Verkehrsprobleme.
Pfingsten 2001
Einsamkeit, schon ziemlich dicht
Kaum mehr Konturen, schwaches Licht
Im Abendrot hält der Galan
Die Freundin zum Abortus an
Und nebenan stößt sich ein Weib
Ein Messer in den Unterleib
Sie herrscht den Mann an, der da staunt:
„Was willst Du denn, das ist erlaubt!“
Das tote Kind liegt stumm am Weg
Wo es noch seinen Ranzen trägt
Über sein Antlitz läuft ein Mal:
Breitreifen, von ‚Continental’.
Der Fachmann hält dagegen: „Nee“,
Sagt der, „die sind von Übersee.
Hier, das Profil macht es ganz klar:
Der Reifen wohl von ‚Goodyear’ war.
Das Kind war schuld, es musste seh’n:
Bei Rot darf es nicht fahr’n noch geh’n.“
„Im Unterricht bring’ ich das ein:
Es soll euch eine Lehre sein!
Also, didaktisch ist das klar
Dass das so nicht in Ordnung war.
Ob Ampel oder Zebrastreifen...
Kann ein Kind denn das begreifen?“
„Ich muss zur Schule, bin zu spät
Die lachen, halten mich für blöd
Ich kriege Angst, mir wird’ ganz dumm
Mir fehlt jede Entschuldigung
Schnell noch hinüber, ob das geht?“
Oh nein!“ Aber es ist zu spät:
Das tote Kind liegt stumm am Weg
Wo es noch seinen Ranzen trägt....
Aus der Verwaltung dröhnt es hohl:
„Es geht hier nicht um's Kindeswohl
Es geht stattdessen, und vielmehr
Um den fließenden Verkehr!
Während der unablässig steht
Wenn wer über den Streifen geht.
Ein Zebrastreifen hält nur auf,
Wir bauen eine Ampel auf.“
(Das klärt auch, und schon vorderhand
Das Schuldproblem ganz elegant:
Denn Schuld hat, wer bei Rot nicht steht,
Auch wenn ein Kind das nicht versteht.
Während bei einem Zebrastreifen
Braucht ein Kind nichts zu begreifen
Als dass es frei ist ihn zu nützen
Während die Autos warten müssten.)
Die Erwachsenen, gebt fein acht
Haben im ganzen Land die Macht.
Die Kinder sind es, die vor allem
Vom Leben etwas lernen sollen.
Und das heißt dass in der Summe
Der Ohnmächtige stets der Dumme
Ist, und dass die Schuld
Zumeist auf seine Schultern fällt.
Im Dienst der eigenen Selbsterhaltung
Steh’n Orts- und Kommunalverwaltung.
Verkehrsfragen, die klärt man ja
Eher mit der IHK.
Man tauscht gern Zeit, denn die ist Geld
Gegen ein Kind weniger auf der Welt.
Jeder ist seines Glückes Schmied
Soll er auch seh’n, wie ihm geschieht.
‚Vor Ort’ geht alles noch viel dreister
Dort stellt man auch den Bürgermeister;
Und der kommt feiertags gut an,
Und gibt schon mal den Weihnachtsmann.
Erteilt den Eltern guten Rat:
Was man das Kind zu lehren hat
Nicht, dass der Mensch ein Raubtier ist,
Nein! dass er zahm, und friedlich ist.
Und Randvoll von Barmherzigkeit
Es sei denn dass er Hunger hat -
Was das Hänschen mal erfahren
Will getreu es weiter machen
Hat man es als Kind geschlagen
Wird es seine Kinder plagen
Und wird es dann Politiker
So wird es halt ein böser Herr
Und schlägt als Landesvater munter
Nach Lust und Laune Landeskinder:
„Ihr wollt Familie, Wohnung, Kinder?
Und ihr wollt Arbeit, Zeit und Geld?
Ja, guckt doch mal in andere Länder
Wo es am Notwendigsten fehlt.
Seid mobil und auch flexibel,
Haltet euch sonntags an die Bibel.
Setzt euch auch Prioritäten
(Unsere sind die Diäten).
Geht schaffen! Was, euch fehlt die Zeit?
Wir bauen einen Kinderhort.
Ihr zahlt dort ein, wir waschen gern
Den lieben Kleinen das Gehirn
Und sagt nicht etwa, das sei schlecht
Denn darauf habt ihr doch ein Recht.
Geht ihr für schlechte Löhne schaffen
Erzieh’n wir euer Kind zum Sklaven.
Das Personal, von uns erzogen
Ist uns deshalb sehr gewogen
Weil belohnt und ausgewählt
Von uns, und das ist es, was zählt.
Und so gewöhnt hat es uns gern
Und hört zunächst auf seinen Herrn.
So stellen wir euch alle Weichen
Und gehen dabei über Leichen
Doch seid ihr ja der Souverän
Wir aber dienen euch nur gern,
Und hinten dreh’n wir am Gerät
(Ihr müsst nicht wissen, wie das geht)
Doch immer können wir’s so dreh’n:
Ihr seid die Sklaven, wir die Herrn.
Doch ansonsten ohne jede Pflicht
Denn ernähren müssen wir euch nicht.
Die neue Selbstverantwortlichkeit
Hat zwar nicht euch, doch uns befreit.
Die Sklaverei, könnt ihr begreifen?
War so was wie ein Zebrastreifen
Jetzt gilt: Geht ihr - nach Wunsch - bei Rot
Dann seid ihr, wenn es gut geht, tot."
Verkehrsprobleme II.
„Ach ja, Verkehr, da fällt mir ein:
Es muss doch heute ‚Stichtag’ sein“,
Brüllt der betrunk’ne Souverän:
„Da muss ich jetzt nach Hause geh’n.
Dort harrt voll Sehnsucht meine Frau.
Ich mach’ sie fertig, diese Sau.“
Schnell noch’n Bier und einen Korn;
Ich mach’s von hinten und von vorn.
Ich pfeif’ auf Hegel und Adorno
Und guck’ viel lieber einen Porno.
Was, Du bist schwanger?, so `ne Scheiße,
Ich verpiss’ mich besser leise.
Soll doch wer will den Vater machen
Ich packe meine sieben Sachen.
Du konntest das doch auch verhüten
Ich werd’ mir eine Wohnung mieten.“
Lieber Leser, bleibe heiter
Ersteige die Karriereleiter
Und sie was die Modernität
An Vorteilen zu bieten hat
Bleibt auch der Sinn längst auf der Strecke:
Kaufe, arbeite und verrecke.
Hauptsache ist es geht uns gut
Und nach uns erst kommt die Sintflut.
usw.
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