesagt….“, diese ‚Kommunikationen’ beweisen auf ganz unterschiedliche Art die Wirkung, die unsere Unterhaltungen auf die Kinder gehabt haben.
Der ganze Schund dieser ewigen Ausflüchte und Ausreden, die Technik der Umkehrung der Geltendmachung eines Fehlverhaltens als Angriff auf einen in seiner Ehre Beleidigten, all diese Formen der Psychopathologie der Kommunikation, die sich lange aus unseren Unterhaltungen kenne, kommen hier aus der unbewussten Identifikation der Kinder mit der Mutter wieder und lassen schön grüßen. Das zeichnet bereits die nächste Runde in den Familien der nächsten Generation vor. Und just dies bringt mich zu dem Schluss, dass alles dies nicht nur unwünschbar ist, sondern auch nicht zu verantworten, und dass es besser wäre, dass es nicht existierte, und dass ich meine Zukunft vor mehr als Zwanzig Jahren in die Gosse geworfen habe, für nichts als diese Konsequenzen. Das hätte ich einfacher haben können, indem ich einfach darauf hätte verzichten können, diese oder irgendeine Familie zu ‚gründen’, und zugleich im Gründungsakt scheitern zu lassen mit den absehbaren und inzwischen manifesten Folgen zerstörter und unklarer seelisch-geistiger Verfassungen, die, wenn man eine Prognose machen will, es jedenfalls schwer haben werden, zu einem erwachsenen und ernst zu nehmenden Urteilsvermögen zu finden, das nicht von pathologischen neurotischen Zwängen sich selbst unter Missbrauch der gesamten verfügbaren Umwelt zu belügen und zu betrügen, zu täuschen und die Partner notorisch und unverantwortlich entweder zu unterschätzen oder sich zu Recht unterschätzbare zu ‚halten’, als den Trottel, den man braucht, damit das eigene kranke Ego nicht kippt, das sich zur Aufrechterhaltung seines Gleichgewichts auf einen willigen Idioten stützen muss, der es erträgt oder gut findet, um welchen Preis auch immer, die ihm derart zugemutete Rolle zu spielen, mit der Konsequenz, dass dies die nächste aussichtslose Runde eröffnet. Wie froh können alle sein, dass sie und wenn sie keinen ‚Partner’ von meinem ‚Format’ finden. Aber da bekannt ist, wie widersprüchlich diese Dinge sind, und da man das ja nicht zuletzt an Dir sehen kann: dass Du einen überlegenen Partner brauchtest, den Du gleichzeitig nach Belieben als Watschenmann und Underdog missbrauchen kannst, und dass sich das auf einen Vater mit überlegener Bildungsausstattung und einem Riesenloch in der Psyche zurückführen lässt, einen Partner, von dem Du parasitär gelernt hast ohne es je zugeben zu können, und indem Du ihn rücksichtslos gepeinigt und benutzt hast, mit dem Du unausgesetzt und unter Aufbietung einer unzweideutigen Verächtlichkeit, die einer erpresserischen Nötigung dazu entspricht sich unablässig wie vergeblich zu beweisen, das alles macht die Prognose ungünstig, vielleicht mit Ausnahme von Sarah, in deren Gesicht ich lange nach dem gesucht habe, was mir auf eine merkwürdige Weise bekannt vorkam ohne dass ich es zuordnen konnte, bis es mit einfiel: es ist Dein Vater, unter glücklicheren Umständen und als Mädchen. Ich glaube, so wird er glücklich werden können, zumal ihm die Bildung, die er so schätzte heute auch unter diesen Umständen problemlos offen steht.
Ich glaube aber nicht, dass unter den derzeitigen Umständen eine Einladung zu einem der Feste, bei deren Gelegenheit sich die Mitglieder einer Familie treffen, an meine Adresse einen Sinn machen kann. Sie führt unter den derzeitigen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu konfrontativen Lagen und ich selbst kann jetzt vor allem keine mehr ertragen. Ich habe mich viel zu lange vorgedrängt, wenn es irgendwo Ohrfeigen zu verteilen gab und meine, dass es an der Zeit ist, diese Rolle freundlich zurück zu geben.
Was offen bleibt ist diese Sehnsucht. Aber ich glaube, dass Du die am meisten verachtest, als Mangel an Realismus. Mag sein, mag sein. Andererseits verdankt die ‚Menschheit’ vermutlich alles der immer noch und immer wieder unerfüllt bleibenden Sehnsucht des Menschen nach sich selbst, nach Existenz, Dasein, Wirklichkeit. Vermutlich erreicht dies alles aber nicht das allseits als Norm begriffene Niveau der literarischen Kultur, deren Niveau die Potenz derer, die darüber das Urteil fällen, weil man das gerade so in der Zeitung lesen kann, oder im Fernsehen sehen, zwar stets so weit übersteigt, dass sie es selbst niemals erreichen können, während sie als Konsumenten gerade dieses Urteil über die Kultur haben sollen, als deren Konsumenten sie ausschließlich in Frage kommen, mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung, die wirksam dazu beiträgt, dass dieses Verhältnis zwischen der Bewusstseinsindustrie und den Konsumenten so bleibt wie es ist und die Kommunikation unter Menschen an ihr vorbei zur Sache unter Niveau macht, damit sie nicht übermütig werden und sich an ihr vorbei miteinander verständigen, unter anderem darüber, dass man die Bewusstseinsindustrie nicht braucht, wenn man selber eines hat.
Ich habe Dir meine damalige mir noch verbleibende Zukunft – ich will nicht gerade sagen: geopfert – zur Verfügung gestellt. Ich jedenfalls wusste, dass ich mich in einen Abgrund stürze, und hatte eine ganz und gar klare Vorstellung davon. Warum ich mich dazu veranlasst fühlte ist mir nicht ganz klar, aber es hat etwas damit zu tun, dass ich in die Beratungssituation im Kontext Deiner Schwangerschaft auf der ‚Mühle’ verwickelt wurde und mit dem, was mir dabei durch den Kopf gegangen war. Als Du mich angerufen hast, habe ich mich verantwortlich gefühlt. Es hat mich auch interessiert wer Du bist. Als ich Dich schließlich, an Deiner Unempfindlichkeit für meine Gefühle verzweifelnd, offen angriff hattest Du einen Krieg ausgelöst durch Deine Zweideutigkeit. Wenn Du geltend machst, sofort wenn ich das anspreche, dass Du – im Nachhinein darüber nachdenkst, wie Deine Entscheidung in Bezug auf die Schwangerschaft ausgefallen wäre wenn Du Dich von niemandem hättest beraten lassen, dann übersiehst Du, dass Du es nicht anders gemacht hast und dass just dies Du bist, zu diesem Zeitpunkt. Und die Entscheidung ist so ausgefallen wie sie ausgefallen ist. Das ist Fakt und jede Überlegung, ‚wie das wohl gewesen wäre, wenn…’ ist ein Versuch, das Geschehene ungeschehen zu machen. Du bist aber verantwortlich für das was faktisch ist, und nichts anderes ist faktisch als das Faktum der Liquidierung dieses von Dir schließlich nicht unter schicksalhaften Umständen empfangenen Lebens. Etwas anderes ist kann hier nicht zur Debatte stehen, und ist nur eine neue Ausflucht mit dem Nebensinn, vor allem die Art und Weise zu ignorieren, wie ich in diese Sache hineingezogen wurde, mit Folgen, die für mich von Belang sind. Es ist ein Versuch, auch hier wieder der Anerkennung von Zusammenhängen auszuweichen. Ich habe Dir in dem Bewusstsein auch des Risikos, das ich dabei eingehe, meine noch verbliebene Zukunft zur Verfügung gestellt, Angegriffen habe ich Dich als Du mir als Feindin gegenüber getreten bist und mit einem erklärten Ziel, zu dem aber nicht gehörte Dich zu vernichten. dass das schließlich in einem unhaltbaren Kompromiss ausgelaufen ist, weil der Kriegszustand nicht beendet werden konnte, hatte unübersehbare Folgen für ersichtlich alle unsere Töchter mit Ausnehme von Sarah, soweit ich das sehen kann. Alle drei sind beeinträchtigt worden in ihrer Entwicklung und vor allem Rahels nun auch offen dargestellter Hass ist derart, dass ich kaum geneigt bin, mir das Schauspiel aus zu großer Nähe anzusehen. Die kommunikativen Verhältnisse mit den Kindern sind nun auch zusammengebrochen, und ich halte das im Wesentlichen für irreversibel. Es ist einfach ein Teil meines Bildes von ihnen geworden. So ist Ostern und Pfingsten erscheint der dazu passende heilige Geist und teilt es mit.
Ich habe von Anfang an darauf aufmerksam zu machen versucht, dass unter den Umständen einer zerbrochenen Tradition ohne Regeln und angesichts des Umstandes, dass wir uns inmitten der Wildnis des Lebens begegnet sind, alles was wir füreinander zunächst sein können und sind oder sein werden davon abhängt, was wir miteinander oder in Gegenwart des anderen tun oder sagen. Derart steckte in dieser Voraussetzungslosigkeit eine immense Chance, die es uns praktisch ermöglichte und füreinander zu erfinden. Der klägliche und triviale Gebrauch, den Du mit Deiner Achtlosigkeit sogleich davon gemacht hast, hat mich sehr schnell darüber belehrt, dass Dir weder die Chance noch die Gefahr, die darin steckten überhaupt bewusst waren oder bedeutsam erschienen. Weder die Ausmaß der ungemein hohen Selektivität dessen, was Du erzählt hast, noch der Eindruck, den Du mit Deiner Themenwahl erzeugen musstest, sind von Dir bewusst gehandhabt worden. Ebenso wenig hast Du zugehört.
Derart fuhr dann der ganze zwanghafte Automatismus ab auf die Betonwand, an der die Chance zerplatzte wie eine gegen die Wand geworfene Tomate. Der Punkt des Scheiterns ist von mir bezeichnet worden als die Vollendung einer Beziehung vom sado-masochistischen Typ, ich habe auf das Mörderische daran hingewiesen und auch darauf, dass es oft suizidgefährdete Menschen gibt, die einen Partner dazu missbrauchen, sie umzubringen. Das alles war klar genug und es war mit der Aufforderung verbunden, Vorschläge zu machen, wie sich das auflösen lässt. Es ist also eine Fortsetzung der gerade bezeichneten Beziehung hier ständig weiter Vorwürfe zu erheben, zumal wenn sie aus dem Kontext gerissen werden. Ich sagte schon und wiederhole das: Ich habe Dich unter den besagten Umständen vorsätzlich und bewusst angegriffen, und dabei Dein eigenes Verhalten mir gegenüber nur kopiert, und zwar nachdem ich mir lange genug hatte gefallen lassen und Du Dich immun gezeigt hattest gegen jeden beherrscht vorgebrachten Einwand oder die Aufforderung zu mehr Aufmerksamkeit auf das was ich sage und geltend mache. Jeder aus dem Kontext gerissene Vorwurf ist deshalb so gut sachlich wahr und gar nicht zu bestreiten wie ebenso beharrlich ignorant gegenüber dem Umstand, dass ich doch sage, dass ich Dich angegriffen habe und dass mir das bewusst war. Es entsprach einer Absicht, und die habe ich auch mitgeteilt. Aber Du bist nicht imstande daraus die Konsequenz zu ziehen, Dir den Sinn des Angriffs klar zu machen und Dir Rechenschaft abzulegen über die Gründe dafür, für die ich Dich verantwortlich mache. Ich habe keinerlei Schuldgefühle was die bewusste Angriffsabsicht betraf: ich habe mich zur Wehr gesetzt gegen eine Feindin. Warum willst Du das einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Aber ich wollte Dich nicht vernichten. Stattdessen habe ich Dir gezeigt, dass das wohl vernichtend sein kann und auch darüber empfinde ich keine Reue.
schließlich hat es Dich auf diese Weise geschont und Du konntest noch Mutter von vier Kindern werden. Aber alle diese Demonstrationen haben Dir nicht genügt, um es aufzugeben mich nicht für einen an der Nase Deiner ‚Interpretationen’ herumzuführenden harmlosen Trottel zu halten. Und schließlich habe ich das Morden ja fortgesetzt, alles ohne belangbar zu sein, weil eben heute anders gemordet wird. Und alles dies habe ich mir aus einer Position scheinbar vollständiger Ohnmacht und Wehrlosigkeit zugetraut und ausgeführt nach Laune, einfach wie ich wollte. Und niemand, von dem ich nicht wollte, dass er sich durchsetzt, hat sich gegen mich durchgesetzt. Ich brauche nichts anderes als das was ich stets bei mir trage um mich zu behaupten. Und mehr als ich habe brauche ich nicht. Das hat sich bewährt und macht das Maß an Feigheit deutlich, an dem diese Masse von Insassen leidet.
Als ‚meine Mutter’ mich aus dem Kinderheim abgeholt hat – ohne dass ich das noch erwartet hätte; ich hatte mir ihr abgeschlossen – hatte sie jedes Recht auf die weitere Verfügung über mich verwirkt. Ich war aber bereit mit ihr darüber zu reden, vorausgesetzt sie nahm mich nicht nur überhaupt ernst, sondern vorausgesetzt sie nahm mich überhaupt wahr.
Ich stellte fest, dass sie unfähig war und blieb mich überhaupt wahrzunehmen. Versuchte ich sie dazu zu bringen, dass sie mich doch wahrnahm, dann brach sie meinen Willen und misshandelte mich. Ich musste mich damit zufrieden geben, ihre Gefährlichkeit und Dummheit zur Kenntnis zu nehmen und sie genau im Auge zu behalten um nicht Opfer ihrer Willkürlichkeiten zu werden, in die sie mich einbezog und zu denen sie berechtigt war, wie zur Mitbenutzung meiner Existenz nach ihrem Belieben. Ich will nun nichts darüber sagen, wie das in anderen Fällen war, aber mit Dir ist es mir exakt genauso ergangen. Ich verschwand wieder in der Unsichtbarkeit, in der ich meine Kindheit hatte verbringen müssen, für weitere zwanzig Jahre, Nach einer vergeblichen intellektuellen Anstrengung mich zu befreien – die unter den gegebenen Umständen eigentlich ein großartiger Erfolg hätte sein können, war ich in dieselbe Falle gegangen, aufgrund mir nicht verfügbarer Bedingungen meiner Existenz, von denen Du parasitär gelebt hast. Es ist erstaunlich, wie sehr weibliche List und Disposition dies alles unter dem Deckmantel einer Art von Normalität zu betreiben vermag, an der dann einzig die Insuffizienz des Mannes auffällt, der im Zweifelsfall von Gewalten bedroht ist, von denen man nicht sagen kann, ob sie denen wirklich überlegen sind, in deren Dienste sie ohne Bewusstsein ihrer eigenen Dienstbarkeit treten.
Denn sie halten sich ja für die der über die Lebensführung von Menschen wachenden Souveränität. Und noch harrt das Maß der unerkannten Einwanderung dieses Typus der Gewalt, als deren agierendes Element – wenn auch um einen immensen Preis, der indessen vor dem Mord kaum haltmacht – diese heimlichen Techniken inzwischen im System der verstaatlichten Erziehung fungieren, der analytischen Aufklärung. Was es bereits gibt dazu, wird indessen lieber nicht zur Kenntnis genommen. Es müsste die Familie in großen Teilen ihrer empirischen Existenz in Frage stellen. Außerdem ließe sich die funktionale Nutzung dieser Techniken im Dienste anderer, sie nur zu gern übernehmender Interessen an der Kontrolle über Menschen nicht unauffällig besorgen, wenn man ihre destruktive Potenz und Heimlichkeit erst einmal hinreichend unübersehbar dargestellt hat, so wie ‚Onkel Tom’s Hütte’ die Sklaverei der us amerikanischen Südstaaten. Nicht ich habe das Glück keinen Sohn zu haben, Du hast es, und vor allem dieser Sohn hat das Glück nicht geboren zu sein.
Die Mädels mögen sich auf die Seite schlagen, die ihnen die richtige erscheint. Von mir aus müssen sie keine freundschaftlichen Beziehungen zu ihrem Vater unterhalten. Hauptsache, sie kommen auf ihre Weise erfolgreich durch. Es wird zu ihrer Selbsteinschätzung passen und zu ihren Möglichkeiten. Ich nehme das nicht persönlich. Und ich muss auch nicht unbedingt Zeuge ihrer weiteren Entwicklung sein. Wenn sie selbst die soziale Existenz ihres ‚Vaters’ liquidieren, bringt mich das als Person nicht um, sondern eröffnet mir andere Möglichkeiten unter der Bedingung der Entlastung von einer in dieser Weise ohnehin nicht attraktiven und eigentlich auch unakzeptablen Einordnung in eine jedenfalls für mich ungesunde Struktur. Es ist nicht meine Sache jemanden zu warnen. Aber als ich die Idee aufgab, mich ohne Rücksicht auf die üblichen Sicherheiten in den Dschungel des Lebens zu werfen, habe ich den mir verfügbaren Bildungs- und Selbstbehauptungsmitteln bereits so weit getraut, dass ich jeden Kampf auf Leben und Tod mit einer guten Chance ihn zu gewinnen annehmen konnte, wenn ich wollte. Und so ist es bisher gewesen und so wird es sein.
Ich werde mich einfach auf eine andere Weise neu erfinden. Die Altersrollen, die ich an Deinen Eltern habe beobachten können, sind Klischees des Elends, die nicht die mindeste Faszination auf mich ausüben, es sei denn als erstaunliche Beispiele des Endes von Anfang an verfehlter Lebenskonzeptionen, sowohl in athletischer als auch dietätischer als auch sozialer und intellektueller Hinsicht. Musterbeispiele von tödlicher Indolenz und phantasieloser Trägheit. Wir haben öfter darüber gesprochen wie unbegreiflich es ist, dass Deine Eltern sich angesichts ihrer Möglichkeiten zur freiwilligen und ganz überflüssigen Führung eines solchen Lebens haben bequemen können – denn entschlossen haben sie sich wohl kaum dazu – und dabei noch um ein Haar ihre Kinder vernichtet haben, jedenfalls aber alle schwer gehandicapt haben, ganz ohne eine andere als die inneren Notwendigkeiten, die sie offenbar dazu zwangen. Aber alles was Dir einfällt, wenn ich Dich besuche ist, dass Deine Mutter Dich schon gefragt hat, wann ich wieder fahre. Das ist auch dann eine infame Beleidigung und Beschmutzung meiner Person, wenn Du es mir als die Äußerung eines anderen Mitgliedes des Hauses hinterbringst. Denn schließlich redest dabei DU mit mir. Du sprichst es aus, Du sagst es! Du kannst es eben nicht Deiner Mutter selbst überlassen, mich auf die zu ihr passende Art anzusprechen, besonders nicht, wenn ich sie zum Schweigen gebracht habe. Dann musst Du eben an ihrer Stelle reden. Und das bemerke ich dann nicht, oder? Wenn Du mehr über das Problem der Intriganz von Hofschranzen wissen willst solltest Du mal Shakespeare lesen. Es wird allerdings kaum etwas verbessern. Es ist alles schon ganz perfekt, aber eben unbewusst. Man kann das bewusster machen. Damit wären wir dann wieder bei dem Unterschied der bewussten und vorsätzlichen Absicht und der unbewussten. Wer unbewusst handelt kann seine Absichten nicht ‚timen’ und kennt sie auch nicht so gut, kann sich also auch eigentlich nicht zu ihnen entschließen sondern sie immer nur unwillkürlich und alternativenlos darstellen, und ohne über sie zu verfügen. Das kann für bestimmte Zwecke reichen, aber wehe man trifft auf jemanden, der die Wahl hat eine Kriegerklärung zu ignorieren oder die Antwort darauf aufzuschieben bis zu dem Zeitpunkt den er selbst für den richtigen hält, weil da zunächst noch ein paar Rüstungsanstrengungen zu unternehmen sind, wenn man den Krieg auch gewinnen will. Und endlich führen manche Leute dann auch Krieg ohne mit einem Gegner so recht zu rechnen. Das kann daneben gehen. Wer Krieg führt sollte wissen was er tut. Denn es könnte ja sein, dass er das sonst dort tut, wo er gar nicht sinnvoll wollen kann, das zu tun, was er somit agiert ohne eine Wahl zu haben.
Abend
Andreas Gryphius
Der schnelle Tag ist hin / die Nacht schwingt ihre Fahn /
Und führt die Sternen auff. Der Menschen müde Scharen
Verlassen feld und werck / Wo Thier und Vögel waren
Trawert itzt die Einsamkeit. Wie ist die zeit verthan!
Der port naht mehr und mehr sich / zu der glieder Kahn.
Gleich wie diß licht verfiel / so wird in wenig Jahren
Ich / du / und was man hat / und was man siht / hinfahren.
Diß Leben kömmt mir vor alß eine renne bahn.
Laß höchster Gott mich doch nicht auff dem Laufplatz gleiten
Laß mich nicht ach / nicht pracht / nicht luft / nicht angst verleiten.
Dein ewig heller glantz sei von und neben mir /
Laß / wenn der müde Leib entschläfft / die Seele wachen /
Und wenn der letzte Tag wird mit mir abend machen /
So reiß mich auß dem thal der Finsterniß zu dir.
Aber da ist immer noch diese Sehnsucht.
Es ist richtig zu vermuten, dass die auf ein Liebesobjekt gerichtete Sehnsucht und das, was sich hinter ihr, als ihre Ursache, für den, der versteht und weiß kaum verbirgt, älter ist als jede Bekanntschaft unter Erwachsenen jemals sein könnte. Aber was soll das heißen? Etwa, dass sie sich auf ein bloß längst Vergangenes bezöge, dem zudem ein möglicher Gegenstand, ein Ziel, gar nicht entsprechen könne, insofern sie abgeleitet ist von einem nicht verwundenen Verlust? Wenn das so ist, dann hat keine Erwartung ein mögliches materielles oder geistig-seelisches Ziel. Jedes gedachte ‚Morgen’ ist schon mehr als bloß das dann eintretende Faktum, dem zu entsprechen ist, gemäß den Erfordernissen des Tages. Es ist nicht das Faktum, dass die Sonne aufgeht, das die menschliche Welt trägt, sondern die damit verbundene Erwartung: Ein Neuer Tag, eine neue Welt, in der das Alte gilt. Keine noch so moderne Überschreitungssucht kann das aus der Welt schaffen. Immer wird mehr angeknüpft als erneuert. Alle Veränderung setzt das voraus, woraus es erst möglich wird.
Eine Utopie so wenig wie der strengste Konservatismus kommen nicht aus ohne zugleich auf das Vergangene, das was immer im Rücken liegt, als Voraussetzung, und auf die Zukunft bezogen zu sein, denn wenn man den Sinn des Gedankens der Utopie darin sähe, dass alles so bleibt, wie es ist – man denke an die knappste mögliche Formulierung bei Goethe: „…zum Augenblicke möchte’ ich sagen: Verweile doch, Du bist so schön.“, wo die Utopie darin besteht, einem Augenblick reine Dauer zu verleihen, indem man ihn zur Ewigkeit erhebt und die Zeit darin aufhebt. – so ist dies der Inbegriff der Erwartung des Morgen, des Neuen, in dem man das Alte wieder erkennen kann, als das, was man schon kennt, was festzuhalten sich als lebenswert erwiesen hat. Etwas, das ganz jenseits der möglichen Erfahrung liegt ist unerkennbar. Man könnte es, wäre es wenigstens wahrnehmbar, nicht in den Hintergrund des Bekannten einordnen, auch nicht als das gänzlich Neue. Es wäre das ganz andere. Danach kann es keine Sehnsucht geben. Denn es entzieht sich der Erfahrung, zumal der Vorerfahrung, die sich auf eine Zukunft lediglich, der üblichen Vorstellung nach, projiziert. Bekannt ist der Mythos vom verlorenen Paradies. Das legt sich die Psychologie dann wieder so aus, dass es zwar der individuellen Vorgeschichte, im Zweifel der Erfahrung der intrauterinen Existenz entstammt, dann aber aus dieser über die condicio humana hinaus auf deren Vorgeschichte projiziert wurde, so dass es nun als geschichtlich vergangenes Ereignis erscheint, während es den (anderen) Umständen der Biologie der Gattung entstammt, insofern als einer mehr oder weniger konstanten Bedingung der individuellen Existenz, die sich der Heranwachsende ‚abschminken’ muss, soweit es ihm nicht gelingt, sie auf innerweltliche Objekte, Ziele oder einen geeigneten Partner zu projizieren und damit zu ‚sublimieren’. Was ist es eigentlich, im genauen ‚wissenschaftlichen’ Sinn, das die inzwischen geradezu selbstverständlich wirkende Evidenz vermittelt, die diesem Verständnis des Topos des ‚verlorenen Paradieses’ unterlegt wird? Empirisch im strengen Sinn ist diese ‚Erkenntnis’ nicht. Dazu kann auch die möglichst alternativenlose und flächendeckende Verbreitung dieser Interpretation nicht verhelfen. Man kann immerhin fragen, was eigentlich der Zweck einer Interpretation ist, die einem nunmehr in einem diskriminierenden Sinne als ‚Mythos’ Depotenzierte, als das angeblich dem Wissen Entgegenstehende oder Entgegengesetzte, durch einen anderen Mythos, als dem Inbegriff eines wissenschaftlichen Befundes, überlagert und durch ihn hindurch ‚versteht’. Jahrtausende lang war es genug, den Mythos des verlorenen Paradieses durch sich selbst und ganz unmittelbar zu verstehen als Grundlage der condicio humana. Erst am Ende des neunzehnten Jahrhunderts ist es Europäern gelungen, mit Hilfe der wissenschaftlichen Psychologie den ‚Sinn des Mythos aufzuklären’, indem man ihn nunmehr korrekt einer Erlebnisweise zuordnet, die im bewussten Leben des Erwachsenen in der Form einer Sehnsucht auftreten kann, die sich in der Erzählung vom verlorenen Paradies in einer nicht ohne Phantasie und schriftstellerisches Genie niedergeschlagen hat, jedenfalls in einer bestimmten Tradition, aus der er uns überliefert ist, und die cultural anthropology bzw. die strukturale Anthropologie haben inzwischen in allen noch überlieferten ‚primitiven’ Kulturen – alle Kulturen haben etwa dasselbe Alter – ähnliche Erzählungen entdeckt, was ihre psychologische Reduktion endlich ermöglicht, und damit basta.
Die ‚Deutung’ übersetzt einen alten kulturellen Bestand, der zum Bestand auch der Entstehungsgeschichte der Kultur selbst gehört, zunächst in einen ‚individualpsychologischen’ Erlebnisbestand, der zudem bei nüchternen Menschen eigentlich nicht so auftritt, sondern eben nun in der Form des Wissens um den Ursprung bestimmter ‚Gefühle’ und den damit verbundenen ‚Erlebnisweisen’. Die interpretatorische Vorsicht und Raffinesse verbirgt die Hinterhältigkeit, die in dieser ‚Behandlung’ steckt. Die stillschweigende Aufforderung, sich der Ernüchterung, die der ‚wissenschaftliche Befund’ um sich verbreitet, zugleich mit der Autorität der Wissenschaft, also des nur ganz schwer und nach ganz langer Anstrengung ganz klugen und von Natur und Schicksal besonders Begünstigten Erreichbaren, und mit der bereits darin angelegten Diskreditierung der beschriebenen ‚Erlebnisweise’, die alsbald einer psychiatrischen Differentialdiagnostik zugeführt wird, also in jedem Fall in einen Bereich unterhalb und außerhalb der ‚Kompetenz’ des wissenschaftlichen Selbstbewusstseins fällt, anzuschließen, also sich dem Wagnis der Verteidigung dieser ‚Erlebnisweise’ im Reich der Wissenschaft lieber nicht auszusetzen, dies alles läuft auf eine tückische Manipulation vor allem des Lernenden hinaus, dem mit einer ihm gar nicht als solchen bewusst werdenden Drohung ‚zur Raison gebracht’ wird.
Derart ist das Terrain vorbereitet für die anschließenden diagnostischen Erläuterungen, die nun zwanglos die Möglichkeit verschiedener, an den nun erfolgreich gedeuteten und auf seinen wissenschaftlich haltbaren Boden zurückgeführten Mythos anschließenden Erlebnisweisen erörtern, und dabei mehr oder weniger unauffällig und ‚zwanglos’ auch die möglichen ‚pathologischen’ Ausprägungen dieser Erlebnisweisen und ihre Grundlagen einführen, um auf diese Weise nach Bedarf die Möglichkeit von Grenzziehungen in den Begriff des Bewusstseins, der Erlebnisweise, der ‚psycho-strukturellen’, psycho-sozialen und gruppenspezifischen oder individuell verschiedenen Strukturen (der Familie, der Persönlichkeit, der Sozialisation etc.) einführen zu können, die sich entsprechend dem Bedarf (anhand neuer ‚Forschungsbefunde’) ‚nach Bedarf’ verschieben oder anders, mit je anderen ‚Theorien’ begründen und stabilisieren lassen. Es gibt in der Tat keinen wissenschaftlichen Kontrollmechanismus, der die beliebige Verschiebung oder diese ‚hermeneutischen Techniken’ wirksam auf ihre Implikationen hin zu kontrollieren vermag. Es genügt, in der Umgebung eines Wissenschaftssystems die Schrauben ein wenig anzuziehen, um alle Werte in dieser Interpretation in einer bestimmten Richtung zu verschieben, die zumal dann, wenn diesen Erlebnisweisen bestimmte Lebenshaltungen und kulturelle Vorstellungen entsprechen, die Definition der ‚wissenschaftlichen Rationalität’ derart enger werden zu lassen, ohne dass das jemand ‚veranlasst’ oder ‚vorschreibt’, damit das Verständnis der ‚wissenschaftlichen Rationalität’ sich an aus der sozialen Umgebung und der Politik gegenüber einer Population gezogenen engeren Grenzen angleicht und, Oh Wunder, in den ‚neuen wissenschaftlichen Befunden’, die die auf diese Weise neu definierte ‚Wissenschaftlergemeinschaft’ erscheint. Man kann das auch brutal ausdrücken: Man muss nur den Brotkorb höher hängen, die Zugangsbedingungen verschärfen, kurz die Selektionskriterien dazu nutzen, um einen verschärften Konkurrenzdruck unter den Bewerbern um einen wissenschaftlichen Arbeitsplatz oder den Studienzugang auszuüben und das begleitende Grundverständnis der ‚Wissenschaftlichkeit’ wird sich auf eine geheimnisvolle Weise ohne besondere sonstige Anweisungen oder Befehle derart verengen, dass Erlebnisweisen, die dem nunmehrigen ‚innerwissenschaftlichen KommunikationsProzess’ selektiv zum Opfer fallen, ganz einfach endlich auch aus von der Forschung festgestellten Gründen aus diesem Bereich der Wissenschaftlergemeinschaft und des ‚wissenschaftlichen Konsens’ ‚herausfallen’. Dann sind sie natürlich bereits heraus gefallen, anders gesagt, es ist ein ganz zwanglos zustande kommendes wissenschaftliches Ergebnis einer interessierten Nachfrage der Forschung, dass bestimmte Erlebnisweisen und die ihnen zugrunde liegend gedachten, konstruierten Formen, Strukturen, nicht im Bereich des Wissenschaftssystems selbst, sondern jenseits seiner Grenzen an anderen sozialen Bereichen vermehrt angetroffen werden usw., und angesichts etwa einer Veränderung der ‚Kriterien’ für einen beruflichen Lebenserfolg im Allgemeinen wird man dann auch feststellen, dass diese Vermehrung bestimmter Erlebnisweisen und Haltungen gegenüber dem Leben besonders wahrscheinlich ist im Kreis der eher ‚Benachteiligten’.
Und man wird sie ‚verschwistert’ finden mit weiteren ‚Symptomen’, die sich leicht, weil man eben diese Fragen und so stellt, wie man sich das angesichts von schon feststehenden Vorverständnissen denkt, die in die Fragestellung eingehen, ohne dass man sich fragen muss, woher man diese bezieht, in soziale, bildungsmäßige und psychologische, familiendynamische usw. untergliedern bzw. bezogen auf diese Kategorien bzw. die ihnen entsprechenden wissenschaftlichen Spezialitäten zurechnen lassen. Was man herausbekommt, ist, wieder ein ganz unerwartetes Ergebnis, dass bestimmte Erlebnisweisen mit bestimmten bildungsmäßigen, sozialen, familiendynamischen, psychologischen usw. Gegebenheiten mehr oder weniger hoch korrelieren. Man kann den erstaunlichen Befund zusammenfassen: Die spezifische Persönlichkeitsqualität, die man wissenschaftliche Rationalität oder ‚Begabung’ nennen kann, findet sich gehäuft bei Personen und Gruppen mit einer höheren Bildung und einer ‚höheren’ sozialen Positionierung! Irre Onkel, das. Dagegen ist das Vertrauen in und das Verständnis für spezifisch wissenschaftliche Befunde und Fragestellungen in den niedrigeren sozialen Rängen weniger ausgeprägt als in den höheren sozialen Positionen. Daran kann sich die ‚Forderung’ anschließen, diesen Zustand durch ‚Investitionen in die Bildung’ zu verändern zugunsten einer ‚Öffnung der Wissenschaft’ für eine breitere Grundlage in der Population, oder eine vermehrte Anstrengung zur ‚Heranführung breiterer Teile der Population an das für die Erhaltung einer wissenschaftlich-technischen Zivilisation notwendige wissenschaftliche Verständnis bzw. die ‚Akzeptanz’ der Wissenschaft in der Bevölkerung.
Das kann natürlich, da der ‚wissenschaftliche Standard’ im globalen Vergleich wenigstens gehalten werden muss, damit die Zukunft einer ‚Industriegesellschaft’ gehalten werden kann, nur heißen, dass die schon geltenden Kriterien der wissenschaftlichen Rationalität eine weitere Verbreitung finden, muss aber nicht zugleich bedeuten, dass dabei die Anzahl der beschäftigten Wissenschaftler vermehrt wird, sondern eher die Anzahl der ‚Abschlüsse’ mit Berufseingangsqualität. Was heißt nun das wieder? Es bedeutet, dass mehr Berufsanfänger einen akademischen Abschluss haben. Das wiederum bedeutet, dass sie eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung erhalten haben, an einer über die Schule hinausführenden Institution, und dass die von diesen Institutionen ausgeteilten Zertifikate die Abschlüsse als ‚akademische Abschlüsse’ ausweisen. Nun hat alle Wissenschaft die Tendenz zum Übergang in Technologie. Damit ist gemeint, dass das wissenschaftlich angeleitete Studium darin besteht, dass ein Ausbildungsdesign entlang von wissenschaftlich festgestellten Ergebnissen von Forschung definiert und aufgrund dieser Definition aus Beständen und Befunden Lehrbücher zusammengestellt werden, die diese Befunde und Bestände als Ergebnisse wissenschaftlicher Form vorstellen und lehrbar machen. Die ‚Verbreiterung der Basis von Wissenschaft’ in der Gesellschaft besteht also in der vermehrten Verbreitung wissenschaftlicher Befunde in der Berufsgesellschaft, allgemein unter Schul- und Studienabgängern, und zwar in der Form eines in der Form der Lehre aufbereiteten Wissensstoffes. Das ist nun aber nicht identisch mit der Verbreitung von ‚wissenschaftlicher Einstellung’ im Sinne eines Verständnisses dessen, was eine grundsätzliche wissenschaftliche Einstellung bedeutet, sondern eine ‚Vermittlung’ von Ergebnissen und Lehren aus dem Bereich der wissenschaftlichen Forschung an ihr als grundsätzlich der Wissenschaft nachgeordnete Bereiche und Gruppen der Berufsausübung unter Anwendung des gelernten Stoffes. Es bedeutet, mit anderen Worten, gerade nicht die Erweiterung einer grundsätzlich wissenschaftlichen Einstellung größerer Teile der Population gegenüber Existenz, Dasein und Leben bzw. der menschlichen Welt. Die ausgeteilten Zertifikate bestätigen einen am Stoff geprüften Lernerfolg, im Wesentlichen eine Konditionierung. Eine wissenschaftliche Einstellung ist damit weder verbunden noch erreicht oder gar gewollt. Es ist dieser Umstand, der hier oft der Aufmerksamkeit entgleitet, nicht zuletzt weil er das auch soll, und angesichts eines weichgespülten wissenschaftspolitischen Jargons, der just dies auch kaschieren soll.
Was derart als ‚Ausbildung’ grassiert und zum verbreiteten Bewusstsein wird, verdankt sich keineswegs dem Erwerb eines Denkvermögens im Umgang mit einem von ihm nicht nur ‚erfassten’, sondern in gewisser Weise erst geschaffenen Gegenstand, der in dem hier gemeinten Falle der Mensch selbst wäre. An die Stelle des Erkennens tritt die mechanische Zuordnung von Wahrnehmungen zu vorgeformten Ordnungskriterien, anhand dessen sie als ‚identifiziert’ gelten. An die Stelle der Erfahrung tritt diese auswendig gelernte Zuordnung selbst, gemäß mehr oder weniger abgeguckter bürokratisch eingespielter Gewohnheit, und an die Stelle des Verstehens tritt die routinierte Verfügung über die situative ‚Handhabung’ des derart Erlernten, die nach dem Muster von Reiz Reaktions-Automatismen dem Phänomen seine Kategorie zuordnet, der Frage ihre Antwort schon immer erteilt hat, noch bevor sie überhaupt gefragt wurde.
Du beklagst den Schmerz, den ich Dir zugefügt habe. Ich wiederhole nunmehr schon stereotyp, dass ich weiß, dass ich Dich angegriffen habe und dass das einer Absicht entsprach. Das ist ohne Belang. Du beklagst Dich unbeeindruckt erneut, als hätte ich gar nicht gesagt. Nicht ein einziges mal gibst Du auch nur mit einer Unsicherheit einer vagen Bewegung zu erkennen, dass Di Dir die Frage stellst, warum ein Mensch wie ich Dir das antun konnte. Das hat damit zu tun, dass Du schon meinst zu wissen, was für ein Mensch ich bin. Es bedarf da gar keiner Frage. Du weißt schon Bescheid und – beklagst Dich. Nun ist es nicht belanglos, dass Du zu erkennen gibst, dass Du verletzt bist. Es ist eine Bresche in der Mauer des Scheins einer ganz falschen Unbeeindrucktheit, missverstandener Tapferkeit vielleicht. Derart erfahre ich wenigstens, dass es Dir auch tatsächlich wehtat. In einer pornographischen Interaktionswelt nämlich tut alles dies ja niemandem weh. Es ist Teil dessen, was alle wollen und im Voraus als den Zweck der Interaktion ausdrücklich bejahen.
Es ist deshalb nicht selbstverständlich, wenn Du Deinen Schmerz mitteilst. Und genau das war es, was ich in Erfahrung bringen wollte und musste, als Voraussetzung dafür, dass hier überhaupt auch nur die Möglichkeit einer Fortsetzung, etwas anderes als ein abruptes Ende hätte sein können. Was immer Du von Huren hältst, ich habe nie etwas von ihnen gehalten, angesichts ihrer Einstellung gegenüber der ‚Sexualität’, einem Artefakt im Übrigen, das schon mit der Prostitution in einer prästabilierten Harmonie lebt, ihr schon die Tür öffnet, zum ‚sexualwissenschaftlichen Labor’, dem Durchgangsraum zum öffentliches Bedürfnis und Marktfaktor gewordenen Pornographie. Die von kompensatorischen Größenphantasien und einer kaum unterschwelligen Verachtung und Hass gegenüber dem Mann getragene stereotype Einstellung der Hure besteht ja darin, dass sie stets erklärt, ‚die Männer zu kennen’, so wie sie ‚alle sind’. Faktisch ist sie mit zwei Typen vertraut, dem Zuhälter und dem Freier, und es ist der aggressiv sich aufblähende Größenwahn zu behaupten, damit sei ein grundsätzliches Verständnis aller Männer gegeben.
Sie wird sich nicht dazu bringen lassen, wahrzunehmen, dass es sich hier um ein ‚Sample’ handelt. Das reicht schon. In der Verallgemeinerung ist der Angriff verborgen, der das Maß der Verkennung bloßlegt. Ich habe nie viel von Marlene Dietrich gehalten und mir ist die Aufregung um die Kokotte gleichgültig. Man kann wissen, worum es sich hier handelt. Es ist also nicht selbstverständlich, dass jemand, der sich so benimmt wie Du Dich mir gegenüber benommen hast, Schmerz empfindet, wenn man ihm seine eigene Melodie vorspielt. Er/sie könnte das auch als endlich erreichtes Einverständnis in der Haltung gegenüber demselben life-style missverstehen und zu der Ansicht kommen, dass darin nun endlich Übereinstimmung erreicht sei. Angesichts der Umstände, die uns zusammengeführt haben unter der Schirmherrschaft einer akademischen Puffmutter, Toulouse-Lautrec lässt ästhetisch schön grüßen aus der Belle Epoche, ist das durchaus ein zu überprüfendes Problem geworden, und die Frage, auf die ich geantwortet habe ist von Deiner Zweideutigkeit, um das Wenigste zu sagen, selbst aufgeworfen worden. Aber genau zu dieser von Dir erwarteten und zu bekennenden Einsicht bist Du niemals durchgedrungen. An der Stelle steht die Spielerei mit der Rolle der ‚beleidigten Leberwurst’ der Kokotte, die meint, damit durchzukommen, weil dieser Reflex bei dem ihr bekannten Typus des manipulierbaren Mannes – und sie kennt sie ja alle – greift und das erwünschte Einlenken bewirkt, anders gesagt: Die obstinate Verweigerung der Einsicht in den Zusammenhang zwischen ihrer eigenen infamen Aufführung und dem Sturm, den erntet, wer Wind sät, jedenfalls in den Fällen, die sich billigen Kalkulationen mit der Möglichkeit, mit dem niedlichen kleinen unteren Ende des eigenen Rumpfes die Welt steuern zu können, und darunter auf jeden Fall ‚den Mann’, das Männchen.
Der Rationalisierungen und der geradezu verzweifelt anmutenden Krümmungen, die der Einsicht unter allen Umständen ausweichen, selbst wenn man einen bei Kopf und Arsch packt und mit der Nase in den Dreck hält, in dem er/sie sich wälzt, ist da kein Ende. Derart bleibt es bei der Isolierung des Faktums: Man hat mich schlecht behandelt, beim ‚Schmollen’. Das entspricht einer genügend bekannten ‚weiblichen’ Strategie, die als solche gar nicht bewusst ist, sie wird mit der Erziehung u. U. so eingeübt, dass ihre Praktikerinnen über sie eigentlich gar nicht verfügen, weil es ein auf bestimmte Reize hin einsetzender Reflex ist in einem Gefüge, in dem diesem Reflex eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit gesichert ist. Wo das nicht greift, wird das dann zum wiederholten Stereotyp und reift dann zum Persönlichkeitsmerkmal und Verhaltensstereotyp, das sich einer Umwelt gegenüber als Reaktionsmuster aufzuzwingen versucht. Es wird zur Terrormethode, der man nur entgeht, wenn man das System verlässt. Auch dann ist das nicht erledigt. Es wartet auf die Chance der erneuten Applikation und damit zur Verfolgung des Opfers.
Mit der offenbar nicht dem Bewusstsein zugänglichen Frage nach dem Warum, das sich derart der Quelle dieses Schmerzes nähern könnte, der somit immerhin eingestanden ist, ist der Weg zu einem als solchen erkannten Anderen abgeschnitten. Zwar wird die Schmerzquelle als solche im Anderen Identifiziert, aber nur zu dem Zweck, sich über den heißen Ofen, an dem man sich verbrannt hat zu beschuldigen, dass er heiß ist, und ohne Erinnerung daran, dass man ihn selbst befeuert hat. Jeden Menschen, der sich derart ‚verhält’, würde man für mental nicht vollständig ausgestattet halten, weil er sich als wenigstens teilweise unfähig erwiesen hat, sich in seiner Lebensumwelt angemessen zu orientieren. Man kann ihm wohl beibringen, angesichts seines versagenden Gedächtnisses, der Unfähigkeit Zusammenhänge, zumal solche, für deren Herstellung er selbst verantwortlich ist – vorausgesetzt, er ist zurechnungsfähig – oder die er/sie jedenfalls mit hergestellt hat, als solche auch zu erkennen und zu berücksichtigen in seinem Handeln, im Einzelfall zum Beispiel zunächst stets sicherheitshalber zu prüfen, ob der Ofen heiß ist, nur reicht das nicht weit, oder nur soweit wie die Metapher trägt, und deren Tragfähigkeit als erhellender Vergleich ist hier eben schon zu Ende.
Denn was soll das angesichts dessen heißen, worauf hier Bezug genommen ist? Es zeigt sich, dass die Mechanik des Lernens, die hier möglich ist, eben weil sie das Problem der angemessenen Übertragung des Beispiels, die Grenze der Metapher oder Metonymie nicht zu handhaben weiß, hier ganz schnell ins Leere läuft. Sogleich jenseits der Grenze der Metapher ist das Bewusstsein blind und das Verhalten folgt ganz anderen Regeln, nämlich denen einer nicht zu Bewusstsein gelangenden Triebhaftigkeit und ‚Neigungen’ bestimmter Art, die der bewussten Betrachtung und daher der Kontrolle nicht zugänglich sind.
Das macht die moralische Minderwertigkeit dieses Typs der organisierten Reaktionsbereitschaft aus, deren Projektion auf den verachteten, weil in seiner plumpen und primitiven Triebhaftigkeit erkannten Anderen, zu der bereits besprochenen souveränen Einschätzung des Mannes als solchen führt, zu der die Sicherheit gehört, dass man seiner vorausgesetzten und in ihren Bedingungen gar nicht verstandenen Abhängigkeit schon ‚erklären’ wird, wie das im jeweiligen Einzelfall gemeint ist, was er meint, dass man verabredet habe.
Ich habe nie auch nur den mindesten Selbstzweifel in dieses Gefüge einbrechen sehen. Du hast Dich nie gefragt, warum ein Mensch wie ich Dir diesen Schmerz zugefügt haben könnte und nicht nachließ Dir klar zu machen, dass nichts dergleichen wie Du es meintest rechtfertigen zu können jemals zu dem gewünschten Resultat führen könnte. Aber Du hast meine bloße anhaltende Anwesenheit zum Anlass nehmen zu können gemeint, das alles tagtäglich neu zu inszenieren, ohne Rücksicht auf die katastrophalen Folgen, die das haben musste, und die im Ergebnis ja nun auch schon vorliegen, als Persönlichkeitsstrukturen der herangewachsenen Generation von vier jungen Frauen, von denen wenigstens bei dreien zu befürchten ist, bis zum Beweis des Gegenteils, dass sich das Problem epidemisch vererbt hat. Dieser Beweis ist aber das Leben und die nächste Generation selbst, die hier im Zweifel als das nächste Menschenopfer für diese sture Bestialität zugerichtet wird, die gar keine Vernunft braucht um sich erfolgreich zu behaupten und alt ist, sehr alt, viel älter als Dir jemals greifbar zu werden vermag, weil sie sich in der Gestalt deiner Person mit einem auf die pure Gegenwart beschränkten Bewusstsein bescheiden kann. Auch Hühner müssen schließlich nicht wissen, dass sie Eier legen, und dass sie brüten, um die Art zu erhalten. Zur Arterhaltung gehört nicht notwendig eine Vernunft und vielleicht ist sie sogar ein Hindernis. Denn wer sollte oder wollte mit Vernunft dergleichen begehen?
Es steht Dir vor Augen, welches Verhältnis ich zu Tieren habe. Der Tod von Nera und dem kleinen schwarzen Kaninchen – von den anderen sehe ich einmal ab – ging mir über lange Jahre nach. Die mir ersichtlich werdende Lieblosigkeit der Kinder, denen ich die Kaninchen auf ihren Wunsch geschenkt hatte, hat mich tief betroffen und mich mit einer Verantwortung belastet, die mich weit überfordert hat. Der gewaltsame Tod einer Hausmaus hat mich zutiefst gedauert, wie immer das rationale Verständnis der Unvermeidlichkeit der Verfolgung der Nager ausfiel. Mit Sarah habe ich tage und dann wochenlang Hummeln mit einem ausgerissenen Flügel, und dann alle Hummeln bei Regenwetter, und endlich alle Fluginsekten an dem Lavendel mit Honig gefüttert, und Sarah fand daran so viel Gefallen, dass die Hummeln sie schließlich umsummten, wenn sie aus dem Haus trat.
Das war ein unendlich beglückendes Geschenk für mich und Dir wird die scharfe Auseinandersetzung noch in Erinnerung sein, mit der ich Hildegards stumpfen Katholizismus unter der Mechanik ihrer ‚psychiatrischen’ Kenntnisse auf eine Weise unter Hinweis auf die besten – aristotelischen – Traditionen eines – ihres – Weltbildes hinwies, in dem als in Gottes Schöpfung jedes Lebewesen seinen legitimen Platz hat, so dass Leute mit ‚überempfindlichem gewissen’, deren Psychose darin besteht, dass sie Angst haben davor, Leben zu beschädigen wohin sie gehen und wo sie stehen offenbar eine psychiatrische Diagnose und Behandlung durch diesen Typus des Arztes und seiner Vorstellung von der Ordnung der Dinge benötigen, während z.B. in Indien diese Menschen noch immer, in einer unbeschädigt religiösen Tradition einer noch immer vorwiegend bäuerlichen Lebensform, zu der ein enges Verhältnis zum umgebenden Leben gehört, das den Menschen zudem nicht in christlich-hebräischer Weise als von Gott ermächtigten Eigentümer des umgebenden Lebens, sondern als wenn auch ausgezeichnetes Geschöpf unter anderen in einem gemeinsamen, durch den Reinkarnationskreislauf und die Idee des Karma integrierten Lebensraum betrachtet, zu den Heiligen gerechnet werden, und daran, dass ich dies an dem Beispiel des Saddhu illustriert habe, der den Boden, den er betritt Schritt für Schritt vorsichtig mit einem Palmwedel oder dergleichen fegt, um sicher zu gehen, dass er nicht Leben zerstört wenn er sich bewegt. Ich habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Religion das von ihr als vermeintliches Wissen, als Wissenschaft angewandte Wissen nicht stützt, und damit auch darauf, dass das entweder auf eine dreiste Heuchelei hinausläuft oder darauf, dass sie nicht weiß, was sie redet.
Ich habe eine Geschichte über diese Hummel geschrieben um Sarah und mich mit ihrem Verschwinden zu versöhnen. Ich habe ihr die ‚Mauerspinne’ auf einem eigens aufgenommenen Photo gezeigt, die sich den ganzen Winter über an der Decke meines Zimmers aufhielt, bis in den März oder April hinein, als ich sie zuletzt sah und ich meine, sie müsste den Weg durch das geöffnete Fenster hinaus gefunden haben, obwohl nichts ewig leben kann. Ich erkundige mich immer wieder nach Sarah’s Kaninchen – oder vielmehr Häsin – und bin regelmäßig betroffen darüber, wie ich sie vorfinde, wenn ich in W. bin, wo ich dann eilends den Stall wiederherstelle und mich mit einem vernachlässigten Tier beschäftige, das da so mitgeschleppt wird. Der anhaltende Dissens betreffs des Umgangs mit dem Hund, einem Tier, das Rahel ‚gehört’, während sie nicht daran denkt, sich darum auch nur im Vorbeigehen einmal zu beschäftigen oder zu erkennen zu geben, dass sie Cora als ‚ihren Hund’ auch erkennt, sind zwei ganz verschiedene Themen, von denen mich der zweite Sachverhalt tief betrifft und mein Urteil über Rahel wesentlich mit bestimmt. Die nachlässige und ganz selbstverständliche Gleichgültigkeit, die schon die Lebenszeit von Mucki zu einer Hölle einer unsäglichen Verwahrlosung ihres Stalles auflaufen ließ, hat mich zutiefst trauern lassen über die verrohte und mitleidsunfähige, unemphatische Seele dieses Mädchens. Von dem Tod des Ponys ‚Aphrodite’ auf der Straße ist nicht zu sprechen. Ich habe das Tier immer vor Augen, auf eine Weise, die Dir nicht im Traum vorschweben kann, und dass es auf der Straße stehend biss zu meinem Eintreffen aushielt. Ich breche in Tränen aus, wenn ich nur daran denke. Indessen habe ich mich daran gewöhnen müssen, in eurer erlauchten Gegenwart als Mann mit der eisernen Maske aufzutreten und alle sind beleidigt über meinen gelegentlich über alles dies auch geäußerten Zorn, eine von dieser Indolenz und Empfindungslosigkeit immer wieder provozierte Konversion meiner Gefühle: Trauer und Angst, Panik und ein unendliches Mitleid mit diesen armen Kreaturen, mit deren Existenz ich mich unwillkürlich identifizieren muss.
Aber Du hast Dich nicht ein einziges Mal erkennbar gefragt, warum ein Mensch, der so disponiert ist, etwas tut, das Dir derart beklagenswert Schmerzen bereitet. Es war einfach keinen Gedanken wert. Als ob es hier einen einfachen Zusammenhang geben könnte, der auf der Hand liegt.
Aber auch hier springt die Wissenschaft selbst hilfreich ein. Die ‚übertriebene Mitleidigkeit’ mit den Tieren verbirgt nicht nur mehr oder weniger ein eigentlich ganz offensichtliches Selbstmitleid, eine hypertrophierte Larmoyanz, sondern auch oder viel mehr eine in ihr Gegenteil verkehrte Aggression, deren Hemmung durch ihre Konversion in übertriebenes Mitleid bewirkt wird, mit der Folge, die sich im Bereich der Interaktion durch den Wechsel mit der Verweigerung einer ganz normalen, zum Leben gehörenden gesunden Konkurrenzbereitschaft zeigt, die nicht in einen übelnehmerischen Rückzug umschlägt, ein Verhalten, das in einer kindlichen Verwöhnung, jedenfalls in einer frühen erfolgreichen Angewohnheit gründen mag. Das wär’s doch.
Derart kann eine ‚Wissenschaft’ alles beobachtete Verhalten nach Belieben in sein Gegenteil verkehren, und vor allem in ihr Gegenteil, das Gegenteil eines Verhaltens, das zur Wissenschaft qualifiziert. Kein Wort davon, dass ein Mensch – namens Descartes, auf den das wesentlich mit zurückgeht, sofern das katholische, in der Tat ein ererbtes römisches Weltbild, das sich die hebräische Tierzüchter und Nutzerreligion des zum Gottesebenbild sich erhebenden fleischfressenden und größten Raubtier aller Zeiten (GröRaZ) aufläuft, indem es alle anderen Raubtiere vom Mitverzehr des als lebendes Inventar angeeigneten Fleisches der zum Privateigentum umgewandelten Herde erfolgreich ausschließt, eine Veranstaltung, die zunächst vom Blut des Massentodes der dem entsprechenden Gott geopferten Tiere von seinen auf Bergeshöhen aufgestellten Altären gen Himmel stinkt, bevor es zur postmodernen, postkulturellen globalen Hochkultur aufläuft, die ihre Selbstbestätigung in den ihr eigenen zigtausendfachen Menschenopfern findet – am Beginn der wissenschaftlichen Neuzeit die Grundsatzerklärung abgibt, die Tiere seien Automaten, eine Überzeugung, die in Wahrheit ein ‚Menschenbild’, nämlich das einer als Nutztier gebrauchten Biomasse der Tiergattung Homo sapiens kaum kaschiert, insofern ‚Tier’ immer das ist, was der Wahn der Herrschaft der Predatoren sich als unter seinem eigenen Niveau und damit verfügbar vorstellt.
Nur zuletzt, am Ende, erscheint die grundsätzliche Brutalität und Gefühllosigkeit mit der Mitkreatur als die Form des Umgangs mit und der Einstellung gegenüber ‚dem Tier’, wo sie sich meint ebenso ungezwungen und verbergungsunbedürftig zeigen zu können wie der beobachtbare Umgang von Müttern im öffentlichen Raum mit ihren Kindern, an dem man den Verwahrlosungsgrad exakt bestimmen kann – vom Verhalten der Unteroffiziere, die in Kindergärten und Schulen als weibliches Personal fungieren einmal abgesehen – der in einem postkulturellen Zustand in Tat und Alltag gewöhnlich ist. Du weißt, dass ich die großen Menschenaffen, vor allem die Pflanzenfresser (Bonobos, Gorillas und Orang Utans) für nicht als solche anerkannte Menschenrassen halte, und die Schimpansen bilden in dieser Reihe deshalb eine Ausnahme, weil sie Fleischfresser sind und in Gruppen gemeinsam auf Jagd machen auf – anderen Affenarten, mithin dem Homo sapiens am nächsten stehen.
Aber mit dieser Selbstermächtigung zur ganz und gar beliebigen Umdeutung jeder Lebensäußerung eines menschlichen Lebewesens durch die Monopolisierung der Kompetenz zur Festlegung der ‚wahren Bedeutung’ ist die Hilfestellung der Wissenschaft lange nicht am Ende ihrer Möglichkeiten. Die Schematisierung des Tiers zum Automaten legitimiert noch heute jeden ‚Tierversuch’. Nichts dergleichen ist legitimierbar. Solange Mitlebewesen weiter durch die Leidensgeschichten der in Laboren organisierten Foltermaschinen laufen, solange noch täglich nach Millionen Tonnen gewichtete Mitlebewesen durch die unersättlichen Magen Darm Trakte des ins Ungeheuerliche angeschwollenen Riesenbauchs dieses irrsinnig gewordenen Monsters geschleust werden, nachdem sie hinter verschlossenen Toren erschlagen und ausgeblutet wurden, um als nett und bunt verpackte Häppchen in den Tiefkühltruhen von Supermarktketten auf ihren erfreuten Kunden zu warten, solange dieses auf elendeste Art und Weise verharmlosende kulturelle Schauspiel der endlosen Selbstbeweihräucherung eines als ‚Massenmörder’ nur aus äußerstem Versagen der Sprache zu bezeichnender Hilflosigkeit heraus charakterisierten Ungeheuers, das sich im Besitz einer Kultur und Vernunft glaubt, oder einer durch einen Gewaltapparat zu verteidigenden Moral, solange ist von Selbsterkenntnis nirgendwo anders als in der Form einer infamen Lüge die Rede. Die Legitimation zum ‚wissenschaftlichen Monopol’ auf die Festlegung aller Bedeutung menschlicher Äußerungen mittels ‚Umdeutung’ ruht ihrerseits auf deren vorgängiger Deutung als ‚Verhalten’. Verhalten ist ein von Außen abgelesenes ‚Phänomen’ an Lebensformen. Der Wurm, den man in der Mitte zerschneidet, oder dem man an einem Ende etwas abschneidet, krümmt sich. Das ist sein ‚Verhalten’. Empfindet er dabei ‚Schmerz’. ‚Wir’ würden das ‚gewöhnlich vermuten’, aber das ist ein Anthropomorphismus, eine Projektion, die aus der Introspektion stammt, die als legitimes wissenschaftliches Erkenntnismittel ausscheidet, und zwar weil sie ausgeschieden worden ist, und zwar ‚von der Wissenschaft’. Es bedarf einer unvoreingenommenen wissenschaftlichen Untersuchung – unvoreingenommen ‚bedeutet’ wissenschaftlich – um festzustellen ob das auch stimmt, also wahr ist im wissenschaftlichen Sinne. Gegeben ist ‚uns’ nur das Verhalten des Wurms, der sich krümmt. Eine Befragung ist nicht möglich, und auf sie wäre auch kein Verlass, weil sie ja ihrerseits einem Verhalten entspricht, also ein Phänomen ist, dessen Bedeutung erst aufgrund einer unvoreingenommenen Untersuchung… etc. Das führt auf die Frage, welche ‚objektiven Voraussetzungen’ eigentlich vorliegen müssen, um dem Satz: „Ich empfinde jetzt aufgrund dieser Gegebenheiten diese und diese Art von Schmerz“, etwas zuordnen zu können, das ‚wir’ in Analogie zu einem von uns empfundenen Schmerz auffassen, empfinden, also wie einer entsprechenden Formulierung eine dieser entsprechende Empfindung zugeordnet werden kann, derart, dass man sagen kann, der Satz sei für diese und jene Bedingungen, vorausgesetzt, sie sind gegeben, wahr, wobei wir unter ‚wahr’ wiederum die Funktion eines Satzes verstehen usw. Der Wahnsinn des Descartes, die in dem Wissenschaftskonzept ganz harmlos als Vernunft auftretende Perversion ist nicht genug, so wenig wie ihre Folgen. Es bedarf noch dieser Pointe eines als Wissenschaft sich organisierenden und von den Mächten, die als Verhängnis über den Menschen schweben, ermächtigten Wahnwitzes, um das Maß voll zu machen. Wo jeder zum Verhalten vorweg wissenschaftlich, also mit ‚Kompetenz’, einem Wechselbegriff für Befehlsgewalt, depotenzierten Lebensäußerung eines Lebewesens erst von ‚der Wissenschaft’ zugeordnete Wahrheitswert von Sätzen, zu denen sie umgeformt wird, die wahre Bedeutung verleiht, den sie haben können, dort ist die Folter am Ende die wissenschaftlich legitimierte Form des ganz gewöhnlichen Umgangs, der die Schreie des Gefolterten als belanglose Äußerungen, gar als eine Form der Erstrebung von ‚Vorteilen und Vergünstigungen’, also als mögliche vorsätzliche Täuschung und Lüge auffasst, wenn nicht sogar als Formen des Angriffs, der von der ‚Lärmbelästigung’ (wasbistnsolaut?) über den Insult bis zur Beleidigung reichen können, während die Erstarrung und der Rückzug als ‚Depression’ oder als Anlass zur Verabreichung von verstärkten ‚Anreizen’ dienen können. In jedem Fall legitimiert sich die gewählte Reaktion aufgrund einer vorgängig als Monopol in Anspruch genommenen Kompetenz zur Festlegung der Bedeutung, die es hat, wenn der Wurm sich krümmt, wenn man ihn in der Mitte zerschneidet. Hier also liegt das elaborierte Ensemble, das einer lebensweltlich eingeübten Haltung gegenüber dem Leben und der Existenz des Anderen wissenschaftlich rationalisiert entspricht und es als verwissenschaftlichtes universalisiert und normalisiert. In der Tat ist diese ‚wissenschaftliche Einstellung’ und ‚Objektivität’ kaum mehr als die zur ‚Wissenschaft’ sich selbst ermächtigende, sozial aufgestiegene Form der gewöhnlichsten a- und antikulturellen Bestialität von Monstren.
Das also steckt hinter der ganz alltäglichen Umdeutung und Entwertung einer Lebensäußerung eines Mitgeschöpfs, dem die gewaltsame Form des Umgangs zunächst die Eigenbedeutung entzieht, um es dann mit einer nach Wunsch zurecht gemachten Projektion der auf es so oder so angewandten Gewaltsamkeit unter allen Umständen zu überziehen und diese als Normalform eines nicht weiter rechtfertigungsbedürftigen Umgangs zu etablieren, mit der Konsequenz, dass die Reaktion darauf ihrerseits rechtfertigungsbedürftig wird und Verfahren unterworfen werden kann, die die Möglichkeit dieser Rechtfertigung des Lebens aus sich selbst, der ihm eigenen Selbstverständlichkeit, immer weitergehend mit den Mitteln der moralischen, des lebensweltlichen ‚Konsensus’ und der wissenschaftlichen Bedeutungsmonopole zurückdrängen in zunächst noch zugelassene ‚kulturelle’ oder ‚künstlerische’ Randbezirke, um mit einem gewissen Abstand – den Anstandsfristen, die das Vergessen und die organisierte Verdrängung regulieren - zur aktiven Liquidation auch dieser Nischen übergehen zu können. Es ist eine lebensweltliche Tradition, die sich derart zum Inbegriff der Humanwissenschaften universalisiert, sich dabei aber als Ablösung und Emanzipation des modernen Bewusstseins von jeder Tradition einkleidet. Hinter den avanciertesten Veranstaltungen des fortgeschrittensten Bewusstseins ‚der Menschheit’, dem Inbegriff von Welt und Realität, steckt die ganz simple und gewöhnliche mörderische Brutalität, die moralische Verkommenheit und Indolenz sowie der unbeirrbare animalische Antriebsset nicht eines beliebigen, sondern des bestialischsten und erfolgreichsten Raubtiers, das dem Universum bisher bekannt geworden ist, in der Form des Bewussteins, das diesem Predator in Form der Möglichkeit des Menschen immerhin auch mitgegeben wurde. Diese Wissenschaft ist nur die Assistentin dieser ganz alltäglichen Rechtfertigung von Folterern, die die verzweifelten Schreie ihrer Opfer als deren Unverschämtheiten auslegen und darauf bestehen, dass es sich hier um deren ‚unfeines Betragen’ handelt, mit dem Gestus der Nachsicht, die im Prinzip bereit ist, hier weitere Erziehungsbeihilfe zu leisten, aber mit einem Seufzen, das den Seitenblick auf den Termindruck begleitet, bzw. den Hinweis auf den Unverstand des des Verständnisses der geltenden Regelungen Unkundigen mit einem Hilfe suchenden Blick zum Himmel kommentiert, jedenfalls die Geste des beschäftigten Erziehers oder Sachbearbeiters aufsetzt, der sich eben um die Erledigung dieses Auftrags zu kümmern hat. Was als Lokalanästhesie früheuropäisch begonnen haben mag, endet als universale Taubheit und systematisch organisierte Kommunikationsschwäche, um der Asymmetrie willen, die sie konstituiert, entlang deren die Lebensenergien fließen in der Gegenrichtung der organisierten Gewalt, die diese Unempfindlichkeit eines Raubtiers für das Leiden seiner Beute als Inbegriff von Kultur und Gesellschaft institutionalisiert und als verbindliche Norm aller Existenz feststellt.
“Love…is he spring of life, where blossom the roses of imagination,
It gives poetry its music, it evokes desire,
Spawns off a thousand stories an it gives ecstasy
It gives the future a meaning
It gives the past an identity
It brings two strangers together
It gives a journey a destination.”
But here: no destination, no identity, never a future nor union of two people, just hollow emptiness and a meaningless existence, like that of stones, only without their senselessness, their insensibility, their intangibility with respect to feelings and thoughts, that makes them unassailable. It wish a was born to be a stone. And if I must be born again, then I wish to be born as a stone.
Alles hast Du schon im Ansatz, als es kaum zu keimen begonnen hatte, einfach platt getreten, mit jeder wegwerfenden Bewegung, mit der Du den Champignon hinter Dich warfst, den ich Dir zeigte. Du hast auf den symbolischen Sinn meiner Geste mit einer präzise darauf gesetzten Deinerseits geantwortet. Das was schon alles. Mehr als was in dieser Geste ist, bist Du vielleicht nie gewesen.
Ich war nur mit der größten mir überhaupt möglichen Anstrengung im Andenken an meine eigene unglückliche Vorgeschichte dazu überhaupt imstande mich damit zu arrangieren, dass meine mögliche Liebe jemals von einem anderen Mann auch nur berührt worden war. Ich wurde zum Zeugen des Unerträglichen einer schlampig und unter zweifelhaften Einstellungen dazu daher erzählten Geschichte Deiner vorherigen ‚Beziehungen’ gemacht, eine Sache, die sich an der Grenze des Erträglichen bewegte, auf des Messers Schneide.
Rebecca zeigt Deinen moralischen Opportunismus und die Folgen Deiner von rationalisierter Schuld, Unkenntnis, falscher Einführung in die Kultur und moralischer Uneindeutigkeit geformten Urteilsschwäche, Rahel die Folgen Deines uneinsichtigen Widerstands gegen meine Vorhaltungen und Deinen Versuch der generellen Entwertung meiner Person und Absichten Dir gegenüber, in der Form offenen Hasses, eines aufbrausenden Wesens und einer meinen Zorn formal, aber ohne seinen Inhalt und Rückhalt in begründbaren Urteilen Verächtlichkeit gegenüber meiner Person. Nichts davon wird imstande sein mich zu verfolgen. Einzig Leah hat das Dilemma zu einem Kompromiss, in der Form einer Erkrankung ihres zentralnervösen Systems beantwortet, um sich nicht entscheiden zu müssen. Ich habe versucht ihr die Entscheidung abzunehmen oder derart zu erleichtern, dass ihr meine Motive und Reaktionen einfach nicht mehr vor Augen stehen, damit sie verblassen. Deshalb auch ist sie, um ihretwillen, in jeder Weise entschuldigt. Sie hat mir durch diese Symptomwahl genug mitgeteilt, das mich mit ihr in jedem Fall einverstanden sein lässt. Auch Rebecca und Rahel wünsche ich einen Lebenserfolg, nichts sonst. Es ist der Sinn meiner und ihrer Existenz. Aber das Zerstörerische an alledem werde ich auf keine Weise mit meinem Einverständnis belehnen, nicht meinetwegen, das wäre nach rückwärts bezogener, egoistischer Unfug, gegen ihre Existenz gerichtet. Es geht um ihre Zukunft und die ihrer möglichen Familien.
Ich bin müde, sehr müde, ich möchte schlafen gehen und nicht mehr erwachen müssen.
Ich bin der Vater dieser Familie…nein:
Ich war der Vater dieser Familie…nein:
Ich war niemals der Vater dieser Familie.
Ich hätte der Vater einer Familie sein können, aber nicht dieser…nein:
Dies ist nicht und war nie eine Familie.
Ich werde niemals der Vater einer Familie gewesen sein.
Ich bin ein u. a. von Sozialarbeitern missbrauchtes Kind. Ich war nur ein kleiner Clown in einer mörderischen Achtlosigkeit, die mich benutzt hat. Und Du warst nie Mutter oder Frau. Die Nachahmung blieb unbegriffen, praktisch blieb es bei der Bewältigung der Folgeprobleme biologischer Ereignisse. Und es reicht für eine leidlich korrekte ‚Betreuungsleistung’.
Ich hatte niemals eine erste Liebe. Ich bin in anwachsender Dunkelheit, schon mitten im Leben, immer noch auf der Suche nach ihr umhergeirrt, ohne aufgegeben zu haben, mit der Zuversicht, dass ich finden können würde, was ich meinte als existent, irgendwo verborgen hinter einer unbekannten Maske, in einer unerkannten Form in einer Welt voller Verwahrlosung, Berechnung, Kalkül, Intriganz, Verlogenheit, heimlichen Strategien, Tücke, Hinterhältigkeiten, einer Ekel erregenden Gier, voraussetzen zu können, auf der Suche nach einem Menschen, der mein Vertrauen verdient gehabt hätte, und sich mir zuwenden würde, mir, dem, was ich bin, und nicht dem, was man als funktionierend meint voraussetzen und nach Laune und Bedarf oder ‚Bedürfnis’ gebrauchen zu können, solange und wie es einem gefällt. Und ich war bedingungslos bereit, es in Dich zu setzen. Du hättest diese Liebe sein können. Als ich Dir die Hand gab, um Dich aus einem dreckigen Loch zu ziehen, in dem Du bis zum Hals im Schlamm standest, traurig, mit blauen Ringen unter den Augen, einem Anflug einer madonnenhaften stillen Verzweiflung auf dem Gesicht, hast Du nichts Besseres zu tun gewusst, als mich in diesen Dreck hinunter zu ziehen. Ich geriet an eine Replik des Ungeheuers, das mich während der ersten zwanzig Jahre meines Lebens gefangen gehalten hatte, um weitere zwanzig Jahre in demselben Gefängnis zu verbringen, der Achtlosigkeit, der Leichtfertigkeit, der mit dem ‚Kannitverstahn’ sich rechtfertigenden Brutalität und Gewaltsamkeit, das sich rückversichern kann in einer Umgebung, aus der die Katastrophe dieser Kultur sich konfigurierte und aus deren Protuberanzen sie nur zurücksank auf das gewöhnliche Maß des Alltäglichen, das sich unsichtbar macht durch seine flächendeckende Verbreitung, als Sozialcharakter. Das Rätsel ist, warum diese Gewalt meint, festhalten und gefangen nehmen zu müssen, was mit ihr nicht kompatibel ist. Braucht diese Gewaltsamkeit nicht ihr ewiges Opfer selbst dann, wenn es zu ihrem unmittelbaren Überleben gar nicht erforderlich ist, bloß um ihrer inneren Ausgeglichenheit willen, um der Gewaltsamkeit willen, einer trägen und blinden, bewusstlosen Gewohnheit? Das war Deine großartige, alles entscheidende Lebensleistung, die Du an Deine weiblichen Kinder weiterreichen kannst, damit sie stolz sein können auf diese Mutter und Frau, und sich an diesem leuchtenden Beispiel orientieren. dass dies den postkulturellen Üblichkeiten entspricht, macht aus einer ins Ungeheure ausgebreiteten Verwahrlosung, deren Komplement dann ‚die Sexualität des Mannes’ ausmacht, nicht schon eine kulturelle Norm, und schon gar nicht eine lebbare Zukunft für Menschen, die mehr sein wollen als weniger als ein Tier zu sein.
Dir fehlten jedenfalls zum Zeitpunkt unserer Begegnung fast schon alle Reflexe weiblicher Werbung. Lediglich bei einem Gespräch im ‚Club Voltaire’ hast Du ein einziges Mal einen Schimmer davon genutzt. An den habe ich mich erinnert als Du mich anriefst. Was ist nun, wenn Deine Töchter nichts mehr davon haben lernen können, weil sie es am Beispiel des Umgangs der Mutter mit dem Vater, der erwachsenen Frau mit dem Mann nicht haben lernen können. Was für eine Prognose hat das denn, wenn eine Krise in der Beziehung kommt? Die üblich gewordene asoziale Barbarei des Umgangs in Potenz, nichts weiter, ein hirnloser Kampf um eine im Nichts hängende Rechthaberei, die sich auf keine Grundlage beziehen kann, in der sie Halt fände, weil es immer nur um das erfolgreiche Ausweichen, dieses Werfen von Nebelkerzen geht, das aus jedem Klärungsversuch die Abscheulichkeit eines Versuchs macht, einen anderen an der Nase herumzuführen und seine Intelligenz und sein Urteilsvermögen zu beleidigen und nach Möglichkeit zu zerstören, einfach eine schmutzige Manipulation eines Abhängigen, der faktisch, solange er das überhaupt mitmacht, derart über seine Existenz, sein Dasein einen Schmutzkübel nach dem anderen auskippt, zum Hohn darauf, dass er überhaupt existiert.
Und jede Antwort auf die kleinsten Anzeichen eines nicht damit konform gehenden Rests an Selbständigkeit wird mit der Angriffswut beantwortet, die den gegen den Angriff auf die menschliche Integrität des Angegriffenen gerichteten Widerspruch als Beweis für die ‚Aggressivität’ eines Angreifers nimmt, dem man etwas entgegen setzen muss. Solange man auch nur in der Reichweite dieser Barbarei ist, wird man mit tödlicher Sicherheit unbarmherzig geschändet. Fehl nur noch, dass der Angreifer die Worte, die der Verwandlung dieses Fluidums in einen sichtbaren Gegenstand auswendig lernt, weil er sie selbst niemals fände, um sie gegen erneut in eine Angriffswaffe gegen sein Opfer umzuwandeln, indem er/sie den Unterschied zwischen dem produktiven Vermögen des Opfers, sich zur Wehr zu setzen und aufzudecken, was die heimliche Gewalt mit ihm anzustellen versucht in aller Öffentlichkeit, und der Intriganz eines Echos, das sich der Selbstartikulation seines Opfers bemächtigt, um es als Bösewicht anzuklagen und abführen zu lassen. Man kann nicht derart meinen besitzen zu können, als Verfügungsmasse, was man fahrlässig missbraucht und mutwillig oder aus Gemeinheit unablässig vergewaltigt, oder am Ende bequem abfertigt und mundtot macht, nein, ganz buchstäblich lebendig einmauert, indem man erklärt, man verstünde die Schmerzensschreie des Gefolterten nicht, dem man glühende Eisen in den Leib rennt, so als könnte das den Folterknecht entschuldigen.
Folter ist international geächtet, nur in der Familie C. ist sie weiter gar professionalisierte und als Kompetenz gerechtfertigte Kommunikationstechnik der Wahl. Solange das nicht aufgedeckt werden kann und solange ihr Opfer als Angreifer denunziert werden kann, weil es schließlich beginnt oder jedenfalls beginnen soll um sich zu schlagen oder sich zu ersäufen ist das alles mit dem Segen des christlich gedeckten guten Gewissens versehen, das sich schon die Heilige Inquisition selbst bescheinigt hat. Das lässt sich leicht säkularisiert weiterführen, und usurpiert gar die Maske einer sozialen Kompetenz.
Und es kann keine furchtbarere Form der Folter geben als die, in die man gerät, wenn man einen Menschen zugleich liebt und Hasst, mit derselben Intensität und aus derselben Quelle der Lebensenergie. Es zerstört ein Leben , macht logisches Denken unmöglich und liefert einen Menschen einem bestenfalls durch eiserne Disziplin leidlich und keineswegs durchweg erfolgreich zu kontrollierenden Wahnsinn hilflos aus, zumal dann, wenn sich die Quelle im Kommunikationsmodus des Anderen ständig erhält und die Motive erneuert, die diesen Wahnsinn induzieren.
Wie immer meine Dispositionen in diesen Kontext eingehen, es ist weder mit den Mitteln einer alltäglichen Vernunft zu erklären noch verständlich zu machen, warum Du Dich, zumal angesichts der offensichtlichen Notwendigkeit, Deine Verletztheit nach wie vor kaum genügend betont zu sehen, nicht entfernt hast, als ich begann über Tisch und Bänke zu gehen und zu schreien, dass das Haus wackelte und die Nachbarn die Polizei riefen, was meine Sympathien für Dich nicht erhöht hat. Warum hast Du Dich nicht, noch bevor Du schwanger werden konntest, denn das trat ja nicht sogleich ein und auch nicht ohne Dein weiteres Zutun, dem Du Dich doch gut hättest mit einer einfachen Willenserklärung entziehen können, die das Verhältnis bis auf weiteres, unsere durchgeführte räumliche Trennung nämlich, in eine unvermeidliche Wohngemeinschaft verwandelt hätte, entfernt hast von mir, also die doch nahe liegende unmittelbare Konsequenz gezogen hast, mich zu verlassen, um der offensichtlichen Konfrontation ein Ende zu machen. Was soll angesichts dessen überhaupt ein Vorwurf, der über diese Zeit aufrechterhalten wird?
Wieso soll ich nicht verständlich genug gewesen sein. Überlässt man ein offensichtlich zum Monster mutiertes Wesen, das einen derart angreift, nicht besser sich selbst und seiner Raserei? Nahm ich nicht die gesamte Schuld für die Trennung freiwillig und bereitwillig auf mich, ganz unbekümmert um meinen Ruf oder die Folgen, die das für mich haben können würde? Wärst Du nicht ganz und gar unschuldig an dem Desaster aus ihm hervor gegangen, blütenweiß, jedenfalls in diesem Fall, wie in allen anderen auch, an denen Du ja stets nur als Opfer beteiligt warst, wenn ich das recht sehe und nach dem, was Ich davon aus Deinen Erzählungen in Erinnerung habe? Was also sollte ich falsch gemacht haben oder nicht konsequent genug durchgeführt? Hätte ich Dich physisch angreifen müssen, oder erschlagen? Habe ich nicht darüber hinaus mitgeteilt und ausdrücklich erklärt, dass dies nun nur noch eine sado-masochistische Beziehung ist, dass sich das vermutlich als unheilbare Destruktion erweisen wird, und dass ich jedenfalls keine Aussichten sehe, das von mir aus zu bewältigen, wie mir genügend klar war, worauf der Zustand beruht und wie er zustande gekommen ist, und zu verstehen gegeben, dass ich das für eine der perversesten Scheußlichkeiten überhaupt halte, die sich zwischen Menschen ergeben kann?
Warum hast Du mich um die Chance betrogen, meinem Leben eine andere Richtung zu geben, wenn es mit Dir eben nicht gelungen war zu einer Verständigung zu kommen, mit der sich leben ließ, mit der ich leben hätte können? Wieso war Dir auch noch gleichgültig, wie ich mich in dieser Gefangenschaft fühlen würde, wenn sich das als Konstante erweisen sollte? Die Konstante der Bestialität in der Form der Verweigerung des Verstehens und der Akzeptanz in Alkoholikerfamilien war mir längst bekannt. Es ist eine der Konstanten des familialen Umfelds, vor allem der Partner/in des Alkoholikers. Das heißt nicht, dass der Partner dadurch einer werden muss, es ändert aber nichts daran, dass ihm zugemutet wird, unter dieser letzten Endes mörderischen Bedingung zu existieren, in einer Gefangenschaft desto mehr, je mehr sich das zur vorsätzlichen Vereitelung des Lebenserfolgs dieses Opfers einer pathologischen Familienkonstellation konfigurieren muss. Es kann gar nicht anders sein. Der Terror greift nach der Existenz der ganzen Person und versucht sie zu zerstören. In dieser Zielsetzung sind sich alle einig, die dieses System konfigurieren. Das Ergebnis liegt ja auf der Hand: Es ist in der ganzen Familie kein Mann mehr zu finden, oder nur Kastraten und lebensuntüchtige Ruinen oder Halbruinen. Von dieser Art sind die Ergebnisse einer über Generationen hin akkumulierten internen Todfeindschaft zwischen den Geschlechtern, der ganz unvermeidlich auf Kosten der männlichen Mitglieder der Familie entschieden wird, aus Gründen, die zu tun haben mit der frühen Symbiose des männlichen Kindes mit der von dieser Feindseligkeit gezeichneten Mutter. Das wohl größte Glück dieses Sohnes ist der Umstand, dass er nie geboren wird.
Aber es ist klar worauf ich gefasst sein muss. Die nächste Runde in dieser Debatte ist ganz natürlich der Vorwurf ich hätte ja ohne Weiteres noch brutaler und rücksichtsloser sein sollen, um mein Ziel zu erreichen. Zum Äußersten gehen ist eben Bedingung in dieser Sache. Hätte ich also mich selbst zerstören sollen um zu entkommen? Einen Mord begehen? Selbstmord? Mehrmals hatte ich mir die Schlinge schon um den Hals gelegt. Dann hielt mich der Gedanke an eine schwach sich abzeichnende Chance des Entkommens am Leben, die ich mir als Bild einer täglich blasser werdenden Hoffnung auf ein Leben jenseits dieser Knechtschaft und Demütigung vorhielt. Ich habe mich mehr als zwanzig Jahre lang jeden Morgen damit auseinander setzen müssen und ich habe es einem unbezwingbaren Selbsterhaltungswillen zu verdanken, dass es Dir – euch - nicht gelungen ist, mich umzubringen ohne dass ihr eine Hand erhebt, obwohl dies alles auf dies und sonst nichts abgesehen war. Das ganze Arrangement war von Anfang an nichts als das. Ostern 2006 war nur eine erneute Replik und Wiederholung von Ostern 1982. Derselbe Mechanismus, dieselbe Taktik der Täuschung und Enttäuschung, dieselbe Methode der Verletzung, bis aufs Jota. Es ist kaum auszudenken, was mit dieser Energie anzufangen gewesen wäre, hätte ich nicht diese Anfesselung an einen Felsen und diese tägliche Zernagung der Leber mitmachen müssen, eine zugewandte Partnerin an Stelle einer Todfeindes hätte haben dürfen. Es nimmt mir den Atem, diesen Blick zurück machen zu müssen und zu sehen was das geschehen ist, und dass ihr mordet ohne als Mörder belangt werden zu können und dass ihr eure Opfer sucht und festhaltet, um euer seelisches Gleichgewicht konservieren zu können.
Der Mord – oder sein Äquivalent, die Zerstörung der Existenz des Opfers – ist unabdingbares Element des Begriffs des Erfolges, der sich in dieser Lebensautomatik verbirgt. Dir stand kein Recht mich in eine tödliche Bedrohung meines Lebens und in seine letztlich gelungene Vernichtung hineinzureißen und mich darin derart lange festzuhalten. Erst als alles vorbei war und Du vollendet hattest, was Du konstelliert hast, durfte ich gehen, in eine Restexistenz ohne Zukunft, ins Leere, eine weitere Zelle, angefüllt mit den Schreckgespenstern dieser Vergangenheit, die mich täglich, nächtlich erbarmungslos verfolgen und terrorisieren, weil ich andere Erinnerungen nun nicht mehr habe als die an diese Jahre des Terrors und einer seelischen Folter, die alles zerstört hat, was einmal meine Person ausgemacht hat.
Rahel und Rebecca haben an Ostern eine Entscheidung getroffen, und zwar eine ganz eindeutig und bewusst gegen mich gerichtete Entscheidung.
Denn unter diesen Umständen hätten sich sie doch auch dafür entscheiden können, entweder der Teilnahme in Werlte fern zu bleiben und mir ihre Gründe dafür mitzuteilen, auf eine andere Entscheidung Deinerseits hinwirken oder sich dafür entscheiden, statt Dich mich zu besuchen. Das alles ist ganz klar. Mich also zu verteufeln dafür, dass ich darauf reagiere ist nichts anderes als die Fortsetzung und Intensivierung dieses selben Angriffs, zu dem sie sich ja selbst entschieden haben. Es gibt da keine andere Möglichkeit. Es ist Gerede, die ‚Ursache’ für die Reaktion auf meine Antwort auf ihre Entscheidung – wie immer sie sich die selbst verheimlichen mögen – in meinem ‚Verhalten’ suchen zu wollen. Dieses Verständnis ist nichts als der Versuch, den Angriff nicht nur hinter einer Täuschung zu verbergen, sondern in dieser Form, durch eine Verdrehung der Tatsachen fortzusetzen und zu intensivieren, und dazu dieselbe, intuitiv erlernte ‚Durchdrehtechnik’ zu benutzen, die sich bereits als nicht erfolgreich erwiesen hat.
Denn ich verliere eben über dem Schmerz und dem Bewusstsein seiner Quelle weder das Bewusstsein und die Urteilsfähigkeit. Und die nunmehr lediglich mittelbare Erreichbarkeit macht mich frei von der Schuld, in die ich auf dem Wege der ‚Kommunikation’ dieser ‚Gründe’ und ‚Begründungen’ verwickelt werden konnte, indem wiederum meine unmittelbare Reaktion als Anlass für die Verstärkung des Angriffs benutzt werden konnte. Das hat schlechte Aussichten, es sei denn in den entsprechenden Partnerschaften, wenn sich das etabliert haben sollte. Ich finde das aus guten Gründen nicht amüsant, aber ich bin entschlossen der Katastrophe ins Auge zu sehen, und die Tragödie auf den ihr zustehenden Begriff zu bringen. Diese Schriftlichkeit wird sich ja länger erhalten, wenn sie nicht einfach unterschlagen wird, wozu ich natürlich einlade, auch nicht ohne Absicht. Mach’ nur. Das ist informativ. Lass’ es doch verschwinden, nimm es nicht zur Kenntnis, fertige es ab, so wie man eben gegenüber Sinn- und Wertlosem wegwerfend sein kann. Es ist nur ein weiterer Pilz im Wald, den man hinter sich werfen kann. Es wird aber seinen Preis haben. Weder Rebecca noch Rahel werden jemals ihre Studienziele wirklich erreichen, bestenfalls eine Arbeitslizenz von Staats wegen. Das wird immerhin ihre Selbsterhaltung sichern helfen, aber als Ziel in sich ist es wertlos, aufs Ganze der Bedeutung dessen gesehen, was über das bloße erfolgreiche Lernen hinaus für einen bestimmten Verwendungszweck, dem sie dann zugeführt werden können, als leidlich funktionierende Deutsche eben, das lebendige Wissen ausmacht, nämlich dessen, was DER MENSCH ist, und was Kultur, Kommunikation, Familie, Leben…
In allem, was Du mir von Dir und Deinen vorherigen Versuchen einen Partner zu finden erzählt hast, war nicht ein Funken dessen, was man wirklich Liebe nennen könnte. In allem, was ich erfuhr, vielleicht mit Ausnahme des Versuchs mit dem Jungen, der Dich dann aus Gründen verließ, die Du nicht glaubwürdig darzustellen imstande bist, ganz gleich wie man versucht, das in Erfahrung zu bringen, was da wirklich geschehen ist, jenseits Deiner eigenartigen Darstellung oder Erinnerung - Geschichte ist eben nicht, was erinnert wird, sondern was geschehen ist – und der dann Selbstmord beging, natürlich ganz ohne dass das etwas mit Dir zu tun hätte, war nichts zu erkennen als eine immer weiter auf den blanken Trieb, ein tierisches Bedürfnis sich reduzierendes Getriebe, dem sich die Bewusstseinsinhalte endlich so weit anglichen, dass schließlich nichts übrig blieb als die durch einen Hauch von ihr getrennte Nähe zur Pornographie, auf die das überall herunterkommen muss, wo kein menschliches Verhältnis mehr greift, wo kein kulturelles Geflecht mehr Menschen verbindet, sondern die gedankenlose Wahllosigkeit.
I cannot stand to see my death mirrored in your eyes.
Leah’s Geburtstag. Sie wäre heute neunzehn Jahre alt geworden.
8. August 2009
Wer in einem Kampf dem Gegner den Respekt und das grundsätzlich mit gleichem Recht ausgestattete Daseinsrecht, die gleiche Berechtigung auch nur im Ansatz der Formulierung versagt, ist Exekutor, Agent oder Parteigänger auf der Seite des organisierten Verbrechens, das als totalitärer Gewaltstaat die bisherige Geschichte der Tierart Homo sapiens weitgehend beherrscht.
Nur für Schlachtvieh kann der Gedanke, in Verteidigung der eigenen Identität zu sterben als hirnrissige Idiotie erscheinen.
Der säkulare Staat ist von seinem Beginn an darauf angelegt, das Lager au(s)zu-schwitzen, ob nun in der Form des sogleich durch den Genozid entvölkerten Indianerreservats, Kubas, Dachaus, Guantanamos, Kabuls oder dem Swatyalley. Er ist das Organ der Massentierhaltung an der Tierart Homo sapiens, totalitäre Tierverwertungsanstalt. Seine ihn begleitende ‚Theorie’ hat das stets genügend unmissverständlich dokumentiert, anders gesagt, es gab immer Individuen, die klug genug waren, sich von dem, was von ihn an Gewalt ausging in der Absicht der gewaltsamen Verdummung der ihm von Predatoren Unterworfenen, die sich auf die Tierhaltung an der eigenen Art spezialisiert haben, nicht dumm machen zu lassen, sich den Mund nicht verbieten, den Gebrauch des eigenen Verstandes und der Sprache nicht verbieten zu lassen, und im Zweifel das Exil, die Gefangenschaft und Verfolgung oder den Tod der Unterwerfung vorzuziehen.
Soldaten sind auf Artgenossen und den Menschen dressierte Kampfhunde ohne kulturelle Widerstandsfähigkeit, ohne in ihrer Identität verankerte normative Orientierungen, wie sie aus der grundsätzlichen, zum Verkauf angebotenen Bereitschaft zur Ausführung jedes ihnen erteilten Befehls unvermeidlich resultieren muss, und dasselbe gilt für alle Funktionsträger, die unter den akzeptierten allgemeinen Daseinsbedingungen ‚strategischer Kommunikation’ zu existieren sich bereit erklärt haben im Austausch gegen die Garantie ihrer Existenz im Rahmen dieser Konditionen. Auschwitz ist der harte Kern jeder sogenannten ‚Versachlichung’ des Lebens bzw. jedes von Oben oktroyierten Zwangs zur Existenz unter den Bedingungen seines gewaltsam durchgesetzten, alles umgreifenden Vorrangs vor dem vernünftigen Argument, das ihm eine aus Vernunft einsehbare und akzeptierte Grenze zu setzen imstande ist, an der Macht und Gewalt ohne Rücksicht auf die ihnen eigenen Ressourcen ihre eigene Grenze finden.
Sind Sie auch dafür, dass Iran ebenso wie Afghanistan, Irak und Pakistan wieder oder weiter von London aus regiert werden?
Der Widerstand von Teilen der Populationen der islamischen Kulturen ist in jeder Form ein gerechtfertigter Freiheitskampf gegen Kolonisatoren, Plünderer, Piraten und Eroberer, gegen Wikinger und Normannen.
Der säkulare Staat ist eine Erfindung von ‚intelligenten‚ Raubtieren (die Form ihrer organisierten Zusammenrottung), deren bevorzugte Jagdbeute seit Jahrtausenden der Homo sapiens ist, die eigenen Artgenossen und die wenigen jeweils lebenden Menschen. Er dient der zu allem entschlossenen Verhinderung des Menschen und der Möglichkeit der Menschwerdung, die im Zweifel auch den Untergang der Tierart in Kauf nimmt, der die einzigartige Chance der Menschwerdung mitgeben wurde.
„Im Menschen“, hieß es einmal, „schlägt die Natur die Augen auf“. Im modernen Staat schlägt die Natur die Augen zu, weil sie ihr zugeschlagen werden wie jedem, der sie offen zu halten versucht.
Jede Definition von Politik in der Terminologie der Kriminalpolizei ist ein Vorgriff auf den daraus einmal resultierenden totalitaristischen globalen Terrorstaats, in dem sich das Ende der Möglichkeit der Menschheit ankündigt, die sich in der alternativenlosen Umsetzung der verstaatlichten ‚Erziehung und Bildung’ eine Grundlage in den Seelen der Individuen verschafft, die mit der lebenslang erneuerten Gehirnwäsche identisch geworden sein wird.
Die letzten Menschen werden bald ausgestorben sein ohne dass es jemandem eingefallen wäre, sie auf die Liste der bedrohten Tierarten zu setzen um dieser ausgerotteten Abart des Homo sapiens auch nur ein Reservat zu erhalten oder sie in einen Zoo aufzunehmen. Das hat damit zu tun, dass sie sich als unzähmbar gefährlich erwiesen haben, weil sie immun sind gegen die auf sie zu ihrer Umerziehung angewandte Gehirnwäsche.
‚Intelligenz’ ist nicht, „was der Intelligenztest misst“. Wer zu einem Intelligenztest geht, ist das Dümmste, das sich vorstellen lässt gegenüber ‚intelligentem Verhalten’, Merkmal seiner Unterwerfung und Versklavung zum Nutztier. Selbst der dümmste ‚Intelligenztester’ ist um so vieles ‚klüger’ wie der Test, wie es ein Machthaber gegenüber jedem Unterworfenen ist. Intelligenz resultiert bestenfalls aus der Verweigerung gegenüber jeder Form eines Gehorsams gegenüber dem Anspruch auf Unterwerfung unter illegitime Machtansprüche. In jedem Fall ist diese Verweigerung die conditio sine qua non. Alles andere ist der Überlebensstrategie der designierten Beute angesichts der Predatoren zuzurechnen, bestenfalls ein Duck- bzw. Totstellreflex oder Fluchtbewegung. Wer sich von Macht dumm machen lässt, IST dumm, ganz gleich für wie klug er sich hält, gar aufgrund einer Bescheinigung, auf der diese Macht ihm seine ‚Intelligenz’, seine Nützlichkeit und Verwertbarkeit als Nutztier bestätigt. Im „Intelligenztest“ befindet man sich schon auf einem Weg zwischen den zum Schlachthof führenden Leitplanken.
Die sich abzeichnende Absicht der Politik, mit welchen Begründungen auch immer die totale Verstaatlichung der Erziehung vom Säuglingsalter an sowohl zu kapitalisieren als auch in die Regie der organisierten Gewalten zu überführen, indem sie in durch staatlichen Regulationen kontrollierte ‚Kompetenzen’, und damit in das Interesse von Personalgruppen mit organisiertem Selbsterhaltungsinteresse gegenüber den Eltern überführt wird, die heliotropisch auf den Staat ausgerichtet sind und ihm wie immer vermittelt gehorsam sind, verweist auf eine implizite Absicht oder Nebenfolge, die in der Verankerung der Imperative dieser Politik und der Bedingungen ihrer Möglichkeit im Unbewussten des von ihr rest , erinnerungs- und alternativenlos beherrschten ‚Konstitution’ der von ihr auf diesem Wege Unterworfenen resultieren wird. Das läuft auf die endgültige Auslöschung der Möglichkeit der Menschwerdung der Gattungsexemplare der Tierart Homo sapiens hinaus. Fressen, Saufen, Ficken, Schwafeln: Daraus besteht die Zukunft der Tierart, die sich derart gegen ihre ausgelöschten Möglichkeiten auf dem Daseinsniveau der Bakterienkultur noch eine Weile erhalten mag, bis die gern als schutzwürdiges Haustier verniedlichte natur sich ihrer entledigen wird auf einem Wege, der ihr dann auch zusteht. Denn was sich, als Mensch, zu dem immerhin ein Tor offen stand über Jahrtausende nicht selbst zu begrenzen vermag, das wird von der Natur so begrenzt werden wie andere längst ausgestorbene Lebensformen auch ohne Rücksicht darauf, was das Gutdünken eines über dem Bodenlosen torkelnden ‚Bewusstseins’ diesem Wesen von sich selbst zu halten als wahnhaften Rest noch vermitteln kann, nachdem es die Zensuren der Ignoranz und der ‚intelligent’ erträumten Wunscherfüllungsphantasien passiert hat, also die Zensuren, die das zu diesem Wunsch nicht Passende aussortiert haben, wie Türsteher zu einer Disko nur durchlassen, was zu ihrem von ihrer Muskulatur, ihrem Hormonhaushalt und ihren Hundehaltern beherrschten Gehirn als zu dem Syndrom, das ihr bewusstes Sein ausmacht zu passen scheint.
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Massenpsychologie und Ich-Analyse an einem Führerbeispiel der postkulturellen Art, reinszeniert als Farce zur Tragödie
Januar 2010
Ich habe die Rede Bundespräsidenten der Bundesrepublik zum Jahresende mit angesehen. Was mich wirklich beeindruckt hat, war die geistige und intellektuelle Verfassung dieser Person, die offensichtlich am Rande des Schwachsinns dümpelt. Einen ähnlichen Eindruck machte auf mich einmal, unter anderen leicht zu nennenden Bespielen ähnlicher 'Würdenträger', der Anblick einer Person, an deren Namen ich mich nicht erinnere, die laut herauskrähte, es müsse 'ein Ruck durch Deutschland gehen', und dabei meinte, etwas ungemein Kluges gesagt zu haben, was sich dann auch nach Art eines Virus ansteckend auf alle die auswirkte, die von dieser Überzeugung ebenfalls befallen wurden, während der Sprecher dieses Spruchs nicht imstande war zu demonstrieren was das meinen sollte, denn er wirkte dabei wie der Inbegriff eines unbeweglichen Breiklosses, formlos, knochenlos, aus einem dicken Brei angefertigt. Wenn man bei der Betrachtung alter Aufnahmen z. B. 'amerikanischer Präsidenten' den Eindruck gewalttätiger Psychopathen ganz unzweideutig kommuniziert erhält, ist das bei den entsprechenden deutschen Volksrepräsentanten eher so, dass man meint, hier seien Gartenzwerge oder bestimmte Pilzarten zum Leben erwacht. In jedem Fall war die selbstgerechte Dummheit, mit der hier der Dieb 'Haltet den Dieb' rief doch angesichts ihrer Wirkung erstaunlich, denn sogleich riefen alle Diebe im Land das Gleiche.
Parasiten sind es allemal, aber atemberaubend ist diese selbstbewusste Selbstpräsentation im Bewusstsein, 'Volksvertreter' zu sein, also gewissermaßen den Durchschnitt derer zu personifizieren, die diesen Ausgeburten zu dieser parasitären Existenz verhelfen, wenn man sich klarmacht, dass die politischen Mehrheiten, auf denen sie fußen, meist kaum mehr als zwanzig Prozent der Population ausmachen, die das wirklich tragen. Aber das ist kein Trost. Aufs Ganze gesehen muss man zugestehen, dass es einen sozialpsychologischen Mechanismus geben muss, der diese Pilze (Früchtchen) zu Repräsentanten einer geistig-seelisch-intellektuellen Verfassung macht, deren Gegenwart in ihnen ganz wirklich wird, indem sie als Personifikation der Wirklichkeit der Grundlagen des politischen Systems und der politisch vermittelten Gewalt und Herrschaft erscheint und deshalb denen, deren Zustand sie exemplarisch (als Paradigma) wiedergeben, auch naturgemäß als angemessene Widerspiegelung ihres eigenen erscheinen muss, wie die Rede des Pfarrers den den Gemeinde wiedergibt, indem sie ihn verbal konturiert und überhöht.
Das Verhältnis von Theologie und Volksreligion wiederholt sich also im politischen System einfach in anderer Nomenklatur bei struktureller Identität, allerdings auf dem Niveau der Volksreligion nach ihrem Zerfall und ihrer Abdrängung in die politisch entmachtete Unverbindlichkeit, also auf einem intellektuellen Niveau, das abgesunken ist auf das Niveau von 'intellektuellen Wellnessveranstaltungen' unter Verlust des Verhältnisses von hochgespannter intellektueller Reflexion, wie das die Theologie immerhin noch gewesen ist, und wovon man sich leicht - oder nicht ganz so leicht - überzeugen könnte, und dem andressierten Kinderglauben, der zwischen dem Wunsch schwankt, dass es gute Eltern geben mögen, die über dem eigenen Schicksal wachen, und dem Wunsch, sich über die Lebenswirklichkeit wenigstens an bestimmten Tagen oder zu bestimmten Stunden in einer Weise selbst zu täuschen, dass wenigstens eine kurzfristige 'Regression im Dienste des Ich', anders gesagt, eine gewollte augenblicksweise Rückkehr zu jenem Kinderglauben möglich wird, mit der die Ahnungslosigkeit der leicht beeindruckbaren, glaubensbereiten Kinderzeit eines noch nicht zerstörten Zutrauens zu dieser Erwachsenenwelt von scheußlichen Ungeheuern und gewissenlosen Banditen, seelischen und geistigen Krüppeln und Vergewaltigern verkommen ist, deren äußerste Ausprägungen dann an den Spitzen der so genannten 'sozialen Hierarchien' erscheinen als Repräsentanten eines Zustands, der einfach durch seine Faktizität eine Geltung beansprucht, die alternativenlos erscheinen soll, als 'beste aller Welten',noch ohne ein Vorauswissen de Kommenden ausgestattet ist, wo nicht
vor allem in naher Zukunft gerade in diesem 'zarten Alter' gerade die Indoktrination ausdrücklich inszeniert wird, die aus gutem Grund inzwischen im klaren Bewusstsein des Zwecks, dem das dient, so früh wir nur irgend möglich von Staats wegen die 'Mores' gelehrt werden, die die zu verwertenden Nutztiere an ihr kommendes Schicksal heranführt, damit sie später nich angesichts des Blutgeruchs scheuen, sondern sich willig und folgsam auch angesichts der Schlachtbank führen lassen, im vollen Vertrauen auf ihre politische Führung.
Das alles genauer zu betrachten ist hier nicht der Ort. Ich beschränke mich also auf diese kurzen Bemerkungen zu dieser postkulturellen Barbarei, die dabei ist, das Land zugrunde zu richten, weil diese Form sich immer mehr auf eine Reduktion der Komplexität der Welt zurückschrumpft, die dem Apparat zwar das Lernen erspart, dafür aber das kollektive Selbsterhaltungsorgan der Population, den Staat als Privateigentum einer organisierten Bande von Schwachsinnigen missbraucht, deren Folgen diese Population in wenigen Jahren brutal büßen wird. Dann sind die dafür Verantwortlichen tot und können nicht mehr belangt werden. Auch das ist eine Folge der ‘beschleunigten Veränderungsgeschwindigkeiten der modernen Welt, von der so bewusstlos geplappert wird, als handele es sich um ein Wetterphänomen, und nicht um eine bis ins Letzte hinter dem Rücken der ‘Bevölkerung’, einer statistisch erfassten Masse von Nutztieren ausbaldowerte Machenschaft organisierter Banditen, die nicht nur das Land in ihre Gewalt gebracht haben, als getreue Hunde ihres Herrn, die vor dem Schalltrichter sitzen und nur ‘His masters voice’ hören.
LOL
Jeder, der einem Hypnotiseur zusieht, erkennt, eben weil er nicht die Neigung hat, die ihm entgegenkommt ohne Probleme, dass er einem mehr oder weniger gefährlichen Scharlatan bei der Anwendung seines Erfolgsmodells zusieht. Nur ist der Scharlatan eben deshalb erfolgreich, weil der Zuschauer keine Möglichkeit hat, dem Hypnotisierten irgendwie beizustehen, und auch dies kann er sehr wohl erkennen, der Zuschauer. Zugleich macht das den Vorgang, dem man, von ihm unbeeinflusst zusieht, so beeindruckend. Der 'Klient' will die Entspannung, und er zahlt willig den Preis des sei es auch vorübergehenden Vergessens, so dass er anschließend wiederum entspannt bleibt bei seinen unsinnigen und nicht seinen eigenen Interessen und Bedürfnissen dienenden oder seinem eigenen Verstand entspringenden Handlungen, und eben dies verhindert die Spannung, die aus dem Widerstand gegen einen Befehl resultiert bzw. ihn als 'Gefühl' begleitet, und lässt damit 'konfliktfreies' und zugleich Verhalten unter dem Eindruck eines nicht zu Bewusstsein kommenden fremden Befehls zu, den Gehorsam gegenüber einer auf unbewusst gewordenen Sanktionsandrohungen erzwungenen Ausführung von Anweisungen selbst dann, wenn diese dem eigenen organisch verwurzelten Überlebenstrieb widersprechen. Es ist also derselbe 'Mechanismus', der zum Militär kommandierte Menschen – wobei das Kommando auch von den Lebensverhältnissen ausgehen kann, die zum 'freiwilligen Dienst' in einer Berufsarmee führen – dazu zu bringen vermag, sich Befehlen zu beugen, die ihr Leben gefährden oder sogar auslöschen oder sie zu Massenmördern machen können.
Diese 'Entspannung', die auf einer wenigstens vorübergehenden, gewollten und gewünschten Amnesie beruht, die sich willig dem Hypnotiseur ausliefert, der seine Funktion exakt in der Aufgabe erfüllt, Dummheiten zu plappern, die einen nüchternen Erwachsenen beim bloßen Zuhören so gut an seinem eigenen Gehör wie am Geisteszustand dessen zu zweifeln, der sich da auf eine so unfassbare Weise bloßzustellen scheint, während er exakt das Paradigma einer Regression darstellt und artikuliert, die dem Wunsch nach einer Entspannung und einer Wellness auf Kosten und unter Opferung des Verstandes und des Urteilsvermögens entspricht und entgegenkommt in jeder prästabilierten Harmonie, in der sich ebenso gut die Kommunion von Vernunftwesen wie die Vermehrung von Tintenfische vollziehen kann. Die differentia specifica zwischen den beiden Formen der Koinzidenz, die nicht herbeidiskutiert werden kann, sondern sich als präfigurierte nur ergeben kann als das was sie ist, indem sie erscheint, ist das, was in der Wellness der
Entspannung verschwindet, die der Sozialpsychologie und den Therapeuten als Hauptbeweis der Wirksamkeit ihrer Handlungen und als Beleg und Kriterium der Richtigkeit ihrer wissenschaftlichen Grundlagen dient,und die aufgrund ihrer de facto lebenserhaltenden Funktion auch nicht unterschätzt werden darf.
Was diese sich selbst und ihre Klienten antun ist dasselbe mit unterschiedlichen Folgen. Während die 'Klienten', also die Objekte dieser rhetorischen Strategien, die als 'Wissenschaften' auftreten, nichts anderes sind als ihre einem sekundären Recycling noch einmal, aufgrund der Not und der Folgen der von ihnen bewusstlos 'erlebten' ihnen oktroyierten Lebensverhältnisse lukrativ auszuplündernden Objekte eines weiteren, gewissermaßen 'kleineren' nachgeordneten weiteren Zyklus derselben Kapitalverwertung, die das Ganze beherrscht, als Nutztiere, die man - als Kranke – noch einmal für das in Anspruch nehmen kann, was sie zu dem macht, was sie dann geworden sind, unter Umständen also, dazu berechtigen oder sogar zwingen, dass man sie ebenso gut, und in der Tat besser charakterisiert als inzwischen ja mittels 'Fortschritt' 'weiter' 'entwickelten' Verhältnisse und damit im Sinne einer von der Ausbeutung im Schein des 'Äquivalententauschs' zur Realabstraktion des ebenso offenen wie ästhetisch sublimierten Kannibalismus als der zur allgemeinen Ordnungsform des Lebens der Tierart übergegangenen Viehverwertung an der Tiergattung Homo sapiens allgemeinen Form. Es gibt also durchaus eine Weiterentwicklung der Theorie, die den Verhältnissen gerecht wird, indem sie dieser Weiterentwicklung der allgemeinen Form der Realabstraktion, die sie beherrscht, respektvoll Rechnung trägt.
Und dabei bleibt der übergreifende Satz, wonach die entwickeltsten Verhältnisse den Blick freigeben auf die Anfänge der 'kulturellen Entwicklung', der 'hochkulturellen' zumal durchaus in Geltung angesichts des Faktischen, auf das die Empiriker so viel Wert legen, weil ihre wissenschaftliche Aufgabe ist, es durch die falsche Benennung aus der Welt der Wahrnehmung und des bewussten Erlebens zu schaffen, also im Rückblick auf eine Geschichte, die damit (nach wie vor) als (bloße) Vorgeschichte der möglichen Menschheit und des Menschen erscheint, die ja nicht nur die Parteigänger der kannibalischen Bestie, die von dem leben, was von den Tischen der Bestie fällt, als deren Kettenhunde sie es sich wohl sein lassen, nicht (mehr) wollen (gelle?), sondern die schon die Zeitgenossen des Epikur und der Stoa en masse besonders dann nicht mehr wollten, in dem sie sich bessere Aussichten versprachen von einem mehr oder weniger bewusstlosen Anschluss an die in Regression übergehenden offiziellen Wissensformen, die unter dem Eindruck unsäglicher Blutgier und einer unsäglichen alltäglichen Gewaltsamkeit von Staats wegen in den Grenzen des Imperiums Fuß fassen und die längst erreichte wissenschaftliche Vernunft und Forschung einer winzigen Minderheit von wirklichen Menschen, deren Status als solche durch eben diesen Bezug zum Wissen und zur genauen und unbestechlichen Untersuchung definiert war langsam ins Unerreichbare – die Intermundien des Epikur – entrückten. Denn dort residieren die aus der Welt verschwundenen Götter weiter und kümmern sich nicht mehr um die Kreaturen des Prometheus wie des Epimetheus, von denen der eine ihnen alle Übel brachte und der andere das Feuer, mit dem sie seither so verantwortungslos wie debil herumspielen, während die Pandora sie immer wieder mit ihrer sei es vorgetäuschten, sei es als ausdrücklich als Bewusstseinsausstattung mitgegebenen Unschuld und ihrer 'Schönheit', der Sublimation ihrer gorgonischen Wahrheit hinter's Licht führen lassen.
Die Formen des Kapitals sind in diesem Fall, der pars pro toto, als Paradigma betrachtet werden kann bis in die Produktwerbung und die Popmusikindustrie und die Mode, die in privatisierten und lizensierten 'Wissenschaften', die zu Marktprodukten umgeformt wurden, vorangetriebene 'Verwissenschaftlichung der Bewusstseinsformung' eine Entwicklung, die die 'Psychiatrisierung der Gesellschaft' – man sollte richtiger, angesichts der Liquidation der 'Gesellschaft', von der Psychiatrisierung bzw. die 'Pädagogisierung' der Bewusstseinsindustrie sprechen und die Bedeutung der Angemessenheit der Benennung der ihr zugrunde liegenden Sachverhalte auf keinen Fall unterschätzen, gerade angesichts des unablässig vorgetragenen Angriffs auf die Bewusstseinsverfassungen mit den Mitteln der rhetorischen Eroberung der Bedeutungen und der Begründung von Deutungshohheitsoligopolen in diesem längst seinerseits von der Kapitalisierung der Kommunikation verseuchten und aufs Äußerste kontaminierten Bereichs der Lebenswelt, die mit diesen Mitteln von Oben her systematisch zerstört wird in der mehr oder weniger bewussten Absicht, Bewusstsein als Industrieprodukt zu enteignen und zu kapitalisieren, eine organisierte Gewalttätigkeit, die die Ausbeutungsverhältnisse des neunzehnten und des zwanzigsten Jahrhunderts bis in die vierziger Jahre hinein als harmloses Vorspiel erscheinen lässt - vor allem zunächst in den USA vorangetrieben und den Kontrollwissensformen mit wissenschaftsförmigem Erscheinungsbild eine enorme Verbreitung ermöglicht haben, mit der Folge einer Kontamination der Lebenswelt mit seuchenartig verbreiteten Umdeutungsformeln, die alles aus allem zu machen verstehen in einer Art rhetorischer Alchimie, der ihre mittelalterlichen Adepten atemlos Beifall spenden müssten, diese als solche noch gar nicht hinreichend in Betracht gezogenen Formen des Kapitals sind 'Kompetenz' und 'Qualifikation' und die auf sie, als Lizenzen gegründeten, an den Machtapparat unmittelbar angelehnten und mit ihm kurz geschlossenen Berufsgruppenmonopole - die auch die Monopole auf die segmentierten 'Deutungshoheiten über der Situation' einschließen – und die parasitär von der primären Ausbeutung und ihren Folgen leben so gut wie sie sie vorbereiten und 'lebenslänglich' begleiten in der Form der Propaganda des lebenslangen Lernens, der das Faktum der lebenslang drohenden Dressur und Redressur entspricht, die die Kontrolle so früh wie möglich übernimmt und im Augenblick in den Bereich der Kleinkind und Säuglingserziehung mit staatlicher Sanktionsgewalt vorgetrieben wird, in einem Maße, von dem sich die Überlegungen, die man in Platons Politeia findet, nichts träumen liessen, und sie gelten zum Beispiel dem erkenntnistheoretischen und sozialtheoretischen Liberalismus Karl Poppers als Inbegriff der totalitären Staatsutopie.
Diese Berufsgruppenmonopole erbringen diese Leistung bzw. Funktion, gerade weil sich ihre 'wissenschaftliche Kompetenz sich klug begrenzt und geradezu in dieser freiwilligen Selbstkontrolle besteht, auf die bloßen Folgen unter Ausblendung der Ursachen sich zu konzentrieren, was berufsgruppenintern dafür sorgt,dass die Quellen offen bleiben, die den Nachschub durch die Drehtür liefern, die die Politik der Nutztierverwertung im primären Zyklus liefert, ohne dass sich die , sich über die merkwürdige Eigenart ihres wissenschaftlichen Charakters täuschenden Beteiligten dessen bewusst werden dürfen, weil just diese Ausgrenzung bestimmter Bewusstseinsinhalte, die den eigentlich wissenschaftlichen Anspruch dieser Betätigungen aus ihren Grundlagen erst zu legitimieren vermöchten, die Bedingung der Möglichkeit des Funktionierens des gesamten Systems, seiner Stabilisierung in dieser Form ist, wobei die Folgen natürlich unterschiedlicher Art sind, je nachdem, ob man zu den Objekten, den Klienten der Subsysteme gehört oder zu ihren kompetenten Nutznießern.
Erst ein solcher, viel zu kurzer, aber unvermeidlicher Umweg über eine Skizze des Ausmaßes des Syndroms, dessen Anblick die eigenartige Wahrnehmung eines am Rande der geistigen Umnachtung dümpelnden 'Würdenträgers' und Repräsentanten der Bewusstseinsverfassungen auf öffentlicher Bühne bietet, der sich ganz in den Grenzen der ihm gezogenen Selbstwahrnehmung mit der Sicherheit eines Bewusstseins bewegt, das sich keinen wirklichen Beobachter vorzustellen vermag, wenn man sich darunter einer nicht in diesen Grenzen eingeschränktes Bewusstsein versteht, das nicht strukturell einfach schon als dasselbe präformiert ist, was es wahrnimmt, und was es sich lediglich mittels eines blinden Prozesses der Selektion als Personifikation noch einmal, als Ausgeburt seiner selbst gegenüberstellt um sich darin in seiner phantasierten Rechtschaffenheit zu bespiegeln und aller Welt als unauswechselbares Paradigma vorzustellen, führt auf die Bedeutung, die die befremdliche Bizarrerie imponierende Selbstzurschaustellung des Unsäglichen wirklich hat, und ist auch geeignet, die Selbstsicherheit dieser offenkundigen Debilität verständlich werden zu lassen, das beinahe Unbegreifliche ihrer dreisten Selbstzurschaustellung und die Selbstsicherheit, die einfach auf einer Projektion der diesem nicht 'Selbstbewusstsein' unzugänglichen, unertastbaren und unerlebbaren Grenzen beruht, das sich in seiner regressiven und pathischen – es ist typisch, dass die Experten hier immer von 'psychopathologisch' reden, was heißt, dass sie den (psycho- oder soziopathischen) Sachverhalt mit der Lehre davon (dem Logos), und das Soziale mit dem auf die Person projizierten und reduzierten 'Psychischen' längst einfach gleichgesetzt haben, um den Preis des Verlustes der in Anspruch genommenen 'wissenschaftlichen Kompetenz', denn die Lehre von Etwas kann nicht selbst sein, was sie lehrt, das Wissen ist nicht der Sachverhalt, von dem es das Wissen ist, und das 'Psychische', ob nun krank oder gesund, ist eine abhängige Variable (um ihren Vertretern verständlich zu bleiben) der ihm übergeordneten Strukturen; was das für das Wissen selbst bedeutet, insofern es nicht abhängige Variable bloßer Faktizitäten sein kann und will muss ich das hier auf sich zunächst beruhen lassen Verfassung erfolgreich einschließt, indem – Verfassung einkapselt indem es sich auf die ihm verfügbaren Machtmittel, die Masse stützt, die die Macht hat, sich zum verbindlichen Paradigma alles Bewusstseins und zur Grenze alles Wissens zu machen, und diesen Standpunkt dann mittels unablässiger Eigenpropaganda zum Allgemeinen macht, der durch seine schiere Masse und das primitive Prinzip der Wiederholung, des letzten Wortes und der Ingeltungsetzung par ordre de Mufti eine Art Überschwemmung der Lebenswirklichkeit bewirkt, die durch die Monopolisierung der Mittel der Einweisung der ahnungslos heranwachsenden nachfolgenden Generationen, die auf die Einweisung angewiesen sind und sich ihr überlassen müssen, wie sie sich daran gewöhnen, dass dies dann eben die Welt ist, und dass das ihnen gebotene der Inbegriff von Kultur sein muss, den sie von ihren sich in den Kostümen der Verantwortlichkeit, der Würde, der Kultur selbst eingekleideten Kerkermeistern zu übernehmen haben, einschließlich der ihnen aufgezwungenen sozialen Identitäten, von denen aus sie die der anderen wahrzunehmen haben.
Das Ausmaß des Ungeheuerlichen steht in einem direkten und unmittelbaren Verhältnis zu dem Umstand seiner Erscheinung als Normalität des Lebens. Derart können die Monstren, die die Ministersessel besetzen, die Ränge der Würdenträger, als harmlose, etwas eigensinnige und dann auch unnachgiebige Hausfrauen und Mutti's, nette ältere Damen oder gemütlich oder zackig sich zu sich selbst bekennende forsche Jungs erscheinen, von denen man dem einen seine Verbohrtheiten und dem anderen seine harmlosen Perversionen nicht übel nehmen möchte, während einen ein giftiger und wie verhalten bösartig wirkender Zwerg mit einem zwanghaften Hang zur Belehrung aller mit seinen weitschweifenden Rationalisierungen seiner seelischen Verkrüppelung und der Beschädigung seiner Existenz eher zum Lachen reizen könnte, wären alle diese wie aus einem Panoptikum entsprungen wirkenden Kreaturen nicht zugleich erkennbar ebenso lernresistent wie uninfomiert, geschweige denn 'gebildet', und hätten sie nicht offenkundig alle Hände voll damit zu tun, sich angesichts einer ihnen zugefallenen Machtposition verzweifelt als Personen und Identitäten zu beweisen, die bei dem Versuch das Unmögliche ad oculos zu demonstrieren ständig, in jedem Zug erkennbar sind, indem sie simulieren, der 'übernommenen Verantwortung' auch als Verantwortliche gewachsen zu sein, während man sich dem Anblick ihrer Psychopathien und der offenkundigen Darstellung einer Identität zu seiner Scham und Ratlosigkeit ausgesetzt sieht, die sich zu einem kompensatorischen Konglomerat aus Ignoranz und dem darauf fußenden Selbstbewusstsein, Unbelehrbarkeit und Ungelehrtheit, sowie der unausgesprochen kommunizierten Drohung konglomeriert hat, an dem die offenkundige Drohung und die Entschlossenheit zu Handlungen imponiert, die man nicht verhindern können wird, während man sich angesichts der Kenntnis der Ursachenketten, die sie Gang setzen und in denen sie selbst nur solche Ursachen sind, sicher ist, und zwar aus Kenntnissen, die sich kaum abweisen lassen, selbst wenn sich der Meltau der verwaltungstechnischen Normalität darüber legt wie giftiger Rauch aus einem permanenten Schwelbrand, der sich unter dem scheinbar weichen Moos der Oberfläche des Lebensbodens, ihn unterhöhlend, und sich durch ihn hindurch fressend ausbreitet, dass sie auf Mord hinauslaufen und auf den Tod einer mehr oder weniger bestimmbar großen Zahl von Gattungsexemplaren der mittels dieses Typs der Politik bewirtschafteten und verwerteten Nutztiere der Gattung Homo sapiens.
Wer die infame Bestie in diesen Formen der Rechtschaffenheit nicht wahrzunehmen vermag, der hat nicht verstanden, wer diese 'Repräsentanten' sind und was sie repräsentieren: Die ästhetische Sublimation der Bestialität eines seinen Trieben überlassenen, zu ihrer Kontrolle im Sinne einer als Vernunft konzipierten Selbstbeschränkung nicht fähigen Tieres, das sich seiner kannibalischen Wirklichkeit und Daseinsweise dadurch entledigt, dass sie sie zum Erscheinungsbild und Inbegriff einer alternativenlos in Höhe und Wissen verankerten und von dort aus gewaltsam kontrollierten Daseinswirklichkeit für alle erhebt, zumal indem es sich der Mittel eines totalitären Zugriffs auf alle Gattungsexemplare vom Moment ihrer Geburt an versichert, um sie in diese Wirklichkeit einzuführen und sie unter Drohung mit dem Ausschluss – wie auch immer formuliert und realisiert – aus der Partizipation gefügig zu halten, einer Drohung, der das Paradigma des Ausgeschlossenen ständig, ihm auf der Straße begegnend wie unablässig öffentlich beschworen, ständig als das lebende Beispiel für den Paradigmawechsel vor Augen steht, der jedem oder beinahe jedem jederzeit oder beinahe jederzeit droht, als ein Paradigmawechsel in seinem Dasein und in seiner gesamten Existenz, der an ihm, seiner eigenen Daseinsweise vollzogen wird ohne seine Zustimmung und ohne dass er/sie gefragt oder gar zu Rate gezogen würde, und die seinen 'sozialen Status', seine Bildungsbiographie und seine Berufsbiographie einzeln oder alle zusammen nach Belieben, jedenfalls ohne dass das eine Bedeutung hätte, mit einem Federstrich vernichtet.
Von den begleitenden materiellen Verlusten kann man unter diesen Umständen beinahe absehen. Sie erscheinen als Nebensache, obwohl die heuchlerisch vorgeführten Fälle – wie der Gekreuzigte sind das nicht Beweise eines 'sozialen Gewissens', sondern fortgesetzte Drohungen der Macht und ihrer Kettenhunde, Beweise der Faktizität und der Form des jeweils praktizierten Kannibalismus – im Medium der ihnen enteigneten Sprache und des ihnen längst enteigneten Bewusstseins darauf festgelegt erscheinen, ihre 'materielle Situation' darzustellen, während sie dabei das Bild einer unsäglichen Verelendung bieten, die man nur einer verfehlten oder vereitelten Menschwerdung zuschreiben kann, insofern die Verfehlung der Menschwerdung bei dieser Tierart, den Unterworfenen, nicht einmal die passable Form eines immerhin animalisch intakten Lebens bleibt, sondern unvermeidlich ins Bodenlose abgleitet und durchfällt, ein Bild, das sich in der kannibalischen Bestialität der über ihnen residierenden nur im Diapositiv spiegelt, ohne dass dabei Mindeste an kultureller Verwahrlosung und Verfehlung der Möglichkeit des Menschen jenseits der Verkleidungen der Form als 'Hochkultur' und der Aufführung auf der Bühne dieses pervertierten Lebens abgestrichen werden könnte.
Denn die siegreiche Bestie ist nur die Kehrseite der Unterworfenen und beide begegnen sich in dem System, das sie regiert, als einem ihnen gegenüber, als bloßen Gattungsexemplaren verselbständigten, zu Verwaltung, Technik, Wissenschaft und Politik verselbständigten Kannibalismus, in dem sich die Tierart als Gattung verzehrt, indem sie parasitär wie das Leben selbst von ihrer eigenen Substanz lebt, soweit sie nicht alle anderen Lebensformen und alles Verzehrbare in diesen immer größer werdenden Strudel hineinreißt. Und vor allem an dem Umgang mit den anderen Lebensformen, den wahren Aliens, nach denen niemand zu suchen brauchte, denn es hätte vor allem den vom Homo sapiens Heimgesuchten gut getan, wenn sie nicht aufgesucht worden wären, sondern gänzlich unbekannt geblieben wären – denn was heißt hier schon 'bekannt' anderes als die Klassifizierung von Pilzen: Essbar oder Nicht essbar, in jedem Fall zur Vernichtung freigegeben – ist der Hauptindikator dafür, wie die Carnivoren, die Bestien im Rahmen der eigenen Art, die ihre bevorzugte Jagdbeute geworden ist in der Morgendämmerung der sogenannten 'Hochkulturen', deren Beginn dieser Paradigmawechsel einläutete, mit denen umgehen, die sie als ihre Herde zu halten, zu ihrem Privateigentum zu machen und zu bewirtschaften lernten, und wie mit denen umgehen, die es sich nicht zur Ehre anrechnen, ihnen bei entsprechender Dressur eiligst sagen wir Nuklearwaffen zu bauen um sich dafür von den Guten Hirten über die Reste ihres Fells streichen zu lassen, oder andere nützliche Hilfsdienste für sie zu leisten, z. B. Als brave und fleißige und lernfähige Hirtenhunde.
Denn sehen wir uns diesen Paradigmawechsel einmal genauer an, dann ist die Genese des Privateigentums an den Produktionsmitteln angesichts der Tatsache, dass die Biomasse der Tierart Homo sapiens selbst das vornehmste Produktionsmittel ist, aus dem alles andere als Werkzeug folgt, falsch beschrieben, nicht gründlich genug, sozusagen von einem Rest höflicher Zurückhaltung motiviert, indem die Aneignung von Territorium oder Mehrprodukt als Inbegriff dieses Paradigmawechsels dient. Tatsächlich ist die Aneignung der Herde der Ausgangspunkt. Der erste Paradigmawechsel besteht also eher darin, dass aus einer bejagten Tierart eine Tier bzw. Herdenhaltung wird. Der Übergang zum Privateigentum ist darin bereits dadurch vollzogen, dass die Tierhalter und Herdenhalter zunächst, solange sie noch bloße Jäger sind – vom Sammeln sehen wir dabei einmal ab – nur Raubtiere, Carnivoren unter anderen (Krokodile, Löwen, Geparden, Hyänen, Wölfe, Bären, Pumas, Tiger usw. bis hinunter zur Ratte, wobei wir wiederum 'Gottesanbeterinnen', Spinnen usw. auslassen, aber man kann bestimmte Meeresbewohner nach Belieben eingliedern, wenn man nur bedenkt, dass sie faktisch in der 'Kulturgeschichte des Menschen' keine pradigmatische Rolle gespielt haben, und es erst eines Stephen Spielberg bedurfte, damit die Ausrottung der Haie ihre gesellschaftliche Legitimationsgrundlage fand, was inzwischen schon wieder einem Pradigmawechsel verfallen zu sein scheint, was zeigt: Die Grundlage aller kulturgeschichtlichen Paradigmawechsel ist die bürokratische Kurzsichtigkeit, die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben und der Bedeutung kulturellen Überlieferung, die die fehlenden Instinktbindungen kompensieren, und die Gewinnsucht.) sind und waren. Von dem Moment an, als sie beschlossen oder vollzogen, die anderen (!) Carnivoren vom Mitgenuß des Fleisches der Herde auszuschließen, wurden sie Gute Hirten.
Das ist bedeutsam, weil es die tragende Metapher der 'Hochkultur' ist, die das Christentum in dieser selbstgewählten Funktion begleitete, von seinen Sponsoren und Mäzenen für seine guten Dienste reichlich ausgestattet und in der höchst zweideutigen Funktion einer Form der sozialen Kontrolle, die Amok lief als ihr die Erfüllung ihrer ihr im Verlauf des Niedergangs der Militärmacht des Römischen Imperiums zugewachsene organisierende und pazifizierende und motivierende Rolle nicht mehr gelang, angesichts des Umstands, dass eine wachsende Masse von Individuen und Gruppen aus dem Paradigma austraten, das es aufrechtzuerhalten versuchte, und hier liegt ja wiederum das Paradigma eins Paradigmawechsels vor, das ungemein erhellend ist als Beispiel dafür, dass aus einer vermeintlich geschlossenen Wirklichkeitsfiktion in dem Maße, in dem sich seine fiktive Form und Funktion und Umfang angesichts einer im Hinblick auf anderen Möglichkeiten zu weitgehende Reduktion von Komplexität auf dem Hintergrund dieser zunehmend bewusst werdenden anderen Möglichkeiten abzuzeichnen begann, auch bewusst ausgetreten werden kann, und zwar auch und unbeeindruckt von dem organisierten Verhängnis einer zum Banditentum degenerierten Gewaltsamkeit und Dummheit, deren 'Lernpathologie' es je gerade ist, die diese Kompensation mit den Mitteln der Gewalt zu erzwingen versucht, wo ihre Klugheit und ihre Überzeugungskraft nicht (mehr) hinreicht, und sie sich zum Symptom, zum Syndrom einer Regression auf die blanke Gewalt der Niederhaltung der rebellisch werdenden Nutztiere verdichtet, die sich keines anderen Arguments mehr fähig erweist als dem der Verfolgung, der physischen Ausrottung und der gewaltsamen Niederhaltung und lieber die Zerstörung des gesamten von ihr beanspruchten Lebensraums für Menschen inszeniert als sich dem Unvermeidlichen, der Verselbständigung ihres 'Futters', das sich im Streben nach der Einlösung der ihm immanenten Möglichkeiten der Menschwerdung gegen die Bestien, die von seinem Fleisch leben, bewegt und sich nicht dressieren lässt zum lebenden Fleischreservoir, das von seinen 'Guten Hirten' nach Bedarf genutzt wird.
Der Ausschluss der 'anderen' Fleischfresser, der Nahrungskonkurrenten, die auch vom Fleisch der Herde leben wollen, ist der entscheidende Paradigmawechsel zum Typus der Hochkultur, aber auch nur ihre Vorbereitung. Denn zu ihrer Institutionalisierung bedurfte es eines weiteren Paradigmenwechsels, der auf der durchaus 'intelligenten' Einsicht, der der Intelligenz von Raubtieren entspricht, beruht, das die lohnendste Jagdbeute des erfolgreichsten Raubtiers, das alles anderen vom Mitgenuss des Fleisches der Herde erfolgreich ausschließen konnte, die eigenen Artgenossen sind, und nun wendet sich auch der Kampf der Bestien um den Besitz der Herde in einer inversiven Wende der eigenen Art zu, denn nun ist der Nahrungskonkurrent, die andere Bestie, ebenfalls der Artgenosse, anders gesagt: Die andere Bestie als Artgenosse.
Man kann der Notwendigkeit der Entstehung der 'Hochreligionen' als Begleitmusik zu diesen Paradigmenwechseln geradezu beiwohnen, und findet den Grund zwar nicht unmittelbar für die Form (die beeinflussen sich ebenso wechselseitig, wie sie einer Selektion usw. unterliegen), sondern für ein externes Motiv dieser 'geistesgeschichtlichen Entwicklung', die auch den Sinn der Wahl dieses Terminus und die Eigenart der darin mitzudenkenden Voraussetzungen, die Eigenart des Abgrenzungsschnitts mit zu erklären imstande ist, obwohl die TUI's das natürlich anders, eben 'geistesgeschichtlich' oder 'hermeneutisch' erklären werden oder verstehen, indem sie zugleich erklären, dass zwischen Erklären und Verstehen so wenig (noch) ein Unterschied ist wie z. B. zwischen 'Kultur' und 'Zivilisation', oder wie zwischen Geisteswissenschaft (korrekter und richtiger, aber weniger beliebt: 'moral sciences') und Naturwissenschaft, während der Unterschied zwischen Mathematik und Physik doch offenkundig ist, als der zwischen einer 'Geisteswissenschaft' und einer 'Naturwissenschaft', aber da ist die Differenz zwischen 'moral science' und 'science' (ohne Attribut) glücklich 'überwunden', ganz ohne Paradigmawechsel, gelle? Und hier ist auch der Ansatz erkennbar, der der Bestie, die sich das Privateigentum an der eigenen Art, dem Homo sapiens gesichert hat, mehr oder weniger, dann, einem anderen Übergang mit paradigmatischem Vorbild in der konsolidierten Tierhaltung an den Grasfressern durch die erfolgreichsten aller Raubtiere, auch die Helfer, den Guten Hirten also die ebenso Guten Hirtenhunde zuwachsen, die sich gegen entsprechende Belohnungen nur zu gern am Hüten der Herde beteiligen, wenn sie auch bei der Zuteilung der Fleischrationen nicht zu kurz kommen. Mit der Konsolidierung dieser Form im Monopol des Priesterkönigtums ist dieser Paradigmawechsel vollendet.
Der Rest ist hochkultureller Mummenschanz und von allem kulturellen Paradigmenwechsel bleibt nicht mehr als die historische Aufgabe fortschreitender ästhetischer Sublimierung des unnennbaren Schreckens, der in die Ästhetik des Erhabenen übergeht und von dort dann herabsinkt zur maschinellen Verwaltungstechnik, die den Knopf im Ohr zum Paradigma der Identität und des identi-fizierbaren Selbst (Was hat 'Identität' mit 'Identifizierung' zu tun? Nichts.), zur Person als finanztechnischer und verwaltungstechnischer Identifizierbarkeit erhebt und damit die Bestimmung aller Hochkultur in der Identifizierung des Individuums der Gattung Homo sapiens mit den Nutztieren endlich vereint, von denen er, als Otto Normalverbraucher lebt, wenn er seine sauber in Klarsichtfolie verpackten Teile im Supermarkt kauft ohne diesen Teilen noch anzusehen, dass sie auf Gefangenschaft, Erniedrigung, Mord und Totschlag zurückgehen und alles dies zu dokumentieren und zu verkörpern nicht nur, sondern darüber hinaus die Ungeheuerlichkeit der Selbstdemütigung und Selbsterniedrigung einer Bestie im Akt der Einverleibung, der Introjektion stets erneut zu vollziehen, die an den Schlachttieren, an den Lebensformen, auf deren Dasein die Existenz und das Dasein dieses Pseudomenschen selbst beruht, unablässig begangen wird, insofern der Umgang mit ihnen nichts ist als das in das Leben der Tierart Homo sapiens eingewanderte Selbstverhältnis einer Bestie, die sich als 'Hochkultur' in einem Selbstverhältnis realisiert und erhält – in dem verbreiteten ideologischen Glauben, das sei 'menschlich' – das auf der Einverleibung aller essbaren Lebensformen als Futter beruht, aus diesem Verhältnis zwischen Carnivoren und Herbivoren in das Binnenverhältnis der Gattung Homo sapiens eingewandert ist, um dort das am besten dressierbare und durch ein Regiment von Angst, Schrecken und der unablässigen Todesdrohung, die lernfähigste domestizierbare Art hervorzubringen, die im Gegensatz etwa zur Ratte oder den unsäglich terrorisierten Primaten – 'unseren nächsten Verwandten' ! - sogar dazu zu bringen ist, der Bestie, von der und deren unersättlichem Blutdurst und Hunger nach 'Menschenfleisch' sie beherrscht wird, Dinge von der Art in die Hand zu geben von der Art der Wasserstoffbombe, nebst Flugzeugträgern, Kampfjets sowie den bereitwilligen Kampfhunden, die im Zweifel sogleich an die Stelle der braven Hirtenhunde treten, also Nuklearwaffen, Fernraketen mit Mehrfachsprengköpfen und Typen, die als Forscher kommen um jede Tür auf dieser Welt und sogar im gesamten Universum (Stargate) einzutreten, und deren Waffen nur zu ihrer Verteidigung dienen.
Es ist sinnlos, den Versuch weiter zu treiben, den Paravent dieser ästhetischen Sublimierung als 'Kultur' oder auch nur als 'Zivilisation' – eine von Artefakten vollgestellte Welt, die in dem Maß Wächter braucht, dass der Mensch in diesem Interieur eine unberechenbare Gefahr für die als Privateigentum angeeigneten Dinge wird – aufrechtzuerhalten. In dem Augenblick, in dem dieser sublimierte Kannibalismus vollendet ist, der auf einer Projektion und Reprojektion beruht, die alle 'essbaren' Lebensformen in ihren Bann zieht und auf den Weihnachtsteller bringt und bei den angeblich 'romantischen' candle-light-dinners serviert, bei denen die Liebenden sich tief in die Augen blicken oder an Tischen mit erlesenem Porzellan und festlichem Schmuck vor einem ausufernden Hinter und Zwischengrund, auf einer kleiner werdenden Insel, die umgeben ist von dem, was all diese unschuldige Freude und Bekundung von sorgenfreier Zuneigung einer Handvoll Kannibalen eben an Abfällen und Leichen, Knochenbergen und Elendsgestalten erniedrigter Tiere, in denen sich die Mehrheit der Nutztiere selbst erkennen muss, wird die Sublimation aus einer Ästhetik des Erhabenen zurückübersetzt in eine Einkleidung des Unerträglichen. Die gesamte Inszenierung findet auf einem Schlachthof statt, zu dem die Welt, als seinen Inbegriff, zu dem die Geschichte, als Vorgeschichte damit gerinnt, im Licht derselben Theorie, zu der sich die organisierte Bestie als ihrer eigenen wissenschaftlichen Errungenschaft ihrer pragmatischen Nüchternheit und als ihrer einen, der richtigen Selbstbetrachtung entnommenen Erfindung, wenn auch vor allem im Modus der Projektion dieser Einsicht auf die Schlachttiere, die damit zur Schlachtung freigegeben sind, nicht ohne Knopf im Ohr, versteht sich (auch Geburtsurkunde, Personalausweis, Pass, Identität oder Steuernummer genannt, also alles Vergegenständlichungen, die ihre Entstehung Maßnahmen verdanken, die dem Bedürfnis der 'Identitfizierbarkeit', also einem heteronomen Interesse dienen, dem Interesse an Verfügung, Herrschaft, Namhaftmachung und Belangbarkeit usw., also nirgendwo auf einem Interesse des derart 'Identifizierten'.), indem ihre Ähnlichkeit mit Tieren je länger, desto nachhaltiger, durchschlagender und ausschließlicher herausgestellt und betont wird als 'wissenschaftliche Errungenschaft'. Lange schon vergessen ist dabei die Bezeichnung bestimmter Aspekte des 'wissenschaftlichen Fortschritts' als angeblichen Selbstkränkungen der Menschheit (Kopernikus, Darwin, Freud, also die sogenannten 'Dezentrierungen'), und das mag daran liegen, dass die Belegung dieser Errungenschaften mit der Bedeutung der 'Selbstkränkung' vielleicht auf einer Fehleinschätzung beruht, denn es gibt keine zwingenden Argumente, die diese Belegung zur einzig denkbaren machen.
Denn es ist nicht einzusehen, warum diese Einsichten nicht einfach Aufforderungen zu Bescheidenheit und weiser Selbstbeschränkung sein sollten, oder besser, diesen assistieren könnten, denn dem Gebildeten wird jedenfalls auffallen, dass die Weisheit und die Fähigkeit zur Selbstbeschränkung viel älter sind als diese durchaus hilfreichen assistierenden Einsichten. Die neuzeitliche Vernunft ist zunächst anhand ihrer Auswirkungen erkennbar, in den Folgen, die es hat, wenn die Neigung zu kompensatorischem Größenwahn inflationär wird durch die Ausstattung mit Nuklearwaffen, Kettensägen, Schaufelbaggern, Planierraupen und Flugzeugträgern usw., kurz: Durch Wissenschaft, Technik und Technologien, die durch ihre Aneignung als Beutegut des Mobs, des aus seinem eigenen Bewusstsein ausgewanderten, zur Sezession von ihm übergegangenen Proletariats vermutlich am ehesten verständlich werden, das nicht aufhört zu sein was es ist, indem es Yachten und Ferraris oder Rolexuhren kauft, sondern gerade daran am besten erkennbar ist.
Wer wollte noch behaupten, die Computertechnologie wäre nicht ein Fortschritt zu einem längst in Arbeit befindlichen globalen Technototalitarismus, der alle Schrecken längst überbietet, die man den der Propaganda ausgelieferten Tieren vorgegaukelt hat, um sie zurecht zu stellen für die erfolgreiche Ausrichtung dieser Verhältnisse, während man ihnen den Mundraub eine Weile erlaubte, solange der Gegner noch eine ernst zu nehmende Gefahr oder Konkurrenz darzustellen schien, die unter etwas kargeren Umständen eine gewisse Attraktion hätte ausüben können.
Als sich das als nicht mehr notwendig erwies, wurden die Rationen sogleich gekürzt. Das liegt in der Logik der Verhältnisse, die im Gegensatz zu dem Gerücht, das sie von sich verbreiten, nichts Menschliches an sich haben, insofern die Menschenrechte in erster Linie solche der großen US Corporations sind, und nur deshalb so lauthals eingeklagt werden. Man sollte sich die Rechtsprechung zum Fourteenth Amendment of the Constitution of the United States of America ansehen und sich darüber informieren, dass Herrschaft in den USA Normannisch ist ohne ihre Personifikation.
Es ist Zeit, die Ideologie von Eroberern abzuschütteln, die in nichts besser sind als der aus guten Gründen zur Herrschaft gelangten einheimischen Mobs, der sich nur dafür schadlos zu halten versuchte, dass man ihn der entmenschenden Erfahrung der Verwendung als Kanonenfutter in den Schützengräben überließ, ohne am Gewinn eine Verteilung von Beute bewerkstelligen zu können, die die Piratenmentalitäten im Zaum gehalten hätte, etwa durch die Verteilung einer Extraration von Schnaps nach der Enterung. Immerhin, die Leute, die uns lernen lassen, dass unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern samt und sonders Verbrecher sind, Mörder usw., das sind Leute, die behaupten Amerikaner zu sein, und das können sie bei genauem Hinsehen nur, weil es in 'Amerika' keine Amerikaner mehr gibt (oder fast keine, und jedenfalls spielen sie keine Rolle irgendwo im öffentlichen Leben, es sei denn als verwahrloste Alkoholiker. Dagegen sind Neger präsidentenfähig. Das heißt ganz klar, sie gehören, als ebenfalls Eingewanderte, ebenfalls zu den Siegern, die also gleichermaßen Onkel Tom's Hütte wie das Kapitol, aus dem sie inzwischen alle im Geiste umgezogen sind, auf dem Massengrab der Lebensformen, die den Boden Nordamerikas bewohnt hatten, als ihre Heimat. Es ist wichtig, das so zu formulieren, weil es nicht nur um die Menschen geht, sondern um deren Lebenssymbiose mit den anderen Lebensformen, die in einem Gleichgewicht miteinander existierten, wie die Schneehasen und die Schneefüchse, deren jeweilige Zahl um einen ihnen gemeinsamen Gleichgewichtspunkt oszilliert wie ein kybernetischer Mechanismus. Der Holocaust ist ein Kinderfunk angesichts des Massakers, das der aus Europa und anderswo ausgespiehene Mob in seiner verzweifelten Verwahrlosung angesichts seiner rücksichtslosen kulturellen und materiellen Expropriation auf dem Boden Nordamerikas angerichtet hat, und in jeder Hinsicht historisch beispiellos, wenn man von der Pate stehenden Eroberung Kanaans durch die aus Ägypten 'gefeuerten' Nomadentruppe absieht, die sich dort eingenistet hatte, indem sie dem Bot nachwanderte in einer Hungersnot um sich dann zunächst nützlich zu machen, und dann breit, zu breit, um tolerierbar zu bleiben. Man sieht daran, dass Umdeutungen eines Rauswurfs in eine Befreiung auch schon viel älter sind als man meinen könnte.
Es bedurfte also belesener Christen, die zudem belehrt waren durch die christliche Kultur des Abendlandes und das erlesene Beispiel ihrer Barmherzigkeit, die mit der Enteignung des Kirchenbesitzes, der immerhin durch Erbschaft den Besitzer legitim gewechselt hatte, im Gegensatz zu seiner Aneignung durch die Säkularisierer, die mit dem christlichen Nero Heinrich VIII begann und sich dann wie eine Pest über Europa ausbreitete. Das sollten die Nachfolger dieser Herrscher im Prinzip, die sich zudem erdreisten sich als Christen zu titulieren, bedenken, wenn sie für das Oberhaupt einer kulturellen Theokratie eintreten, indem sie den Dalai Lama empfangen und einem ungeliebten, weil als Kommunismus erfolgreichen Konkurrenten, der sich von Heuchlern dieses Formats nichts sagen lassen wird, die Verletzung von Menschenrechten vorrechnen.
Man kann nicht einerseits von konsolidierten Gewinnen historisch einmaliger Raubzüge und Mordbrennereien leben und sich dann die Dreistigkeit erlauben, Konkurrenten, die man niederhalten, innenpolitisch verwirren und in Gegenstellung gegeneinander bringen will, um auf den erhofften Gewinnen dünne, bis auf den Grund der ihnen zugrundeliegenden arglistigen Täuschung und der ihr voraus liegenden Motivation durchsichtige Kultursüppchen zu kochen, die allesamt derselben Angriffsrichtung gehorchen und demselben Angriffsziel, das die Voraussetzungen für diese Geisteshaltung geschaffen hat, als angeblich erfolgreiches und alternativenloses Modernisierungsmodell.
Sieht man genau hin, dann ist seit Napoleons Versuchen der 'Vereinigung Europas' auch die Politik des angesichts übermächtiger militärischer Gegner vom selben Schlage kurzlebigen Dritten Reiches nur die nach Osten gewandte Nachahmung des am Modell der 'Besiedelung Nordamerikas' exerzierten Paradigmas erfolgreicher Kolonisierung, diesmal nur unter erklärter Absicht der Ausrottung und Versklavung der Population, die diesem Paradigma seinen tatsächlichen Erfolg bescherte, bevor man von der Ausrottung und der extensiven Ausbeutung des unmittelbar Vorfindlichen und der Versklavung einfach Übergang zur Lohnsklaverei, die viele Vorteile mit sich brachte, vor allem die Freiheit des Sklavenhalters von der Verantwortung für das Schicksal der nicht mehr benötigten Sklaven, einfach deshalb, weil er nicht mehr länger Teil seines Kapitals war, im Sinne eines durch Einkauf auf einem Markt als Eigentum erworbenen Besitzes, den es auch in problematischen Zeiten zu erhalten, also zu ernähren und bei Kräften zu halten gegolten hätte.
Der Lohnsklave kann, zumal wenn er im Überfluss vorhanden ist und nach Belieben seinem Selbsterhaltungsinteresse überlassen werden kann, als Arbeitsnomade (flexibel und mobil) auf einem ganzen Kontinent hin und her geschoben werden, und was seine 'Reproduktion' betrifft, so geht das niemanden etwas an außer ihm selbst. Wenn es ihm lieber ist, im Kreis seiner Lieben in Treue zu ihnen zu verhungern oder zu verelenden ist das seine Sache oder die der 'öffentlichen Wohlfahrt', aber nicht Sache seines 'Arbeitgebers', also dessen, der ihm die Arbeit gibt und dazu auch noch 'den Lohn, den er verdient'. Die kontinentale Politik des Dritten Reiches ist nach auf dem Kontinent nach Osten projizierte 'Eroberung Amerikas' gewesen. Es ist mir nicht erinnerlich, dass eine zu solcher Politik entschlossene Macht, auch in der Gegenwart nicht, innenpolitischen Widerspruch geduldet hätte oder dem Risiko der Beherbergung von Gruppen, die identifizierbar waren und deren Loyalität aufgrund von vielfältigen Verflechtungen, auch offenen Angeboten in Frage stand, einfach toleriert hätte und ihrem Tun oder auch nur der Existenz ihrer Motive tatenlos zugesehen hätte. Der christliche europäische Mob hat den Amerikanern, die er vorfand, weder im Rahmen staatlicher Politik noch im interindividuellen Austausch auch nur den Hauch einer Integrationschance in das sich auf den Gräbern der Kulturen Amerikas aufzubauenden Herrschaftsarchitekturen Roms formierende Staatsgebilde gelassen, und das ist deshalb bemerkenswert, weil es eine Alternative gab, die von der kulturellen Überlegenheit der Franzosen und der von ihnen über Teilterritorien ausgeübten Herrschaft tatsächlich ausging, und die vielleicht darauf beruht, dass im Gedächtnis dieser Population die Erinnerung der Kelten an den 'Gallischen Krieg' des ersten Römischen Cäsars sozialpsychologsich und soziokulturell so gut im 'Gemeinen Mann' wie im aus romanisierten Kelten und Germanen komponierten Adel erhalten geblieben war, wenn auch nicht als bewusste Erinnerung, auf die man sich bezogen hätte.
Deshalb nahm die Adaptation der 'amerikanischen Revolution' der 'Declaration of Independence' durch Frankreich vermutlich auch eine ganz andere Wende in dieser Population, als die um mehr als ein Jahrhundert verspäteten Adaptationen in Deutschland, Europa und Russland: Sie trafen unter anderem auf andere soziokulturelle Bedingungen, und eben deshalb ist das Verhältnis der zeitgenössischen katholischen (!) Franzosen in Nordamerika zu den Amerikanern ein ganz anderes, im Wesentlichen auf Gleichberechtigung und wechselseitigem Respekt beruhenden, als das der Puritaner, und es fällt in diesem geistesgeschichtlichen Kontext auf, dass auch die katholischen Spanier, die in den von ihnen eroberten Teilen Amerikas immerhin unvergessliche Blutbäder anrichteten, die 'Indios', eine Bezeichnung, die ebenso symptomatisch ist wie die, die die Amerikaner als 'Indianer' ganz zwanglos des Landes schon verweist, bevor die Ausrottung, der sowohl organisierte wie 'spontane' Genozid, die eine prästabilierte Harmonie zueinander unterhalten, was auf die sozialpsychologischen Grundlagen des Staates nur zu deutlich hinweist, der auf dem Boden des größten Teils von Nordamerika als USA entstand und seine imperiale Aggressivität sogleich unter Beweis stellte zuerst durch die gewaltsame Annexion von nahezu der Hälfte Mexicos, der Verdrängung von Frankreich und Russland und Frankreich vom Boden Nordamerikas und seiner Reaktion auf die Sezession von Teilstaaten, die meinten, so frei zu sein bei ihrem Austritt aus der Union wie sie es waren oder sich fühlten bei ihrem Eintritt in sie.
Es ist deshalb keine Hermeneutik denkbar, die diese Narben der Staatsentstehung kosmetisch erfolgreich tarnen könnte und der Verweis auf ihre Entstehungsgrundlagen, den sie darstellen, ist nicht eine Hinweis auf längst vergangene Geburtsfehler oder Kinderkrankheiten, sondern ist ein wesentlicher Strukturaspekt dessen, was in die Staatsgründung einging und sich seitdem des Globus zu bemächtigen sucht, wobei sich alles das, was in die Gründung einging, gegenüber diesem Objekt der unersättlichen Begierde unausgesetzt auswirkt und in jeder Handlungen, die von diesem Gebilde ausgehen als Konstante durchhält. Anders gesagt: Mit dem Tödlichen Gift dieses singulären kulturhistorischen Verbrechens ist die gesamte Welt, der Globus infiziert, und überall ist es aktiv und es werden sogar ständig neue Dosen verabreicht, so dass die Seuche nicht abklingen kann.
Bemerkenswert ist die Technik der 'Kommunikation', die eine Vorstellung eines von diesem organisierten Willen zur Macht, der am höchsten organisierten Bestie ausgeht, die diesen Planeten jemals terrorisiert hat, die dem Muster der Verschiebung aller Verantwortlichkeit – um nicht von Schuld zu sprechen – auf die Opfer der Angriffe folgt, dessen Verbreitungserfolg so erstaunlich wie auf den ersten Blick unbegreiflich bleibt, wenn man die politische Methode der Herstellung des Weltbildes, auf das prinzipiell alle, unter Einschluss der Opfer eingeschlossen werden sollen, nicht genauer untersucht. Klar ist, dass der Anspruch darauf gehen muss, jedes organisationsfähige kulturelle unabhängige Potential möglichst an der Wurzel abzuschneiden zugunsten der Durchsetzung eines industriell gefertigten Massenprodukts eines monopolen Weltbildes, das nur eine Genese zulässt, die alles konzentrisch ordnet um den einzigen Pol einer von dem Selbstbild der politischen Organisation des Herrschaftsapparats, der USA heißt und die ihm unmittelbar ausgelieferte und unterworfene Population so gut zu kolonisieren versucht wie die Aborigines von Europa oder den Philippinen oder den Trobrianden oder des der einheimischen Population quasi aus der Hand gedrehten Hawaii.
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Sein und 'Unterbewusstsein'.
Wie entsteht die 'Mittelschicht'?
28.01.2010
Indem der Wunsch, als der nach 'sozialem Aufstieg', d. i.: erlangen und haben, was man den anderen neidet, die Wahrnehmung des Wirklichen unter Überspringung der sachlich notwendigen Anstrengungen bzw. Bemühungen einerseits, und der Verdrängung der des Zustandekommens des wahrgenommenen Effekts durch allgemeine Nivellierung nach Unten überspringt, und das um den Preis einer sachunangemessenen Entlastung Gewonnene als das angemessene Ergebnis der subjektiv als Erleichterung registrierten Ersparnis, als dem überlegenen persönlichen Können zu verdankenden Zusatzgewinn verbucht, zumal angesichts der damit möglicher Weise verbundenen materiellen Gewinne, die sich ja auch aus Drogen , Waffenhandel und Prostitution oder anderen fragwürdigen Betätigungen diesseits oder jenseits des Randes zu Kriminalität, Perversion und asozialen Praktiken ziehen lassen, ohne dass dies einen 'Aufstieg' bedeuten würde.
Denn wohin sollte da aufgestiegen worden sein, einmal abgesehen von den Insignien der neuen Würde, die sich aus den Requisiten basteln lassen, mit denen sich die neue Herrlichkeit umstellt wie seit je alles dergleichen. In nichts übertreffen alle diese 'Aufstiege', als Produkte des Wunsches, der Erniedrigung, der Beschämung, der Verachtung zu entkommen, die Ergebnisse der Anstrengungen der Pharaonen, deren vertrocknete und verlederte Skelette sich von den Moorleichen kaum unterscheiden, und die heute in den Kammern und Kellern einiger Museen als verwaltete Artefakte gelagert und registriert sind, um gelegentlich auf den Untersuchungstischen einiger Museumsverwalter zu landen, die an ihnen ihre neuesten Apparate ausprobieren, was man insgesamt als Vorteil erleben mag, gemessen daran, dass die Dampflokomotiven der Bahnen, die den Schutt wegschafften, der beim Bau des Suezkanals anfiel, mit Mumien geheizt wurden, bevor die als 'Archäologie' und Museumsbetrieb sich organisierende Grabräuberei die Faszination einer Kultur entdeckte, die ihnen als dem zeitlichen Jenseits, von dem sie kollektiv träumte, die Botschaften ihres Hausrats und ihrer Lebensgewohnheiten hinterließ, als Anleitung zur Bereicherung und Innenausstattung ihrer eigenen Wohnhöhlen mit Repliken des als Kostbarkeit Geraubten.
Als Untersuchungsobjekte der postmodernen Neugier von Angestellten mit Forschungsauftrag sind die Herrscher des Pharaonenreichs nicht besser dran als die Leichen, die der Pathologie, der Forensik und der Gerichtsmedizin aus den täglichen Unfällen, Suiziden und Todesfällen mit 'Klärungsbedarf' auf den Seziertisch geliefert werden, und da dieser Bedarf allein deswegen besteht, weil diese Einrichtungen Arbeit haben wollen, sind alle, als Leichen, prinzipiell Objekte dieser 'Einrichtungen', und die sorgen dafür, dass alle in Hinsicht auf diesen Status gleich sind, als Objekte der kannibalischen Ordnung, die jede Zurückhaltung als pathische Hemmung, und jede Aufforderung dazu, irgend etwas einfach in Ruhe zu lassen, obwohl es sich keinem Zugriff entgegenstellt, als Behinderung der Freiheit der Forschung und der Wissenschaft diffamiert, am Ende gar unter Berufung auf 'die Menschenrechte'.
Wir sind die mit dem Traum vom Jenseits Gemeinten, von denen diese Kulturen träumten. Aber wir sind unfähig, diesem Traum auch nur entfernt zu entsprechen. Nicht als Die Aufgestiegenen treten wir ihnen gegenüber, sondern als Heruntergekommene mit dem kompensatorischen Größenwahn des Fortgeschrittenen, denen der mögliche Besitz von industriellen Massenprodukten das Rückgrat bilden muss, das sich gegen die Realität des Elends der Gegenwart aufrecht zu halten versucht bzw. diesen Versuch unterstützen soll.
Das Proletariat ist also in erster Linie aus einem eigenen Bewusstsein von seiner Lebenswirklichkeit verschwunden, nicht aus dieser selbst, wo es lustig weiter existiert, nur mit einem anderen 'Erleben' seiner Lebenswirklichkeit, unter kräftiger Assistenz und bereitwilliger Hilfestellung der für die Untersuchung und Feststellung seiner Existenz als einer sozialen Realität zuständigen 'Wissenschaftler', die bei Licht besehen wiederum in Wirklichkeit nur Berufsbeamte im Staatsdienst sind, und das Sprachrohr der ihn dirigierenden organisierten Interessen.
“Schau – am Rand des Abgrunds wächst Gras, lausch’ jenem Lied: Du kennst es, Du hast es an der Schwelle des Hauses gesungen, blick’ auf die Rose. Du lebst noch, Wanderer, Du gehst vorüber. Die Worte werden sterben, die Kapitel des einsamen Bandes werden vergehen. Keine Stimme, keine Ernte, kein Wasser. Erwarte keine Heimkehr. Du wirst nur aufblitzen, fallender Stern, Du wirst nicht zurückkehren, Du wirst verschwinden wie alle, wirst zerfallen, vergessen, dass Du Dich gerufen hast. Die Materie in Dir hat sich erkannt. Und alles ging hin und das Echo verstummte, das wiederholte: ich liebe Dich.“
Wenn ich ein Vöglein wär.
Herders Volkslieder
Wenn ich ein Vöglein wär,
Und auch zwei Flüglein hätt,
Flög ich zu dir;
Weils aber nicht kann seyn,
Bleib ich allhier.
Bin ich gleich weit von dir,
Bin ich doch im Schlaf bei dir,
Und red mit dir;
Wenn ich erwachen thu,
Bin ich allein.
Es vergeht keine Stund in der Nacht,
Da mein Herze nicht erwacht,
Und an dich gedenkt,
dass du mir viel tausendmal
Dein Herze geschenkt.
Aus: Des Knaben Wunderhorn (Achim von Arnim, Clemens Brentano, Hgg.)
Mir ist klar, dass es keinen Sinn macht, sich gegen unüberwindliche innere Entwicklungstendenzen einer Zeit zu stemmen. Andererseits bin ich nicht gewillt, einige Maßstäbe aufzugeben, die ich für unverzichtbar halte. Ich habe mich dazu entschieden, die Gegenwart als einen Zustand der kulturellen Dekompensation zu betrachten, als Folge einer unbegreiflichen Barbarei, die das Signum des zwanzigsten Jahrhunderts trägt. Wenn man auf einem Trümmerhaufen erwacht, ist es nicht nur die Erinnerung an Vergangenes, das einen danach streben lässt, den kulturellen Zustand einer menschlichen Existenz wieder zu erreichen, den man – als vergangenen – verloren hat, sondern es geht dabei vor allem darum, eine Zukunft überhaupt ins Auge fassen zu können. Das hat mich an Maßstäben festhalten lassen ohne Rücksicht auf die gerade herrschenden Zustände, von denen ich selbst dann nicht als den menschlich angemessenen zu überzeugen bin, wenn sie zum Dauerzustand werden sollten, der zum Endzustand der Biomasse der Tierart, als deren Gattungsexemplar ich geboren wurde, ohne deshalb dazu verpflichtet zu sein, dass es dabei bleibt. Mögen Andere in beliebigen Mengen tun was ihnen beliebt und sich darüber verständigen, dass das das einzig Wahre ist. Zehn Milliarden Fliegen können nicht irren. Fresst mehr Hundekot.
Grundsätzlich möchte ich nichts Nachteiliges sagen über irgendeinen Menschen, den ich kenne und deshalb persönlich verletzen könnte. Anders ist das mit meinem Urteil über öffentliche Vorgänge. Da ich dennoch einiges sage über Menschen, die im Prinzip erkennbar sind, auch weil ich das nicht hinreichend unkenntlich gemacht haben mag, aber auch nicht in dem Textmaterial herumpfuschen will, mache ich das mit Bedenken in dieser Weise mindestens halböffentlich, aber da in mancher Hinsicht ein Kompromiss nicht möglich ist, lässt sich das auch nicht ändern. Es ist sinnlos, angesichts des Abgrunds von Gewalt und asozialer Bestialitäten, deren Opfer ich wurde in einer Art, die mir sogar die schwache Gegenwehr zu verbieten versuchte unter Nutzung meiner eigenen Wertvorstellungen bezüglich menschlichem Umgang, der eben selbst dann nicht einfach alles zulässt, wenn man ein Gegenstand asozialer Taktiken wird, es sei denn um den Verlust der eigenen menschlichen Qualitäten, weitere Worte darüber zu verlieren. Es gibt das radikal Böse. Das ist das Problem, an dem man nicht vorbeikommt, am wenigsten mit einem Urteil darüber, dass, rechtzeitig gefällt, davor bewahren kann, dass man ihm ins offene Messer läuft, ohne dass irgendwo eine Instanz zu finden wäre, bei der man sich auch nur mit Aussicht darauf, auch nur Gehör zu finden, darüber zu Gehör bringen könnte, in einer Welt, die nicht einmal mehr als das 'geistige Tierreich' bezeichnet werden könnte, als die Hegel den Zustand, den er zu betrachten und zu beurteilen hatte, die 'bürgerliche Gesellschaft' noch betrachten konnte, die es auch längst nicht mehr gibt. Die Gewalt beherrscht ohne Ausnahme alles. Meine Hoffnung, es könnte sich etwas von ihr unbeschädigt Gebliebenes finden, war eine Täuschung, die noch immer mit der Autorität von Erziehern weiterverbreitet wird, auf dieselbe Weise, auf die ich zu ihr kam.
Als Dante die Hölle betritt, wird er aufgefordert, alle Hoffnung fahren zu lassen. Es ist die wahre Bedeutung der Inschrift über dem Tor zur Welt der Konzentrationslager, Abu Grahib's und Guantanamo's, der AltenKZ's als Einrichtungen in kirchlicher Regie, an deren anderem Ende die verwaltungstechnisch segregierten Kleinkinder im 'Kindercrash' (Holländischer Jargon) stehen (So als gäbe es Rüben zu vereinzeln. Das Grausige an all diesen Bestialitäten, die im Gewand von ganz sachlichen Verwaltungsmaßnahmen daherkommen, geht den an das Äußerste gewohnten KZ-Verwaltern angesichts einer Mentalität, die zu allem bereit ist, wenn es angeordnet wird, gar nicht mehr auf und sie hat alles und alle ergriffen. Sie ist Erziehungsprogramm und verweist nur auf das Kommende, wie Wolken auf den Sturm.), und ihres Staatswesens. Alle diese Verbrechen sind organisierte Verbrechen und werden begangen von professionellem. Staatlich ausgebildetem Personal mit oft akademischer Zertifikation und einem professionellen, wissenschaftlich 'angeleiteten' Selbstverständnis.Die Inschrift ist die über dem Eingang zu dieser Welt. Damit beginnt seine Beschreibung der ihm vertrauten Welt, die Welt des 'Milgram- Experiments' und der 'Sachlichkeit' des Typus Adolf Eichmann.
„Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren!
Die Inschrift zeigte sich an einer Mauer
Mit dunkler Inschrift über einer Pforte.“
Drum ich: 'Oh Herr, der Sinn erweckt mir Schauer'.
Da sprach der Wohlerfahr'ne diese Worte:
'Hier können Zweifelsängste nicht mehr frommen
Und jede Zagheit sterbe gleich am Orte.
Wie ich's verhieß, sind wir zum Ziel gekommen
Wo Du das schmerzgequälte Volk siehst ringen,
Dem der Erkenntnis höchstes Heil genommen.'“
(Dante Aligheri, Die Göttliche Komödie, Die Hölle, Dritter Gesang)
Am Samstag, den 10. April 2010
AS
Ende des Zweiten Teils
Was den Text betrifft, so gehe ich davon aus, dass ein möglicher Leser, der diese 'Fußspuren' findet, sie liest unter Voraussetzung des Bildungsniveaus jener Altphilologie, die sich in einer Untersuchung der überlieferten, oft problematischen Textbestände der griechischen Antike zu einer Fußnote veranlasst sieht, die angesichts einer Textform mit verschiedenen Varianten in einer Überlieferung, die viele Bearbeitungen, Fragmentierungen und Verderbnis von Textträgern, Abschreibfehler und anderen Problemen riskanter Weitergabe (anamnesis, traditio), Übergängen einer oralen in eine Schriftkultur mit ihren unterschiedlichen Formen der 'Weitergabe kennt, sich veranlasst sieht zu sagen: „So scheinen die Worte gemeint zu sein. Bei uns Philologen läßt die Erwägung des ...eine verwandte Seite vernehmlich anklingen: auch unsere Textkritik gründet sich auf das Axiom, daß die beste erreichbare Variante mit dem identisch ist, was der Autor selbst geschrieben hat.“ Das heißt, dass der 'Sinn', den ein Text zu haben scheint, auch von dem abhängt, was der/die Leser/in selbst aus Eigenem an ihn heranträgt, und das kann dann u. U. ganz entgegen gesetztes sein. Derart verweist der Sinn einer solchen Hinterlassenschaft dann immer auch auf den/die ehrliche/n Finder/in, der/die umso hartnäckiger darauf bestehen mag, in dem Fund nichts erkennen zu können, das auf ihn/sie selbst verweist, und dies desto hartnäckiger übersieht oder ignoriert, je mehr es ihn/sie tatsächlich betrifft auf eine Weise, die er/sie am wenigsten akzeptabel finden mag.
Einige Briefe aus dem Zeitabschnitt hätte ich gerne noch mit eingefügt, einesteils weil mir bewußt wurde, dass sie alle, wie die in den Text aufgenommen, an phantasiere, an gewissermaßen von meinem Bewußtsein bzw. meinen (nicht gänzlich, wie man sehen kann) unbewußten Wünschen erfundene und geschaffene, also fiktive Adressaten gerichtet waren. Aber ich hatte sie handschriftlich formuliert und keine Abschriften davon behalten, weil ich das zunächst nicht meinte tun zu müssen. Das bedauere ich jetzt, einerseits, weil ich ihren wirklichen Adressaten erst jetzt erkenne, und andererseits, weil dieser erst dadurch sich selbst verständlicher werden konnte, weil es ein Faktum gibt, die diese Verwechselung belegt. Denn keiner dieser Briefe ist von denen, denen sie zugingen beantwortet worden. Deshalb hätten sie aber um so mehr verdient gehabt, in diesem Text dokumentiert zu sein.
Das ist aber nur ein Aspekt des in seiner Bedeutung bekannten Prinzips der Nachträglichkeit, das aller Erkenntnis eigen ist. Georf Wilhelm Friedrich Hegel hat das in der Form ausgedrückt, dass er sagte: „Die Eule der Minerva fliegt erst in der Abenddämmerung.“, und Platons Anamnesis verweist, wie die Mnemosyne, auf Ähnliches. Und Sigmund Freud ging darüber nur ein wenig hinaus, indem er in einem späten Aphorismus meinte, dass wir uns am Ende auch an das zu erinnern vermögen, was wir nie vergessen haben können, weil wir es nie gewußt oder gelernt haben. Aus all diesen Gründen ist Bildung nicht nur „das, was übrig bleibt, wenn man vergessen hat, was man gelernt hat.“
Der Protokollant
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